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KAZ/276: Metalltarifrunde 2018 - "Ich fühl' mich pudelwohl."


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 362, März 2018
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Metalltarifrunde 2018
"Ich fühl' mich pudelwohl."
Warum das nicht alle IG-Metaller von sich behaupten können

von Ludwig Jost und Erika Wehling-Pangerl


"Mehr Geld und eine Zeitenwende bei der Arbeitszeit" hat IGM-Vorsitzender Hofmann mit dem entsprechenden Tamtam zum Tarifabschluss am 6. Februar in Baden-Württemberg festgestellt.

Wie Journalisten über eine Telefonkonferenz mit ihm berichteten (Süddeutsche Zeitung 07.02.2018, S. 17), hat er sich auf die Frage, "welcher Teil des Abschlusses ihm denn am meisten wehtue", nicht eingelassen und geantwortet, "ich fühl' mich pudelwohl."

Offensichtlich hat das aufkommende Hunde-Gefühl bei ihm bereits am Vortag in Stuttgart für Verwirrung gesorgt und ihm die Pudelmütze über die gesellschaftliche Wirklichkeit in die Augen getrieben. Denn wie es sich anhört, ist er dort vor lauter Ergebnisschönreden etwas vom Weg abgekommen und hat seinen Zuhörern aber auch den Gewerkschaftsmitgliedern verklickert: "Der Tarifabschluss ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt. Denn eine zentrale Auseinandersetzung in der Arbeitswelt der Zukunft dreht sich um den alten Verteilungskonflikt 'Wem gehört die Zeit?'"

Was der IGM-Vorsitzende hier als "Arbeitswelt der Zukunft" mit "altem Verteilungskonflikt" verkauft, ist allerdings nichts Anderes als der Kapitalismus. Der unversöhnliche Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit - das Ausbeutungssystem von gestern und heute. Das Thema, das längst wieder auf die Tagesordnung und in die Diskussion bei der IGM und den übrigen DGB-Gewerkschaften gehört und worüber z. B. Friedrich Engels geschrieben hat: "Wir sprachen vom Kampf des Arbeiters gegen das Kapital. Dieser Kampf existiert, was immer die Apologeten des Kapitals auch dagegen sagen mögen. Er wird existieren solange eine Lohnsenkung das sicherste und bequemste Mittel zur Steigerung des Profits bleibt, ja darüber hinaus, solange das Lohnsystem überhaupt existieren wird. Das bloße Vorhandensein von Trade Unions (Gewerkschaften, d. Verf.) beweist diese Tatsache zur Genüge; wenn sie nicht zum Kampf gegen die Übergriffe des Kapitals geschaffen worden sind, wozu sind sie dann geschaffen? Es hat keinen Zweck ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Durch keine noch so schönen Worte kann die hässliche Tatsache verdeckt werden, dass die gegenwärtige Gesellschaft im Wesentlichen in zwei große, antagonistische Klassen gespalten ist - auf der einen Seite die Kapitalisten, denen alle Produktionsmittel gehören, auf der anderen Seite die Arbeiter, die nichts besitzen als die eigene Arbeitskraft. Das Arbeitsprodukt der letztgenannten Klasse muss zwischen beiden Klassen geteilt werden, und gerade um diese Teilung tobt ununterbrochen der Kampf. Jede Klasse versucht einen möglichst großen Anteil zu erlangen; und das seltsamste an diesem Kampfe ist, dass die Arbeiterklasse, obwohl sie nur um einen Anteil an ihrem eigenen Produkt kämpft, oft genug beschuldigt wird, sie beraube eigentlich den Kapitalisten!" (Marx/Engels, Über die Gewerkschaften, Berlin 1971, S. 405)

Durch die Beschwörung von Tarifverträgen hängt der IGM-Vorsitzende dem Klassenwiderspruch und Verteilungskonflikt in der metallzeitung immer wieder ein Gerechtigkeitsmäntelchen um. Weiter kommt er in aller Regel nie, auch jetzt nicht. Der Meilenstein in die "moderne, selbstbestimmte Arbeitswelt" heißt: "Verkürzte Vollzeit!"

Das ist die "Zeitenwende", die die IGM-Führung seit Mitte 2017 für die "Arbeitszeiten, die zum Leben passen" im Gegensatz zu kollektiver Arbeitszeitverkürzung als Individualregelung gefordert hat. Durchgesetzt wurde sie nur für zehn Prozent der lt. IGM rd. 3,9 Millionen in der Metall- und Elektroindustrie Beschäftigten, für die sie bei 2 Jahren Betriebszugehörigkeit ab 1. Januar 2019 gilt. Im Metallinfo direkt 03/2018 wird dazu erklärt: "Vollzeitbeschäftigte können 6 bis 24 Monate lang ihre Arbeitszeit bis auf 28 Stunden reduzieren - individuell unbegrenzt wiederholbar. Allerdings kann der Arbeitgeber weitere Anträge ablehnen, wenn der Anteil der Beschäftigten in verkürzter Vollzeit eine Überlastquote von 10 Prozent der Belegschaft erreicht hat - oder wenn insgesamt 18 Prozent der Beschäftigten unterhalb der normalen Vollzeit von 35/38 Stunden arbeiten, also inklusive der in gesetzlicher Teilzeit Beschäftigten. Ein weiterer Ablehnungsgrund ist, wenn das entfallende Arbeitsvolumen nicht mit der entsprechenden Qualifikation kompensiert werden kann. Der Antrag auf verkürzte Vollzeit ist spätestens ein halbes Jahr vorher zu stellen."

Wer nicht unter die "Überlastquote" fällt und 2 Jahre nur 28-Stunden-Woche arbeitet, ist für diese Zeit mit 20 Prozent Entgeltverzicht dabei. Bei einem Brutto von 3.000 EUR sinkt der Lohn dabei um 600 EUR auf mtl. 2.400 EUR. Hinzu kommen die Durchschnittsberechnungen, die durch die Lohnkürzungen alle absinken (Beispiel siehe Kasten). Nach wie vor preisen IGM-Vorstand, Bezirksleiter u. a. den Tarifvertrag wie warme Semmeln als "Freizeit"-Modell zur Pflege von Eltern und Erziehung der Kinder an. So als sei es Satzungsauftrag und die IGM-Mitglieder stünden generell in der Verpflichtung, mit ihrer selbst bezahlten "Freizeit" Pflegenotstand und fehlende Kitaplätze auszugleichen. Wie im nebenstehenden Beispiel (siehe Kasten) gezeigt, wird den Metallern damit als ihre Aufgabe untergejubelt, was gesellschaftliche Aufgaben sind. Gegen Pflegenotstand, für Kita-Plätze (das heißt auch: in den Großbetrieben Betriebskindergärten) wäre stattdessen der Kampf der Gewerkschaften gegen Regierung und Kapital zu organisieren.


Kosten der "attraktiven Wahlmöglichkeit" an einem Beispiel für den Einkauf der 28-Stunden-Woche

Bei einem angenommenen Stundenlohn von 20 EUR - bei 35 Wochenstunden macht das ein Monatseinkommen von 3.045 EUR. Das liegt im Bereich der Entgeltgruppen 9 und 10 im Metalltarif, ohne Zulagen und Überstunden gerechnet. Bei 28 Stunden heißt das Verzicht auf mtl. 609 EUR und mal 12, jährlich auf 7.308 EUR. Und bei den für den Tarifvertrag vorgesehenen 2 Jahren kommen dabei 14.616 EUR raus. Die Forderung, mit der Metallerinnen und Metaller tariflich durchsetzen sollen, was sie selber, jedenfalls die Mehrheit, mit einem größeren Verzicht ihres Einkommens bezahlen müssen.

Davon sind nicht nur alle Durchschnittsberechnungen im Arbeitsvertrag, Urlaub, Urlaubsgeld, anteiliges 13. Monatseinkommen betroffen, sondern ebenso Krankengeld, mögliches Arbeitslosengeld und Rente.


"Anpassung Ost"

Dieser "Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt" stand in dieser Tarifrunde von Anfang an unter Kritik von Kollegen. Mitglieder des Tarifpolitischen Arbeitskreises der IGM-Geschäftsstelle Jena-Saalfeld hatten in einem offenen Brief geschrieben: "Wir, die Mitglieder der Geschäftsstelle Jena-Saalfeld, fordern vom Vorstand und von unserem Bezirk Mitte ein klares Bekenntnis zu einer Forderung über die Angleichung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Mit den Forderungen, die zur anstehenden Tarifrunde gestellt werden, bekommen wir in unseren Betrieben keine Kollegen zum Arbeitskampf mobilisiert. Dabei denken wir besonders an die Forderung zur individuellen Absenkung der Arbeitszeit. Ihr werdet euch sicherlich fragen, wieso ist ja schließlich eine tolle Sache. Diese Frage ist schnell und einfach beantwortet: Die Kollegen verstehen nicht, wieso so eine Forderung aufgestellt wird, in der es um flexible Absenkung der individuellen Arbeitszeit geht, wenn bei den regelmäßigen Arbeitszeiten immer noch innerhalb der alten Staatengrenzen unterschieden wird.

Unsere Kollegen und auch wir als Gewerkschafter fühlen uns von der Organisation im Stich gelassen und nicht ernst genommen. Wir lernten die Gewerkschaft einst als solidarische Organisation kennen und versuchen, diesen Gedanken ebenfalls unseren Kollegen nahe zu bringen. Doch aus der Sicht unserer Kollegen verhält sich die Organisation nicht solidarisch beim Thema Angleichung der regelmäßigen Arbeitszeit auf 35h." (siehe KAZ 361, S. 20)

Die IGM-Führung konnte die empörten Stimmen aus dem Osten nicht ganz ignorieren. Noch bei der Juni-Tarifkonferenz hat der IGM-Vorsitzende die von der Ost-Delegation geforderte Einführung der 35-Stunden-Woche mit dem Hinweis auf zu wenige IGM-Mitglieder abgelehnt. Ende Oktober aber haben die mit für den Osten zuständigen IGM-Bezirksleitungen festgestellt: "Für die ostdeutschen Tarifgebiete erwarten wir von den Arbeitgebern eine ernsthafte und belastbare Verhandlungsverpflichtung für einen Prozess der Angleichung der Entgelte, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen." (Olivier Höbel, Bezirksleiter für Berlin-Brandenburg und Sachsen, 24.10.2017) Nicht gerade eine kämpferische Aussage, aber immerhin doch eine Reaktion.

Herausgekommen ist eine Gesprächsverpflichtung "Anpassung Ost". Eine Beruhigungspille. Wir kommen nochmal darauf zurück.

Eine Lohnerhöhung gibt es auch. Wie hoch sie im Endeffekt ist, bei 27 Monaten Laufzeit, ist umstritten (ein Versuch, dieses komplexe Gebilde darzustellen - siehe Kasten).


Wahloption für Beschäftigte mit Pflegebedürftigen, Kindern und für Schichtarbeiter

"Ab 2019 (voraussichtlich Juli) gibt es jährlich ein neues tarifliches Zusatzgeld von 27,5 Prozent des Monatseinkommens. Dafür erhalten Kolleginnen und/oder Kollegen, die Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder in Schicht arbeiten, eine Wahloption. Sie können statt der 27,5 Prozent tarifliches Zusatzgeld auch acht tarifliche Freistellungstage im Jahr nehmen, davon zwei als Bonus vom Arbeitgeber.

Die Voraussetzungen mit Kindern und Pflege sind: zwei Jahre Betriebszugehörigkeit, Kinder im eigenen Haushalt bis zum achten Geburtstag, Angehörige mit mindestens Pflegegrad 1 in häuslicher Umgebung. Je Kind oder Angehörigen besteht Anspruch auf je zwei Jahre Wahloption. Die Wahloption für Kinder und Pflege kann auch mit der verkürzten Vollzeit kombiniert werden, ebenso mit Teilzeitverträgen, die ab 1. Januar 2019 gelten."

Beim Beispiel 27,5 Prozent von 3.000 EUR im Monat beträgt das tarifliche Zusatzgeld 825 EUR. Bei Geltendmachung von 6 freien Tagen und zusätzlich 2 vom Kapitalisten für Pflege und/oder Kinderbetreuung sind die 825 EUR weg bzw. der/die Betroffenen haben sie nie in der Hand gehabt. Genauso geht es den Schichtarbeitern:

"Die Voraussetzungen für die acht freien Tage für Schichtarbeiter in Vollzeit sind: 15 Jahre Betriebszughörigkeit und 10 Jahre in Wechselschicht, ab 2020 dann 7 Jahre im Betrieb, davon 5 Jahre in Wechselschicht - sowie 5 Jahre Betriebszugehörigkeit, davon 3 Jahre in Drei-, Mehr- oder Nachtschicht.

Der Antrag auf acht freie Tage statt tariflichem Zusatzgeld ist bis zum 31. Oktober des Vorjahres zu stellen. Bei der Wahloption gibt es keinerlei Begrenzung durch betriebliche Quoten."

Infos aus IG Metall direkt 03/2018


Wie ist das Ergebnis der Tarifrunde zu bewerten?

"Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter." (Marx/Engels, Kommunistisches Manifest, MEW Bd. 4, S. 470-471)

Das ist es, was uns voranbringt: die Organisierung der Arbeiter, ihre "immer weiter um sich greifende Vereinigung". Das ist es, was uns nicht nur gegen das Kapital, sondern auch gegen die faschistischen Banden stärkt, die sich in den Betrieben, in Betriebsräten breit machen. Sehen wir uns das Ergebnis der Tarifrunde unter diesem Gesichtspunkt mal an:

- Wurden die Forderungen so aufgestellt, dass die Einheit und Kampfkraft der Arbeiter gefördert wurde?

Nein. Die Forderung nach der individuellen Arbeitszeitverkürzung zersplittert die Arbeiter, organisiert sie nicht für ein klares gemeinsames Ziel. Sie störte auch die Solidarität mit den Arbeitern im Osten, weil die Angleichung der Arbeitszeit auf 35 Stunden wieder mal vertagt wurde.

- Wurden Forderungen aufgestellt, mit denen die Arbeiter die Gesellschaft nach vorn bringen?

Nein, im Gegenteil. Die Forderung nach der individuellen Arbeitszeitverkürzung war verbunden damit, sich mit Pflegenotstand und Kita-Notstand abzufinden, sich die Verantwortung der Gesellschaft für Pflegebedürftige und Kinder individuell voll und ganz auf die Schultern laden zu lassen. Der Kampf um die 35-Stunden-Woche für alle Metaller wäre ebenfalls eine gesellschaftliche Aufgabe, ein Anfang, die 35 Stunden als staatliches Gesetz für alle Arbeiter zu erkämpfen. Stattdessen wurde den Kapitalisten sogar noch was geschenkt: Sie können nun "etwas leichter Arbeitsverträge mit verlängerter Vollzeit abschließen", also noch leichter zur 40-Stunden-Woche übergehen als bisher!

- Wurde bei der Lohnerhöhung ein Ergebnis angestrebt, das für die Arbeiter nachzählbar und nachprüfbar ist und den Arbeitern unwiderruflich gehört?

Nein, das Ergebnis ist undurchschaubar. Warum zum Beispiel gibt es für die Monate Januar bis März 2018 insgesamt nur 100 EUR? Ist das eine Strafe für den Warnstreik? Was soll der "Differenzierungsvorbehalt" bei dem Festbetrag von 400 EUR 2019 (siehe Kasten am Ende)? Solche Spielchen zerrütten die Möglichkeiten der Arbeiter, eigenständig zu handeln, selber nachzurechnen und sich entsprechend zu organisieren.

- Wurde mit dem Abschluss eine gute Position erreicht zur Aufstellung für den nächsten Tarifkampf?

Nein, der Tarifvertrag soll die Metaller für 27 Monate fesseln.

- Wurde die Kampfkraft ausgenutzt und durch den Kampf gestärkt und geübt?

Es war ein kleiner Fortschritt, dass endlich mal der schon lange beschlossene 24-Stunden-Streik in einigen Großbetrieben durchgeführt wurde. Und es hat sich gezeigt, dass die Kollegen kampfbereit sind, dass sie gut gelaunt ihre Kundgebungen durchgeführt haben. Die Kampfkraft war noch lange nicht erschöpft. Aber jeder ahnte es im Voraus: Gleich nach den 24-Stunden-Streiks hieß es, husch, husch ins Körbchen, den Rest lösen wir im Einvernehmen mit den "Arbeitgebern".

- Gab es Fortschritte gegen die Eigenmächtigkeiten der IG-Metall-Führung zur Verbesserung der gewerkschaftlichen Kampfposition?

Es ist ein kleiner, aber dennoch sehr wichtiger Erfolg, dass die Kollegen im Osten - z.B. die aus Jena/Saalfeld - die Angleichung auf 35 Stunden gefordert und die individuelle Arbeitszeitverkürzung abgelehnt haben, und vor allem, dass sie nicht ganz überhört werden konnten. In Berlin z.B. wurde die Angleichung sehr vehement aufgegriffen, z.B. bei Siemens, wo Kollegen, die an einem Projekt zusammenarbeiten, West- und Ost-Arbeitszeiten haben. Die Solidarität aller Arbeiter in Ost und West ist gefordert, um diesen Zustand endlich zu beenden. Die Gesprächsverpflichtung "Anpassung Ost" kann man wahrscheinlich in der Pfeife rauchen. Aber das Thema ist von den Arbeitern im Osten unwiderruflich auf die Tagesordnung gesetzt worden. Dass dieser kleine Erfolg zu einem großen wird, dafür muss jetzt gekämpft werden. Dafür müssen wir uns stärken, damit wir nicht wie das Kaninchen auf die Schlange auf Verelendung und faschistische Entwicklung blicken, sondern selber eingreifen, gegen Regierung und Kapital, für unsere Zukunft und die unserer Kinder!

Das geht, wenn wir uns in den Betrieben wieder auf unsere Stärke besinnen und sich eine etwas bewusstere Schicht von Kolleginnen und Kollegen nicht nur der Arbeitszeitfrage sondern der konsequenten Vertretung unserer Interessen annimmt. Im Herbst 2019, September/Oktober, findet der 24. Gewerkschaftstag der IGM statt. Bei entsprechender Vorbereitung würde er sich dafür anbieten, mit richtigen Beschlüssen die "Meilensteine" individueller Regelungen zurückzudrängen und die Richtung zu korrigieren, die der jetzige IGM-Vorstand mit seiner Truppe aus Bezirksleitern und anderen auf dieser Linie liegenden Funktionären verfolgt.

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Tarif-Lohn-/Entgelt in der Metall- und Elektroindustrie ab 01.01.2018 wie es allgemein öffentlich bekannt ist und ab Ende März 2018 nach Ablauf der Erklärungsfristen in allen Tarifgebieten der IG Metall gilt

Strafe fürs Warnstreiken?

Der Tarifvertrag und damit die "Friedenspflicht" läuft 27 Monate vom 1. Januar 2018 bis zum 31. März 2020. Von dem geforderten Lohnausgleich für Beschäftigte mit Pflegebedürftigen/Eltern, Kindern, Schichtarbeitern und untere Entgeltgruppen wurde nichts durchgesetzt und es wird/wurde auch nicht mehr darüber gesprochen. Das gilt allerdings auch für die ersten drei Monate der Tarifvertragslaufzeit ebenso. Für die Monate Januar bis einschließlich März 2018 - also für 3 Monate - gibt es im März 100 EUR (für Auszubildende nur 70 EUR). Es macht den Eindruck, dass von der IGM-Führung eine Strafe fürs Warnstreiken gezahlt wird. Wobei viele Kolleginnen und Kollegen offensichtlich auch schon gar nicht mehr erwarten, für diese Zeit (Verhandlungen/Warnstreiks) etwas zu erhalten. Möglicherweise glauben sie auch, es gehört zum Verhandlungsritual darüber nicht zu reden, um niemand zu erschrecken und wenn überhaupt, über einen Kleckerbetrag, wie in diesem Fall 100 EUR. Das sind bei 4,3 Prozent, die es vom 1. April 2018 24 Monate durchgängig bis zum 31. März 2020 gibt, gerade mal 4 Prozent von 2.500 EUR Monatslohn und 200 EUR, die bei 3 Monaten fehlen. Ganz davon abgesehen, dass damit ausgehend von 4,3 Prozent für dieses Jahr nur noch ca. 3 Prozent an Lohnerhöhung bleiben. Dabei lohnt es sich nicht nur einmal nachzurechnen, sondern auch bei den IGM-Verhandlungs- und Tarifkommissionen nachzufragen, was das soll, die Lohnforderungen in den Taschen des Kapitals zu lassen. Über die durchschnittliche Lohnhöhe, die im Zusammenhang mit der Tarifvertragslaufzeit von 27 Monaten steht, hat es einige Auseinandersetzungen gegeben. Auf den Webseiten beim Labournet war sogar von wütenden E-Mails des IGM-Vorstandes die Rede, der die für 2019 vorgesehenen Beträge (s. o.) in seinen Durchschnittsberechnungen vermisste. Es ist aber noch einmal alles gut gegangen. Kein geringerer als der Leiter des WSI-Tarifarchivs von der Hans-Böckler-Stiftung, Thorsten Schulten, hat ihn mit der Feststellung rausgehauen, dass die Erhöhung über die Monate im Schnitt bei rd. 4 Prozent liegen soll.

"Soziale Komponente"

Hierbei geht es um 400 EUR Festbetrag (für Auszubildende nur 200 EUR), die ebenfalls im Juli 2019 ausgezahlt werden sollen, aber unter "Differenzierungsvorbehalt" stehen. Das heißt, der jeweilige Kapitalist kann die Zahlung verschieben, teilen bzw. muss nur zahlen, wenn die wirtschaftliche Situation es zulässt. Ab 2020 werden die 400 EUR dann als 12,3 Prozent vom Eckentgelt (Eingangsgruppe für Facharbeiter) gezahlt und kommen dadurch prozentual stärker den unteren Entgelten zugute. Eine Differenzierung bei der Auszahlung der 400 EUR im Juli 2019 geht nur mit Zustimmung der IG Metall.

Das Zückerchen fürs Kapital - verlängerte Vollzeit gegen Überlastquoten

Als Ausgleich für die "Kurze Vollzeit" können die Kapitalisten "etwas leichter Arbeitsverträge mit verlängerter Vollzeit abschließen - oberhalb der normalen Vollzeit von 35 (West) / 38 (Ost) Stunden bis maximal 40 Stunden. Für verlängerte Vollzeit gelten die bereits bestehenden Quoten weiter: grundsätzlich 13 Prozent (Baden-Württemberg 18 Prozent) der Belegschaft. Die Quote kann angehoben werden: auf 25 (30) Prozent bei nachgewiesenem Fachkräfteengpass. Sowie auf 45 (50) Prozent, wenn mindestens die Hälfte der Belegschaft in hohen Entgeltgruppen ist.

Die höheren Quoten sind jedoch nur per freiwilliger Betriebsvereinbarung möglich. Zudem erhalten Betriebsräte erstmals ein hartes Widerspruchsrecht. Wenn die 13 (18) Prozent mehr als 6 Monate um mehr als 4 Prozent überschritten sind, kann der Betriebsrat weiteren Verträgen widersprechen, bei Überschreiten der 45 (50) Prozent sogar unmittelbar.

Dabei steht jetzt schon fest, dass es zu Arbeitsverhältnissen mit den unterschiedlichsten Arbeitszeiten kommt, die für Betriebsräte nur noch schwer kontrollierbar, im Griff zu halten sind. Hierbei begrüßen die Kapitalverbände vor allen Dingen die "Öffnung der Tarifverträge nach oben".

Infos nach IG Metall direkt und labournet.de

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 362, März 2018, S. 4 - 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2018

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