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GLEICHHEIT/4293: Peruanischer Präsident verhängt wieder Notstand, um Bergarbeiterproteste zu bekämpfen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Peruanischer Präsident verhängt wieder Notstand, um Bergarbeiterproteste zu bekämpfen

Von Armando Cruz
11. Juli 2012



Letzte Woche wurde Peru von Protesten und deren gewaltsamer Niederschlagung erschüttert, als Präsident Ollanta Humala in der nordperuanischen Hochlandregion Cajamarca zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten den Notstand verhängte. Das Ziel der Regierung ist es, eine starke Widerstandsbewegung gegen das Bergbauprojekt Conga zu unterdrücken. Das Vorhaben, bei dem es um mehrere Milliarden Dollar geht, könnte der Umwelt der Region unheilbare Schäden zufügen.

Die drastische Unterdrückung eines unbegrenzten Generalstreiks forderte fünf Todesopfer, etwa 45 Verwundete und 25 Verhaftungen in Cajamarca. Regionalpolitiker, Umweltparteien und linke Kollektive kämpfen gegen das Projekt, seit es im November bewilligt worden war.

Eine Welle von Kämpfen in Cajamarca und anderen Teilen von Peru trieb Humala scharf nach rechts, obwohl er die Wahl mit populistischer und nationalistischer Rhetorik gewonnen hatte. Er bildete sein Kabinett um, sodass jetzt mehr Hardliner darin sind, und verhängte am 32. Tag des Generalstreiks in Cajamarca den Notstand.

Außer den Zusammenstößen in Cajamarca gab es noch einen unbegrenzten Lehrerstreik in den Regionen Cuzcu, Apurimac, Abancay und Tacna, zu dem die Gewerkschaft SUTEP aufgerufen hatte. In Apurimac wurden mindestens 49 Menschen bei Protesten und Straßensperren verletzt, die gleichzeitig in allen diesen Regionen stattfanden.

Die tragischen Opfer in Cajamarca entsprechen der Drohung, die Humala einige Tage vor den Todesfällen aussprach. Er warnte alle, die versuchen sollten, mit Gewalt gegen den Bau der Stauseen vorzugehen oder ihn zu behindern. Mit diesen Stauseen sollen vier Lagunen in der Umgebung ersetzt werden, die im Rahmen des Bergbauprojektes komplett geleert werden sollen.

Humala erklärte, die Regierung werde das "Recht auf Privateigentum" verteidigen, und wer diese Warnung nicht befolge, müsse "die Folgen tragen."

Der einzige, der wirklich beschlossen hat, nicht "die Folgen" für seine Aktionen zu tragen, ist der Präsident selbst. Inmitten der Zusammenstöße und der Gewalt war er feige aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit verschwunden und überließ es seinen Ministern, zur Nation zu sprechen. Auf einer Pressekonferenz lehnte sein Premierminister Oscar Valdes, ein rechter Ex-Militär, die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einem sofortigen Ende der Gewalt und der Herstellung der Bedingungen für eine Rückkehr zum Dialog durch die Zentral- und Regionalregierungen ab. Valdes erklärte arrogant, die Regierung wird "mit denen Dialog führen, die es wirklich wollen."

Justizminister Juan Jimenez rechtfertigte die Verhaftung und Misshandlung des ehemaligen katholischen Priesters Marco Arana, des Führers der Partei für Land und Freiheit und eines der aktivsten Führer der Protestbewegung in Cajamarca.

Seine Verhaftung am 4. Juli, nachdem der Notstand bereits verhängt worden war, rief eine Welle der Empörung in den sozialen Netzwerken hervor, als ein Video auftauchte, das das Vorgehen der Sicherheitskräfte zeigt.

Arana hatte nichts anderes getan, als auf der Plaza de Armas auf einer Bank zu sitzen und ein kleines Schild mit der Aufschrift "Wasser ja, Gold nein" hochzuhalten. Er wurde von 40 schwerbewaffneten Polizisten brutal angegriffen. Das Video zeigt, wie Arana, ohne sich zu wehren, ruft "schlagt mich nicht!", während er gewaltsam und unter Rufen und Protesten der Umstehenden in ein geparktes Auto geschleppt wird. In den letzten Momenten des Videos sieht man eine Frau, die die Polizisten anschreit und wissen will, warum sie Demonstranten so behandelt. Ein Polizist schreit zurück: "Weil ihr verdammte Hunde seid!" So sind die Leute eingestellt, die Humala bis an die Zähne bewaffnet und auf das peruanische Volk loslässt.

Während dieser politischen Entführung konnte Arana eine Nachricht über Twitter schicken: "Sie haben mich verhaftet, sehr übel geschlagen, in der Polizeistation schlagen sie mich weiter, ins Gesicht, in die Nieren, sie beleidigen mich."

Arana wurde am nächsten Tag dank einem Habeas Corpus des nationalen Menschenrechtskoordinators freigelassen, in dem er die Humala-Regierung für ihre autoritäre Herrschaft kritisierte. Amnesty International veröffentlichte ebenfalls eine Stellungnahme, in der die Organisation forderte, den Notstand nicht als Blankoscheck für die Sicherheitskräfte zur Verletzung von Menschenrechten zu nutzen.

Das Conga-Projekt ist mit 4,8 Milliarden Dollar die größte ausländische Investition in der Geschichte des Landes. Humala zählt eindeutig auf brutale Unterdrückung des Widerstandes dagegen, um den multinationalen Konzernen zu zeigen, dass er bereit ist, unerbittlich ihre Interessen zu verteidigen. Erst vor knapp einem Monat brach in der Provinz Espinar in Cuzco eine ähnliche Krise aus, als die Bewohner sich gegen das üble Vorgehen eines anderen multinationalen Bergbaukonzerns wehrten. Dabei starben drei Menschen und Humala verhängte auch dort den Notstand.

Dennoch hat die Unterdrückung die Bevölkerung von Cajamarca nur noch zorniger gemacht. Sie kämpft gegen eskalierende Polizeigewalt praktisch gegen Kriegsrecht. Die Unterstützung für den Abbruch des Conga-Projektes ist in Cajamarca überwältigend hoch, und nicht nur hier. Beispielsweise gab es am 5. Juli in Miraflores, einem Stadtteil der Oberschicht in Lima eine große Demonstration.

Für die pseudolinken Kräfte, die Humala letztes Jahr bei der Wahl unterstützt und Illusionen in seine Wahlkampfversprechen geschürt haben, ist der Sturm der Gewalt, der das Land in der vergangenen Woche erschüttert hat, ein Schlag ins Kontor. Sie fühlen, dass die Toten und die Unterdrückung das Ansehen der Regierung beschädigen, und sie die Kontrolle über das Land völlig verlieren könnte. Sie argumentieren, dass es einen Ausweg gibt, wenn Humala die Forderungen des Volkes akzeptiert. Gleichzeitig behaupten sie, der Rechtsruck der Regierung sei nicht die Schuld des Präsidenten, sondern des Kabinetts, vor allem des verhassten Ex-Offiziers und Premierministers Oscar Valdez.

Deshalb veröffentlichte La Primera - eine Zeitschrift, die als Sprachrohr für die Pseudolinken dient, die im Umfeld der Gewerkschaftsbürokratie aktiv sind - auf seiner Titelseite eine Foto von Premierminister Valdez zusammen mit Innenminister Wilver Calle, mit der Überschrift "sie müssen weg" ohne mit einem Wort Humala zu erwähnen. La Primera unterstützt auch die Idee, dass katholische Priester als Vermittler im Konflikt in Cajamarca aktiv werden sollten.

Was die Führer der Bewegung in Cajamarca angeht, so haben sie trotz ihrer kämpferischen Haltung gegenüber der Regierung immer noch Illusionen, Humala wäre einem Dialog mit ihnen nicht abgeneigt. Der Präsident der Region, Gregorio Santos rief sogar auf Humala so zu vertreiben, wie der Expräsident von Ecuador Lucio Gutierrez vertrieben worden war.

Der gleiche Santos schreibt in der Wochenzeitung Hildebrandt en sus trece des linken Journalisten Cesar Hildebrant, er sehe immer noch die Möglichkeit, Humala zur Vernunft zu bringen.

In den letzten Wochen sind Fotos und Videos aufgetaucht, die zeigen, wie die Polizei in Cajamarca nicht nur in Streifenwagen herumfährt, sondern auch in Privatautos, darunter einem Bus mit dem Logo von Yanacocha, dem Konzern, der das Conga-Projekt durchführt. Roque Benavides, der oberste Manager von Buenaventura, dem peruanischen Bergbaukonzern, der die Betreibergesellschaft Yanacocha zusammen mit dem multinationalen Bergbaukonzern Newmont besitzt, ist einer der reichsten Männer Perus. Er widersprach in einem Interview mit der Zeitung La Republica den neuesten Versprechen von Präsident Humala, dass die vier Lagunen nicht beeinträchtigt sein würden. Benavides stellte klar, dass die Lagunen von dem Projekt betroffen sein und von Stauseen ersetzt werden. Dies werde der erste Teil des Projektes sein, der umgesetzt wird, um der Bevölkerung zu zeigen, dass "Wasser mehr wert ist als Gold."

Dennoch tauchen Berichte auf, dass das Wasser im Stausee San Jose, der vor zwei Jahren von Yanacocha angelegt worden war, praktisch restlos verbraucht ist.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.07.2012
Peruanischer Präsident verhängt wieder Notstand, um Bergarbeiterproteste zu bekämpfen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2012