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GLEICHHEIT/5076: Richter erklärt Antrag auf Überwachung für unvereinbar mit Verfassung


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Richter erklärt Antrag auf Überwachung für unvereinbar mit Verfassung

Von Thomas Gaist
22. März 2014



Der Bundesrichter John M. Facciola hatte Anfang März einen Antrag der US-Regierung auf Genehmigung der Durchsuchung und Beschlagnahme von elektronischen Daten abgelehnt, die auf Anlagen von Apple gespeichert sind.

Der Antrag, den Facciola am 7. März 2014 zurückgewiesen hatte, gilt als der jüngste einer ganzen Reihe von "zu allgemein gefassten Anträgen auf Durchsuchungen und Beschlagnahmungen" und "verfassungswidrigen Anträgen," die die US-Regierung beim Bezirksgericht von Washington DC gestellt hat. Facciola bezeichnete den Antrag der National Security Agency auf fast unbegrenzte Vollmachten, als "unvereinbar mit dem vierten Zusatzartikel der Verfassung."

Bei dem Antrag auf Überwachung ging es um Informationen bezüglich der Untersuchung von Bestechungszahlungen eines Rüstungsunternehmens. Die Einzelheiten dazu bleiben jedoch geheim.

Allerdings ist es erwähnenswert, dass es bei dem Antrag auf Überwachung, den Facciola zurückgewiesen hat, um strafrechtliche Ermittlungen geht, die nichts mit Terrorismus zu tun haben. Dass zeigt, dass die Blankovollmachten, die die Obama-Regierung der NSA für die Kontrolle der Internetaktivitäten von Personen gegeben hat, nicht nur in Fällen von Terrorismus eingesetzt werden, wie oft behauptet wird, sondern Teil eines Programms sind, durch das die amerikanische Bevölkerung in großem Ausmaß rechtswidrig überwacht wird.

In Facciolas Urteil heißt es in klaren und deutlichen Worten, dass die Obama-Regierung aggressiv und wiederholt umfassende, verfassungswidrige Vollmachten beantragt und dabei ignoriert hat, dass das Gericht auf spezifizierten, auf klare Ziele beschränkten Überwachungsanträgen besteht.

Richter Facciola schrieb: "Die Regierung stellt weiterhin übermäßig breit gefasste Anträge und versucht nicht, die Interessen der Strafverfolgung mit dem Bedürfnis der Inhaber von E-Mail-Accounts nach Privatsphäre bei ihren Kommunikationen in Einklang zu bringen. Die Regierung will Zugriff auf alle elektronisch gespeicherten Informationen von E-Mail-Accounts, unabhängig davon, ob sie für die Untersuchung relevant sind."

Facciola schrieb in der Begründung zu seiner Entscheidung, die US-Regierung habe in ihrem Antrag auf Überwachung umfassende und fast unbeschränkte Informationen über deren Zielpersonen genannt, die sie ermitteln wollte: "Alle Unterlagen und andere Informationen, die von einer Person, die den Account nutzt, gespeichert wurden, darunter Adressbücher, Kontakt- und Freundeslisten, Bilder und Daten... Alle Dateien oder anderen Informationen, die zur Identifizierung der Accounts beitragen, darunter die vollständigen Namen; Wohnsitze; Telefonnummern und andere Identifikationsmittel; Protokolle über Zeitpunkte und Dauer der Sitzungen; das Datum, an dem jeder einzelne Account eingerichtet wurde; die Betriebsdauer; die Art der Nutzung; die IP-Adresse; mit der jeder Account registriert wurde; Login-IP-Adressen, die mit Sitzungszeitpunkten und Daten assoziiert sind; der Account-Status; alternative E-Mail-Adressen, die bei der Registrierung angegeben wurden; Verbindungsmethoden; Log-Files und Zahlungsmittel (darunter alle Kreditkarten- und Bankkontonummern)."

Als Antwort auf diesen Antrag auf allumfassende Vollmachten erklärte Richter Facciola, die Regierung müsse jeden Punkt, den sie beantragt hat, einzeln mit hinreichenden Anhaltspunkten begründen.

"Dieses Gericht ist zunehmend besorgt über die Anträge der Regierung für Durchsuchungsbefehle nach elektronischen Daten. Im Wesentlichen fordert sie in ihren Anträgen Zugang zu sämtlichen Informationen, die mit einem bestimmten Account verbunden sind, selbst wenn nur für bestimmte Informationen hinreichende Anhaltspunkte angeführt wurden", schrieb Facciola.

"Es ist die Pflicht des Gerichtes, Anträge für Durchsuchungsbefehle abzuweisen, in denen keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen... Um die Vorgaben des vierten Zusatzartikels zu erfüllen und keine allgemeine Vollmacht auszustellen, muss ein Gericht vorsichtig sein, um sicherzustellen, dass für jeden Punkt, der im Antrag aufgeführt ist, angemessene Gründe bestehen... Jede Durchsuchung einer elektronischen Quelle hat das Potenzial, zehn- oder hunderttausende von individuellen Dokumenten, Bildern, Videos oder andere von der Verfassung geschützte Inhalte ans Licht zu bringen."

Facciola schrieb in seiner Begründung, die Regierung habe sich nie darüber geäußert, wie lange sie die Daten speichern werde, oder ob sie vorhabe, die Daten jemals zu vernichten.

Facciolas Urteil widerspricht einem früheren Urteil eines Richters aus Kansas, das der Regierung derartige uneingeschränkte Durchsuchungen von Yahoo-Accounts erlaubt hatte.

Facciolas Empörung darüber, dass er immer wieder Anträge für uneingeschränkte Vollmachten zur Überwachung erhält, zeigt nur die Aggressivität der Obama-Regierung bei der Ausweitung der offen verfassungswidrigen Überwachung. In Obamas Überwachungsstaat ist ein bloßer Verdacht der Regierung bereits Grund genug, alle nur erdenklichen Informationen über eine Person zusammenzutragen.

Das Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB), ein von der Exekutive eingesetztes Gremium, das "Reformen" des Überwachungsstaates vorschlagen soll, hielt am Mittwoch eine Anhörung über Absatz 702 des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) von 2008 ab. Dieses Gesetz ermöglicht die massive Überwachung der Weltbevölkerung.

Die Anhörung hat enthüllt, dass die großen Technologieunternehmen an der illegalen Überwachung beteiligt sind. Der NSA-Rechtsberater Rajesh De wurde bei der Anhörung gefragt, ob die Unternehmen von dem Überwachungsprogramm PRISM wussten und mit der NSA zusammengearbeitet hatten; er beantwortete die Frage mit "Ja."

Ein Mitglied des PCLOB wollte dies noch einmal bestätigt haben und fragte nach: "Wissen [die Technologieunternehmen] also, dass ihre Daten gesammelt werden?" De bestätigte: "Sie haben rechtliche Ratschläge erhalten, um die Regierung zu unterstützen."

Die Aussage hat die Lügen von Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, AOL und Apple widerlegt, die nach den von Edward Snowden enthüllten Überwachungsprogrammen der NSA allesamt abgestritten hatten, von PRISM zu wissen. Facebook hatte beispielsweise in einer öffentlichen Stellungnahme erklärt, es würde keiner staatlichen Organisation Zugang zu seinen Servern gewähren. Tatsächlich haben Facebook und die anderen Technologiekonzerne enge Beziehungen zu den Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden.

De und sein Stellvertreter Brad Wiegmann lehnten in ihren Aussagen die Empfehlung des PCLOB ab, die NSA solle ihre Datensammlungen auf spezifische Ziele beschränken, für die jeweils eine eigene Vollmacht beantragt werden müsse.

Wiegmann erklärte: "Wenn man jedes Mal vor Gericht gehen müsste, um die Informationen einzusehen, die man hat, wäre das sehr umständlich - wie man sich denken kann."

De erklärte zu dem Thema weiter: "Diese Information steht der Regierung zur Überprüfung zur Verfügung."

Diese Aussagen deuten darauf hin, dass das Establishment der Geheimdienste alle Einschränkungen seines Vorrechts ablehnt, jeden Aspekt des Lebens der Bevölkerung nach eigenem Ermessen auszuspionieren. Das erstreckt sich sogar auf die rein kosmetischen Regulierungen, die das von der Obama-Regierung eingesetzte PCLOB vorschlägt.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.03.2014
Richter erklärt Antrag auf Überwachung für unvereinbar mit Verfassung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2014