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ROTER BRANDENBURGER/001: Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg 1/11


Roter Brandenburger - Januar 2011
Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg


In dieser Ausgabe:
- Frage und Antwort
- Ahnungsloses Gerede
- 190. Geburtstag von F. Engels
- Erklärung des Sekreteriats
- EU = friedliches Europa?
- Einheitsgewerkschaft verteidigen
- Faschismus (Teil VIII)
- Aus dem Januarheft der Roten Kalenderblätter
- Geschichtskommentar des Monats
- Schleimspur
- Brandenburger Nachrichten in Rot
- Interview
- Sozialbeschuss zum Jahresschluss
- Roter Bücherwurm
- Impressum

Raute

Militärspielzeug ist teuer

Gegen Aufrüstung und Auslandseinsätze der Bundeswehr 9. Januar Luxemburg-Liebknecht-Demonstration in Berlin

Von den Konzernmedien war zu hören und zu lesen, dass der Rüstungskonzern EADS sich mit den Käuferländern des Militärtransportflugzeugs A400M auf eine Finanzierungslösung geeinigt hätte. Diese klang schlicht: Deutschland kauft einfach statt der geplanten sechzig Flugzeuge nur dreiundfünfzig. Die anderen Käuferländer, Frankreich, Spanien, Belgien, Luxemburg, Großbritannien und die Türkei, machen es ebenso und so ist allen gedient. Dass Deutschland mit den ursprünglich geplanten sechzig A400M der größte Abnehmer der zu produzierenden einhundertachtzig Stück war, und mit dreiundfünfzig geblieben ist, fand eher nebenbei Erwähnung. Als das Projekt begann, war ein Festpreis von 20 Milliarden Euro für einhundertachtzig Flugzeuge vereinbart worden. Unablässig steigende Kosten führten zu einem jahrelangen Milliardenpoker und als im Dezember 2009 mit zwei Jahren Verspätung der erste A400M zum Jungfernflug abhob, mussten schon 11,3 Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant für das Projekt gezahlt werden. Als Liefertermin des A400M für die Bundeswehr ist der November 2014 vorgesehen. Es steht zu erwarten, dass das Ende der Preisspirale nicht erreicht ist und weitere Überraschungen nicht auszuschließen sind. Dass momentan auf sieben A400M für die Bundeswehr verzichtet wird, hat nichts zu sagen. "Die Bestellung von sieben der sechzig deutschen Flugzeuge [soll] in eine Option umgewandelt werden", hieß es aus dem zuständigen Ministerium. In der Wirtschaft bedeutet Option: Voranwartschaft auf Erwerb oder zukünftige Lieferung einer Sache. Die Dinger werden also kommen. Dass der ganze Spuk bezahlt wird, ist sicher. Ebenso sicher ist, dass Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, soziale Betreuung... - alles, was den Menschen nützt, vom Staat, dem uns wohlwollenden, nicht mehr finanziert werden kann. So erweist sich die eingangs erwähnte Meldung als ein erneuter Betrug, zumindest als eine arglistige Täuschung. Nichts anderes erwartete   Till

Raute

Frage und Antwort

"In der BRD bedrücken uns, von Armutslöhnen bis Altersarmut, so viele Sorgen und Nöte. Warum schreibst du öfter über internationale Probleme als über die eigenen?" Eine verständliche Frage, denn ein Sprichwort sagt, das Hemd ist dem Menschen näher als der Rock. Nur gilt diese Wahrheit nicht für alles und alle, denn jede Wahrheit ist immer konkret... Konkret gesehen zählt die Bundesrepublik zu den drei größten Exporteuren der Erde. Aus den Exportgewinnen resultiert zum großen Teil der Profit der Reichen. Zudem bestand der BRD-Export 2008 aus Waren, die zu 40 % Vor- und Halbfertigprodukte enthielten, die zuvor aus dem Ausland importiert waren. Die Bundesrepublik gibt sich als Führungsmacht der 27 EU-Staaten, und wiederum gehen die Gewinne der deutschen Reichen aus Ein- und Ausfuhr nachweisbar zu Lasten der wirtschaftsschwächeren, ärmeren Länder. Längst verlagern die deutschen Großkapitalisten immer mehr ihrer Produktionsstätten ins Ausland. Was glaubt ein Deutscher: Wachsen die deutschen Kapitalinvestitionen im Ausland oder die im Inland schneller? Schlimmer noch: Ausgerechnet dieses Deutschland gehört zu den Staaten, die ihrem Anspruch auf Rohstoffe in anderen Staaten mit "militärischen Mitteln" Nachdruck verleihen...

Man hat sich in der Bundesrepublik an die ungeheuerliche Tatsache gewöhnt, dass dieser Staat und unzählige seiner Bürger das Ausland die Menschenrechte lehren - die 12 Millionen Kubaner, die 22 Millionen Mosambikaner, die 150 Millionen Russen, die 1,35 Milliarden Chinesen, im Grunde die ganze Menschheit. Zur nationalistischen Anmaßung kommt der Betrug: Sie unterschlagen die sozialen Menschenrechte und üben häufig Druck aus, um durch den bürgerlichen Teil der Menschenrechte eigene Vorherrschaft zu erreichen. Auch trägt die BRD die neue NATO-Strategie mit. Das "Verteidigungsbündnis" modernisiert sein Kernwaffenarsenal auf beängstigende Weise weiter. Wenn deshalb jedoch andere Staaten zum eigenen Schutz ihrerseits nach Kernwaffen streben, will sich die NATO dagegen offensiv "verteidigen". Sind in Deutschland alle bisher von Nuklearmächten der NATO verübten Aggressionen vergessen? ...

Angesichts all dessen ist unschwer zu erkennen, dass fast alle Probleme, Sorgen und Nöte innerhalb Deutschlands aus dem Umgang der BRD mit den anderen Völkern und Staaten unserer Erde resultieren. Die Besitzenden und Regierenden Deutschlands haben Europa und den ganzen Planeten im Blick. Und der richtet sich auf Gewinn von internationalen Märkten, wirtschaftlichen, politischen und militärischen Einflusssphären, auf Rohstoffquellen. Er richtet sich darauf, dass andere Völker nicht konkurrenzfähig und in Abhängigkeit gehalten werden. Gewiss interessiert sich die Oberklasse auch für die Verhältnisse im Inneren ihres Staates. Jedoch zu dem Zweck, möglichst viele Staatsbürger zu "Dienstleistern" ihres Weltmachtstrebens zu manipulieren. Und durchaus auch, um das Anwachsen von Armut und Elend zu einer "demokratische Mehrheit" zu vermeiden. Ob das gelingt, hängt allerdings wiederum von selbst verursachten Krisen und Kriegen ab. Jedenfalls werden wir sowohl Hemd als auch Rock verlieren, wenn alles so weiter geht. Noch leiden offiziell "nur" 16 Prozent der Deutschen unter eigener Armut. Aber fast alle "zahlen" längst unentwegt für die Gier der deutschen Oberklasse nach Weltgeltung...

Die eingangs erwähnte Frage stellte ein Genosse, ein Kommunist. Deshalb darf in diesem Text folgendes nicht unerwähnt bleiben: Wir haben es in Deutschland seit 100 Jahren nicht mehr einfach mit dem Kapitalismus zu tun, sondern mit dessen weit gefährlicherem Entwicklungsstadium, dem Imperialismus. Wir sind in völlig anderer Situation als die Völker etwa in Mosambique, Chile, Venezuela, Vietnam oder gar China. Die werden "von außen" vom Imperialismus bedroht. Wir hingegen leben innerhalb des imperialistischen Systems. Man macht alles falsch, wenn dieser grundlegende Unterschied nicht gründlich bedacht und für unsere Praxis bestimmend wird.

Hans Stahl

Raute

So steht es im Kommunistischen Manifest:

Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch,
dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen,
von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen,
andererseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf
zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.


*


Wetterleuchten

Kriegsgeneration an die Nachgeborenen

Siehst du den Feuerschein am Horizont?
Hörst du das Bersten der Granaten?
Dort ist Krieg im Land und an der Front.
Dort sterben Zivilisten und Soldaten.

Spürst du den Geruch nach Feuerbrand?
Den bekannten glühendheißen Wind?
Den Mordsgestank von einst im Land?
Der Krieg greift heut' nach deinem Kind.

Mutter, dein Sohn soll nach Afghanistan,
In dieses arme, blutgetränkte Land.
Soll angeblich dort für Ordnung sorgen
Und mit der Waffe Menschen töten.

Glaubst du, unterdrückte Völker halten still,
Lassen Tod und Feuer über sich ergehen,
Geben alles auf, wie das Kapital es will?
Ihr Widerstand greift nach deinem Kind.

Und für wen soll fallen dein Kind?
Für die, die sicher im Finanzkasino hocken,
Die an der Börse Kriegsprofite scheffeln
Und anderer Leute Geld verzocken.

Das Kapital, sein Profit und seine Macht,
Sie sind des Krieges und der Krise Quelle.
Änderung erhoffen? So trittst du auf der Stelle.
Nur Kampf für dein Recht bringt dir Macht.

Du musst als unterdrücktes Wesen leben
Oder menschlich aufrecht gehen.
Du musst leiden oder tapfer widerstehen.
Du musst Opfer oder Kämpfer sein.

L. Helmschrott

Raute

Ahnungsloses Gerede

Keineswegs üblich ist es, einem Wirtschaftminister zu widersprechen, gehört er doch zur Kategorie der Immerrechthabenden. Einem bundesdeutschen Brüderle zu sagen, dass er dummes Zeug redet, heißt Eulen unter die Berliner Terrorkuppel zu tragen. Dennoch! Der Wirtschaftsminister hat das, was Wikileaks machte, mit der Arbeit der Staatssicherheit der DDR verglichen und nuschelte: "Manches, was ich bei Wikileaks da entnehme, erinnert mich an die Sammelwut, die früher Institutionen im Osten hatten - die Stasi dabei." Abgesehen von der Verhunzung der deutschen Sprache, ist der Mann dem Delegitimierungsgaul seines Parteifreundes Kinkel aufgesessen, allerdings rückwärts. Nicht Wikileaks sammelte Informationen, sondern das US-amerikanische Außenministerium wies an zu sammeln. Darüber hinaus nimmt sich, worüber Frau Birthler wacht, aus wie die Briefmarkensammlung eines Zehnjährigen [ehemalige Mitarbeiter des MfS mögen es mir nachsehen] - gegenüber der Informationsflut, die in die USA gesaugt wird. Bleibt dem Herrn Brüderle zu empfehlen: Keine Ahnung? Einfach mal Klappe halten!

Till

Raute

190. Geburtstag von Friedrich Engels

Am 4. Dezember 2010 fand in der Ladengalerie der Jungen Welt eine Gedenkveranstaltung zum 190. Geburtstag von Friedrich Engels statt. Eingeladen hatten die Brandenburgischen Landesverbände der DKP, KPD und KPF. Trotz der schlechten Witterung und der sparsamen Vorankündigung kamen etwa fünfzig Teilnehmer zu dieser niveauvollen Würdigung.

Zuerst sprach Prof. Götz Dieckmann, letzter Rektor der Parteihochschule der SED. Sein Beitrag galt vor allem Friedrich Engels als Philosoph, Revolutionär und bester Freund von Karl Marx. Mich beeindruckte vor allem die Darstellung der Menschlichkeit Friedrich Engels'. Der Hörer bekam einen nachhaltigen Eindruck vom Schaffen dieses besonderen Menschen, der in vielen Darstellungen im Schatten seines Freundes stand - vielleicht mitverursacht durch die ausgeprägte Bescheidenheit Engels'. Eigene Arbeiten stellte er zurück, vor allem nach Marx' Tod. Ihm war es wichtiger, "Das Kapital" als Gesamtwerk erscheinen zu lassen, als an seiner "Dialektik der Natur" weiterzuarbeiten, nicht nur aus freundschaftlicher Verbundenheit, sondern auch aus einem hohen Verantwortungsgefühl. Was hätte ein halbfertiges Jahrhundertwerk wie "Das Kapital" bewirken können?

Prof. Zbigniew Wiktor, Mitglied der Kommunistischen Partei Polens, sprach über "die aktuellen Bezüge in den Arbeiten Friedrich Engels", nach einer ausgiebigen Schilderung der heutigen Situation in China. Dem Universitätsprofessor aus Wrozlaw ging es im Besonderen um die praktische Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse von Marx, Engels und Lenin, im Hinblick auf die Niederlage der europäischen Arbeiterbewegung. "190 Jahre nach Friedrich Engels Geburtstag müssen wir die marxistische Wissenschaft neu betrachten."

Abschließend verwies Prof. Anton Latzo, der Fachmann der Außenpolitik aus der Potsdamer DKP-Gruppe, mit seinem sehr interessanten Bericht auf die Frage der Außenpolitik, wie sie Friedrich Engels forderte. Die Arbeiterklasse besitzt heute weder eine gemeinsame Strategie zur Außenpolitik, die unsere Klassiker aber schon damals gefordert hatten, noch wird sie wissenschaftlich praktiziert.

Dieses würdige Gedenken an Friedrich Engels, dem Mitbegründer des historisch-dialektischen Materialismus, diente u.a. dem Ziel, linke Kräfte zusammenzuführen und ihnen den Hinweis zu geben, dass es wert und wichtig ist, aus heutiger Sicht die Werke erneut zur Hand zu nehmen.

Ulla Ermen

Die Reden sind unter www.dkpbrandenburg.de zu finden

Raute

Erklärung des Sekretariats des Landesvorstandes der DKP Brandenburg

An der Seite von Mitgliedern sozialistischer und kommunistischer Parteien, linker Verbände, Organisationen und Einrichtungen aus den verschiedensten Regionen Europas bekräftigen auch wir, die DKP Brandenburg, unseren Willen zur politischen und organisatorischen Zusammenarbeit.

In einem Schreiben des Koordinators des "Ständigen Forums der Europäischen Linken - der Regionen (SFEL-R)", das dem "Roten Brandenburger" zugegangen ist, unterstellt er dem Landesvorsitzenden der DKP, er habe "am 27.11.10 die Zusammenarbeit mit dem Forum aufgekündigt". Wir haben aber nicht unseren Austritt aus dem SFEL-R erklärt.

Was hat sich tatsächlich zugetragen? Zur Sitzung des Koordinierungsrates des SFEL-R, am 27.11.10 in Bautzen, lag ein überarbeiteter "Rahmenvertrag der SFEL-R" vor, den alle Beteiligten als Verpflichtung bereits unterschrieben hatten, nur die DKP Brandenburg nicht.

Diese Vereinbarung besagt, dass die bisherige Zusammenarbeit jetzt auch darauf ausgerichtet sein soll, "die im Rahmenvertrag getroffenen Maßnahmen in einem sich entwickelnden Netzwerk der EL umzusetzen".

Dem entsprechen die Aussagen in der ebenfalls vorliegenden neuen Satzung des Forums: "Die Mitglieder des Netzwerkes des 'Ständigen Forums der Europäischen Linken - der Regionen' (SFEL-R) sind dem Programm und dem Statut ihrer Partei und der Programmatik der Europäischen Linken verpflichtet" (Hervorhebung d. Autors). Weiter wird unter "Arbeitsgrundsätze" festgelegt: "Das Netzwerk ist Bestandteil der politischen und organisatorischen Arbeit der eigenen Partei (Gliederung) innerhalb der Europäischen Linken (EL)".

Wir sehen in der DKP eine selbständige Partei. Alle ihre Gliederungen und Strukturen sind allein ihrem Programm und ihrem Statut verpflichtet. Davon ausgehend, haben wir erklärt, dass wir Verpflichtungen, die diese Prinzipien verletzen, nicht unterzeichnen. Diese Position haben wir immer klar gemacht. Schon bei der Entstehung des vorherigen Vertrages haben wir schriftlich unsere Bedenken angemerkt. Das schließt jedoch nicht aus, die Zusammenarbeit in bisheriger Form weiterzuführen und vor allem inhaltlich zu verbessern.

Die DKP Brandenburg hat nicht ihren Austritt aus dem Forum erklärt. Wir sind der Meinung, eine Zusammenarbeit ohne Netzwerk der EL zu Inhalten, Aktionen usw. ist möglich. Es sei denn, dieses Netzwerk und seine Mitglieder möchten nur mit SFEL-R-Mitgliedern zusammenarbeiten. Es war der Koordinator des Forums, der in diesem Zusammenhang erklärt hat: "... wenn ihr unterschreibt, könnt ihr gerne weiter mit uns zusammen arbeiten..."

Entsprechend dem internationalistischen Charakter unserer Partei sind wir bestrebt, die Politik der Aktionseinheit auf der Grundlage der gemeinsamen Interessen, der Gleichberechtigung und Selbständigkeit der Parteien im antikapitalistischen Kampf um die Durchsetzung der Interessen der arbeitenden und sozial benachteiligten Menschen und im antiimperialistischen Kampf für den Frieden durchzusetzen.

Unsere bisherige Arbeit im Rahmen der SFEL-R ist Beweis dafür, dass eine solche Zusammenarbeit möglich ist und erfolgreich sein kann. Davon zeugt nicht zuletzt die gemeinsame Konferenz der DKP, der KPF, der KPD und der PKP (Kommunistische Partei Polens) zum 190. Geburtstag von Friedrich Engels am 4. Dezember 2010.

Wir sind gewillt, dieses Bündnis, das vor über 10 Jahren begann, auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und der internationalistischen Solidarität aller Beteiligten in diesem Sinne fortzusetzen.

Raute

EU = friedliches Europa? (Teil 1)

"Montanunion" hieß die EU im Säuglingsalter. Die war kein Kind der Liebe, sondern eines des Kalten Krieges. Als Eltern sind die Mächtigen der USA und Frankreichs zu benennen. Erstere drängten auf die Geburt, weil sie Westeuropa nach 1945 für ihr roll back Richtung Osten brauchten. Dazu galt auch, die westlichen Besatzungszonen Deutschlands als Frontstaat aufbauen zu wollen. Frankreich andererseits hatte ein brennendes Interesse daran, die starke Montankapazität eines westdeutschen Staates unter Kontrolle zu haben. Der verfügte über etwa 80% aller Kohlevorräte der dann in der Montanunion zusammengeschlossenen westeuropäischen Länder und war auch größter Rohstahlerzeuger. So führten durchaus unterschiedliche Ziele zweier imperialistischer Siegermächte zu einem gemeinsamen und nachhaltigen Ergebnis: Am 18. April 1951 unterzeichneten die BRD, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande den Gründungsvertrag der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl", genannt Montanunion....

Heute lässt sich die Tragweite jener Entscheidung nur mit der Fähigkeit zu historischer Sicht begreifen. Kohleförderung sowie Eisen- und Stahlproduktion waren nämlich damals Grundlage industrieller Leistungsfähigkeit. Die wiederum war Voraussetzung wirtschaftlicher, politischer und militärischer Kraft. Der Unionsvertrag zielte auf Herstellung eines gemeinsamen Marktes, Aufhebung der Binnenzölle, Harmonisierung der Außenzölle, einheitliche Kartell- und Preispolitik. Finanzkapital und Konzerne waren obenauf. Eine "Hohe Behörde" gewann grenzüberschreitend Exekutivrechte. Eine "Gemeinsame Versammlung" von 78 Delegierten der Parlamente der Mitgliedsstaaten gilt als erstes "Europaparlament". Diese Gemeinschaft großkapitalistischer Staaten schuf sich auch einen gemeinsamen Gerichtshof...

Ausgerechnet in der ersten Wehrdebatte des Bundestages am 8.11.1950 begrüßte Kanzler Adenauer damals die französische Initiative für die Montanunion. Besonders unterstützte er den französischen Vorschlag, eine Armee der sechs Montanstaaten zu schaffen, einheitlich auszurüsten und einem gemeinsamen Verteidigungsminister zu unterstellen. Ließ sich das Wesen dieser westeuropäischen Union deutlicher sichtbar machen? Dazu sollte man heute wissen, bereits einen Monat zuvor hatte Adenauer die Wehrmachtsgeneräle F. Foertsch, A. Heusinger, H. Speidel und weitere Hitleroffiziere in das Kloster Himmerod einberufen. Hier wurde das Konzept für den Aufbau westdeutscher Streitkräfte im Rahmen einer westeuropäischen Armee ausgearbeitet...

Die historische Erfahrung, wer den Herren von Kohle und Stahl Macht einräumt, schließt einen Pakt mit dem Teufel, fand in der kapitalistisch strukturierten BRD selbstverständlich nie nennenswerte Verbreitung. Kaum sechs Jahre nach dem Gründungsvertrag der Montanunion fiel am 25.3.57 mit den "Römischen Verträgen" die Entscheidung zur Gründung der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) und der EURATOM (Europäische Atomgemeinschaft). Schon am 15.3.57 hatte sich die Bundesregierung und am 9. und 10.5.57 auch der Bundestag mit der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr befasst! Zehn Jahre danach, am 11.5.67 wendet sich Vizekanzler Willy Brandt öffentlich gegen den Atomwaffensperrvertrag mit dem Argument, dieser öffne der Wirtschaftsspionage Tür und Tor. Wohin dieser Kurs führen sollte, machte Bundeskanzler Erhardt bereits 1965 vor dem Bundestag sichtbar. Als "weitaus greifende Perspektive" nannte er "die Einheit Deutschlands in einem freien Europa, welches vom Atlantik bis zum Ural reicht"....

Zunächst jedoch fusionierten am 1.7.67 EWG, EURATOM und Montanunion zur Europäischen Gemeinschaft. Deren Kommissionen, Ministerrat, Parlament und Gerichtshof, voran natürlich die Gruppen des Großkapitals, konzentrieren ihre Macht auf das erklärte Ziel, bis 1980 eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schmieden. Am 19.6.83 beschließt ein Gipfeltreffen der EG eine Deklaration zur "Europäischen Union" mit der klaren Ansage, stärkeren Einfluss auf die "Weltpolitik" zu gewinnen. Es vergehen nochmals zehn Jahre, ehe am 1.11.93 der EU-Vertrag in Kraft tritt, also die Europäische Union Realität wird. Doch was für Jahre! Der großkapitalistische Westen hatte inzwischen den Kalten Krieg gewonnen. Der erste heiße Krieg in Europa nach 1949 stand in und gegen Jugoslawien bevor. Die zuvor sozialistischen Staaten (außer Jugoslawien) waren bereits völlig entmachtet und oft auch zerstückelt, damit das westeuropäische Monopolkapital sie leichter im EU-Magen Stück für Stück verdauen konnte. Auf dem ganzen Erdball war das Kräfteverhältnis völlig verändert....

1990 zählte die EG 12 Mitgliedsländer, sämtlich NATO-Staaten. Nach deren Sieg erweiterte sie sich bis 2010 als EU um 15 Staaten auf 27 Mitgliedsländer. Darunter waren 10 zuvor sozialistische (die liquidierte DDR nicht mitgezählt) und 5 zuvor militärisch neutrale Staaten. Politisch Unbedarfte erhofften mehr Freiheit, schöneres Leben und vor allem sicheren Frieden. Etwas ganz anderes hatte das Struktur bildende Finanz- und Großkapital der Montanunion mit der Europäischen Union im Auge. Es sah und ergriff die Chance, mit den wirtschaftlichen und finanziellen Kräften der EU und unter Missbrauch der fast 500 Millionen EU-Bürger, zur Weltmacht aufzusteigen und mit anderen Weltmächten um die Beherrschung der "restlichen Welt" zu konkurrieren. Ohne Skrupel auch mit militärischen Mitteln, was deutschen Herrenmenschen und altbekannten Kolonialisten Westeuropas das Herz wieder höher schlagen lässt. In Folge dessen erweisen sich alle mit der EU verbundenen Hoffnungen auf Freiheit, Armutsüberwindung und Frieden immer eindeutiger als tragische Illusionen der Völker.

H.ST.


• 2010 umfasste die EU 27 der heute in Europa bestehenden Staaten. Sie zählt annähernd 500 Millionen EU-Bürger. Ihre Fläche umfasst 4,3 Millionen Quadratkilometer (BRD 357.000 Quadratkilometer). Malta (450.000 Einwohner), Luxemburg (493.000) und Estland (1,3 Mio) sind die kleinsten, Großbritannien (61 Mio), Frankreich (64 Mio) und Deutschland (82 Mio Einwohner) die größten. In der EU sind 23 Sprachen als "Amtssprachen" anerkannt.

• BIP pro Kopf
Das höchste BIP (Bruttoinlandsprodukt) pro Kopf rechnete die EU 2008 mit 221 KKS (Kaufkrafteinheiten) Luxemburg zu. Es folgten Irland mit 137 KKS, Niederlande 135 KKS, Österreich 123 KKS, und Schweden mit 126 KKS. Nach diesen eigenwilligen Lebensstandard-Maßstäben konnten auch Dänemark 118 KKS und Großbritannien 117 KKS noch mithalten. Am schlechtesten dran sind Bulgarien mit 40 KKS, Rumänien 45 KKS, Lettland 56 und Polen mit 58 KKS. So richtig menschenrechtlich klingen aber auch die Estland, Litauen, Malta, Portugal, der Slowakei und Ungarn zugeteilten KKS nicht, denn die liegen nur zwischen 61 und 75. So standen bereits 2008 sieben blühende Wohlstandsländer in der EU zehn armen Völkern gegenüber. Zu den zehn dazwischen liegenden zählt unsere stolze Bundesrepublik Deutschland, nicht zuletzt, weil sie trotz aller Einheitspropaganda bis heute ein wirtschaftlich und sozial geteiltes Land ist.

• Frieden à la EU
In den Mitgliedsländern der EU arbeiten 146 Kernkraftwerke. Großbritannien und Frankreich sind offiziell Kernwaffenmächte. Deutschland und andere EU-Staaten haben ein "Mitspracherecht" für den Einsatz atomarer Waffen. Sie verfügen auch über "Trägermittel" für den Kernwaffeneinsatz. Einen offi ziellen Überblick über alle Stationierungsorte der Massenvernichtungsmittel der EU-Staaten und der NATO im europäischen "Friedensraum", gibt es nicht. Zu erleben ist stattdessen die fortwährende militärische Expansion von EU und NATO.

Die EU stellt zwar jeden fünften Soldaten auf dem Erdball, jedoch nur jeden dreizehnten Menschen. Im Verhältnis zum BIP steht Griechenland bei den Militärausgaben an erster Stelle der 27 EU-Staaten. Es stellt 147.000 Soldaten. An zweiter Stelle der Militärausgaben (immer im Verhältnis zum BIP gerechnet) steht die Atommacht Großbritannien. Die zählt 191.000 Soldaten. Bulgarien rangiert voller Stolz bei den Militärausgaben auf dem dritten Rang. Es unterhält 51.000 Soldaten. Ihm folgt Frankreich auf dem vierten Platz. Es hat aber neben angeblich pazifistischen Atomwaffen auch die meisten EU-Soldaten. Im Kreis dieser Friedenskämpfer darf Polen nicht fehlen. Es steht bei den Militärausgaben im Verhältnis zu seinem BIP an fünfter Stelle, wie übrigens auch mit der absoluten Anzahl seiner 141.000 Soldaten. Nach eigenen Angaben sind die Militärausgaben der BRD eigentlich gar nicht erwähnenswert, denn sie liegen mal gerade bescheiden im EU-Mittelfeld, jedenfalls am BIP berechnet. Und die soeben verkündete Reduzierung ihrer Soldatenzahl wird an der Anzahl ihrer Auslandskampfeinsätze in nicht mit Atomwaffen geschützten Staaten zu messen sein.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Unterzeichnung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) - Montanunion am 18. April 1951

Raute

Einheitsgewerkschaft verteidigen

Gesetzesinitiative zur Einschränkung des Streikrechts
Gewerkschaften und Unternehmer sind sich einig

Am 4. Juni dieses Jahres haben der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, auf einer Pressekonferenz eine gemeinsame Initiative vorgestellt, die so genannte "Tarifeinheit" gesetzlich zu regeln. Sie fordern, durch eine Änderung des Tarifvertragsgesetzes künftig gesetzlich vorzuschreiben, dass für gleichartige Arbeitsverhältnisse in einem Unternehmen nur ein einziger Tarifvertrag zur Anwendung kommen darf.

Im Falle von mehreren Tarifverträgen soll dann derjenige Tarifvertrag, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Unternehmen abgeschlossen hat, alle anderen verdrängen. Darüber hinaus soll die sich aus dem vorrangigen Tarifvertrag ergebende Friedenspflicht, während der nicht gestreikt werden darf, für alle Beschäftigte auch dann gelten, wenn sie der Gewerkschaft, die den Vertrag abgeschlossen hat, gar nicht angehören.

Dies läuft auf ein gesetzliches Streikverbot für diese Beschäftigten hinaus. Damit geht es um eine erhebliche Einschränkung des Streikrechts. Von namhaften und insbesondere auch gewerkschaftsnahen Juristen wird das als klare Verletzung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit und daher als verfassungswidrig eingeschätzt. In den DGB-Gewerkschaften wird die BDA-DGB-Initiative, die in den Gewerkschaften vor ihrer Bekanntgabe nirgendwo zur Diskussion gestellt worden war, mittlerweile von vielen Seiten heftig kritisiert. Die zweifellos wichtige größtmögliche Einheit unter den Beschäftigten darf keine Sache staatlichen Zwanges werden. Bei dem wird dann nicht mehr nach dem Sinn und Zweck dieser Einheit für die Beschäftigten selbst gefragt, sondern Unternehmenswohl und Staatsräson im Vordergrund stehen.

Es nimmt nicht wunder, dass die BDA-DGB-Initiative breite Unterstützung sowohl im Regierungslager als auch in der SPD findet. Bei einem so breiten, klassenübergreifenden Konsens mochte selbst Die Linke anfänglich nicht abseits stehen. In fester DGB-Verbundenheit spendeten ihr Vorsitzender und ihr Bundesgeschäftsführer, Klaus Ernst und Werner Dreibus, Beifall und versprachen Unterstützung. Angesichts der in den Gewerkschaften zunehmenden Kritik rückten sie zwischenzeitlich von ihrer (vor-)eilig erteilten Zustimmung ab.

In der gemeinsamen Stellungnahme zu ihrer Gesetzesinitiative erklären der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA): "Darüber hinaus dient die Tarifeinheit einer wichtigen Funktion der Koalitionsfreiheit und des Tarifvertragssystems, nämlich die Arbeitsbeziehungen zu befrieden." Hier lassen die "Sozialpartner" die Katze aus dem Sack.

Für dieses Ziel lässt sich innerhalb der Gewerkschaften jedoch schwerlich die Werbetrommel rühren. Die Losung "Ein Betrieb, ein Tarif" eignet sich besser. Sie soll die fortschrittliche Wirkung der vorgeschlagenen Gesetzesänderung belegen. Berufsegoistischen Sonderinteressen und der Unterbietungskonkurrenz durch christliche und gelbe Gewerkschaften würde mit der Umsetzung der Gesetzesinitiative ein Riegel vorgeschoben. Die Behauptungen fallen auf fruchtbaren Boden.

Der Gesetzgeber soll die ureigenste Aufgabe der Gewerkschaften übernehmen, die Solidarität im Betrieb zu stärken, und dies auch noch mit Unterstützung der Arbeitgeberverbände? Weder mit der gesellschaftlichen Realität (den Arbeitsbedingungen in Betrieben und Verwaltungen) noch mit den Absichten der Akteure hat dieses Fazit das Mindeste gemein.

In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" vom 7. Juli 2010 spricht Wolfgang Däubler (ehem. Professor für deutsches und europäisches Arbeitsrecht an der Uni Bremen) aus, worum es den Initiatoren der Gesetzesänderung geht: "Nach der Einigung zwischen BDA und DGB soll die Minderheitsgewerkschaft im Betrieb keine Chance mehr haben, zu Tarifverträgen zu kommen und dafür notfalls zu streiken. [...] Die Gewerkschaften der Lokführer, der Piloten, der Ärzte haben für ihre Mitglieder eine Menge rausgeholt. Nun befürchten Arbeitgeber und DGB, dass diese Beispiele Schule machen könnten. Das stört beide Seiten und deshalb verlangen sie, dass der Gesetzgeber nur noch den "Mehrheitstarif" zulässt. [...]"

Die DKP Brandenburg steht solidarisch an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, die sich in Form von Resolutionen und Anträgen gegen die Gefährdung der Grundlagen des Streikrechts wenden. Es gilt den Anfängen zu wehren.

Lothar Nätebusch

Artikel wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt

Raute

Faschismus (Teil VIII)

Keineswegs war 1919 der Hitlerfaschismus als Resultat der politischen Aktivitäten des deutschen Großkapitals vorgezeichnet. Doch indem es die Freikorps (die bereits häufig das Hakenkreuz am Stahlhelm hatten) und alle nationalistischen und militaristischen Vereine, Verbände und Parteien teils unterstützte, teils direkt benutzte, drängte es die Entwicklung in Deutschland in diese Richtung. Es gab den Weimarer Regierenden, den Militärs und den ihnen nahe stehenden Verbänden und Parteien auch ihre eigenen politischen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen mit auf den Weg. Die stimmten zwar immer mehr mit denen der Hitlerbande überein. Dennoch lag bis 1930 viel eher die Errichtung einer Militärdiktatur in der Luft. Die wäre gewiss auch eine Art des Faschismus gewesen. Ob sie die bisherige Einmaligkeit des Hitlerfaschismus erreicht hätte, liegt in den Sternen...

Als des Kaisers Heerführer Hindenburg 1925 Reichspräsident wurde, glaubte die herrschende Klasse, die ganze Sache in den Griff zu bekommen. Bis heute wird selten wahrgenommen, dass der Präsident der Weimarer Republik nicht in der Uniform der Reichswehr, sondern in der des kaiserlichen Generalfeldmarschalls auftrat. Wie alle nationalistischen "Wehrverbände" erhielt auch die SA finanzielle und andere Unterstützung, oft über das Reichswehrministerium. Schritt für Schritt wurde sie zum zahlenstärksten dieser Wehrverbände. Eines Tages hatten auch Söhne des Kaisers "Generalsränge" in der SA. Auch die propagandistischen Ressourcen der Hitleristen wurden deutlich stärker. Die längst wieder weit verbreiteten nationalistischen und militaristischen Ansichten und Stimmungen bildeten für sie einen äußerst fruchtbaren Boden...

1929 stürzte das Finanzkapital die Welt in die bis dahin tiefste kapitalistische Wirtschaftskrise. Sie brachte Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut über Deutschland. Millionen hungerten. Zehntausende starben am Mangel von Lebensmitteln und anderen Folgen des Elends. Das Finanzkapital durfte nicht als schuldig für Not und Tod erkannt werden. Denn das hätte erneut Revolution und auch die Entmachtung der Herren der Banken und Landgüter, von Kohle und Stahl zur Folge gehabt. So schlug die Stunde des Hitlerfaschismus in Deutschland. Der baute dem Volk den Popanz des "raffenden Kapitals" hin, welches angeblich dem miesen Charakter von Juden entsprach. Der versprach den deutschen Großkapitalisten "deutsche Wehrhoheit", wenn er regieren dürfte. Der orientierte auf die Eroberung beträchtlichen Ostraumes mit viel ländlichem Boden, Bodenschätzen und Arbeitssklaven. Im Volk hatten zu wenige begriffen, dass Raffen der Grundcharakter allen Kapitals ist. Und man übersah geflissentlich, dass beträchtlich mehr "echte" Deutsche "rafften" als deutsche Juden. Der Finanzadel jedoch begriff, dass Hitlers Ziele die seinen waren und die "braune Bewegung" wurde dessen Prokurist für Politik - am 30.1.1933.

H. St.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Fotomontage von J. Heartfield (1891-1968) "Blut und Eisen"

Raute

Aus dem Januarheft der Roten Kalenderblätter

Vor 100 Jahren, am 31. Januar 1911, verstarb in Berlin Paul Singer. Neben August Bebel und Wilhelm Liebknecht war Paul Singer eine der herausragenden Persönlichkeiten der revolutionären deutschen Sozialdemokratie. Dr. Kurt Laser hat es dankenswerter Weise übernommen, Leben und Werk dieses Mannes zu würdigen, der sich im Kampf gegen Bismarcks Sozialistengesetz und um die Entwicklung der Arbeiterbewegung in Deutschland besondere Verdienste erworben hat. Hunderttausende Berliner nahmen Abschied von "ihrem Paul", als er am 5. Februar 1911 auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde beerdigt wurde.

"Jagt die braunen Richter fort, Freiheit für Jupp Angenfort!" skandierten Mitglieder der SDAJ, der DKP und der VVN 1969, als sich die Bonner Justiz erdreistete, Jupp Angenfort erneut hinter Zuchthausmauern zu bringen, nachdem man ihn schon in den 50er Jahren für viele Jahre seiner Freiheit beraubt hatte. Peter Dürrbeck berichtet über Jupp Angenfort aus eigenem Erleben und persönlicher Zusammenarbeit. Heinz Stehr schrieb im März vergangenen Jahres in seinem Nachruf: "Jupp Angenfort - das war einer der wirklichen Helden dieser vom Antikommunismus zerfressenen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland".

Die Brandenburger Genossen erinnern an einen der Wegbereiter bei der Gründung unserer DKP-Landesorganisation. Heinz Hoffmann war einer der Initiatoren und Organisatoren, als es nach dem Sieg der Konterrevolution darum ging, die vor allem von der PDS enttäuschten Mitglieder zu sammeln und ihnen in der DKP eine neue politische Heimat zu geben. Er war nach den Worten von Brigitte Müller "zuverlässig und standhaft, für sich bescheiden und voller Verständnis für andere". So werden wir Heinz Hoffmann in Erinnerung behalten.

Der Geschichtskommentar von Prof. Dr. Anton Latzo - ein Auszug aus seinem für den Parteitag vorbereiteten Diskussionsbeitrag - stellt die für die weitere Entwicklung der revolutionären Arbeiterbewegung alles entscheidende Frage: "Entweder sozialistische, marxistisch begründete Klassenpolitik oder reformistisch-opportunistische Preisgabe der Interessen der Arbeiterklasse und damit des gesellschaftlichen Fortschritts, des Sozialismus auf lange Zeit".

Konrad Hannemann berichtet über den Aufbau des Eisenhüttenkombinats Ost und den Aufbau von Eisenhüttenstadt. Als politisch engagierter Bürger der ersten sozialistischen Stadt auf deutschem Boden, erinnert er an die Grundsteinlegung am 1. Januar 1950 und die schöpferische Kraft der Werktätigen beim Aufbau des EKO in den folgenden Jahren. Wolfgang Herrmann, der 1986 am Parteitag der Kommunisten Panamas teilgenommen hat, vermittelt eine aufschlußreiche Analyse der weiteren Entwicklung der Partei und kommt dabei zu dem Schluss, daß die Kommunisten Panamas, ungeachtet aller Schwierigkeiten, standhaft geblieben sind.

Wir bringen in unserem Januarheft den letzten Artikel, den Rosa Luxemburg am 14. Januar 1919 - einen Tag vor ihrer Ermordung - in der "Roten Fahne" veröffentlicht hat. Ihre Antwort auf den Sieg der Konterrevolution ist der revolutionären Arbeiterbewegung zum Vermächtnis geworden: "Eure Ordnung ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich schon morgen rasselnd wieder in die Höh' richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!"

Prof. Dr. Erich Kundel

Raute

Geschichtskommentar des Monats

Die Niederlage des Sozialismus war die Folge des sich zu Ungunsten des Sozialismus entwickelnden Kräfteverhältnisses im Klassenkampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus und der Unterhöhlung des proletarischen Internationalismus. Verbunden mit dem Kampf gegen den Sozialismus - und besonders nach dem Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern Europas - ist der Kampf gegen die Kommunistischen Parteien generell und gegen die Träger des sozialistischen Gedankenguts zur Hauptachse des nationalen und internationalen Klassenkampfes geworden.

Der Antikommunismus ist politisches und ideologisches Hauptanliegen des Kapitals und seiner Institutionen in Staat und Gesellschaft. Ich vertrete die Ansicht, dass auch das, was manche als Transformation des Kapitalismus feiern, in dieses Konzept des Antikommunismus gehört. Die Erfahrungen einer einst stolzen IKP und FKP sollten uns eine Lehre sein! Aber auch die Erfahrungen einer KP Luxemburgs oder einer KP Böhmens und Mährens, die sich behauptet haben! Was kennzeichnet die Parteien, die "überlebt" haben? Das Festhalten an der revolutionären Theorie von Marx, Engels, Lenin und an den internationalen Erfahrungen der Kommunistischen Parteien am proletarischen Internationalismus. Unsere Aufgabe sehe ich darin, gegen den Antikommunismus und seine ideologische Diversion in Theorie und politischer Praxis im nationalen und internationalen Rahmen aktiv zu kämpfen. Unser Parteiprogramm bietet ausreichend Grundlage, um diesen Weg zu gehen.

In diesem Zusammenhang erweist sich die Auseinandersetzung mit reformistisch-opportunistischen Positionen als Grunderfordernis der ideologischen, theoretischen und politischen Tätigkeit der Kommunisten und aller Marxisten. Unsere Bewegung steht vor der Alternative: Entweder sozialistische, marxistisch begründete Klassenpolitik oder reformistisch-opportunistische Preisgabe der Interessen der Arbeiterklasse und damit des gesellschaftlichen Fortschritts, des Sozialismus für eine lange Zeit.

Es geht hier nicht um ideologische oder theoretisch abstrakte Exerzitien. Es geht darum, ob die Arbeiterbewegung ihre strategische Ausrichtung und ihr politisches Handeln auf die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch die politische Macht der Arbeiterklasse ausrichtet, um die von Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg befreite sozialistische Gesellschaft zu errichten, oder ob sie sich mit der Reformierung des Kapitalismus begnügt, dessen Grundlagen unangetastet lässt. Lenin schrieb 1913 in seinem Aufsatz über "Marxismus und Reformismus": "Der Reformismus ist ein bürgerlicher Betrug an den Arbeitern, die so lange die Herrschaft des Kapitals bestehen bleibt, ungeachtet einzelner Verbesserungen stets Lohnsklaven bleiben werden". Und das ist auch heute noch so!

Prof. Dr. Anton Latzo

(Aus seinem im Oktober 2010 für den Parteitag der DKP vorbereiteten Beitrag)

Raute

Schleimspur

Einsam zog eine übrig gebliebene braune Nacktschnecke ihre breite Schleimspur über die Fliesen der Terrasse, schmierig, glitschig, eklig. Der Schaden, der in diesem Gartenjahr durch viele ihrer Art angerichtet wurde, war bemerkenswert erheblich. Diese Gedanken kamen in den Sinn, als zu erfahren war, dass der so genannte Generalsekretär der Christdemokraten im Land Brandenburg, seines Zeichens auch noch stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei, dem Bundespräsidenten etwas ins Ohr geflüstert hatte. Als dem Bundespräsidenten die Führenden der Brandenburger Landtagsfraktionen vorgestellt wurden, flötete der Möchtegerngeneral, er sei in dieser Runde der einzige gewesen, der dem Präsidenten in der Bundesversammlung bei der Präsidentenwahl seine Stimme gegeben hätte. Woher er seine Kenntnisse vom Wahlverhalten anderer bei der geheimen Wahl hatte, verriet er nicht. Der Bundespräsident jedenfalls erstaunte. Schade eigentlich, dass der Präsidentenflüsterer sich nicht wieder die Häftlingsklamotten ausgeliehen und zur Schau getragen hatte. Der Bundespräsident hätte einen noch stärkeren Eindruck vom CDU-Bodenpersonal im Brandenburger Landtag mitnehmen können.   gh

Raute

Brandenburger Nachrichten in Rot

Einheitsarmee

(Dresden) - Die Bundeswehr zelebrierte in Dresden einen Tag nach dem Totensonntag einen "Großen Zapfenstreich" unter dem Oberbefehl des Ministers von und zu Guttenberg. Überraschend wurde die Bundeswehr auf dem unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Zeremoniell als "Armee der deutschen Einheit" gefeiert. Die wird allerdings ab 1. Juli dieses Jahres nur noch aus freiwilligen Einheitshelden bestehen. In Brandenburg, welches erstmals vor rund 850 Jahren für das sehr langsam werdende Deutschland vom Westen her erobert wurde, gewinnt neue Hoffnung Nahrung: Die Potsdamer Leitstelle für die Auslandseinsätze der Einheitsarmee könnte dafür sorgen, dass pro Kopf der Einwohnerzahlen West- und Ostdeutschlands gerechnet, künftig auch gleich viel freiwillige Krieger fallen.


Glaubenszeitung

(Frankfurt/O.) - Der Frankfurter MOZ ist zu entnehmen, dass 62% der Westdeutschen und 72% der Ostdeutschen den Kirchen nicht mehr vertrauen. Vielleicht druckt die unideologische Zeitung deshalb spezielle Seiten mit dem Obertitel "Glaube und Welt". Auf solcher Seite ist beispielsweise zu lesen, Buddhismus und Hinduismus seien nicht immer friedfertig. Im Hinblick auf das Christentum erübrigt sich in Brandenburg wahrscheinlich eine entsprechende Aussage. Man erfährt, das Dienstrecht evangelischer Pfarrer sei vereinheitlicht worden. Offen bleibe jedoch, ob ein Pfarrer heiraten muss oder eine Pfarrerin eine Partnerin haben darf. Armes Grundgesetz. Auf der Seite vom 17.11.2010 teilt ein in allen Ehren emeritierter Kirchendekan mit, Gott könne weder sehen noch hören und deshalb setze ein Gebet Glauben voraus. Nichtchristen wussten das auch ohne MOZ.


Beängstigend

(Frankfurt/O.) - Erfolg für das Hauptzollamt Frankfurt/O: Beamte entdeckten allein an einem Tag im November in drei PKW von Schmugglern in deutsch-polnischer Grenznähe mehr als 335.000 Zigaretten. Deren Verkauf hätte Deutschland um 64.000 Euro Steuern betrogen. Weit erschreckender ist allerdings der Umstand, dass sich die seit zwanzig Jahren zuständigen Sicherheitsämter von BRD und EU unfähig erweisen, die Produktionsstätten und Vertriebszentren derartiger Größenordnungen zu finden. Die tagtägliche Jagd auf Kleinstkriminelle ist wohl publikumswirksamer und dient der "Volkserziehung".


Bauernland in Bonzenhand

(Prenzlau) - Der uckermärkische Bauernverband machte auf einen Verkaufsboom mit Ackerland und Grünlandflächen aufmerksam. Industrieunternehmen, Fondsgesellschaften und Jäger kaufen immer mehr Land auf, so dass sich die Preise je Hektar innerhalb von zwei Jahren um bis zu 80% erhöhten. Ein starker Anreiz für Bodenspekulationen sind die hiesigen Bodenpreise, die bisher nur ein Drittel der westdeutschen betragen. Auch verkauft die BVVG (bundeseigene Gesellschaft zur Bodenprivatisierung) zwanzig Jahre nach der Enteignung des DDR-Volkes noch immer. Für bisher gepachtete Flächen steigen die Preise derart, dass hiesige Bauern die Pacht nicht mehr zahlen, geschweige denn den Boden erwerben können. Nun schlägt auch in Brandenburg die Stunde der Bodenspekulanten und Großgrundbesitzer mit all ihren aus der Geschichte bekannten Folgen. Die BRD ist schließlich kein Arbeiter- und Bauernstaat.


Lebenserwartungen

(Cottbus) - Die jetzt in Brandenburg geborenen Mädchen werden im Durchschnitt ein Jahr und drei Monate, die Jungen gar um zwei Jahre und fünf Monate früher sterben, als die in Baden-Württemberg. Diese weise Prognose offi zieller Forschungsinstitutionen führt im Land des Ministerpräsidenten Platzeck zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Anhänger von Brandenburgs Generalsekretär der CDU, Dombrowski, bitten, als regierende Partei der BRD möge sie für eine dementsprechende Differenzierung des Renteneintrittsalters in den unterschiedlich glücklichen Ländern sorgen. Die Mehrzahl der eingeborenen Brandenburger hingegen erwartet infolge der Wirtschafts-, Sozial- und Militärpolitik des Staates ohnehin in den bevorstehenden Jahrzehnten ein allgemeines Absinken der Lebenserwartung bis auf das Nachkriegsniveau.

Raute

Für mich sind meine Tätigkeiten selbstverständlich

RB: Inge, du bist sehr aktiv in der GO Havel/Oberhavel. Durch wen wurdest Du an die politische Arbeit herangeführt?

Inge Gatz: Mein zweiter Ehemann gab mir marxistische Literatur. Das half. Er saß 1949 in Tegel im Gefängnis, weil er "rote" Flugblätter verteilt hatte. Er war danach auf der Flucht.

RB: Wie ging es dann weiter?

I.G.: Wir sind daraufhin nach Ostberlin geflohen. Aber lass mich noch etwas ergänzen. Mit 14/15 Jahren, also 1944/45 lebte ich mit meiner Mutter im heutigen Polen. Auf Grund der faschistischen Anordnung "Heim ins Reich", hatten alle deutschsprachigen Personen, die im Ausland lebten, innerhalb von zwanzig Minuten ihre Heimat zu verlassen. Wir wurden ins faschistische Deutschland verfrachtet. Immer unter strenger Bewachung der SS.

RB: Seit wann warst Du politisch bewusst aktiv tätig?

I.G.: Schon 1949 bin ich der DSF und dem DFD beigetreten und wurde Kandidatin der SED. Dann arbeitete ich bei der Nationalen Front und dem DFD.

RB: Wie hast Du die Arbeit als Mutter von sechs Kindern und Hausfrau bewältigt?

I.G.: Ganz einfach: Manchmal habe ich bis früh um fünf gearbeitet und bin um sechs Uhr wieder aufgestanden. Mein Mann war sehr viel unterwegs. So musste ich dann alles regeln. Wegen der Kinder sind wir durch einen Ringtausch aus Berlin nach Falkensee gezogen. Mein Mann war begeistert von der Landwirtschaft und empfand die Gründung der LPG in der DDR gut und richtig, ja wichtig, um unsere Bevölkerung mit eigenen Lebensmitteln zu versorgen.

RB: Wie bist Du Mitglied der DKP geworden?

I.G.: Nach 1989/90 war ich natürlich in der PDS. Durch Brigitte Müller bin ich schließlich zur DKP gekommen und gleichzeitig mit meinem Sohn zum 50. Jahrestag der DDR eingetreten. Zunächst war ich Doppelmitglied, doch im Laufe der Zeit erkannte ich zunehmend, dass diese Zwitterstellung nicht meine Sache ist. Vor kurzem habe ich mich wegen der für mich falschen Programmatik der PdL von ihr offiziell getrennt. Über diesen Schritt bin ich froh.

Jetzt wurde ich auch zur Vorsitzenden meiner GO gewählt. Ein innerer Drang, man kann es auch Parteidisziplin nennen, hat mit dazu gebracht, diese Wahl anzunehmen. Daneben leite ich den Kreis der VVN-BdA.

RB: Was motiviert Dich zu diesen umfangreichen politischen Arbeiten?

I.G.: Es muss sich etwas ändern. Die DKP ist meiner Meinung nach die einzige Partei, die die innere Kraft dazu hat. Die Führungsspitze der PdL nähert sich mehr und mehr der SPD an. Mit organisierten Kommunisten wird sie von der SPD gemieden. Also, meiden viele PdL-Funktionäre uns. In unserer Arbeit müssen wir aufpassen, dass wir die jungen Genossen nicht mit Verantwortung erdrücken. Denn gerade weil es noch wenige Mitglieder sind, wird ihnen ein großer Teil der Arbeit aufgelastet. Deshalb finde ich mich noch jung genug, die Aufgaben zu bewältigen. Dabei erfahre ich von den jüngeren Genossen nicht nur Respekt, sondern besonders Unterstützung.

RB: Wie gehst Du vor, um die Menschen zu sensibilisieren und neue Mitglieder zu gewinnen?

I.G.: Ich rede mit meinen Mitmenschen und versuche, ihnen klar zu machen, dass alles, was man macht, gleichzeitig Politik ist. Ich sehe aber auch, dass viele zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, sei es durch Arbeitslosigkeit oder andere Probleme. Wir sollten gerade den Unzufriedenen Hoffnung geben, dann werden sie manchmal nachdenklich und aktiv. Leider noch zu selten. Die meisten bleiben bei der Unzufriedenheit stehen. Wir müssen ihnen dann den letzten Schritt erleichtern. Einfach Vormachen! Für mich sind meine Tätigkeiten selbstverständlich.

Die Fragen stellte Jana Berg

Raute

Sozialbeschuss zum Jahresschluss

Da neigte sich das Jahr 2010 dem Ende und im Parlament, an dessen Sitz ein Giebel seit 1894 den feinsinnigen Satz verkündet: DEM DEUTSCHEN VOLKE, rappelte es noch einmal heftig. Nach der durchgewinkten so genannten Gesundheitsreform mussten die fünf Euro Erhöhung des Hartz IV-Betrages durchgepeitscht werden. Die Rente mit siebenundsechzig war auch noch dran, den Bundestag zu passieren. Das wurde Zeit, denn schon will der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates die Rente mit neunundsechzig. Was es doch für Generalsekretäre gibt ... Bis auf wenige Ausnahmen zeigten sich die Abgeordneten nicht sonderlich berührt. Aber: An den sozialen Unfrieden befördernden Beschlüssen war die schwarz-gelbe Farbe noch nicht getrocknet, da konnte die Sperrung der Terrorkuppel über dem Sitzungssaal der Abgeordneten des Bundestages aufgehoben werden. Wir wissen nun endlich, woher Gefahr drohte. Dieses Theater wegen der fünf Eurolein für die ohnehin Gedemütigten?

"Zur Verbesserung der Einsatzfähigkeit und für den Aufbau der ANA" (Afghan National Army), das ist jene Truppe, die irgendwann nach Abzug der Besatzer aus Afghanistan das Land beschützen soll, wurde aus Deutschland Geld überwiesen. Nicht nach Afghanistan, sondern an amerikanische "Spendenmanager" vom "U.S. Corps of Engineers", die von den fünfzig Millionen deutschen Euros Steuergeldern schnell schlichte fünfzehn Prozent "Verwaltungsgebühr" kassierten. [Spiegel Online, 3.12.2010] Es gab da wohl deutschen Einspruch, der das System jedoch in keiner Weise beeinflusst haben dürfte. Diese Episode wurde bekannt durch die Veröffentlichung mehr oder weniger delikater diplomatischer Depeschen. Weitaus weniger vertraulich ist die Meldung, dass der Siemens-Chef Peter Löscher im Jahr 2010 eine Lohnerhöhung von sechsundzwanzig Prozent bekommen habe. Danach, hieß es, hätte er über zehn Millionen im Jahr "verdient". Allerdings sei das immer noch eine Million weniger als vor der Wirtschaftkrise 2008. Das Magazin "stern" veröffentlichte eine Übersicht von Möglichkeiten, was mit dem "transparent errechneten" neuen Hartz IV-Satz anzufangen wäre. Es gäbe vieles zu dieser Übersicht zu sagen, hier wird sie zitiert, um eine Relation herzustellen zu den fünfzig Millionen vergeudeten Steuergeldern und einem "Verdienst" von jährlich über zehn Millionen eines Chefs.

Für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind in dem neuen Hartz-IV-Satz 128,46 Euro vorgesehen. Wer auf Mono-Ernährung setzt, muss nicht darben. Für das Geld gibt es beispielsweise 65 Packungen Nudeln mit Tomatensoße
Eng wird es in Sachen Mode. Für Bekleidung und Schuhe sind 30,40 Euro vorgesehen. Dafür gibt's aber gerade mal eine Jeans im Sonderangebot
Für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung sind 30,24 Euro vorgesehen. Dafür gibt es einen Topf Innenfarbe
Für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände sind 27,41 Euro vorgesehen. Das entspricht einem Zehntel einer Waschmaschine vom Discounter
Für Gesundheitspflege sind 15,55 Euro vorgesehen. Dafür kann man sich immerhin mit fünf Billig-Duschgels eindecken und hat immer noch Geld für drei Deos, Einwegrasierklingen, eine Packung Windeln, Zahnpasta samt Bürste und Klopapier
Ganz mau sieht es bei der Fortbewegung aus. Für Verkehr sind nur 22,78 Euro vorgesehen. Dafür gibt es nicht einmal ein Sozialticket für den ÖPNV in Leipzig (26 Euro)
Für Nachrichtenübermittlung sind 31,96 Euro vorgesehen. Die tägliche Kommunikation lässt sich damit aufrechterhalten. Für das Geld gibt es immerhin eine Internet- und Telefonflat (etwa 20 Euro) sowie eine netzinterne Mobilfunk-Flatrate
Für Freizeit, Unterhaltung und Kultur sind 39,96 Euro vorgesehen. Ein Kinobesuch ist drin, mehr dann auch nicht. Für das Geld gibt es drei Eintrittskarten für "Avatar Maxximum 3D"
Bildung wird von der Politik im Wahlkampf seit Jahren großgeschrieben. Hartz-IV-Empfänger haben davon nicht viel. Für den Posten sind lediglich 1,39 Euro vorgesehen. Dafür gibt es gerade mal neun Minuten Englisch-Unterricht an der Volkshochschule (bei 290 Euro für 24 Unterrichtsstunden etwa in Frankfurt/Main)
Für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen sind 7,16 Euro vorgesehen. Macht ungefähr vier kleine Bier. Korrekter wäre es natürlich, Cola zu trinken, wo der Posten Alkohol doch gestrichen wurde...
Für "andere Waren und Dienstleistungen" sind 26,50 Euro vorgesehen. Reicht immerhin zwei Mal für den deutschen Brettspielklassiker, der angesichts der nicht eben üppigen Erhöhung auch motto-stiftend sein könnte: "Mensch, ärgere Dich nicht"

www.stern.de, 3. Dezember 2010, 12.18 Uhr. Neue Hartz IV-Sätze. Was es für 361,81 Euro gibt.

Gründliches Händewaschen war nach dem Schreiben des Textes angesagt, für   Till

Raute

Unter dem Dach der Kirche

Von Horst Schneider

Mit dem kürzlich erschienen Buch "Unter dem Dach der Kirche" ist nun ein weiterer Beitrag von Horst Schneider hinzugekommen, mit dem er sich an der Debatte um das Geschichtsbild über die DDR beteiligt. Der bekannte Dresdener Historiker stellt hier zwanzig prominente "Bürgerrechtler" der DDR vor und fragt sich, wofür sie eigentlich gekämpft hatten und ob sie heute noch "Schwerter zu Pflugscharen" fordern. Ist es Zufall, dass sich so viele von ihnen unter dem Dach der christlichen Kirchen versammelt haben? Nach den Jubelfeiern im November 2009 - für Menschen, "deren Verdienst einzig daran gemessen wurde, wie stark sie an der Delegitimierung der DDR beteiligt sind", zieht Horst Schneider Resumee.

Das Buch besteht aus einem längeren Vorwort und den daran anschließenden Kurzbiographien, mit Zitaten und Anmerkungen. Einem jeden Portrait hat Schneider ein Bibelzitat vorangestellt. Kaum ein Buch verfügt über einen so reichhaltigen Zitatenschatz wie die Bibel und ist so hervorragend geeignet, damit menschliche Widersprüche und Schwächen aufzudecken. Die einzelnen Gruppen innerhalb der "Bürgerbewegung" verfolgten unterschiedliche Ziele. Anfänglich stand bei den meisten die Erneuerung im Vordergrund und nicht die Vernichtung der DDR. So sprach Friedrich Schorlemmer noch am 17.9.1989: "Jedenfalls dürfen wir nicht verwechselt werden mit der Opposition im Lande ... Reale, eigenständig organisierte Mitwirkung an der Gestaltung des demokratischen Sozialismus muss möglich werden." Viele "Revolutionäre" wurden von ihrer politischen Naivität an der Nase herum geführt und mussten feststellen, dass sie Recht forderten, aber in einem Rechtsstaat gelandet sind. Pharisäer, wie Rainer Eppelmann, wollten mit dem Berliner Appell "Frieden schaffen ohne Waffen". Er sieht keinen Widerspruch zwischen seinen einstigen Forderungen und seiner heutigen Verteidigung der Bundswehr, beispielsweise als Arbeitsplätze schaffende Organisation. Auch "den Pastor Gauck aus Rostock plagen keine Selbstzweifel." Horst Schneider fragt: "Ist es die Aufgabe von Pfarrern, sich in Schicksale einzumischen und Gott zu spielen?" Wie heißt es im Lukas-Evangelium? "Seid barmherzig, wie auch der Vater barmherzig ist ... Du Scheinheiliger, zieh erst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du dich um den Splitter im Auge deines Bruders kümmern".

Schneider untersucht die verschiedenen Ursachen, die zum Umbruch geführt haben. Laut Richard von Weizsäcker waren "die innerkirchlichen Verbindungen die zuverlässigsten Informationsquellen über die Entwicklung der ostdeutschen Lebensverhältnisse und Stimmungen der Menschen". Antikommunismus hat Tradition. Seinen Höhepunkt erreichte er während des europäischen Faschismus. Papst Pius XI., der Stellvertreter, gab 1937 in seiner Enzyklika kund: "Der Kommunismus ist in seinem innersten Kern schlecht und man darf sich auf keinem Gebiet mit ihm einlassen, wer immer die christliche Kultur retten will." Das Bibelwort, sei der Obrigkeit untertan, wurde den Christen eingetrichtert und hat mit dazu geführt, dass sich auch die evangelische Kirche schnell nach der Machtübergabe Hitlers als deutsche Staatskirche anpasste. Das widerspricht nicht der aufrechten Haltung vieler Christen, die aus ihrer Lehre den menschlichen Kern herauslasen und danach handelten.

Horst Schneider stellt den Begriff der Revolution für den Umbruch in der DDR 1989 in Frage. Eine Revolution müsste neue Maßstäbe setzen und nicht alte Zustände wieder herstellen. Denn das ist in der DDR geschehen durch den Anschluss. Staatlich beauftragte Totalitarismusforscher sorgen dafür, dass die DDR mit dem faschistischen Deutschland gleichgesetzt wird, damit niemand auf die Idee kommen soll, mal wieder eine richtige Revolution zu wagen. Übrigens - eine friedliche Revolution, wie sie sich in der DDR gestaltete, wird im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik als Hochverrat bezeichnet. Aber dass eine wirklich "friedliche Revolution" stattfinden konnte - verdanken die "Bürgerrechtler" dies nicht letztendlich dem friedlichen Staat DDR, der, entgegen den Verleumdungen, eben keine Panzer und Leichensäcke in Bereitschaft hielt? Mehr möchte ich nicht verraten, nur, dass ich die gründlichen Recherchen, die Klarheit und Überschaubarkeit sowie die Technik der Ironisierung und des Hinterfragens an Horst Schneiders Büchern sehr schätze.

Ulla Ermen

Horst Schneider: Unter dem Dach der Kirche "Bürgerrechtler" in der DDR
2010 Verlag Wiljo Heinen Berlin Taschenbuch, 170 Seiten 6,00 EURO

Raute

IMPRESSUM

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Redaktionsschluss für Nr. 02/2011: 10. Januar 2011


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Quelle:
Roter Brandenburger 1/2011, 16. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2011