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GRASWURZELREVOLUTION/990: Räumung des Waldcamps


graswurzelrevolution 337, März 2009
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Räumung des Waldcamps

Am 18. Februar wurde das WaldbesetzerInnendorf gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens geräumt


(GWR-Red.) Um den Bau einer neuen Startbahn des Frankfurter Flughafens und die dafür vorgesehene Zerstörung großer Teile des Kelsterbacher Waldes zu verhindern, hatten seit Mai 2008 gewaltfreie AktivistInnen einen Teil des Waldes besetzt und dort ein Widerstandsdorf errichtet (vgl. GWR 332). Am 18. Februar 2009 wurde das Camp nun von zwei Polizeihundertschaften geräumt.


Die Polizei setzte u.a. Sondereinsatzkommandos und spezielle Kletter- und Techniktrupps ein. Ferner waren ca. 30 MitarbeiterInnen von Fraport vor Ort. Die Presse wurde zusammengepfercht und durfte nur aus der Ferne Aufnahmen machen und zuschauen.

"Demokratische Rechte waren außer Kraft gesetzt, es herrschte der Polizeistaat in Reinkultur, abgesichert über ein Urteil des Landgerichts Darmstadt, das von einem Ober-Gerichtsvollzieher vollstreckt wurde", so die BI gegen den Flughafenausbau am 19. Februar.

Bis etwa 11 Uhr ging es im Umgang mit den BaumbesetzerInnen noch etwas entspannter zu, wohl mit dem Kalkül, diese zu einem freiwilligen Abzug unter Zusicherung von Straffreiheit zu bewegen. Nachdem diese aber klar gemacht hatten, dass sie an ihrer Baumbesetzung festhalten, wurde eine ruppige Gangart eingeschlagen. Die SEKs haben von zwei Hubwagen aus die Robin-Wood-Plattform auseinander genommen. Die Räumung dauerte den ganzen Tag.

Bis 17 Uhr waren alle Plattformen geräumt. Es waren ca. 40 BesetzerInnen bei der Räumung im Camp, 19 von ihnen wurden festgenommen, da sie bereits einen Platzverweis erhalten hatten. Bis zum Abend wurden sie alle wieder frei gelassen. Der BI-Pressesprecherin wurde erlaubt, mit drei weiteren Personen in das Camp zu gehen, allerdings erst nach Diskussionen und einem Anruf beim Polizei-Oberchef. Die vier waren die einzigen ZeugInnen, da die Presse nicht zugelassen wurde. Die WaldbesetzerInnen, die von ihren Plattformen geräumt worden waren, wurden mehr oder weniger sich selbst überlassen, ohne Versorgung. Das übernahm dann die Pressesprecherin der BIs, die lange als einzige Zugang zum Camp hatte und den BesetzerInnen dort Getränke, Decken und Schokolade bringen* konnte. Zwei der BaumbesetzerInnen waren mit Rohren aneinander geschweißt. Beide hatten bei der brutalen Räumung aus den Bäumen Schuhe und Strümpfe verloren und saßen vier Stunden barfuß in der Kälte. Von der Polizei wurde ein großer Teil des Klettermaterials beschlagnahmt.

Die Bevölkerung wurde zwar durch den Zaun ausgesperrt und kam nicht bis zum Camp, aber es wurden von den Menschen vor Ort Essen und Getränke organisiert, den WaldbesetzerInnen wurden Ausweich- und Schlafquartiere angeboten. Die meisten von ihnen wollen aber im Wald bleiben.

Es wurde eine Mahnwache in einem Waldstück angemeldet, das nicht flur die Landebahn gerodet werden soll.

Im Laufe des Tages spitzte sich die Situation zu und der Druck von Fraport und Polizei, eine Entscheidung über die BI-Hütte zu treffen. Es gab das Angebot des Flughafenbetreibers, sie zu zerlegen und in einem städtischen Bauhof zu lagern.

Allerdings wollte die Fraport AG natürlich daraus ihr Kapital schlagen und das medial verwerten und ließ verlauten, sie handele hier im Einvernehmen mit den Bürgerinitiativen. Doch die BIs sind anderer Meinung:

"Die BI-Hütte bleibt an ihrem Ort, hier im Camp als Symbol des Widerstandes stehen, sollte sich jemand daran vergreifen, dann geschieht das gegen unseren Willen und unter schärfsten Protest."

Offensichtlich wollte sich die Fraport dann auch nicht so recht die Hände dreckig machen, indem sie ein Symbol des Widerstandes der Menschen aus der Region so einfach einreißen ließ. So wurde ein Baum gefällt, der dann auf die BI-Hütte krachte und damit den Anlass zu ihrem Abriss lieferte.

Das WaldbesetzerInnendorf war ein Glied in der Kette des inzwischen Jahrzehnte lang andauernden Widerstandes gegen eines der größten Verkehrsprojekte Deutschlands. Dieser Widerstand hat dazu beigetragen, dass der Ausbau des Flughafens sich immer wieder verzögerte. So sollte die vierte Landebahn schön zur Fußball-WM 2006 in Betrieb gehen, jetzt wird die neue Piste frühestens Ende 2011 ihren Betrieb aufnehmen. "Jeder Flug weniger ist ein Gewinn für unser Klima", sagt Monika Lege, Verkehrsreferentin bei ROBIN WOOD. "Die Auseinandersetzung in Frankfurt ist noch lange nicht vorbei. Wir freuen uns über jeden, der durch das Walddorf neuen Mut im Streit mit dem 'Moloch' Flughafen geschöpft hat."

120.000 BürgerInnen erhoben Einwände gegen den Ausbau des Flughafens. 260 Klagen, darunter etliche von Kommunen, gegen den Ausbau sind anhängig. Die WaldbesetzerInnen organisierten Demos, Informationsveranstaltungen, Konzerte etc. gegen das Klimakiller-Projekt.

Ministerpräsident Roland Koch treibt den Ausbau trotz der breiten Proteste mit aller Rücksichtslosigkeit voran. Das zeigt auch sein Wortbruch beim Nachtflugverbot. Zentrales Ergebnis des Mediationsverfahrens ist, dass der Flughafen nur beim gleichzeitigen Verankern eines Nachtflugverbots ausgebaut werden dürfe. Das hatte Koch im Planfeststellungsbeschluss ignoriert und war daher auch vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof scharf kritisiert worden.

Rund 200 Hektar Wald lässt Fraport in diesem Winter für den Bau der vierten Landebahn roden. Mindestens weitere 82 Hektar sollen nach Fraport-Plänen ab September 2009 folgen. Politischer Druck ist weiterhin notwendig, um den maßlosen Expansionsgelüsten von Fraport Grenzen zu setzen.

Weitere Infos:
www.robinwood.de/stopp-flughafenausbau


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Quelle:
graswurzelrevolution, 38. Jahrgang, GWR 337, März 2009, S. 1 und 7
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2009