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IZ3W/213: Rezension des Buches "Globalisierung bringt Bewegung"


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe Nr. 318 - Mai / Juni 2010

REZENSION
Globalisierung bringt Bewegung.

Von Lucas Grothe


Wenn es um den Widerstand gegen Auswirkungen der globalen Wirtschaftsliberalisierung geht, richtet sich der Fokus meist auf Lateinamerika und seine sozialen Bewegungen, weniger auf Asien. Die AutorInnen des Sammelbandes Globalisierung bringt Bewegung wollen hier Abhilfe schaffen und die Vielfalt der sozialen Organisierung 'von unten' in Asien darstellen. Die neun Beiträge sind sehr divers, doch alle haben den lokalen und transnationalen Widerstand gegen bestehende Wirtschaftspolitiken zum Thema. Die im Buch vorgestellten AkteurInnen sind dabei so heterogen wie ihre Anliegen. Die AutorInnen betonen, dass die AktivistInnen sich losgelöst haben aus den alten Kategorien linker Dogmen, die in der Region lange Zeit von Mao oder Ho-Chi Minh symbolisiert wurden. Oft sind Gruppen beteiligt, die nationalistischen oder kapitalistischen Strömungen zumindest nicht abgeneigt sind. Die Fülle zivilgesellschaftlicher Gruppen in manchen Staaten Asiens lässt sich auch mit den erfolgreichen Kämpfen gegen autoritäre Regime erklären, wie auf den Philippinen oder in Indonesien.

Die neuen sozialen Bewegungen sind oft auf ein klar eingegrenztes Ziel gerichtet und wie beim Protest gegen Wasserprivatisierung in Manila ein Konglomerat aus unterschiedlichen Gruppen, die sich nur temporär als Einheit zusammen finden. Einzig bei der Demokratiebewegung in Myanmar ist der Ruf nach politischer Partizipation ausschlaggebend für den Protest gewesen, so Mitherausgeber Wolfram Schaffar. Allerdings war selbst dort die Erhöhung der Benzinpreise die Initialzündung.

Die transnationale Vernetzung ist ein weiteres Charakteristikum der neuen sozialen Bewegungen in Südostasien. Beim Protest gegen Palmölplantagen zeigt sich, welche Erfolge sich dadurch erzielen lassen können. Durch die Zusammenarbeit von NGOs aus Südostasien und Europa konnte ein Round Table mit Supermärkten und Kosmetikgeschäften in Europa gegründet werden, um Druck auf die Plantagenbetreiber auszuüben. Auch über die Beteiligung an weltweit aktiven Netzwerken wie La Via Campesina lassen sich Proteste von lokalen Gruppen auf die globale Ebene übertragen.

Das Buch kann mit vielfältigen Beispielen aufwarten und ist gut zu lesen. Die Heterogenität der Themen und die Größe des geographischen Raums sind jedoch auch ein Manko. Tiefergehende Analysen sind zwar in Ansätzen vorhanden, bleiben aber aus Platzgründen zu knapp. Offen bleibt auch, wie die sozialen Bewegungen in die Gesellschaften der jeweiligen Länder einzuordnen sind und wie viel Unterstützung sie in der breiten Bevölkerung genießen. Was ebenfalls fehlt, ist ein Ausblick auf die künftige Entwicklung von zivilgesellschaftlichem Protest. Insgesamt zeigt das Buch anschaulich, dass die VerliererInnen des wirtschaftlichen Aufstiegs in Südostasien zunehmend Widerstand leisten und sie klug genug sind, sich transnational zu vernetzen.

Uwe Hoering / Oliver Pye / Wolfram Schaffar / Christa Wichterich (Hg.):
Globalisierung bringt Bewegung. Lokale Kämpfe und transnationale Vernetzungen in Asien.
Westfälisches Dampfboot, Münster 2009. 200 Seiten, 24,90 Euro.


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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 318 - Mai / Juni 2010


Themenschwerpunkt:
Klare Fronten - Alte und neue Grenzregimes

Allen Debatten von der "De-Nationalisierung" zum Trotze durchziehen zahlreiche Grenzen den gesellschaftlichen Alltag. Der angebliche Abbau von Grenzen in Europa bedeutet nichts anderes als deren Verlagerung, nach innen wie nach außen. Schlussendlich dreht sich vieles weiterhin um die spezifische, historische Grenze: Die alt-umkämpfte Landesgrenze im Raum und in den Köpfen. Ihre Wirkungsmacht hat sie nicht verloren, nur sieht man sie mitunter nicht mehr.

Ein ernsthaftes Problem der begrenzten Welt sind die vielen Menschen, die den Grenzen auch heute zum Opfer fallen. Um von der armen zur reichen Hemisphäre zu gelangen, sterben tausende Menschen schon bei dem Versuch, die Außengrenzen Europas zu überwinden. Der Themenschwerpunkt folgt der Frage, wie sich über Grenzen die so genannte Herkunft konstituiert und wie sie sich sogar in kritisch gemeinten Debatten um Migration oder Kolonialismus festigt. Und er fragt danach, wie sich die Binnengrenzen der EU zu einem Kontrollregime in der Fläche transformieren, das für unliebsame MigrantInnen weniger die Einreise, als das alltägliche Leben in der EU verunmöglicht.

Themen des Schwerpunkts:
Überkreuzen, Überschreiten, Durchqueren - Die Kritik an Grenzen + Boundary-Work - Über das Verhältnis psychischer, sozialer und symbolischer Grenzen + Im Dschungel von Calais - Selbstorganisation von Flüchtlingen und staatlicher Abwehr + Drinnen und Draußen - Die EU-Grenzen verschieben sich + Geteilte See - Die Grenzkämpfe auf dem Meer weiten sich aus + Marokko: Operation Rückbindung + Sudan: Alte Konflikte und neue Territorien + Mexiko: American Dream, Mexican Nightmare + Iran: Grenzenlos reaktionär + Korea: Surrealsozialistische Grenze


INHALTSÜBERSICHT

Hefteditorial: Auf zu neuen Ufern


POLITIK UND ÖKONOMIE

Südafrika I: Ein Arbeiterviertel im Museum
Der South End District in Port Elizabeth
von Thomas Schmidinger

Südafrika II: »Als AktivistIn lebt man gefährlich«
Interview mit Ashraf Cassiem und Mncedisi Twalo

Iran: »Schwächer als je zuvor«
Interview mit Meir Javedanfar über das Regime und die Opposition

Honduras: Elitäre Versöhnung
Die politische Krise nach dem Putsch
von Tobias Lambert

Haiti: Im Griff des Militärs
Die Geschichte Haitis zwischen Unterdrückung und Widerstand
von Peter Hallward

Entwicklungspolitik: Apfelstrudel nach Peking tragen
Die letzten Züge der deutsch-chinesischen Entwicklungszusammenarbeit
von Dirk Olaf Reetlandt

Indien: Organic Mobile
Die Produktion von Biolebensmitteln boomt
von Nina Osswald


SCHWERPUNKT: GRENZREGIMES

Editorial: Grenzregimes

Überkreuzen, Überschreiten, Durchqueren
Die Kritik an Grenzen sollte jede Kategorie hinterfragen von Birgit zur Nieden

Boundary-Work
Über das Verhältnis physischer, sozialer und symbolischer Grenzen
von Albert Scherr

Drinnen und Draußen
Die EU-Grenzen verschieben sich
von Henrik Lebuhn

Geteilte See
Die Grenzkämpfe auf dem Meer weiten sich aus
von Kai Kaschinski

Operation Rückbindung
Der marokkanische Staat fördert Zugehörigkeit über Grenzen hinweg
von Frederic Schmachtel

Alte Konflikte und neue Territorien
Was bringt die Grenze zwischen Nord- und Südsudan?
von Thomas Schmidinger

American Dream, Mexican Nightmare
Der Grenzraum in Südmexiko unter dem Einfluss der USA
von Kathrin Zeiske

Grenzenlos reaktionär

Die weltweite Revolution der Islamischen Republik Iran
von Jonathan Weckerle

Surrealsozialistisch
Nord- und Südkorea trennt noch eine richtige Feindesgrenze
von Rainer Werning


KULTUR UND DEBATTE

Medien: Tele-Visionen
Anspruch und Realität des Nachrichtensenders Al-Jazeera English
von Benedikt Strunz

Surrealsozialistisch
Nord- und Südkorea trennt noch eine richtige Feindesgrenze
von Rainer Werning

Exotismus: Wilde Welten
Eine Ausstellung über die Aneignung des Fremden
von Ulrike Mattern

Interkultur: »Die Institutionen müssen barrierefrei werden«
Interview mit Mark Terkessidis über sein neues Buch »Interkultur«

Moderne Nostalgie
Die neue HafenCity in Hamburg würdigt den Geist des Kolonialismus
von Anke Schwarzer

Rezensionen, Tagungen & Kurz belichtet


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Quelle:
iz3w Nr. 318 - Mai / Juni 2010
Copyright: bei der Redaktion und den AutorInnen
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für SchülerInnen, StudentInnen, Wehr- und
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Förderabonnement ab 52,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2010