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GLEICHHEIT/5258: Die Bundeswehr schickt erste Soldaten in den Nordirak


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Bundeswehr schickt erste Soldaten in den Nordirak

Von Wolfgang Weber
29. August 2014



Gestern wurde bekannt, dass die Bundeswehr bereits am Mittwoch erste Soldaten in den Irak geschickt hat. Es handelt sich um sechs Soldaten, die in Erbil ein so genanntes militärisches Verbindungselement einrichten, um die Lieferung von Waffen und Kriegsgerät zu koordinieren.

Obwohl es sich zunächst nur um eine geringe Zahl von Bundeswehrspezialisten handelt, ist der Einsatz der deutschen Soldaten im Irak von großer Bedeutung und kann sehr schnell ausgeweitet werden.

Als 2003 der Irakkrieg begann, stellte sich die Bundesregierung dagegen und sprach von einem militärischen Abenteuer. Nun hat sie den gegenteiligen Standpunkt eingenommen, schickt Waffen und Soldaten und will von Anfang an dabei sein.

Ursprünglich hieß es, die Hilfslieferungen und Waffen würden von UN-Mitarbeitern in Empfang genommen und verteilt werden. Nun hat die Regierung entschieden, dass die Bundeswehr diese Arbeit koordiniert und überwacht.

Der Presse- und Informationsstab der Bundeswehr gab bekannt, dass die erste Lieferung bereits zusammengestellt sei und bereits in diesen Tagen im Nordirak ankommen werde. Sie umfasst 4000 Schutzwesten, 4000 Gefechtshelme, Hunderte von Funkgeräten, Minensonden und Nachtsichtgeräte. Unionsfraktionschef Volker Kauder kündigte an, dass als nächstes so schnell wie möglich panzerbrechende Waffen, Minenräumgeräte, Gewehre und Munition folgen sollen.

Mit der Entsendung der Soldaten schafft die Bundesregierung vor der für Montag angesetzten Bundestagsdebatte vollendete Tatsachen. Sie demonstriert damit ihre Geringschätzung und Verachtung für das Parlament, dessen Aufgabe nur noch darin besteht, die bereits beschlossene und durchgeführte Aktion abzunicken.

Das militärische Eingreifen im Irak ist Teil der außenpolitischen Wende, die die Bundesregierung und der Bundespräsident zum Jahresanfang verkündeten. Sie wird von allen Bundestagsparteien unterstützt und in Form einer regelrechten Verschwörung der Eliten gegen den Widerstand der Bevölkerung in die Praxis umgesetzt.

Die Parlamentsdebatte wurde erst beschlossen, als noch am selben Tag Meinungsumfragen bekannt wurden, denen zufolge über 70 Prozent der Bevölkerung gegen die Waffenlieferungen sind. Gleichzeitig wurde von den Regierungsparteien stets betont, dass der Bundestag n dieser Angelegenheit im Grunde überhaupt nichts zu sagen habe. Allein die Führung der Bundeswehr und ein kleiner Kreis von Regierungsmitgliedern hätten über das militärische Eingreifen entschieden und werden auch weiterhin über Umfang und Auswahl der Waffenlieferungen und einen Einsatz von Truppen entscheiden.

Noch im sogenannten "Sommer-Interview" im ARD-Fernsehen letzten Sonntag erklärte Bundeskanzlerin Merkel, dass es zu "Kampfeinsätzen deutscher Soldaten im Irak auf keinen Fall" kommen werde. Kaum vier Tage später, leitete sie mit der Entsendung der Bundeswehrsoldaten in den Irak eine Entwicklung ein, die sehr schnell zu Kampfeinsätzen führen kann.

Auch nach Afghanistan ist die Bundeswehr anfangs nur zu angeblich "rein humanitären Einsätzen" wie "Schulen bauen" und "Brunnen bohren" entsandt worden. Anschließend wurden zum Schutz dieser "humanitären Soldaten" schwerbewaffnete Soldaten nachgeschickt und Kampfeinsätze erlaubt. Am Ende führte die Bundeswehr dort Krieg, mit sehr brutalen Methoden, wie das Massaker von Kundus Herbst 2009 deutlich machte.

Bundeskanzlerin Merkel rechtfertigte ihr Vorgehen mit den "Gräueltaten der islamistischen IS-Milizen", die man als "Völkermord" bezeichnen könne. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann erklärte gegenüber dem Handelsblatt sogar, "dass im Irak der Völkermord tobt, und dass wehrlose Menschen in großer Gefahr sind und Hilfe und Unterstützung brauchen."

General Hans-Lothar Domröse versicherte, die Lage im Irak sei "dramatisch", doch könnten die kurdischen Milizen der IS "durchaus Paroli bieten". Sie seien in der Lage, sie zu bekämpfen, vorausgesetzt natürlich, sie würden schnell und umfassend bewaffnet.

In den Berichten über die Entsendung der deutschen Soldaten in den Medien wird stets hervorgehoben, dass auch die UNO vor "drohenden Massakern an Angehörigen religiöser Minderheiten wie der christlichen warnen. Außerdem wird betont, dass nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums inzwischen auch die USA, Kanada, Kroatien und Albanien, Italien, Frankreich, Dänemark und Großbritannien Waffen in das Kriegsgebiet liefern. Tschechien wolle mehrere Millionen Patronen für Kalaschnikow-Maschinenpistolen, Handgranaten und Panzerabwehrwaffen im Wert von 1,5 Millionen Euro bereitstellen.

Mit der Schilderung dieser wahren Flut internationaler Waffenlieferungen soll der Eindruck erweckt werden, das deutsche militärische Eingreifen im Irak sei nichts Besonderes und Deutschland befände sich damit in guter Gesellschaft. In Wirklichkeit bedeutet es den offenen Bruch mit dem seit dem Zweiten Weltkrieg von allen deutschen Regierungen beachteten Grundsatz, auf keinen Fall in Bürgerkriegen oder Kriegen irgendwo in der Welt mit eigenen Soldaten und Waffen einzugreifen und Partei zu nehmen.

Dieser Grundsatz war eine Reaktion auf die verheerenden Kriegsverbrechen des deutschen Imperialismus im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 war Deutschland durch die Westbindung wirtschaftlich und militärisch der dominierenden Weltmacht USA untergeordnet worden. Mit dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime und der Auflösung der Sowjetunion änderte sich die Situation und die Konflikte zwischen den Großmächten verschärften sich.

Mit atemberaubender Geschwindigkeit und Bedenkenlosigkeit tritt Deutschland seit dem Machtantritt der neuen Großen Koalition nun wieder als Weltmacht auf und setzt ihre aggressive, vor Kriegen nicht zurückschreckende Außenpolitik gegen den Widerstand der Bevölkerung durch.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 29.08.2014
Die Bundeswehr schickt erste Soldaten in den Nordirak
http://www.wsws.org/de/articles/2014/08/29/bund-a29.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2014