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GLEICHHEIT/4478: Israel greift Gazastreifen an


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Israel greift Gazastreifen an

Von Bill Van Auken
16. November 2012



Am Mittwoch führte Israel die schwersten Bombenangriffe auf Palästinensergebiet im Gazastreifen seit der Operation Gegossenes Blei am Jahreswechsel 2008-2009 durch. Die Aktion begann mit der gezielten Tötung eines hohen Hamas-Führers.

Ahmed al-Dschabari, Chef des militärischen Hamas-Flügels, wurde Mittwochnachmittag zusammen mit einem anderen Hamas-Mitglied getötet, als ein israelischer Raketenangriff sein Auto zerschmetterte.

Der Angriff mit dem Codewort "Säule der Verteidigung" wurde bis Mittwochabend mit Dutzenden weiteren Luftschlägen auf Ziele im Gazastreifen fortgesetzt. Auch israelische Panzer feuerten in dicht bewohnte Gebiete, und israelische Kriegsschiffe beschossen das Gebiet vom Meer aus.

"Schwere Explosionen erschütterten den Gazastreifen, als die israelische Luftwaffe kurz vor Sonnenuntergang gegen ausgewählte Ziele losschlug. Riesige Pilze aus Rauch und Schutt stiegen über der belebten Stadt hoch in den Himmel", berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. "Zivilisten rannten panisch in Deckung, und die Zahl der Todesopfer stieg schnell an."

Bis zum frühen Abend waren schon mindestens neun Palästinenser tot, unter ihnen zwei kleine Mädchen unter fünf Jahren, berichtete das Gesundheitsministerium in Gaza. Mindestens 64 Menschen wurden verwundet, und die Zahl der Bombenopfer stieg rasch an.

Gazas Gesundheitsminister Dr. Mofed Al Makhalalaty gab vor dem Al Schifa-Krankenhaus in Gaza City eine Pressekonferenz. Er forderte ein internationales Eingreifen, um ein weiteres Massaker in Gaza wie 2008-2009 zu verhindern. Er sagte, die chronische Mangelsituation bei Medikamenten und medizinischen Materialien werde durch die zahlreichen Opfer noch verschärft. Wenn die Angriffe weitergingen, werde das Krankenhaus nicht mehr in der Lage sein, die Opfer zu versorgen.

Hohe israelische Sprecher drohten derweil, dass die Luftschläge fortgesetzt und ausgeweitet werden könnten, und dass Vorbereitungen für eine Bodeninvasion getroffen würden.

Die Angriffe vom Mittwoch waren offenbar von langer Hand vorbereitet worden. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak warnte: "Wenn es notwendig ist, wieder in Gaza einzumarschieren, um die Sicherheit israelischer Bürger sicherzustellen, werden wir nicht zögern, es zu tun." Diese Drohung wurde am Mittwoch vom obersten israelischen Militärsprecher Brigadegeneral Yoav Mordechai mit den Worten bekräftigt: "Wir sind vorbereitet. Wenn nötig, steht uns die Option eines Einmarschs von Bodentruppen zur Verfügung."

Im Süden sind zusätzliche Infanterieeinheiten aufmarschiert und Reservisten sind für eine mögliche Bodeninvasion eingezogen worden.

Nur wenige Tage vor der jüngsten Offensive erklärte der Verteidigungsminister für die Heimatfront und ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Avi Dichter, der für die so genannten "gezielten Tötungen" Israels verantwortlich war, vor der Presse: "Wir haben keine andere Wahl; Israel muss Gaza umgestalten und neu ordnen, wie wir das in Judäa und Samaria mit der Operation Verteidigungsschild getan haben."

Er bezieht sich damit auf die grausame israelische Invasion im Jahr 2002 und die erneute Besetzung von Jenin und fast aller größeren Städte auf der besetzten Westbank. Dort fand ein besonders brutaler Angriff auf ein Flüchtlingslager statt, der 52 Palästinenser das Leben kostete. Bei der gesamten Operation kamen 216 Palästinenser ums Leben, und 416 wurden verwundet.

Teil dieser Kampagne war damals eine andauernde Belagerung des Sitzes von Palästinenserführer Jassir Arafat in Ramallah. Sie wurde erst nach einem Abkommen aufgehoben, das auf Druck der USA zustande kam. Innerhalb eines Jahres übergab Arafat den Posten des Ministerpräsidenten an Mahmud Abbas, und kurze Zeit später verstarb er unter verdächtigen Umständen.

Dichters Erklärungen deuten darauf hin, dass Israel eine Invasion in Gaza plant, um die Hamas gewaltsam zu stürzen und durch ein Regime zu ersetzen, das den israelischen Interessen gegenüber offener ist.

Andere Erklärungen deuten darauf hin, dass Israel vielleicht eine umfassende Mordkampagne wie in 2004 plant, als mehrere hohe Halmas-Vertreter sowie Dutzende palästinensische Zivilisten durch Luftangriffe auf Gaza getötet wurden. Hinweise darauf gab die israelische Armee auf Twitter: "Wir empfehlen keinem Hamas-Führer, ob hochrangig oder nicht, in den nächsten Tage die Nase aus seinem Versteck zu strecken."

Zweifellos hat die jüngste israelische Aggression auch eine starke politische Komponente. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Januar eine Wahl zu bestehen. Israelische Regierungen haben eine lange Tradition, militärische Konfrontationen und Sicherheitsprobleme zu schüren, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von sozialen Verschlechterungen und Korruptionsskandalen in Israel selbst abzulenken.

Vor der jüngsten israelischen Offensive hatte ein von Ägypten vermittelter Waffenstillstand gerade erst eine Konfrontation weitgehend beendet, die am vergangenen Samstag begonnen hatte. Palästinensische Kämpfer hatten eine Panzerabwehr-Rakete auf einen israelischen Jeep abgefeuert und dabei vier Soldaten verwundet. Der Angriff war eine Reaktion auf wiederholte Vorstöße israelischer Panzer und Bulldozer über den Grenzzaun hinaus, der die palästinensische Bevölkerung in dem praktisch größten Freiluftgefängnis der Welt mit 1,7 Millionen Menschen einsperrt.

Israel antwortete mit heftigen tödlichen Luftschlägen auf zivile Ziele in Gaza. Palästinenser feuerten ebenfalls, wenn auch weitgehend wirkungslos, Raketen auf den Süden Israels ab. Vom 8. bis zum 13. November wurden nach Angaben des palästinensischen Menschenrechtszentrums von den israelischen Luftschlägen mindestens sechs Palästinenser getötet, darunter drei Kinder. 52 wurden verwundet, darunter zwölf Kinder und sechs Frauen.

Vor den jüngsten Auseinandersetzungen wurden dieses Jahr bis zum 6. November 71 Palästinenser bei israelischen Angriffen auf Gaza getötet und 291 verwundet. Im gleichen Zeitraum forderten die Angriffe aus dem Gazastreifen auf Israel keine Todesopfer und neunzehn verletzte Israelis.

Bei der letzten großen Bodenoffensive gegen Gaza, der Operation Gegossenes Blei (2008-2009), wurden mindestens 1.400 Palästinenser getötet, etwa die Hälfte davon Zivilisten. Bei der Operation kamen dreizehn Israelis ums Leben, bis auf drei alle Soldaten.

Der jüngste israelische Angriff auf Gaza hatte, wie vorher die Operation Gegossenes Blei, die volle Unterstützung Washingtons. Der israelische Präsident Schimon Peres gab bekannt, dass er Präsident Barack Obama eine halbe Stunde nach dem Mordanschlag auf Dschabari in einem Telefongespräch über den Angriff informiert habe. Er nannte Dschabari einen Massenmörder. Im gleichen Telefongespräch gratulierte er dem amerikanischen Präsidenten zu seiner Wiederwahl.

Das US-Außenministerium hat die israelische Aggression inzwischen voll unterstützt und macht ausschließlich Hamas für den Tod der Palästinenser verantwortlich.

"Für die Gewalt der Hamas und anderer Terrororganisationen gegen das israelische Volk gibt es keine Rechtfertigung", erklärte Außenamtssprecher Mark Toner. "Wir fordern die Verantwortlichen auf, diese feigen Taten sofort einzustellen. Wir verteidigen Israels Recht auf Selbstverteidigung, und wir fordern Israel auf, auch weiterhin alles zu tun, um zivile Opfer zu vermeiden."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 16.11.2012
Israel greift Gazastreifen an
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2012