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MARXISTISCHE BLÄTTER/396: Berliner Jubelgesänge!


Marxistische Blätter Heft 3-09

Berliner Jubelgesänge!

Von Robert Steigerwald


Dem Vernehmen nach sollen Schilder des Inhalts "Der beste deutsche Staat den es je gab" bald an der deutschen Grenze aufgestellt werden, damit ausländische Besucher, die ihre Füße über unsere Grenzen setzen, wissen, wohin ihre Schritte sie führen. Gucken wir uns ein wenig in diesem "besten deutschen Staat" um.

Das war vor sechzig Jahren. Beide deutsche Staaten wurden gegründet, und zwanzig Jahre ist es her, dass die Deutsche Demokratische Republik unterging. Von der Sowjetunion preisgegeben, wurde sie durch die Bundesrepublik Deutschland angeeignet. Grund genug für den deutschen Imperialismus, kräftig die Trommel zu rühren, eine riesige Gehirnwäsche zu betreiben.

Es gibt ein paar Dauerthesen, die in dieser Zeit besonders heftig in die Welt posaunt werden. Die zentrale Selbstbeweihräucherung lautet: Die Bundesrepublik ist das beste Deutschland, das es je gab. Sie hat die Lehren der deutschen Geschichte gezogen. Entschiedener als 1919 wurde ein demokratisches Modell geschaffen. Über den Sozialismus hat die Geschichte ihr Urteil gesprochen. Es gibt keine Alternative zur Marktwirtschaft. Der freiheitliche Rechtsstaat ist dem Unrechtsstaat - gemeint ist natürlich die DDR - überlegen. Der erreichte antitotalitäre Konsens ist zu sichern. Mit der Beseitigung der DDR endeten fünfzig Jahre totalitärer Herrschaft in Deutschland. Der Faschismus wurde überwunden durch einen wahrhaften Antifaschismus. Erstmals sind wir zusammen mit den richtigen Verbündeten, wurde also Schluss gemacht mit dem deutschen Sonderweg. Die BRD ist die Krönung der deutschen Geschichte.

Es gibt in unserem Volk angesichts eines jahrzehntelangen "verordneten" Antikommunismus eine große Mehrheit, die solcher Demagogie erliegen dürfte. Man muss gegen dieses tönernde Blech die wahre Melodie anstimmen.


Welche Lehren zog die Anti-Hitler-Koalition und die deutsche Arbeiterbewegung aus Faschismus, Krieg und deutscher Katastrophe?

1. Auf die Fragen, worin die wirklichen Lehren der deutschen Geschichte bestünden, welche sozialen Kräfte die Katastrophen der neueren deutschen Geschichte zu verantworten haben, heißt es in grundlegenden Dokumenten:

"Die Unterstützung seitens der deutschen Schwerindustrie und Hochfinanz ermöglichte den Nationalsozialisten die Machtergreifung. Die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf die Kriegswirtschaft und auf die fieberhafte Rüstung zum Angriffskrieg erfolgte unter der unmittelbaren Leitung der deutschen Industriellen." (Untersuchungsausschuss des US-Senats, Kilgore-Ausschuss). Auf der Liste dieses Ausschusses standen als Verantwortliche für Faschismus und Krieg unter anderen Flick, Krupp, Klöckner, Siemens, Röchling, Thyssen, Vögler, Zangen.(1)

Im Potsdamer Abkommen der vier Siegermächte heißt es:

"Der deutsche Militarismus und der Nazismus werden ausgerottet und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung jetzt und zukünftig auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedroht." Gefordert wird die "Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinbarungen."(2)

Dokumente der deutschen Arbeiterbewegung erklärten Gleiches.

Im Prager Manifest der SPD von 1934 werden grundlegende Lehren gezogen, wenn es heißt: "Die Einigung der Arbeiterklasse wird zum Zwang, den die Geschichte selbst auferlegt."(3)

"Der politische Umschwung von 1918 vollzog sich am Abschluss einer konterrevolutionären Entwicklung, die durch den Krieg und die nationalistische Aufputschung der Volksmassen bedingt war. ... Die Sozialdemokratie als einzig intakt gebliebene organisierte Macht übernahm ohne Widerstand die Staatsführung, in die sie sich von vornherein mit den bürgerlichen Parteien, mit der alten Bürokratie, ja mit dem reorganisierten militärischen Apparat teilte. Dass sie den alten Staatsapparat fast unverändert übernahm, war der schwere historische Fehler, den die während des Krieges desorientierte deutsche Arbeiterbewegung beging."(4)

Erich Ollenhauer und Hans Vogel (Vorsitzender der SPD) stellten noch 1944 fest:

"Die Programmerklärung ist durch die umwälzenden Ereignisse, die wir seit 1934 erlebt haben, nicht überholt oder widerlegt worden. Im Gegenteil: Das Programm hat heute eine noch größere aktuelle Bedeutung als zur Zeit einer Ausarbeitung und Veröffentlichung."(5)

Schon während der Krieg noch im Gange war, haben nicht nur deutsche Emigranten und die Angehörigen des Nationalkomitees "Freies Deutschland" in der UdSSR, sondern auch solche in westlichen Emigrationsländern sich zu gleichen Positionen durchgerungen. So erklärte die Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien am 23.10.1943:

"Der erste Beitrag eines demokratischen Deutschlands zu diesem System" (eines friedlichen Europa) "wird die sofortige militärische Abrüstung Deutschlands sein.

Wir sind überzeugt, dass die Vernichtung des deutschen Militärapparats nicht genügt. Wir sind entschlossen, die gesellschaftlichen Machtpositionen der wirtschaftlichen und politischen Träger des deutschen Militarismus durch die Enteignung der deutschen Kriegs-Industrie und des Großgrundbesitzes und durch den demokratischen Neuaufbau des Verwaltungsapparate von Grund auf zu beseitigen."(6)

Eine Entschließung der ersten Landeskonferenz der sozialdemokratischen Landesgruppe in Schweden vom 2. und 3.12.44 sprach sich in richtiger Einsicht in die entscheidende Rolle des einheitlichen Ringens der Arbeiterbewegung dafür aus, "dass die Einheit der politischen Arbeiterklasse nach dem Sturze Hitlers die Voraussetzung eines erfolgreichen Kampfes ist. Die Schaffung einer einheitlichen Arbeiterpartei kann nur in Deutschland selbst erfolgen."(7)

Der erste Parteitag der SPD, 1946 in Hannover durchgeführt, stellte fest:

"In der Periode zwischen zwei Weltkriegen haben überall die Kräfte des Finanzkapitals und der Reaktion versucht, den sozialistischen Konsequenzen der Demokratie zu entgehen Mit dem 'Dritten Reich' war durch die Zerschlagung der politischen Kraft der arbeitenden Klasse die Demokratie außer Kurs gesetzt und durch das Fehlen demokratischer Willensbildung und Kontrolle die entscheidenden Voraussetzung für die europäische Katastrophe gegeben einstand. Mit denselben Methoden, mit denen das 'Dritte Reich' die Austragung der Klassengegensätze im Innern gewaltsam unterdrückt hatte, förderte es den Gegensatz der Nationen untereinander. Die unvermeidliche Folge der Diktatur war der Krieg und damit der totale militärische und politische Zusammenbruch und die Zerstörung der bisherigen Grundlagen des wirtschaftlichen, staatlichen und kulturellen Lebens. Sie sind damit unbrauchbar für den Aufbau eines neuen Deutschlands geworden."(8)

An solchen Einsichten anknüpfend forderte der Parteitag Hannover die Überführung der Betriebe des Bergbaus, der Eisen- und Stahlerzeugung und -bearbeitung, des größten Teils der chemischen Industrie sowie der Großbetriebe der verarbeitenden Industrie in Gemeineigentum, die Enteignung des Großgrundbesitzes, die Durchführung einer Agrarreform. Kurt Schumacher schrieb damals: "Die Entprivatisierung der Produktionsmittel des Großbesitzes und ihre Überführung in das Eigentum der Allgemeinheit ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern eine entscheidende politische Frage."(9)

Auch im christlichen Lager waren diese Erkenntnisse richtunggebend. Jakob Kaiser forderte im Februar 1946 die "Brechung der Macht der Syndikate und Kartelle". Der CDU-Parteitag Juni 1946, Berlin, stellte als Ziel heraus den "Sozialismus aus christlicher Verantwortung". Im Ahlener Programm der CDU vom Februar 1947 heißt es: "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. ... Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.(10)

Die KPD hob sich mit ihrer Einschätzung von solchen Feststellungen und Forderungen nicht ab, als sie - schon etwa auf der Berner Konferenz von 1939 - erklärte:

"Die neue demokratische Republik wird ... im Gegensatz zur Weimarer Republik, den Faschismus mit der Wurzel ausrotten, ihm seine materielle Basis durch die Enteignung des faschistischen Trustkapitals entziehen und sich, wieder im Gegensatz zur Weimarer Republik, in der Armee, der Polizei und im Beamtenapparat zuverlässige Verteidiger der demokratischen Freiheiten und der demokratischen Volksrechte schaffen."(11)

Am 11. Juni 1945 hieß es in einem Manifest der KPD:

"Die Schuld und Verantwortung tragen die gewissenlosen Abenteurer und Verbrecher Es sind die Hitler und Göring, Himmler und Goebbels, die aktiven Anhänger und Helfer der Nazipartei. Es sind die Träger des reaktionären Militarismus, die Keitel, Jodel und Konsorten. Es sind die imperialistischen Auftraggeber der Nazipartei, die Herren der Großbanken und Konzerne, die Krupp und Röchling, Poensgen und Siemens."(12)

Der wesentliche Unterschied besteht allerdings darin, dass nur die Kommunisten diese Lehren der Geschichte nicht "vergessen" oder verdrängt haben. Wie kann angesichts dieser Sachlage behauptet werden, die Bundesrepublik hätte die Lektion der deutschen Geschichte gelernt?


2. Der deutsche Imperialismus und Militarismus lag 1945 geschlagen am Boden. Es standen ihm keine Machtmittel zur Verfügung, sich gegen eine grundlegende gesellschaftliche Umwälzung zu wehren. Unter diesen Umständen war ihm nur das Mittel gegeben - auch unter Nutzung von Kräften in den westlichen Besatzungsmächten - die Einigung jener Kraft zu verhindern, der Arbeiterklasse, von deren Wirken nun der Fortschritt in Deutschland abhing. Wer für die Zukunft Deutschlands und des deutschen Volkes wirken wollte, musste alle Kraft auf diese Einigung wenden. Spaltungspolitik war in dieser Situation Hilfsdienst für den am Boden liegenden Imperialismus und Militarismus. Was das Ringen um die Einigung der beiden deutschen Arbeiterparteien angeht, so gibt es ebenfalls gewichtige sozialdemokratische Zeugnisse, welche die These von der Zwangsvereinigung als Lüge entlarven. Albrecht Kaden, der SPD nahestehender Historiker, schrieb im Theorie-Organ der SPD, "Die Neue Gesellschaft": "Es musste die einheitliche Organisation der Arbeiterklasse aufgebaut werden - eine Organisation, die keine Richtungskämpfe mehr kannte, die über das Trennende der Vergangenheit die Gemeinsamkeit aller Sozialisten als Bollwerk für die Demokratisierung einstand. Nicht nur in der sowjetischen Besatzungszone, sondern auch in denn Westzonen regte sich unter den sozialdemokratischen Funktionären der Wille, das Gegeneinander von Sozialdemokraten und Kommunisten, wie es sich vor 1933 entwickelt hatte, für die Zukunft auszuschließen."(13) Und Erich Gniffke schrieb noch nach seiner Rückkehr in den Schoß der Westzonen-SPD: "Nach unserer statistischen Erfahrung ergab sich, dass nahezu 400.000 Westzonenbewohner sogleich eine Mitgliedschaft in der SED zu erwerben bereit waren."(14)

Es gab bedeutende Versuche, die Aktionseinheit und sogar die Einheit beider Parteien zu entwickeln, etwa in Hamburg, Hessen, München, Südwürttemberg, Nordrhein-Westfalen.(15)


3. Was die Behauptung angeht, das Bündnis mit dem Imperialismus, insbesondere dem US-amerikanischen, liege im deutschen Interesse, so zeigt die Verwandlung unseres Landes in den Büttel der NATO, ihrer Kriege - sie widerspricht doch eklatant der gemeinsamen Erklärung Kohls und Honeckers, dass vom deutschen Boden nie mehr Krieg ausgehen dürfe - wessen Interessen da wirklich bedient werden, deutsche sind es gewiss nicht! Schon Tacitus kennzeichnete solche Politik einst mit den Worten. "... die Räuber des Erdkreises" (das bezog sich damals auf die Römer) "... wenn sie eine Wüste hinterlassen, dann nennen sie das Frieden." Erst zerstören sie, dann lassen sie wieder "aufbauen", die unteren Millionen dürfen das bezahlen, und die oberen Zehntausend machen die Geschäfte. Im Interesse welcher Deutschen also sind wir im "richtigen" Bündnis?

Man vergegenwärtige sich, welche Schlussfolgerungen Äußerungen Bonner Minister in der Kriegs- und Friedensfrage erzwingen:

Schon nach wenigen Jahren konnten Bundesminister, sogar der Bundeskanzler, sich so äußern wie Jakob Kaiser: "Ein wahres Europa kann nur gebildet werden, wenn die deutsche Einheit hergestellt wird. Sie umfasst ... außer Deutschland auch Österreich, einen Teil der Schweiz, die Saar und Elsass-Lothringen", oder Waldemar Kraft: "Es gibt Toren in Deutschland, die die Wiederherstellung der Grenzen von 1937 fordern. Sie wollen also - deswegen sind sie Toren -, dass das Sudentenland als Bestandteil der CSR, das Memelgebiet, Danzig, der Korridor ... anerkannt werden", oder Theodor Oberländer: "Wenn Herr Guggenheimer sagte, dass ich mir noch vor kurzem Ostkolonien wünschte, so irrt er sich. Ich wünsche sie auch heute noch, weil ich glaube, dass es Menschen geben muss, die einmal wieder das Abendland ostwärts des Eisernen Vorhangs vertreten!"(16)


4. Die Lobgesänge auf die "freie Marktwirtschaft" sollten eigentlich angesichts dessen verstummen, dass sie den Karren gründlich an die Wand fahren ließ. Doch was bedeutet das eigentlich? Doch nicht nur die Blamage der neoliberalen Lobgesänge, sondern - wie jetzt angenommen wird - eine um mindestens 2 Millionen Menschen vermehrte Arbeitslosigkeit. Aber an jeder, an jedem Arbeitslosen hängt eine Familie, wir kommen also auf eine Dreiviertelmillion Menschen, die direkt unter der Katastrophe des Neoliberalismus zu leiden haben. Dabei kommt das dicke Ende erst hinter her: Die Schecks der "Rettungsschirme" und Konjunkturprogramme müssen ja gedeckt bezahlt werden. Dafür sind dann die Steuerzahler zuständig. Welche Steuerzahler, die da oben oder die da unten? Den Abzockern, denen da oben, werden doch die Steuern gesenkt! Die Antwort ist also klar.

Dabei werden die schlimmsten Auswirkungen die Völker der Dritten Welt verspüren. Wie lange noch werden sich die Völker dieser Welt damit abfinden, dass unter dem Diktat der "freien Marktwirtschaft" bei ihnen jährlich etwa fünfzig Millionen Menschen an vermeidbaren Krankheiten und Hunger sterben - darunter etwa fünfzehn Millionen Kinder - das sind ungefähr so viele, wie während aller fünf Jahre des zweiten Weltkrieges zusammen genommen! Wären sie nicht Menschen, sondern Banken, es würde ihnen geholfen!


5. Konfrontieren wir das Getöne vom freiheitlichen Rechtsstaat mit der Realität! Mit welchem Personal wurde dieser freiheitliche Rechtsstaat aufgebaut? Nach dem sogenannten 131-er Gesetz, das die Entnazifizierung beendete, erhielt Personal, das dem Nazistaat an führender Stelle gedient hatte und in den neuen Staatsapparat eingegliedert wurde, 17 Milliarden DM Entschädigung. Von den 1800 schwer belasteten Nazis waren 21 Minister und Staatssekretäre, 102 Generale und Admirale, 245 leitende Beamte des Auswärtigen Dienstes, 207 mittlere Beamte von Polizei und Verfassungsschutz. 60.000 Todesurteile wurden nicht aufgehoben! Joachim Perels stellt fest: "Auch die Justiz hat Anteil daran, dass die frühe Bundesrepublik auf den ungesühnten Leibern der vom NS-Regime Getöteten errichtet wurde. Die von den USA verurteilten Träger der maßnahmestaatlichen Justizgewalt des NS-Regimes wurden in Vertreter eines normalen Staates verwandelt. Mit gewissen Abstufungen wurden ihnen daher Pensionsansprüche gegenüber dem neuen demokratischen Staat zugesprochen. Selbst Roland Freisler, der die Mordmaschine des Volksgerichtshofes lenkte und der, hätte er überlebt, in Nürnberg ebenfalls zur Rechenschaft gezogen worden wäre, wurde vom Versorgungsamt I in München mit Billigung des bayrischen Sozialministeriums - im Blick auf eine zusätzliche Schadensausgleichsrente seiner Witwe - 1974 zuerkannt, dass er Träger normaler Staatsfunktionen war, der nicht etwa vor Gericht gestellt worden wäre, sondern nach 1945 als Rechtsanwalt oder Beamter im höheren Dienst tätig gewesen wäre."(17) Sieht so ein Rechtsstaat aus? Sind die langjährigen, menschenrechtswidrigen Berufsverbote des "Rechtsstaats" Bundesrepublik schon vergessen? Hat nicht der dafür zuständige UNO-Ausschuss den "Rechtsstaat" Bundesrepublik angeklagt, im Gefolge der Annexion der DDR dort massenweise Menschenrechte verletzt zu haben? An der Wiege der Bundesrepublik standen solche führende Nazis wie Globke und, Heusinger. Drei Bundespräsidenten dienten Hitler. Heuss hatte Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt, war Autor im Renommierblatt des Goebbels "Das Reich". Lübke war ein KZ-Baumeister; Carstens ein SA-Mann. Bundeskanzler Kiesinger ein Mann aus dem Goebbelsschen Propagandaministerium usw. usf. Nähme man in Bonn den Unbegriff des Totalitarismus ernst, hätten nicht hohe Naziwürdenträger Baumeister der Bundesrepublik sein dürfen. Stattdessen durfte ein Kommunist nicht einmal Briefträger sein.

Wir haben es hier mit einer tief begründeten Gleichheit zu tun: Denn bürgerliche Demokratie und Faschismus haben die gleichen sozialökonomischen, eben kapitalistischen Grundlagen. Nur der Sozialismus brach mit ihnen und zog sich deshalb den wütenden Haß des Imperialismus und seiner politischen Agenturen zu.

Der groß angelegte Lügenfeldzug soll bewirken, dass sich die Massen des Volkes nicht an einer sozialistischen Alternative orientieren, sie sollen nicht einen Weg beschreiten, der wegführt von der Gefahr, dass unser Land und Volk ein weiteres Mal in die Katastrophe gesteuert wird.


6. Ich mache einen radikalen Bruch. Welches ist das zentrale Problem, das hinter allen hier dargestellten Ereignissen, Prozessen, Erscheinungen wirkt? Dies war und ist der Oktober 1917. Damals wurde das Netz des Imperialismus erstmals in einem großen Land zerrissen. Von da an gingen die Kommunisten mit der Überzeugung ans Werk, nun sei die Endphase des Kapitalismus angebrochen. Aber auch in den Herrschafts- und Machtzentren des Kapitals wusste man um die Todesgefahr, die da für das eigene System entstanden war. Diese Gefahr aus der Welt zu schaffen wurde zur Grundorientierung des Imperialismus, mochten sich die einzelnen imperialistischen Staaten untereinander noch so feindlich sein, an dieser Grundorientierung, an diesem grundlegenden Klasseninteresse hielten sie alle fest Der Entscheidungskampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus war und ist - gleichgültig, um welches konkrete Problem, um welche konkrete Einzelaktivität es jeweils ging, wie verschlungen die Wege auch sein mussten - die Achse aller nationalen und internationalen Kämpfe. Auch die deutsche Entwicklung war und ist in dieses Ringen eingebunden. Auch der Umgang oder Nicht-Umgang mit dem in Deutschland zur Macht drängenden Faschismus. Die Auseinandersetzung um seine Niederringung im Zweiten Weltkrieg änderte nichts an dieser Grundorientierung. Churchill hat das deutlich gemacht, als er sagte: "Wir haben das falsche Schwein geschlachtet!" Seit 1945 ging es darum, das Territorium, das ökonomische, demografische, politische und militärische Potential Deutschlands für die Zerstörung des Sozialismus zu nutzen. So die imperialistische Orientierung. Darum verhinderte der Imperialismus jegliche Maßnahme, die dem entgegenstand: Die Schaffung eines einheitlichen, friedlichen und neutralen Deutschlands, eines solchen Deutschlands, das nicht einem Bündnis angehören durfte gegen ein Land, das im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler-Deutschland Krieg führte. Dies die sowjetische Orientierung, der sich die deutschen Kommunisten aus wohlverstandenen eigenen Interessen anschlossen: Der Krieg, vom deutschen Boden ausgehend, mit modernsten Massenvernichtungswaffen geführt, hätte das Ende unseres Volkes bedeutet. In diesem großen Zusammenhang ist auch die Propaganda-Phrase vom besten Deutschland zu bewerten, das es je gab: Die Geschichte ist noch nicht an ihr Ende angelangt. Das Schicksal unseres Volkes ist noch offen!


Robert Steigerwald, Dr. sc., Eschborn, MB-Redaktion

Anmerkungen:
(1) Georg S. Wheeler
(2) zitiert in "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 6, Berlin 1966, S. 367
(3) Das Prager Manifest von 1934, Schriftenreihe Sozialistische Korrespondenz, Heft 3, S. 27
(4) ebenda, S. 21
(5) ebenda, S. 17
(6) zitiert in "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", Band 5, S. 587
(7) ebenda, S. 613
(8) Kundgebung der SPD, angenommen auf dem Parteitag der SPD, Hannover, Mai 1946, ebenda, Band 6, S. 414
(9) ebenda, Band 6, S. 367
(10) ebenda, Band 6, S. 431
(11) Aufruf der KPD: "Wir Kommunisten und die deutsche Nation", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin, 1960, Heft 3, S. 564
(12) Revolutionäre deutsche Parteiprogramme, Dietz Verlag, Berlin 1965, S. 191
(13) Albrecht Kaden, Entscheidung in Wennigsen, in: Die neue Gesellschaft", Heft 6/1960, S. 485
(14) Erich Gniffke, Jahre mit Ulbricht, Vorabdruck in: Der Spiegel, 25. April 1966, S. 53
(15) siehe hierzu die zahlreichen Dokumente in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 6
(16) Angelika Lehndorff-Felsko, Fritz Rische, KPD-Prozess 1954/56, F./a. M.: Verlag Marxistische Blätter, 1981, S. 140
(17) Joachim Perels, "Das juristische Erbe des "Dritten Reiches". Beschädigungen der demokratischen Rechtsordnung". Frankfurt a. M. 1999, S. 69


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 3-09, 47. Jahrgang, S. 18-23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2009