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GRASWURZELREVOLUTION/999: Aktuelle Anti-Atom-Nachrichten aus Frankreich


graswurzelrevolution 338, April 2009
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Aktuelle Anti-Atom-Nachrichten aus Frankreich

Die Auseinandersetzung um die Atommüllendlagerung und die AKW-Neubau-Politik Frankreichs


Das französische Netzwerk für den Atomausstieg Sortir du nucléaire vernetzt über 800 Anti-Atom-Initiativen.


Über 200 VertreterInnen von Sortir du nucléaire trafen sich Ende Januar 2009 in La Rochelle auf der jährlichen Hauptversammlung der Organisation. Schwerpunkt der Debatten und Entscheidungen waren die Auseinandersetzung um die Endlagerung von Atommüll und die AKW-Neubau-Politik Frankreichs.

In Flamanville wird ein Reaktor vom Typ EPR vom staatlichen Konzern Areva gebaut (vgl. GWR 337). Auftraggeber ist EDF, ein staatliches Energieversorgungsunternehmen: Im Juli 2008 kündigte Frankreichs Präsident Sarkozy den Bau von einem zweiten EPR an, obwohl der Bau in Flamanville - genau so wie in Finnland - alles andere als geplant verläuft: Verzögerungen, Sicherheitsprobleme auf der Baustelle und explodierende Kosten. Inzwischen gab Sarkozy bekannt, dass dieser EPR in Penly (département Seine Maritime) gebaut werden soll. Ein dritter EPR ist im Gespräch. Die Nachrichten wurden äußerst unkritisch durch die Presse verbreitet und es wurde mehr über die Beteiligung von ENEL (Italien) am EPR geschrieben als über den Widerstand.

An Menschenrechte ist bei der Durchsetzung der Atompolitik in Frankreich - und anderswo - nicht zu denken. Die Vergangenheit bietet hierzu zahlreiche Beispiele. Die Gegenwart ebenfalls:

- Ein Sprecher von Sortir du nucléaire steht auf Grund der Veröffentlichung von geheimen Informationen über die Un-Sicherheit von Reaktoren unter Terrorismus-Verdacht.

- Eine weitere Repressionswelle schlug am 11. November 2008 zu. Hakenkrallen haben am 8. November für erhebliche Verspätungen im Hochgeschwindigkeitszugverkehr gesorgt. Es wird ein Zusammenhang mit dem Castortransport vermutet, obwohl seitens der französischen Anti-Atom-Bewegung kaum Stellungnahmen zu den Vorfällen bekannt wurden. Ein auf Deutsch verfasstes Bekennerschreiben erreichte deutsche Zeitungen. Neun angebliche "Terroristen" wurden zunächst verhaftet. Die Innenministerin Michèlle Aliot-Marie hetzt dabei gegen die "anarcho-autonome-Szene" und die "ultra-linke Szene", die Verhaftungen wurden von der Regierung medienwirksam inszeniert. Ein Aktivist, Julien, sitzt heute immer noch in Untersuchungshaft, die anderen wurden wieder auf freien Fuß gesetzt, müssen sich aber einer strengen richterlichen Kontrolle mit zahlreichen Auflagen unterziehen.

Julien wurde nicht aus der Haft entlassen, weil er der "Chef" (Ein Chef? Bei AnarchistInnen?!) der angeblichen terroristischen Vereinigung sein soll. [1]

- Im Januar 2009 wurden vier Aktivisten nach einer sechsstündigen Blockade-Aktion gegen einen Castortransport von Italien nach La Hague (Juli 08) zu Geldstrafen in Höhe von 2.500 Euro (davon 2.000 Euro auf Bewährung) verurteilt. Der Eisenbahngesellschaft SNCF müssen sie 7.500 Euro Schadenersatz zahlen. Die Staatsanwaltschaft, die vier Monate Haft auf Bewährung beantragt hatte, hat Berufung eingelegt. Am 9. Juni 2009 werden vier AktivistInnen in Cherbourg vor dem Strafgericht stehen. Der Vorwurf lautet Störung öffentlicher Versorgungsbetriebe.

Hintergrund ist eine luftige vierzigstündige Strommastbesetzung an einer bereits bestehenden Hochspannungsleitung (HSL) im April 2007 in Flamanville, wo der EPR sowie eine zweite HSL gebaut werden. Dieses Verfahren wird für den Widerstand in Frankreich von Bedeutung sein. Es ist der erste politische Prozess im Zusammenhang mit dem EPR-Bau. Sortir du nucléaire kündigte trotz der Repressions- und Einschüchterungsversuche an, die Widerstandsaktivitäten gegen den EPR zu intensivieren. Hoffnungen werden insbesondere auf den Widerstand gegen die HSL gesetzt. Ohne HSL, kein EPR. Die jüngste Rechtsprechung in Sachen Gefahren von HSL ist motivierend: Am 28. Oktober 2008 wurde das, für das Stromnetz verantwortliche, Unternehmen RTE vom Verwaltungsgericht verurteilt.

Das Gericht urteilte, dass die HSL negative Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Betrieb hat (kranke Tiere). RTE muss einem landwirtschaftlichen Betrieb 390.648 Euro Schadenersatz zahlen. Zudem wurden in den letzten Monaten mehre alarmierende Studien über die durch HSL verursachten Gesundheitsschaden veröffentlicht.

Eichhörnchen


Anmerkung: [1] Die GWR wird demnächst ausführlicher über dieses Verfahren berichten.


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Quelle:
graswurzelrevolution, 38. Jahrgang, GWR 338, April 2009, S. 5
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2009