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GLEICHHEIT/3942: Italien - Das Kabinett von Mario Monti, eine Regierung der Banken


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Italien: Das Kabinett von Mario Monti - eine Regierung der Banken

Von Marianne Arens
18. November 2011


Am Mittwoch wurde der frühere EU-Kommissar, Banker und Wirtschaftsprofessor Mario Monti (68) als neuer Regierungschef im Quirinale, dem italienischen Präsidentenpalast, vereidigt, wo er auch seine Minister vorstellte. Am Donnerstag muss sich Monti im Senat einer Vertrauensabstimmung stellen, und für Freitag ist die gleiche Prozedur in der Abgeordnetenkammer vorgesehen.

Die neue italienische Notregierung ist eine Regierung der Wirtschaft und der internationalen Banken. Sie ist nicht demokratisch gewählt, sondern wurde auf Druck der Finanzmärkte durch den Staatspräsidenten eingesetzt worden, den 86-jährigen ehemaligen KPI-Mann Giorgio Napolitano.

Nur eine Woche vor der Vereidigung waren die Zinsen auf zehnjährige Staatspapiere am vergangenen Mittwoch auf das Rekordniveau von siebeneinhalb Prozent geklettert, was den Ausschlag für Silvio Berlusconis Rücktritt gegeben hatte.

Montis neue Minister sind allesamt so genannte Technokraten; kein bekannter Politiker ist darunter. Auch der Name von Giulio Amato, der als Außenminister im Gespräch war, wurde wieder gestrichen. Diese so genannten "Experten", die unabhängig von demokratischen Wahlen ihre Entscheidungen treffen, sollen möglichst wenig dem Druck der Bevölkerung ausgesetzt sein. Dagegen ist die Regierung verpflichtet, alle drei Monate über den Abbau der Staatsschulden dem Internationalen Währungsfonds Bericht zu erstatten.

Die Ressorts Wirtschaft und Finanzen übernimmt der neue Premier gleich selbst. Die übrigen Minister sind hauptsächlich hochrangige Bank- und Wirtschaftsmanager, Hochschulprofessoren (darunter viele Vertreter der katholischen Kirche) und hohe Staatsbeamte. Viele haben schon unter einer Mitte-Links-Regierung eine Rolle gespielt.

Eine Schlüsselstellung erhält der neue Minister für Wirtschaftsentwicklung, Corrado Passera (57), bisher Chef der Bank Intesa Sanpaolo, des zweitgrößten Kreditinstituts Italiens. Er kommt von der gleichen Wirtschaftsuniversität Bocconi wie Monti (in deren Verwaltungsrat er sitzt) und hat außerdem einen Business-Master der Wirtschaftsuniversität von Philadelphia (USA).

Passera hat unter anderem fünf Jahre für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet, später als Generaldirektor für den CIR-Konzern von Carlo De Benedetti, einem der größten Privatunternehmer des Landes. Unter der ersten Regierung Prodi leitete Passera von 1998-2002 die Umwandlung der italienischen Post vom Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft, wobei 22.000 Stellen gestrichen wurden.

Piero Gnudi (73), ein früherer Präsident des staatlichen Energiekonzerns Enel, wird Minister für Tourismus und Sport. Er war Wirtschaftsprofessor in Bologna und Mitglied des Industrieministeriums und hat die Privatisierung der staatlichen Holding IRI mitorganisiert. Außerdem ist er Führungsmitglied des Unternehmensverbands Confindustria und des Aspen-Instituts.

Außenminister wird Giulio Terzi di Sant'Agata (65), ein Jurist und langjähriger Diplomat auf internationalem Parkett. Er hat in den italienischen Botschaften in Paris, Vancouver, bei der NATO in Brüssel und bei den Vereinten Nationen in New York gearbeitet und ist aktuell italienischer Botschafter in Washington.

Da sich die Regierung weniger auf das Parlament stützen kann, wird sie stärker auf staatliche Organe wie die Polizei und das Militär angewiesen sein. Als Minister des Innern und der Verteidigung hat sich Mario Monti für zuverlässige Vertreter aus diesen Staatsapparaten entschieden. Sein neuer Verteidigungsminister ist Giampaolo Di Paola (67), ein hoher Marineadmiral, der sein ganzes Leben im Militär verbracht hat und zurzeit Präsident des NATO-Militärkomitees ist.

Als Innenministerin wurde Anna Maria Cancellieri (67) ernannt. Die studierte Politikwissenschaftlerin hat im Februar 2011 die kommissarische Verwaltung der Stadt Bologna übernommen, wo sie den Spitznamen "eiserne Lady" trägt. Vorher vertrat sie das Innenministerium schon mehrmals als Präfektin in den Städten Vicenza, Bergamo, Brescia, Catania und Genua.

Die Verbindung zum Vatikan wird durch mehrere katholische Professoren hergestellt: Kultusminister wird Lorenzo Ornaghi (63), Rektor der katholischen Universität von Mailand. Der Professor für Politikwissenschaft ist Vizepräsident der katholischen Tageszeitung Avvenire. Zwei weitere dem Vatikan verpflichtete Minister (ohne eigenen Geschäftsbereich) sind Andrea Riccardi und Piero Giarda.

Piero Giarda, Professor für Finanzwesen an der katholischen Universität von Mailand, wird die Verbindung zum Parlament aufrecht erhalten. Wie die meisten dieser Professoren-Minister hat auch Giarda eine Karriere in der Wirtschaft aufzuweisen: Er saß in der Leitung mehrerer Banken, Versicherungskonzerne und des Reifenherstellers Pirelli und war Vizestaatssekretär im Finanzministerium. Riccardi, Professor für Religionsgeschichte, wird für die internationale Kooperation zuständig sein. Riccardi ist Gründer der "Gemeinschaft Sant'Egidio", einer Art katholische Sekte, welche mit Unterstützung des Vatikans agiert.

Elsa Fornero (63) wird das Ministerium für Arbeit und Soziales übernehmen. Sie ist Professorin für Wirtschaftpolitik an der Universität von Turin und Dozentin in Maastricht, außerdem ist sie Vizepräsidentin des Aufsichtsrats der Bank Intesa Sanpaolo. Ebenfalls von der Turiner Universität kommt der neuer Bildungsminister Francesco Profumo (58), der sich vor einem halben Jahr als Kandidat der Demokraten (PD) für das Bürgermeisteramt von Turin beworben hat. Einen Master in Economics der Universität von Cambridge hat Fabrizio Barca, der neue Minister für den territorialen Zusammenhalt.

Paola Severino (63), Rektorin der Universität LUISS Guido Carli in Rom, wird künftig das Justizministerium leiten. Corrado Clini, ein Chirurg und Medizinprofessor aus Parma, wird Umweltminister. Der Jurist Mario Carania wird Landwirtschaftsminister.

Monti will sein Regierungsprogramm erklärtermaßen an den Forderungen der EU-Kommission orientieren. Oberste Priorität werden staatliche Sparmaßnahmen und die Privatisierung von Staatseigentum haben, damit der italienische Staat seine Schulden bei den Banken auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung weiter bedienen kann.

Es wird erwartet, dass Monti das Renteneintrittsalter schon früher als bisher geplant auf 67 Jahre anhebt und die letzten Frührentenregelungen abschafft, was einer Forderung der EU entsprechen würde.

Im letzten Jahrhundert war die italienische Rente die wichtigste Sozialversicherung. Wer 35 Jahre kontinuierlich Beiträge eingezahlt hatte, konnte schon mit 58 Jahren staatliche Rente beziehen, und oft waren ganze Familien von dieser Unterstützung abhängig. Diese Errungenschaft der Nachkriegszeit wurde zwar in den letzten zehn Jahren sowohl von Mitte-Rechts wie Mitte-Links systematisch angegriffen, soll aber jetzt endgültig beseitigt werden.

Außerdem will Monti den Verkauf staatlicher Immobilien beschleunigen, öffentliche Unternehmen privatisieren und eine Immobiliensteuer auf Eigentumswohnungen, die Berlusconi abgeschafft hatte, wieder einführen.

Eine weitere Forderung der EU und der italienischen Wirtschaft, die Monti erfüllen will, ist die Lockerung der Kündigungsbestimmungen. Dies wird von Wirtschaftsführern wie der Confindustria-Präsidentin Emma Marcegaglia und dem Fiat-Chef Sergio Marchionne ultimativ gefordert, aber auch die EU-Kommission hat dies schon verlangt. Es bedeutet einen Angriff auf die Nachkriegsverfassung Italiens und das nationale Arbeitsrecht und ist eine wichtige Voraussetzung, um das Lohnniveau zu senken.

Wie aktuell die Frage der Kündigungen ist, zeigt sich momentan in Sizilien, wo das traditionsreiche Fiat-Werk nächste Woche nach 41 Jahren die Pforten schließt. Die Arbeiter haben erst diese Woche erfahren, dass die Produktion nicht erst zum Jahresende, wie bekannt war, sonder schon am 23. November eingestellt wird. 1.500 Fiat-Arbeiter und 700 Beschäftigte der Vertragspartner werden in die Arbeitslosigkeit entlassen.

Im Gespräch ist auch die Einführung einer Vermögensabgabe, die vor allem dazu dienen soll, die so genannte "Linke" einzubinden. Die Vermögensabgabe ist die Hauptforderung, die Nichi Vendola, ehemaliger Rifondazione-Politiker und Gouverneur von Apulien, lautstark erhebt. Es handelt sich aber um eine einmalige Abgabe, die mehr der Kosmetik als dem Abbau der Schuldenlast dienen wird.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 18.11.2011
Italien: Das Kabinett von Mario Monti - eine Regierung der Banken
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2011