Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


GLEICHHEIT/6854: Ecuador - Polizei unterdrückt Massendemonstration für die Befreiung Julian Assanges


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Ecuador:
Polizei unterdrückt Massendemonstration für die Befreiung Julian Assanges

Von Bill Van Auken
19. April 2019


Am Dienstag demonstrierten im historischen kolonialen Stadtzentrum der ecuadorianischen Hauptstadt Quito tausende von Arbeitern und Jugendlichen für den Sturz von Präsident Lenin Moreno und Freiheit für den WikiLeaks-Gründer Julian Assange.

Diese Demonstration war eine der größten seit Moreno im Jahr 2017 sein Amt angetreten hat. Sie wurde brutal niedergeschlagen. Die Sicherheitskräfte setzten berittene Polizei, Kampfhunde und Tränengas gegen die Demonstranten ein, als sie sich bis auf zwei Häuserblocks der Plaza de la Independencia näherten, auf der sich der Präsidentenpalast Carondelet befindet. Dieser war durch ein schweres Aufgebot von Polizisten und bewaffneten Soldaten geschützt.

Mehrere Menschen wurden durch den Polizeiangriff verletzt, darunter zwei Pressefotografen. Mindestens sechs Personen wurden verhaftet.

Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift "Freiheit für Assange", viele trugen Assange-Masken vor dem Gesicht. Andere trugen Plakate mit Fotos und Zeichnungen von Assanges Katze, mit der sie sich über die Behauptung von Morenos Botschafter in London lustig machten, das Tier habe das Botschaftspersonal "ausspioniert".

Die Menge rief: "Moreno, du Heuchler und Verräter, das Volk lehnt dich ab!" Der Auslöser für die Demonstration unter dem Motto "Nicht ein Recht weniger" [#niunderechemenos] war die Entscheidung der Moreno-Regierung, ein Kommando der britischen Polizei in ihre Londoner Botschaft zu lassen, in der Assange seit 2012 im Asyl lebte. Assange wurde in eine britische Gefängniszelle geschleppt. Ihm droht die Auslieferung und ein Prozess in den USA, weil er es gewagt hatte, Beweisdokumente für die Kriegsverbrechen und globalen Verschwörungen der US-Regierung zu veröffentlichen.

Laut den Veranstaltern der Demonstration nahmen bis zu 20.000 Menschen teil. Zu den Organisatoren gehörte auch die Partei Revolución Ciudadana, die den ehemaligen Präsidenten und Moreno-Gegner Rafael Correa unterstützt.

Auf den Transparenten der Demonstranten waren Slogans zu lesen, die Moreno wegen seines Verhaltens gegenüber Assange als "Verräter" und "weltweite Schande" bezeichneten.

Auf einem der auffälligsten Transparente war zu lesen: "Assange ist Ecuadorianer". Dies bezieht sich darauf, dass dem aus Australien stammenden Journalisten 2017 die ecuadorianische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Als die Moreno-Regierung ihn der britischen Polizei aushändigte, wurde sie ihm rechtswidrig aberkannt. Auf einem anderen wurde Moreno gewarnt: "Assange wird dein Albtraum sein".

Der ehemalige Sprecher des ecuadorianischen Rats für Bürgerbeteiligung und soziale Kontrolle Edwin Jarrin, der ebenfalls an der Demonstration teilnahm erklärte: "Assange war der Auslöser". Weiter erklärte er, die Demonstration sei auch Ausdruck einer "kollektiven Empörung" über den Angriff auf Grundrechte, Massenentlassungen und die neoliberale Politik der Moreno-Regierung.

Die Moreno-Regierung setzt im Rahmen eines Deals mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) als Gegenleistung für einen Kredit in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar eine Reihe von "Strukturanpassungsmaßnahmen" durch. Dazu gehören die Aushöhlung des Arbeitsrechts, die Entlassung von 10.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Angriffe auf die Renten und starke Kürzungen der staatlichen Leistungen.

Moreno war unter Correa Vizepräsident und wurde von ihm persönlich als Nachfolger ausgewählt. Correa inszenierte sich als Teil der "Rosa Flut" und der "bolivarischen Revolution", d.h. der Machtübernahme von bürgerlichen populistisch-nationalistischen Parteien in Venezuela, Brasilien, Argentinien und anderen südamerikanischen Ländern. Jedoch leitete er selbst Schritte zu einer Annäherung an Washington ein, als sich der Rohstoffboom dem Ende zuneigte. Er unternahm außerdem die ersten Schritte, um Assange zum Schweigen zu bringen. Er stellte Assange den Internetzugang ab, nachdem WikiLeaks E-Mails des Nationalkomitees der US-Demokraten veröffentlicht hatte. Der Inhalt dieser E-Mails bewies, dass die Führung der Demokratischen Partei die Vorwahlen zum Nachteil von Bernie Sanders manipuliert hat, und dass Hillary Clinton in geheimen Reden versprochen hatte, die Interessen der Wall Street zu verteidigen.

Nach seiner Amtsübernahme forcierte Moreno den Rechtsruck deutlich. Sein Verrat Assanges an die britischen und amerikanischen Behörden war der Höhepunkt einer immer engeren Annäherung an Washingtons Außenpolitik und dessen Militär- und Geheimdienstapparat, der wieder Zugang zu Ecuador erhalten hat.

Dieser Rechtsruck und die zunehmenden Angriffe auf die Rechte und die Lebensbedingungen der ecuadorianischen Arbeiterklasse zogen in wachsendem Maße repressive Maßnahmen der Moreno-Regierung nach sich, die auch in Zusammenhang mit dem Fall Julian Assange stehen.

Als Reaktion auf die Demonstration am Dienstag versuchte die Moreno-Regierung, zwei der Hauptorganisatoren, den ehemaligen Außenminister Ricardo Patiño und den ehemaligen Abgeordneten Virgilio Hernández, unter fingierten Vorwürfen zu verhaften.

Auch der Schweizer Bürger Ola Bini wurde verhaftet und eingesperrt. Ihm wird vorgeworfen, er habe öffentliche und private Telefone gehackt. Der einzige "Beweis" besteht darin, dass er mit Assange befreundet war und ihn mehrmals in der ecuadorianischen Botschaft in London besucht hat.

Bini, der seit fünf Jahren in Ecuador lebt, arbeitete für eine Firma in Quito, die sich auf Internetsicherheit, Verschlüsselung und die Verbreitung kostenloser Software spezialisiert hat.

Seine Eltern veröffentlichten am Montag nach ihrer Ankunft in Quito eine Erklärung, dass ihr Sohn die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen habe. "Unser Sohn", heißt es darin, "hat kein System angegriffen, weder ein privates noch eines öffentliches." Sie erklärten der Presse, Freunde ihres Sohnes aus der ganzen Welt seien beunruhigt über seine Verhaftung in Ecuador, sie selbst seien gekommen, um "ihn nach Hause zu bringen."

Das Vorgehen gegen Bini steht im Zusammenhang mit den Vergeltungsmaßnahmen der Moreno-Regierung gegen die Enthüllung, dass der Präsident und seine Familie in einen massiven Korruptionsskandal verstrickt sind. Bestechungsgelder eines chinesischen Bauunternehmens in Höhe von mehreren Millionen Dollar sollen in ein Offshore-Konto geflossen sein, das nach den drei Töchtern des Präsidenten benannt ist.

Die Veröffentlichung der so genannten INA-Papiere, die diese Korruption aufgedeckt haben, stieß in den Medien auf große Resonanz. Bereits bevor WikiLeaks letzten Monat auf seinem Twitter-Account auf den Skandal hinwies, begann in Ecuador eine Untersuchung des Kongresses. Die Moreno-Regierung benutzte den Tweet, um WikiLeaks und Julian Assange persönlich anzugreifen. Trotz der umfassenden Überwachung und obwohl in der Londoner Botschaft Bedingungen herrschen, die an Isolationshaft grenzen, warf sie Assange vor, er habe die Telefone und Social-Media-Konten Morenos und seiner Familie gehackt, um Beweise für Korruption zu sichern.

Moreno inszenierte sich als Opfer einer Verletzung seiner Privatsphäre und äußerte seine Wut über die Veröffentlichung von persönlichen Fotos. Auf einem davon ist zu sehen, wie er im Bett Hummer isst, während seine Regierung gleichzeitig massive Entlassungen und Austeritätsmaßnahmen ankündigt.

Diese Woche, unmittelbar nachdem Assange von der britischen Polizei verhaftet wurde, nahm Moreno während eines Besuchs in Washington an einem öffentlichen Forum der Washingtoner Denkfabrik Inter-American Dialogue teil. Dort wiederholte er die Behauptung, er habe der britischen Polizei zu Recht erlaubt, die Botschaft in London zu betreten und Assange herauszuzerren, weil dieser die diplomatische Einrichtung in ein "Spionagezentrum" verwandelt habe.

Angesichts der Tatsache, dass Assange selbst vierundzwanzig Stunden am Tag überwacht wurde, ist diese Behauptung lächerlich. Sie stimmt jedoch mit der Haltung der Trump-Regierung überein, die der ehemalige CIA-Direktor und derzeitige US-Außenminister Mike Pompeo auf den Punkt gebracht hat. Dessen Behauptung, WikiLeaks sei ein "nichtstaatlicher feindlicher Geheimdienst", sollte Assanges Anklage nach dem Spionagegesetz in den USA erleichtern.

Moreno behauptet, sein Verrat an Assange werde von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Doch die Massenproteste in Quito waren Ausdruck der breiten Unterstützung für den mutigen Journalisten und der Wut von Millionen Ecuadorianern über die Tatsache, dass ihre Regierung eine Schachfigur der Interessen des US-Imperialismus geworden ist, dazu bereit, als Gegenleistung für einen möglichen Schuldenerlass und Handelsabkommen die schmutzigsten Verrätereien zu begehen.

Die Demonstranten in Quito sprechen für Millionen von Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt, die Abscheu und Empörung über die Inhaftierung von Julian Assange in Großbritannien und die Drohungen der Trump-Regierung empfinden, dass diese den WikiLeaks-Gründer rechtswidrig in ihre Gewalt bringen, ihn möglicherweise foltern oder sogar hinrichten könnte, weil er Kriegsverbrechen und diplomatische Verschwörungen der US-Regierung enthüllt hat.

Das Wiederaufleben der Kämpfe der Arbeiterklasse im Weltmaßstab ist die Grundlage für die Mobilisierung von massiver Unterstützung für die Verteidigung demokratischer Rechte und für die Freilassung von Julian Assange, Chelsea Manning und anderen, die im Gefängnis sitzen, weil sie die Verbrechen des Imperialismus enthüllt und bekämpft haben.

*

Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: sgp[at]gleichheit.de

Copyright 2019 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten

*

Quelle:
World Socialist Web Site, 19.04.2019
Ecuador: Polizei unterdrückt Massendemonstration für die Befreiung Julian Assanges
https://www.wsws.org/de/articles/2019/04/19/ecua-a19.html
Sozialistische Gleichheitspartei
Vierte Internationale (SGP)
Postfach 040 144, 10061 Berlin
Telefon: (030) 30 87 27 86, Telefax: (032) 121 31 85 83
E-Mail: sgp[at]gleichheit.de
Internet: www.wsws.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang