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IMI/302: Deutsche Aufbauhilfe für Repressionsorgane


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.
IMI-Analyse 2010/016 - in: AUSDRUCK (April 2010)

Deutsche Aufbauhilfe für Repressionsorgane
Eine Auswertung verschiedener Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen im Bundestag

Von Jonna Schürkes


Die Formen, mit denen Sicherheitskräfte im Ausland durch Deutschland unterstützt werden, sind vielfältig. Die Anfragen im Bundestag zu Polizei- und Zolleinsätzen im Ausland und die jüngste Anfrage zur deutschen Beteiligung an Ausbildung und Ausrüstung von Sicherheitskräften im Ausland und zu Sicherheitssektorreformen zeigen dies. Mit der Ausbildung und Ausstattung von Polizei und Militär greift Deutschland massiv in die Politik der jeweiligen Länder ein. Vielen der Repressionsorgane, die Deutschland unterstützt werden, werden von Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch massive Verletzungen der Menschenrechte vorgeworfen.


Vorbereitung der deutschen Polizeibeamten und Soldaten auf Ausbildungsmissionen

Die Vorbereitung deutscher Soldaten und Polizisten, die nach Afghanistan, in den Sudan und den Kosovo, in die DR Kongo etc. zur Ausbildung lokaler Sicherheitskräfte entsandt werden, ist unterschiedlich. Allen gemeinsam ist allerdings, dass die Vermittlung von Sprachkenntnissen, der Konfliktsituation in den jeweiligen Ländern, der Rechtsordnung des Landes, der Kultur etc. extrem gering ausfällt. Um Sicherheitskräfte auszubilden, werden den Soldaten in 54 Stunden die Sprache, die Kultur und die "Rechtliche Grundlagen des Einsatzes" vermittelt. Für Polizisten reichen je nach Einsatzland zwischen sechs (für Afghanistan) und zwölf Stunden (für den Sudan), um ihnen die Sprache, die Kultur und das Rechtssystem des jeweiligen Landes nahe zu bringen. Weitere acht Stunden sind für die Vermittlung allgemein gültiger Menschenrechtsstandards, kultureller Besonderheiten und Genderaspekten vorgesehen. Es ist allein schon angesichts des Umfangs dieser Vorbereitung höchst fragwürdig, wie es möglich sein soll, die lokalen Sicherheitskräfte entsprechend der Rechtsordnung in dem jeweiligen Land zu unterstützten oder gar auszubilden.


Ausbildung lokaler Polizeikräfte

Deutschland stellt im Rahmen von EU- und UN-Missionen Polizeiausbilder und -berater. Seit September 2008 sind permanent zwischen 260 und 290 Polizisten und Zollbeamte im Rahmen von fünf UN-Missionen, wovon allerdings UNOMIG in Georgien inzwischen beendet wurde, und sieben EU-Missionen eingesetzt. Hinzu kommt das bilaterale Polizeiausbildungsprogramm in Afghanistan (GPPT). Die jeweiligen Mandate sind sehr unterschiedlich. Im Kosovo laufen derzeit noch zwei Polizeimissionen, eine unter EU- und eine unter UN-Führung. In beiden Missionen verfügen die eingesetzten Polizeibeamten über Exekutivrechte und bilden zusätzlich Polizisten des "Kosovo Police Service" aus. Im Rahmen der EU-Grenzbeobachtermissionen (EU BAM) in den Palästinensischen Gebieten und an der Grenze zwischen der Ukraine und Moldawien werden Grenzund Zollbeamte ausgebildet. In allen anderen Missionen lautet der Auftrag der deutschen Polizisten und Zollbeamten, die lokalen Polizeien auszubilden, zu beraten und zu überwachen.

Die Präsenz deutscher Polizisten im Ausland beschränkt sich aber nicht nur auf jene, die im Rahmen dieser Missionen entsandt werden. Derzeit sind 68 Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamts (BKA) in 52 Staaten stationiert, in der Mehrheit Staaten des globalen Südens. Polizisten des BKA werden in Länder postiert, um Informationen zu sammeln, auszuwerten und weiterzugeben, die lokale Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung zu unterstützen und Empfehlungen an die Bundesregierung abzugeben. Offizielles Ziel ist es, vermeintliche Bedrohungen gegen Deutschland (vor allem Drogenhandel, Terrorismus und Organisierte Kriminalität) im Ausland abzuwenden. Die Liste der Städte, in denen Verbindungsbeamten positioniert werden, zeigt deutlich, dass neben europäischen Hauptstädten vor allem Städte ausgewählt sind, die als Knotenpunkte der Migration und der internationalen Kriminalität gelten.

Hinzu kommen unzählige Ausbildungsprogramme ausländischer Sicherheitskräfte in den jeweiligen Ländern und - seltener - auch in Deutschland. Dabei zeigt sich deutlich, dass die Bundespolizei vor allem im Bereich der Bekämpfung der Migration (Urkundenfälschung sowie Grenz- und Flughafensicherung) tätig ist und dementsprechend auch in den Ländern Sicherheitskräfte ausbilden, die als "Knotenpunkte" der Migration nach Europa gelten. Das BKA konzentriert sich hingegen auf die Ausbildung im Bereich der Drogen- und Terrorismusbekämpfung.

In den letzten fünf Jahren wurden Polizeiberater nach Indonesien, Rumänien, Bulgarien und den Libanon jeweils an zentrale Stellen, vor allem ins Innenministerium entsandt, um die Bedrohungen, die von diesem Land für Deutschland ausgehen könnten und deren Bekämpfung durch lokale Sicherheitskräfte zu analysieren, der Bundesregierung Empfehlungen im Umgang mit den jeweiligen Staaten zu geben und die lokale Polizei in Fragen der Bekämpfung der Internationalen Kriminalität zu beraten. In Afghanistan übernehmen die Polizeiberater die Koordinierung der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe.

Vor allem im Zusammenhang mit dem Einsatz von Polizisten in Afghanistan ist vonseiten der Gewerkschaft der Polizei zunehmend Kritik zu hören. Die Polizisten seien für die Ausbildung von Sicherheitskräften in Kriegsgebieten nicht ausgebildet und ausgerüstet, die Gefahr für die deutschen Polizisten sei zu hoch. Die Bundesregierung hatte in den verschiedenen Anfragen zum Thema Polizei- und Zolleinsätze jedes Mal geantwortet, sie habe keinerlei Informationen über sicherheitsrelevante Vorfälle bei Auslandseinsätzen von Polizisten und Zollbeamten. In der jüngsten Anfrage zur deutschen Beteiligung an Ausbildung und Ausrüstung von Sicherheitskräften gibt sie jedoch zu, dass es "einige Fälle von Traumatisierungen deutscher Polizeivollzugsbeamter" gebe.


Ausbildung von Militärs

Ebenso wie bei der Polizeiausbildung, findet auch die Ausbildung von Militärs aus Ländern des Südens in Deutschland und den jeweiligen Empfängerstaaten statt.

Ranghohe Offiziere aus Ländern des Südens werden unter anderem auch an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg ausgebildet, in den letzten zehn Jahren waren es 1.668 Offiziere aus 106 Staaten. Darüber hinaus wurden 443 Offiziersanwärter an der Offiziersschule des Heers und 134 Offiziere und Unteroffiziere an der Logistikschule der Bundeswehr aus insgesamt 81 Nicht-NATO-Staaten ausgebildet. Angaben der Bundeswehr und des Bundespräsidenten Horst Köhler zufolge übernehmen diese Offiziere nach der Ausbildung in Deutschland meist Spitzenpositionen, was die Bundesregierung jedoch nicht bestätigen wollte. Offiziere, die in Deutschland ausgebildet wurden und auch die deutsche Sprache gelernt haben, sind wichtige Ansprechpartner für die deutsche Regierung und die Bundeswehr. Über solche Programme werden globale militärische Elitennetzwerke geschaffen. Im Rahmen von Auslandeinsätzen sind immer auch Bundeswehrsoldaten mit der Ausbildung lokaler Militärs und Paramilitärs betraut. So vor allem in Afghanistan, aber auch im Kosovo oder im Libanon, wo im Rahmen von UNIFIL die libanesische Marine durch die deutsche ausgebildet wird.

Abgesehen von diesen Einsätzen gibt es - vor allem von der EU - Missionen, die speziell auf die Reform des Sicherheitssektors im intervenierten Land ausgerichtet sind. In Afrika laufen derzeit drei solcher Missionen. Mitte 2005 startete die EU-Mission zur Reform des Sicherheitssektors in der DR Kongo (EUSEC DR Congo). Von Beginn an waren sieben Soldaten der Bundeswehr beteiligt. Ihre Aufgaben sind die Beratung der kongolesischen Armee bei der Umsetzung der von der EU verschriebenen Reformen, wozu unter anderem auch die "Beratung" in Entscheidungen bei der Vergabe von Posten innerhalb der Streitkräfte gehören. Der deutsche Militärattaché in der DR Kongo fungiert unter anderem als Vermittler zwischen der beiden EUMissionen EUSEC und EUPOL RD Kongo und "ist zudem Ansprechpartner für Unterstützungsvorhaben der Sicherheitssektorreform (SSR), wie z.B. der biometrischen Erfassung kongolesischer Soldaten".

An der EU-Mission zur Sicherheitssektorreform in Guinea-Bissau war - Angaben der Bundesregierung zufolge - nur ein ziviler Berater aus Deutschland für sieben Monate beteiligt. Die Reaktion auf die Ermordung des Generalstabschefs und des Präsidenten von Guinea-Bissau durch Soldaten im März 2009, also während der EU-Mission, war seitens der Bundesregierung die Ermordung zu verurteilen und "gleichzeitig die Bevölkerung zur Ruhe und Ordnung" aufzurufen.

Im April 2010 wird die Ausbildung somalischer Soldaten im Rahmen einer Mission der EU (EUTM Somalia) in Uganda begonnen. Die Bundesregierung begründet den Ausbildungsort mit der schlechten Sicherheitslage in Somalia. Befürchtungen, dass durch die Ausbildung der somalischen Soldaten der Bürgerkrieg in Somalia weiter angeheizt werden könnte, teilt sie nicht. An der Mission werden voraussichtlich 13 deutsche Soldaten als Ausbilder teilnehmen, der Rest der insgesamt 150 Ausbilder wird vor allem aus Spanien, Frankreich und Italien kommen.

Interessant an der letzten Anfrage ist auch, wie offen die Bundesregierung eingesteht, dass die Unterstützung von bewaffneten Gruppen (Polizei und Armee) in Afrika als Entwicklungshilfe angerechnet wird. So werden die deutschen Beiträge zum Aufbau der African Standy Forces als Entwicklungshilfe abgerechnet. Zusätzlich unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bilateral in den verschiedenen Regionen Afrikas die Ausbildung von Soldaten und Polizisten. Auch die 500.000 Euro, die Deutschland für EURO-ReCAMP, das europäische Ausbildungsprogramm für afrikanische Soldaten, die in so genannten Friedensmissionen eingesetzt werden sollen, bezahlt, werden als Entwicklungshilfe abgerechnet.

Militärberater sind nicht mit der Ausbildung von Soldaten betraut, beraten Militärs jedoch auf höchster Ebene und können - meist, ohne dass dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird - massiven Einfluss auf die Politik im jeweiligen Land nehmen. Militärberater sind derzeit in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Estland, Georgien, Ghana, Kroatien, Lettland, Mazedonien, Montenegro, Rumänien, Tunesien, Ukraine sowie bei der "Economic Community of West African States" eingesetzt. Eine besonders enge Militärkooperation hat Deutschland mit Argentinien und Chile. Anderen lateinamerikanischen Staaten werden militärische Ausbildungshilfen gewährt: Belize, Bolivien, Guatemala, Jamaika, Mexiko, Paraguay, Peru, El Salvador, Uruguay und Venezuela.


Austattungshilfen

Zusätzliche Möglichkeiten, auf Streitkräfte in Ländern des Südens einzuwirken, sind Rüstungsexporte. Wenn die Bundeswehr Rüstungsgüter aus ihren Beständen aussondert und sie dann an andere Armeen liefert, so liefert sie manchmal gleich Soldaten mit, die dann im Empfängerland die Soldaten mit den Rüstungsgütern vertraut machen, so in Chile und Uruguay. Doch auch im Rahmen von Austattungshilfen für Militärs werden Beratergruppen entsandt.


Quellen: Bundestagsdrucksachen: 16/10252; 16/11314; 16/11548; 16/12968; 16/13897; 16/84; 16/1006; 16/766.


Bildunterschrift eines im Schattenblick nicht veröffentlichten Schaubilds der Originalpublikation:

Einsatzorte des BKA-Verbindungsbeamten seit 2008 (unvollständige Karte nach der BDS 16/10252), IMI-2010


Tabelle 1: Bi- und multilaterale Missionen, an denen deutsche Polizisten und Zollbeamte beteiligt sind (Stand März 2010)



Anzahl deutscher
Polizisten
(davon BKA, Zoll)
Gesamtstärke
der
Mission
Mandat


UNMIK (Kosovo)




EUPM (Bosnien)


EUMM (Georgien)

UNMIL (Liberia)


UNMIS (Sudan)


UNAMID (Sudan)



EUPOL COPPS
(Paläst. Auto-
nomiegebiet)

EU BAM Rafah
(Paläst. Auto-
nomiegebiet)

EU BAM (Moldau/
Ukraine)

GPPT
(Afghanistan)


EUPOL
(Afghanistan)


EULEX (Kosovo)


1 (0,0)



7 (0,0)

13 (0,0)
5 (0,0)

5 (0,0)

5 (0,0)


3 (0,0)


1 (0,0)


10 (0,9)

127 (2,0)


30 (1,0)


79 (2,1)


7



88

76
1357

646

2848


27


16


102

127


172


1117


Wahrnehmung aller präventiven und
repressiven Polizeiaufgaben,
Rekrutierung, Ausbildung und Organisation
der kosovarischen (Grenz-)Polizei

Beratung, Ausbildung, aber auch Überwachung
und Kontrolle der örtlichen Polizei

Monitoring

Ausbildung und Mentoring der liberianischen
Polizei in Monrovia

Ausbildung, Beratung und Monitoring eine
südsudanesischen Polizei

Beratung und Beobachtung der in den
Flüchtlingslagern und demilitarisierten
Bereichen tätigen Polizeikräfte

Ausbildung, Ausstattung, Beratung und
Monitoring einer palästinensischen Polizei


Kontrolle der palästinensischen Grenzbeamten



Beratung und Kontrolle der moldawischen und
ukrainischen Grenzbeamten

Bau von Infrastruktur, Ausstattungshilfe,
Ausbildung der afghanischen Nationalpolizei
und der afghanischen Grenzpolizei.

Erstellung einer Gesamtstrategie für die
Polizeireform und Koordinierung der multi-
lateralen und bilateralen Ausbildungsprogramme

Wahrnehmung aller präventiven und repressiven
Polizeiaufgaben Rekrutierung, Ausbildung und
Organisation der kosovarischen (Grenz-)Polizei



Militärische Ausstattungshilfe in den letzten fünf Jahren:
in einer Höhe von insgesamt 30 Mio. EUR (Haushalt des AA und des BMVg)
Land
Anmerkung
Afghanistan
Botsuana
Dschibuti
Ghana
Jemen
Mali
Marokko
Mauretanien
Namibia
Nigeria
Senegal
Südafrika
Tansania
Tunesien
mit Beratergruppe
bis 06/2005
mit Beratergruppe
mit Beratergruppe
mit Beratergruppe
mit Beratergruppe
bis 12/2006
bis 3/2005
mit Beratergruppe
mit Beratergruppe
mit Beratergruppe
bis 12/2005
mit Beratergruppe
bis 12/2006



Polizeiliche Ausstattungshilfe in den letzten fünf Jahren:
in einer Höhe von insgesamt 17.9 Mio. EUR (Haushalt des AA, des BMI und des BKA)

Afghanistan
Äthiopien
Brasilien
Ghana
Irak
Kap Verde
Kolumbien
Mazedonien
Nepal
Philippinen
Tadschikistan
Türkei

Ägypten
Bulgarien
Bhutan
Guatemala
Jemen
Kasachstan
Kroatien
Moldau
Pakistan
Paraguay
Thailand
Venezuela

Albanien
Belarus
Dominikanische Republik
Haiti
Jordanien
Kenia
Libanon
Montenegro
Palästina
Rumänien
Togo
Vietnam

Algerien
Bolivien
Ecuador
Indonesien
Kambodscha
Kirgisistan
Marokko
Nigeria
Peru
Sri Lanka
Tunesien


Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
Dieser Text kann direkt heruntergeladen werden unter:
http://imi-online.de/download/JS-April-2010.pdf


*


Quelle:
IMI-Analyse 2010/016 - in: AUSDRUCK (April 2010)
Online-Zeitschrift "IMI-List" Nummer 0324 - 15. April 2010
Herausgeber: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2010