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GLEICHHEIT/4772: Die Schuldenlast in der Euro-Zone wächst weiter


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Schuldenlast in der Euro-Zone wächst weiter

Von Stefan Steinberg
26. Juli 2013



Die neuesten Zahlen der Statistik Agentur Eurostat zeigen, dass die die Schuldenlast in der Eurozone nach drei Jahren intensiver Sparmaßnahmen weiter ansteigt. Die am Montag veröffentlichten Zahlen belegen, dass die Schulden der 17 Länder der Eurozone am Ende des ersten Quartals dieses Jahres auf ein Allzeithoch gestiegen sind.

Dem EU Amt für Statistik zufolge stiegen die Staatsschulden im ersten Quartal 2013 auf einen Rekordwert von 92,2 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Euro-Zone. Dem stehen 90,6 Prozent im Vorquartal und 88,2 Prozent im gleichen Zeitraum vor einem Jahr gegenüber.

Athen hat kürzlich seinen siebten Sparhaushalt verabschiedet. Griechenland war das erste Land der Eurozone, das nach der Krise von 2008 weitgehenden Sparmaßnahmen unterworfen wurde, hat die höchste Schuldenlast in der Euro-Zone von 160,5 Prozent des BIP. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Stand aus dem Vorquartal von 156,9 Prozent und dem Niveau des Vorjahres von 136,5 Prozent.

Die zweithöchste Schuldenquote in der Eurozone im Verhältnis zum BIP hat Italien mit 130,3 Prozent.

Auch in der Europäischen Union als Ganzes ist die Gesamtverschuldung gestiegen. Dabei haben einundzwanzig EU-Staaten einen Anstieg ihrer Verschuldung im Verhältnis zum BIP am Ende des ersten Quartals 2013 im Vergleich zum vierten Quartal 2012 registriert. Nur sechs verzeichneten einen Rückgang.

Die höchsten Anstiege der Schuldenquote im Laufe des Quartals wurden in zwei Staaten verzeichnet, die EU-Rettungspakete und Sparmaßnahmen unterworfen waren - Irland (ein Plus von 7,7 Prozent) und Spanien (plus 4,0 Prozent), und auf dem dritten Platz Belgien (4,7 Prozent).

Diese Daten bestätigen, dass die von der Troika - aus Internationalem Währungsfonds, der EU Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) - diktierten Sparmaßnahmen seit 2009 nichts mit ihren erklärten Ziel, die Finanzen und Budgets der europäischen Volkswirtschaften ins Reine zu bringen, zu tun haben. Stattdessen ist der Abbau von Arbeitsplätzen und sozialen Diensten, die für zig Millionen in ganz Europa in Arbeitslosigkeit und Armut münden, eine bewusst durchgeführte Politik, um die Klassenverhältnisse grundlegend umzugestalten. Eine der wichtigsten Konsequenzen daraus ist, das sich der Reichtum und die Macht der Banken erhöhen.

Die Gewinne der Banken steigen wieder einmal, und führende Börsen in Europa nähern sich erneut ihren Höchststand von 2007 bis 2008. Die Hauptquelle der neuen Vermögen, die die Banken einstreichen, sind praktisch kostenlos zur Verfügung gestellte Kredite, die sie von den wichtigsten Zentralbanken, einschließlich der EZB, erhalten.

Ein weiteres Indiz für die Vertiefung der Rezession in Europa geht aus den jüngsten Statistiken hervor, die zeigen, dass die Banken immer weniger Kredite an Unternehmen vergeben. Die Kreditvergabe der Banken an den privaten Sektor im Euroraum sank in den letzten drei Monaten vor dem Mai um jeweils 1,1 Prozent, also im Durchschnitt um mehr als drei Prozent. Da die nationalen Haushalte in Europa aufgrund sinkender Steuereinnahmen schrumpfen, fehlen den Unternehmen die Kredite, die sie benötigen um in Expansion und zukünftige Produktion zu investieren.

Stattdessen finden es die Banken lukrativer, billiges Geld von der EZB leihen. Dann nutzen sie diese Mittel, um Staatsanleihen zu kaufen und verkaufen, wobei in einigen Fällen mit Zinssätzen von sechs bis sieben Prozent gehandelt wird.

Für ihre Rolle bei diesem Vorgang kann die EZB auch damit rechnen, einen gesunden Gewinn zu machen. Ein Artikel der Financial Times vom Dienstag mit dem Titel "Hilfsprogramme können den Zentralbanken Gewinne bringen " enthüllt, dass die EZB einen Nettogewinn von bisher siebzig bis achtzig Milliarden EUR für ihre Investitionen im Süden Europas erwarten kann. Rund neun Milliarden Euro Gewinn fallen allein für ihre Investitionen in griechischen Schulde an.

Die zunehmenden rezessiven Tendenzen in Europa sind bisher von den Medien der größten Volkswirtschaft Europas, Deutschland, weitgehend ignoriert worden. Angesichts einer im September bevorstehenden Bundestagswahl, ist keine der großen Parteien darauf vorbereitet, die explosiven wirtschaftlichen und politischen Folgen für die deutsche Bevölkerung bei einem neuen Ausbruch der Euro-Krise zu melden.

Andere Medienquellen sind nicht so zurückhaltend. Ein kürzlich erschienener CNBC Artikel mit dem Titel "Braut sich in der Euro-Zone ein großer Sturm zusammen?" stellt fest, dass die Wirtschaftskrise in Europa durch politische Krisen in mehreren wichtigen Ländern verschärft werde, was " unmittelbar nach Deutschlands Wahlen im September erneut zu Instabilität auf dem Kontinent führen könnte."

Der Artikel listet dann europäische Länder auf, die von politischen Unruhen geplagt sind und sich mit wachsendem Widerstand der breiten Masse der Bevölkerung konfrontiert sehen.

Das Schicksal der spanischen Regierung hängt in der Schwebe, seit an die Öffentlichkeit gedrungen ist, dass der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine Volkspartei tief in die Finanzierung mit illegalen schwarzen Kassen verstrickt sind, während sie dem Rest des Landes brutale Sparmaßnahmen auferlegen.

In Portugal hängt die Regierung nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen der Regierungskoalition und der Sozialistischen Partei an einem seidenen Faden. Dabei geht es um den Abschluss eines "Vertrags zur Rettung der Nation" - d.h. zur Umsetzung von noch mehr Austeritätspolitik.

Die griechische Regierung hat ebenfalls eine recht dünne Mehrheit und ist mit einer zunehmenden Opposition gegen ihre Pläne, Tausende von Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu entlassen, konfrontiert. Die wachsende Schuldenlast des Landes bedeutet, dass es wahrscheinlich vor Ende des Jahres zusätzliche Mittel von der EU beantragen muss. Zypern steht auch vor zunehmenden Problemen bei der Rückzahlung der laufenden bestehenden Darlehen von der Troika.

Ein hochrangiger europäischer Wirtschaftswissenschaftler Marchel Alexandrowitsch, äußerte gegenüber CNBC, dass die Situation in Europa "unnatürlich ruhig" sei. Er sagte, besorgt sei er "am meisten über die Risiken eines Zusammenbruchs der Regierungen in Italien und Spanien". Die vor Kurzem gegründete italienische Regierungskoalition, bestehend aus der Demokratische Partei, die von Enrico Letta geführt wird, und Silvio Berlusconis Partei Volk der Freiheit, ist auch von Konflikten zerrissen und steht unter dem starkem Druck der Banken, mehr Sparmaßnahmen umzusetzen.

Die oben genannten Länder produzieren zusammen mehr als 50 Prozent des Brutto Inlandsprodukts der Eurozone. Eine Intensivierung der wirtschaftlichen und/oder politischen Krise in einem dieser Länder würde zu einer erneuten Anstieg der Zinsen für Anleihen führen, was wiederum droht, einen negativen Dominoeffekt für alle südeuropäischen Ländern auszulösen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.07.2013
Die Schuldenlast in der Euro-Zone wächst weiter
http://www.wsws.org/de/articles/2013/07/26/euro-j26.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013