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GLEICHHEIT/5322: Amerikanische Waffen für al-Qaida


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Amerikanische Waffen für al-Qaida
Washingtons "Rebellen" in Syrien reichen diese Waffen weiter

Von Bill Van Auken
5. November 2014



Drei Monate nach Beginn des neuen US-Kriegs im Irak und in Syrien hat die amerikanische Strategie nun am vergangenen Wochenende offenbar Schiffbruch erlitten. In der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens ist eine der letzten Hochburgen von Washingtons angeblich "moderaten Rebellen" an die Nusra-Front, den syrischen Ableger von al-Qaida, gefallen.

Gleichzeitig mit dem Zusammenbruch der von den USA in Syrien unterstützten Milizen sind Pläne für ein umfangreiches Ausbildungsprogramm im Irak bekannt geworden: Die irakische Armee soll auf eine neue US-Offensive gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien (Isis) irgendwann im nächsten Jahr vorbereitet werden.

Beide Ereignisse zeigen, wie wenig verlässlich die Stellvertreterkräfte der Obama-Regierung sind, die in beiden Ländern für die USA die Kastanien aus dem Feuer holen sollen. Beides sind neue Hinweise darauf, dass Anzahl und Rolle der US-Truppen in dem neuen Nahostkrieg unvermeidlich zunehmen werden.

Washington Post-Korrespondentin Liz Sly, eine entschiedene Propagandistin der Freien Syrischen Armee und der so genannten "moderaten Rebellen" in den Medien, stellte in Frage, ob die FSA "die Prügel überleben kann, die sie in den vergangenen Tagen von der Nusra-Front bezogen hat". Sie wertete die Ereignisse in Idlib mit den Worten: "Die Rebellen befinden sich in Auflösung, und die Obama-Regierung kann ihre Hoffnung auf eine moderate Alternative zum syrischen Präsidenten Baschar al-Assad begraben."

Die FSA bezog ihre "Prügel", ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert worden wäre. Zwei von den USA unterstützte Gruppen, die Syrische Revolutionäre Front und Harakat Hazm (Standhaftigkeitsbewegung) kapitulierten, ohne dass sie der al-Qaida-Miliz den geringsten Widerstand geleistet hätten. Berichten zufolge soll ein großer Teil ihrer Mitglieder zur Nusra-Front übergelaufen sein, während andere getürmt seien.

Schon seit einem Jahr gibt es immer wieder Zusammenstöße zwischen verschiedenen Rebellengruppen, die an Intensität zunehmen. Die Nusra-Front und Isis (der al-Qaida Anfang des Jahres die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte), stellten sich gegen andere, von den USA unterstützte Gruppen und auch gegeneinander. Zum Teil geht es dabei um ideologische Differenzen zwischen Islamisten, oft aber auch um die Kontrolle über Öl- und Gasfelder, Grenzübergange und andere Einkommensquellen.

Einer der Gründe für die jüngsten Zusammenstöße sind offenbar die amerikanischen Luftschläge gegen die Nusra-Front in Syrien. Sie wurden unter dem Vorwand des Kampfs gegen eine bis dahin unbekannte Gruppe mit Namen "Khorasan" geführt, die angeblich Anschläge gegen den Westen plante. Die Nusra-Front, die vorher gemeinsam mit den vom Westen unterstützten Milizen gegen Isis gekämpft hatte, stellt sich gegen die von Washington unterstützten Gruppen, die sie als Bedrohung wahrnimmt. Die amerikanischen Angriffe haben die Beziehungen zwischen der Nusra-Front und Isis wieder geflickt, so dass sie in letzter Zeit in gemeinsamen Operationen kämpfen.

Die jüngste Entwicklung bedeutet, dass umfangreiche Waffenbestände, die von den USA geliefert wurden, von den so genannten Moderaten an die Nusra-Front ausgehändigt wurden. Darunter finden sich auch schwere Waffen wie panzerbrechende Raketen und Grad-Raketen. Die Nusra-Front wird von Washington auf einer Liste ausländischer Terrororganisationen geführt.

"Für die Vereinigten Staaten wird mit der Übergabe der von ihnen gelieferten Waffen an al-Qaida ein Alptraum war", kommentiert der britische Daily Telegraph.

Nachdem Dörfer überrannt wurden, die bisher von der Syrischen Revolutionären Front und Harakat Hazm gehalten wurden, sollen jetzt Kämpfer der Nusra-Front in der Nähe der türkischen Grenzstadt Bab al-Hawa Kräfte zusammenziehen. Diese Stadt liegt strategisch günstig; hier wurden in der Vergangenheit große Mengen Waffen und andere Versorgungsgüter von Washington und seinen Verbündeten an die "Rebellen" geschleust. Die Stadt ist auch eine wichtige Schmuggelroute, die jedem, der sie kontrolliert, beträchtliche Einnahmen sichert.

Trotz Unterstützung aus den USA, Saudi-Arabien, und den Golfmonarchien habe es die so genannten "moderaten Rebellen" nicht geschafft, zu einer ernstzunehmenden Kraft zu werden. Der vom Westen unterstützte Krieg für einen Regimewechsel in Syrien war immer von extremen islamistischen Gruppen wie Isis und der Nusra-Front dominiert. Trotzdem hatte Washington gehofft, sich für seinen Plan, 5.000 Kämpfer im Jahr für den Kampf gegen Isis und gegen Assad auszubilden, auf diese "moderaten" Milizen stützen zu können. Dieser Plan liegt nun in Schutt und Asche.

Ein Artikel des unabhängigen Journalisten Theo Padnos im Sonntagsmagazin der New York Times über seine Entführung und zweijährige Gefangenschaft bei der Nusra-Front ist ein lehrreiches Beispiel für die Verlässlichkeit und Bündnistreue angeblich "geprüfter" Kräfte.

In dem Artikel mit der Überschrift "Meine Gefangenschaft" berichtet Padnos, wie er nicht einmal, sondern zweimal seinen Gefängniswärtern von der Nusra-Front entkommen konnte und Hilfe bei den so genannten Moderaten von der FSA suchte, nur um postwendend wieder an die al-Qaida-Gruppe überstellt zu werden.

Er beschrieb auch, wie FSA-Kämpfer Seite an Seite mit der al Nusra-Gruppe kämpften, die ihn etwa zwanzig Meilen östlich von Damaskus gefangen hielt. Diese Kräfte berichteten ihm, dass sie kürzlich von einem Ausbildungslager der USA in Jordanien offensichtlich mit dem Auftrag zurückgekehrt seien, gegen die Nusra-Front und Isis zu kämpfen.

Auf die Frage von Padnos, was denn nun mit dem Kampf gegen die Nusra-Front sei, antwortete ein FSA-Milizionär: "Ach so, das. Darüber haben wir die Amerikaner belogen."

Im Irak berichtete die New York Times derweil am Montag, amerikanische und irakische Vertreter hätten sich auf "eine große Frühjahrsoffensive" gegen Isis geeinigt, die, so die Zeitung, mit "beträchtlichen logistischen und politischen Herausforderungen konfrontiert sein wird".

Im Zentrum dieser Pläne steht die Ausbildung von drei irakischen Divisionen durch die USA, d.h. von 20.000 Mann, die Einheiten ersetzen sollen, die angesichts der Isis-Offensive im Sommer auseinandergelaufen waren. Kommandeure waren desertiert, Soldaten hatten ihre Waffen weggeworfen, ihre Uniformen ausgezogen und waren um ihr Leben gerannt. Das Pentagon hatte in den letzten acht Jahren 25 Milliarden Dollar ausgegeben, um diese Kräfte auszubilden.

Zur Vorbereitung der geplanten Offensive hat das Pentagon der Times zufolge eine neue Taskforce unter dem obersten Armeekommandeur bei Centcom, dem Generalleutnant James Terry, gebildet. Die Zeitung berichtet, dass mit dem Fortgang der Vorbereitungen "die amerikanische Anwesenheit sich von Bagdad und Erbil auch auf andere Orte erstrecken wird", wie z.B. die überwiegend sunnitisch geprägte Provinz Anbar, die weitgehend von Isis überrannt wurde.

Unter Berufung auf hohe US-Vertreter berichtete die Times: "Die Armeeplaner haben Optionen entworfen, dass eine ganze Brigade von 3.500 Mann zusätzlich eingesetzt werden könnte, um die Beratungstätigkeit auszuweiten und den Neuaufbau der irakischen Armee zu beschleunigen."

Aber gleich wie viele US-Berater Washington in das Land schickt: die Widersprüche, die der US-Intervention zugrunde liegen, sind überwältigend. Ein großes Problem sind dabei die erbitterten religiösen Spaltungen, das Ergebnis von zehn Jahren amerikanischen Kriegs und Besatzung. Die irakische Armee, die nach amerikanischer Vorstellung hauptsächlich die Kämpfe in den überwiegend sunnitischen Regionen wie Anbar tragen müsste, besteht zu neunzig Prozent aus Schiiten und wird von der Bevölkerung dieser Gebiete als Besatzungsmacht aufgefasst. Zudem hat sich die Armee in den jüngsten Kämpfen stark auf schiitische Milizen gestützt, die offen ethnische Säuberungen gegen die sunnitische Bevölkerung betreiben.

Bis jetzt hat Washington versucht, diese Gegensätze zu übertünchen, und hat sporadische Luftschläge geführt, die gegen die Besetzung weiter Landstriche durch Isis im Irak und in Syrien kaum etwas bewirken. Der wirkliche Krieg hat noch nicht begonnen und wird erst ernsthaft losgehen, wenn die Halbzeitwahlen in den USA gelaufen sind. Angesichts des beklagenswerten Zustands von Washingtons Stellvertretertruppen sowohl im Irak, wie auch in Syrien, und angesichts seiner wahren Ziele, d.h. der imperialistischen Vorherrschaft im ganzen Nahen Osten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser neue Krieg von einer großen Zahl amerikanischer Bodentruppen geführt wird.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.11.2014
Amerikanische Waffen für al-Qaida
Washingtons "Rebellen" in Syrien reichen diese Waffen weiter
http://www.wsws.org/de/articles/2014/11/05/syri-n05.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2014