Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

ROTFUCHS/087: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 133 - Februar 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 133, Februar 2009



Inhalt
Israels antisemitischer Amoklauf
Sarkasmus und Bilanz
Die Welt im Sog der Systemkrise
Neue Reichsautobahnen?
Brief aus Düsseldorf
Das Kampffeld nicht verlassen
Moralisierende "Grübeleien" statt nüchterner Geschichtsbetrachtung
Nichts als die Wahrheit
War der Kaiser nackt?
DBwV: Ruhigstellen hieß die Devise
Mit dem EK in den Heldentod
DDR-Staatssicherheit war keine Ressortangelegenheit
Das MfS schützte die Volkswirtschaft
Giftige Saat
Tillich ist willig
"RotFuchs": Ort produktiver Debatten
Gefallen vor Madrid: Hans Beimler
Schlafzimmer-Affäre
Löwinnenmoral
Eine recht unernste Theaterrezension
Wie Feuer und Wasser
RF-Extra Hugenbergs Medienimperium
RF-Extra Im Prisma: Nordirland
Obamas "Falken"-Kabinett
Die baskische Frage
Beijing stärkt Menschenrechte
Um was geht es in Libanon?
Tel Aviv verlacht das Völkerrecht
In tausend Stürmen bewährt: KKE
"Terroristen" heißen jetzt "Piraten"
Bulgariens Partisanen
Warum "Ground Zero"?
Reime für den "RotFuchs"
Faschistischer "Kulturdünger"
Passauer Dolchstoß
Das Moorsoldatenlied
Überflüssig wie ein Kropf?
Spannend und ehrlich
Zur Freiheit des Pressemenschen
Unvergessener Wieland Herzfelde
Archie und der Landesvater
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Babylonisches

Eine verwirrende Überschrift? Gemach. Nehmen wir zur Entwirrung der Begriffe eine Anleihe bei einem Werk der Weltliteratur auf: der Bibel. Der Babylonische Turm war nach 1. Moses 11 ein gigantisches Bauvorhaben, das bis in den Himmel ragen sollte. Es blieb indes unvollendet, da der über solchen Frevel erzürnte Gott Jahwe die Sprache seiner Erbauer derart durcheinanderbrachte, daß eine Verständigung unter ihnen nicht länger möglich war. Seitdem gilt der Turmbau von Babel als Synonym für mangelnden Realitätssinn und menschliche Vermessenheit.

Zugleich ist davon die Rede, Wahrsagekunst und Beschwörungen hätten im Leben Babylons einen hervorragenden Platz eingenommen. Soweit die Legende.

Doch warum in die Ferne schweifen, wenn manches so nahe liegt? Vor geraumer Zeit fand im Berliner Lichtspieltheater "Babylon" die Wahlkonferenz der Europäischen Linkspartei (EL) statt, mit der auf die anstehende Neubesetzung der heiß begehrten, da hochdotierten Mandate des Europaparlaments programmatisch eingestimmt werden sollte. Dort war man gewissermaßen "unter sich", da die EL trotz einer stolzen Zahl ausgewiesener Mitgliedsparteien und etlicher Beobachter mit beratender Stimme in den Leitungsgremien über keine wirkliche Repräsentanz verfügt. Die russischen Kommunisten sind dort ebensowenig vertreten wie die einflußreichsten kommunistischen Parteien des Kontinents - die portugiesische PCP und die griechische KKE. Während auch andere dem Marxismus-Leninismus treu gebliebene Parteien wie die belgische PTB, die es ebenfalls nicht lauwarm mag, in diesem Kreis fehlen, geben in der EL neben der jetzt auch den Vorsitzenden stellenden Partei Die Linke (PDL) vor allem Reformisten und übriggebliebene Eurokommunisten den Ton an. Auch einige Parteien, auf die eine solche Charakterisierung nicht zutrifft, sind - aus welchen Gründen auch immer - mit an Bord.

Wohin aber steuert das Schiff? Der Mann auf der Brücke - der PDL-Vorsitzende und Europaparlamentsanwärter Lothar Bisky - gab im "Babylon" bereitwillig Auskunft. Die EL sei "eine pro-europäische Kraft", tat er kund. Das hörte sich etwa so an, als würde ein USA-Politiker sagen: "Die Vereinigten Staaten von Amerika sind pro-amerikanisch." Doch Bisky setzte noch eins drauf: "Wir sagen ja zur europäischen Integration." War das ein Wort der Unterstützung jener, welche gegen das Diktat von Brüssel kämpfen, ein Appell zum Widerstand gegen das Europa der Monopole? Übrigens stehen beide Formulierungen auch im EL-Wahlprogramm. Es handelt sich um ein Ja zu jenem imperialistischen Konstrukt, das die Dominanz vor allem des deutsch-französischen Kapitals auf diesem Kontinent festschreiben will, auch wenn die EL behauptet, sie verfechte ein "Alternativkonzept".

Die sogenannte europäische Integration hat Hammelragout auf die Speisekarte gesetzt: Man preist die Einheit der Schafe im Magen des Wolfes.

Und wir? Sind wir als Europäer etwa gegen Europa? Eine unsinnige Frage! Wir sind gegen die Europäische Union, deren Ministerrat und Kommission als Vollzugsorgane der tonangebenden Banken und Konzerne Europas fungieren. Unsere Europakonzeption geht von der Verteidigung der Souveränität jeder Nation, von der brüderlichen Verbundenheit der europäischen Werktätigen auf der Basis des proletarischen Internationalismus aus.

Als Marxisten stellen wir die Realitäten in Rechnung: Die EU existiert als Koordinationszentrum des Klassenwillens der europäischen Monopolbourgeoisie zur Abwehr der Konkurrenz aus Übersee, vor allem aber jener Staaten, die in anderthalb Jahrzehnten den Lauf der Dinge in der Welt bestimmen werden: China, Indien, Rußland, Brasilien. Lothar Bisky hat sich ja erst unlängst als EL-Abgesandter in Peking davon überzeugen können, daß die chinesischen Kommunisten Nägel mit Köpfen machen.

Die Losung der Vereinigten Staaten von Europa ist ein alter Hut. Schon Lenin hat sie gründlich analysiert. Die europäische Integration komme entweder nicht zustande oder sie sei reaktionär, meinte er. Der zweite Fall ist eingetreten: Die EU, deren Politik einige mutige linke Abgeordnete des Europaparlaments unablässig bloßstellen, ist der Hort der Reaktion auf dem Kontinent. Wer sich unter ihrem Vorzeichen auf "Integration" einläßt, wird zum Gefangenen der bürgerlichen Ideologie und Terminologie.

Warum fand der "Wahlauftakt" der EL ausgerechnet im "Babylon" statt? Weil es dem Hauptquartier der PDL, das den Namen des unbeugsamen Kämpfers gegen die deutsche und europäische Bourgeoisie Karl Liebknecht trägt, unmittelbar benachbart ist? Oder weil - wie einst in Babel - von Lebensfremden ein "Turm in den Himmel" gebaut werden soll, der eher an ein Wolkenkuckucksheim erinnert? Kommt zurück auf den Teppich, Genossen!

Klaus Steiniger

Raute

Israels antisemitischer Amoklauf im Ghetto Gaza

Unlängst erhielt die Redaktion einen Anruf des 90jährigen Fritz Teppich. Der deutsch-jüdische Kommunist und Shoa-Überlebende, dessen nächste Angehörige in Auschwitz ermordet wurden, brachte seine tiefe Empörung über die jüngsten Verbrechen des zionistischen Terrorismus im Ghetto von Gaza zum Ausdruck. Die israelische Luftwaffe bombardierte die eingekesselte Millionenstadt in Nazi-Manier.

Als Vorwand diente die Bekämpfung der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas. Deren Kapazität reichte für schwachkalibrige Raketenschläge, während Tel Avivs Air Force und Panzer ein Blutbad unter Zivilisten anrichteten. Im Visier sind semitische Araber.

Der Überfall auf Gaza stellt ein Völkerrechtsverbrechen im Sinne des Nürnberger Prozesses dar. Die zionistischen Anführer vom Schlage der Olmert, Barak und Livni schänden, sich auf den Rückhalt oder das Schweigen von NATO und EU stützend, mit ihrem Amoklauf das Andenken der sechs Millionen vom deutschen Faschismus ermordeten Juden und leiten Wasser auf die Mühlen des internationalen Antisemitismus.

Bezeichnend ist die Tatsache, daß die politische Frontfrau des deutschen Imperialismus den zionistischen Terror der Machthaber Israels dadurch gutheißt, daß sie einseitige Schuldzuweisungen an die Hamas trifft. Die von Merkel repräsentierten Kreise stellen sich damit in eine Reihe mit den Bombenterroristen von Gaza.

Unsere Solidarität gehört einmal mehr dem überfallenen palästinensischen Volk und allen friedliebenden Israelis.

K. S.

Raute

Sarkasmus und Bilanz: 36 unverzichtbare Jahre

Ja, ich gebe es zu: Ich bin ein Opfer der stalinistischen Diktatur! Wie ich es 36 Jahre lang ausgehalten habe, weiß ich heute auch nicht mehr. Es gibt nur eine Erklärung: Man hat mich erfolgreich korrumpiert! Hinterher ist man eben immer schlauer. Aber alles der Reihe nach.

Es hatte so harmlos angefangen! Nur neun Jahre nach dem Ende des bis dahin verbrecherischsten Krieges in der Geschichte setzten mich meine Eltern in die Welt, genauer gesagt in den Unrechtsstaat DDR. Der war damals noch nicht einmal fünf Jahre alt, und es hieß, daß mit ihm angeblich nun alles besser werden sollte.

In meinen ersten Jahren mußte ich, wehrlos wie ich war, eine glückliche Kindheit über mich ergehen lassen. Als Einzelkind wurde ich verwöhnt und hatte tagein, tagaus die Liebe meiner Eltern sowie schon frühzeitig die Fürsorge der Diktatur zu ertragen - was alles zusammen nicht gerade leicht war und schon mit der Vorschuluntersuchung begann. Aber das wappnete mich wohl für Schlimmeres.

1960 kam der Fernseher ins Haus und mit ihm die ideologischen Einpeitscher von Schnatterinchen über Pittiplatsch "den Lieben", bis zu Meister Nadelöhr und Professor Flimmerich. Was habe ich für grauenvolle Stunden vor diesem Kasten verbringen müssen. Nebenbei wurde ich mit Büchern überhäuft und bekam Weihnachten 1961 meine erste PIKO-Modelleisenbahn - ein Horror jagte den nächsten.

Doch das war noch gar nichts, wie sich bald herausstellen sollte. Die sozialistische Schule, ein insgesamt zwölfjähriges Martyrium, harrte meiner. Die Diktatur hatte sich vorgenommen, aus jedem kleinen Schultütenträger eine rundum gebildete Persönlichkeit zu machen, wie es damals hieß. Dabei scheuten die Machthaber vor nichts zurück. Ab 5. Klasse mußten wir Russisch, die Sprache unserer "Freunde", lernen, uns einen Brieffreund in der Sowjetunion aussuchen (meiner hieß Sascha Sulimow, wohnte in Kaluga und sammelte auch Briefmarken). Sogar in die sozialistische Produktion wurden wir später alle vierzehn Tage gesteckt.

Wegen offensichtlich passabler Leistungen (was blieb einem bei diesem Druck denn auch schon weiter übrig) mußte ich nach der zwölften (!) Klasse das Abitur machen und wurde anschließend zum Studieren an der Humboldt-Universität vergattert. In den folgenden vier Jahren bestach mich der Staat mit Stipendium und Leistungsstipendium, anstatt ordentliche Studiengebühren von mir zu verlangen. Ich hatte mir - einfach so - mein Lieblingsfach aussuchen müssen und mußte dann vier Jahre zwischen Hörsaal und Seminarraum pendeln, um am Ende eine Diplomarbeit zu verteidigen.

In diesen bis dahin grauenvollsten aller Zeiten hatte mich die Diktatur endlich da, wo sie mich immer hatte hinhaben wollen: Ich wurde Mitglied der staatstragenden Partei. Da hatten sie es also wirklich geschafft. Zu allem Übel besorgten mir die Machthaber auch noch eine Anstellung an einer wissenschaftlichen Einrichtung, die der Studienausbildung weitgehend entsprach. Dort war ich - so weit hatte man mich schließlich getrieben - neben meiner beruflichen Arbeit zugleich systemerhaltend tätig. (Ich nannte mich viele Jahre lang FDJ-Sekretär und diente damit der ideologischen und sonstigen Drangsalierung jüngerer Wissenschaftler durch die Partei.) Das ging so etliche Jahre weiter, nebenbei nötigte man mich noch zur Abfassung einer Doktorarbeit. Das nannte sich Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses und war letzten Endes auch nur systemstabilisierend gedacht, wie ich heute erkennen muß. Irgendwer sollte den Laden ja später mal übernehmen, um den Kommunismus zu vollenden - so die gängige Lesart der Geschichte.

Doch dazu sollte es dann gar nicht mehr kommen. 1989 begann bekanntlich mit der Verlesung eines unscheinbaren Notizzettels durch ein bis dahin führendes Mitglied der Staatspartei mit der friedlichen Revolution die große Befreiung, von der ein gewisser Emmerlich schon immer geträumt und für die er jahrelang subversiv im DDR-Staatsfernsehen tätig gewesen war.

Und auch ich war nun endlich frei - frei von jahrzehntelang erlittenem Zwang und Unrecht und durfte ein ganz neues Leben in der FDGO (Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung) anfangen - nach 36 Jahren Schmach und Elend (siehe oben) kamen auch für mich jetzt die blühenden Landschaften!

So oder ähnlich verdreht der herrschende "Zeitgeist" am liebsten Biographien wie die meine. Distanzierung von eigener Erfahrung ist heute angesagt, wenn man etwas werden will in der "freien" Gesellschaft. Wendehälse sind noch immer gefragt. Aber damit kann ich nicht dienen. Die DDR war der wichtigste Teil meines Lebens, 36 Jahre, auf die ich nicht verzichten kann und will.

Ihre Erbauer haben Fehler begangen, und es gab auch nicht zu rechtfertigendes Unrecht. Das ist leider wahr und darf nicht geleugnet werden. Ein "Unrechtsstaat" war die DDR deshalb trotzdem für mich wie für Millionen ehrlicher Menschen keineswegs, wenn das auch mancher heute nicht wahrhaben will. Im Gegensatz zu den derzeitigen Zuständen hatte jeder, der es wollte, eine reelle Chance, je nach eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten etwas aus seinem Leben zu machen - und das völlig unabhängig von Geldbeutel und sozialem Status der Eltern. Das ist keine nostalgische Verklärung eines Ewiggestrigen, wie bis heute immer gern getönt wird, sondern eine ganz simple Tatsache, begründet auf millionenfach gelebtem Leben!

Dr. Jörg-Peter Schultze

Der am 29. Oktober 2008 im Alter von erst 54 Jahren an einem Herzinfarkt verstorbene Autor war RF-Leser, Mitglied der PDL und Funktionär der Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM). Der Text wurde dem von uns rezensierten Buch "DDR - unauslöschbar" (RF Nr. 132, S. 26) entnommen.

DDR - unauslöschbar
Herausgegeben von Horst Jäkel
GNN, Schkeuditz 2008, 476 Seiten
ISBN 978-3-89819-283-5

Raute

Die Welt im Sog der kapitalistischen Systemkrise

Prof. Annie Lacroix-Riz lehrt zeitgenössische Geschichte an der Pariser Universität VII - Denis Diderot. Sie ist Autorin zahlreicher Werke. Unlängst gab die marxistische Wissenschaftlerin der belgischen Wochenzeitung "Solidaire" ein Interview, in dem sie erhellende Aussagen zu den drei größten Wirtschaftskrisen des Kapitalismus machte. Besonders ging sie dabei auf die weltweite Systemkrise ein. Wir fassen ihre Darlegungen zusammen.

Die Krise von 1929 war eine Überproduktionskrise, d. h., das Angebot überstieg bei weitem die zahlungsfähige Nachfrage. Auch die erste große Krise des Kapitalismus, die sich 1873 ereignete, wurde durch Überproduktion ausgelöst, die zu einem solchen Absinken der Profitrate führte, daß es sich für die Fabrikanten "nicht mehr lohnte", weiter produzieren zu lassen.

Der 1. Weltkrieg (1914-1918) zerstörte das Angehäufte, allerdings noch nicht genug. So kam es schon 1920/21 - vor allem in den USA - zu einer weiteren ernsten Krise. Die Inflation in Deutschland war eine Folge dessen.

Im Laufe der 20er Jahre wurde die Akkumulation und Zentralisation des Kapitals - für die Verhältnisse jener Zeit - auf die Spitze getrieben. Die tonangebenden Monopolgruppen formierten sich.

Eine Überproduktion noch größeren Ausmaßes löste die Weltwirtschaftskrise von 1929 aus. Auch hier spielte der enorme Absturz der Profitrate die entscheidende Rolle. Hinzu war zwischen 1924 und 1929 noch das spekulative Moment gekommen: Erstmals erfolgte eine völlige Trennung des Geldes von der materiellen Produktion. Das Kapital wurde weitgehend virtuell. Das Resultat war der New Yorker Bankenkrach, auch als Schwarzer Freitag bekannt. Während sich moderne Industrien - besonders die Autoproduktion und der Elektrosektor - weiterhin stürmisch entwickelten, brach die fiktive Finanzwelt völlig zusammen. Dutzende Millionen Arbeiter und Angestellte flogen in allen entwickelten Ländern auf die Straße.

Aber nicht das Versagen der Banken war die eigentliche Ursache der Krise. Wenn heute behauptet wird, es handele sich diesmal um ein völlig anders geartetes Geschehen, das durch Manipulationen an den Börsen verschuldet worden sei, dann ist das grundfalsch. Tatsächlich wirken abermals die bekannten Mechanismen einer Überproduktionskrise. Wenn keine hinreichende Profitrate mehr erzielt werden kann, wird ein Teil des Kapitals "verbrannt". Es trifft zuerst und vor allem die kleinen und mittleren Unternehmer, aber inzwischen verlieren auch ganz Große im "freien Wettbewerb" Kopf und Kragen. Das erste Anzeichen ist meist die massenhafte Entlassung von "Mitarbeitern". Hinzu kommt die Tendenz, sich auf den Geldmärkten zu verspekulieren. Man setzt aufs falsche Pferd.

Das Kapital sieht sich nun gezwungen, die Produktion schrumpfen zu lassen, sie der veränderten Situation anzupassen. Wohl am stärksten ist davon neben den USA die BRD betroffen. Warum? Es handelt sich hier um ein Land, das seit Jahrzehnten auf Kredit gelebt hat, der - wie sich jetzt herausstellt - weitgehend faul gewesen ist. Hinzu kommt, daß die BRD in großem Umfang Produktionsmittel erzeugt. Diese Zweige aber brechen in einer Krise als erste weg.

1932 zählte man in Deutschland rund sieben Millionen Arbeitslose - eine Situation, die sich auch diesmal wiederholen könnte. Oder sogar noch heftiger. In den USA muß mit gleichen Erscheinungen gerechnet werden. Auch dort gibt es eine besonders hohe Konzentration der Produktionsmittelherstellung. In den letzten beiden Jahren ist hier die industrielle Fertigung um ein Drittel abgesunken.

Das Kapital besitzt die Tendenz, seinen eigenen Markt dadurch zu liquidieren, daß es Löhne und Gehälter aufhebt. 1932 hatte Deutschland nur noch einen einzigen wirtschaftlich gesunden Abnehmer - die UdSSR, deren jährliche Wachstumsrate damals bei 15 bis 20 Prozent lag.

Aus kapitalistischer Sicht gibt es keinen anderen Weg aus der Krise als das massive Einspringen des Staates, der von den Monopolen kontrolliert wird. In "normalen Zeiten" verbitten sie sich jede "Einmischung" in ihre Angelegenheiten. Nun aber muß die Regierung - koste es, was es wolle - die Bedingungen für das Funktionieren der kapitalistischen Mechanismen wiederherstellen.

Es ist unwahr, wenn behauptet wird, das sei früher nicht der Fall gewesen. Beispielsweise wurde ganz schnell der vom Absturz bedrohte Banksektor staatlicherseits übernommen. In Deutschland nationalisierte Reichskanzler Heinrich Brüning zwischen 1930 und 1932 diesen Bereich. Auch andere Wirtschaftszweige wurden zeitweilig mit Billigung der Monopole unter staatliche Fittiche gebracht. Überdies denke man an den Autobahnbau unter Hitler, der nichts anderes als eine Intervention des faschistischen Staates zur Überwindung der Krise war.

Die Regierungen der kapitalistischen Hauptmächte verhielten sich in jener Periode genauso wie heute: Sie sanierten das Großkapital auf Kosten der Steuerzahler. Roosevelts berühmter New Deal (1933 bis 1938) war durch eine beachtliche Finanzierung aus Mitteln der öffentlichen Hand charakterisiert. Zugleich bereitete man sich - wie andere westliche Staaten auch - intensiv auf den Krieg vor, was dann auch den entscheidenden Ausweg aus der Krise darstellte. Denn nicht der New Deal, wie immer behauptet wird, sondern die Hochrüstung und dann der Krieg bescherten dem Kapital der USA den großen Boom.

Worin besteht nun der wichtigste Unterschied zwischen dem Fiasko von 1929 und dem heutigen Desaster?

Die Umstände der Auslösung beider Krisen sind fast identisch. Die wichtigste Differenz besteht vor allem in der Tatsache, daß die derzeitige Überproduktion das Niveau von 1929 bei weitem in den Schatten stellt. Zehn Jahre Akkumulation (1919-1929) sind mit über 60 Jahren Anhäufung nicht vergleichbar.

Obwohl es sich auch diesmal um eine zyklische Krise handelt, besitzt sie eine bisher unbekannte Tiefe und Breite. Wenn auch die Mechanismen der Herausbildung der Krise die gleichen sind, ist das heutige Geschehen für den Kapitalismus weitaus ernster als das der 30er Jahre, deren ökonomische Verwerfungen wiederum die von 1873 erheblich übertrafen.

R. F., gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Oktober 1929: Panik an der Wall Street

Raute

Neue Reichsautobahnen?

Wie von der Merkel-Steinmeier-Regierung mitgeteilt wurde, gehört zum vorläufig letzten "Konjunkturpaket", wie der Katalog von Notstandsmaßnahmen genannt wird, auch das Ankurbeln des Straßenbaus. Damit will man dem drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit begegnen. Aus Obamas USA verlautet ähnliches.

Eine fabelhafte Idee, zumal man dabei auf "Bewährtes" zurückgreifen kann: Mit der Schaffung eines ganzen Netzes sogenannter Reichsautobahnen, die zufällig an alle deutschen Grenzen vorgeschoben wurden, löste Hitler bekanntlich auf seine Weise das Arbeitslosenproblem. Und zwar gründlich.

Damit kein Mißverständnis entsteht: Jegliche Vergleiche liegen uns fern.

C. A.

Raute

Brief einer verzweifelten Düsseldorferin

Seit dem 16. Juli 2008 ist für mich die Welt nicht mehr so schrecklich wie bisher; sie ist noch ein Stück schrecklicher geworden. Damals erhielt ich Post von den Stadtwerken Düsseldorf: Nachzahlung in Höhe von 491 Euro für vorwiegend Warmwasserkosten, Heizung, Abwasser, Kaltwasser u.v.a.m. Heizkostennachzahlung ist ein Wort, da brodelt der Adrenalin-Spiegel über den Haarwurzeln. Was die mich schon abgezockt haben ...

Die E-Mail-Korrespondenz spricht Bände. Der Sachbearbeiter schrieb mir, für ihn und seine Familie sei häufiges Duschen nicht mehr drin. Später teilte er mir detailliert mit, wie die dreiköpfige Familie duscht: Wasser aufdrehen, naß machen, Wasser abdrehen, einseifen, waschen, Wasser aufdrehen zum Abspülen, höchstens fünf Minuten alles und nur jeden zweiten Tag. Muffeln für Deutschland? Man spült hierzulande die Toiletten überwiegend mit Trinkwasser. Das regte mich wie andere schon vor Jahrzehnten auf. Aber die normale Körperreinigung wird zum Luxus erklärt.

Ich bin ein Kind des Kalten Krieges und kann mich noch gut an die "Freiheitsbegriffe" erinnern, die man damals auf die DDR bezog. Die ganze Verlogenheit besteht darin, daß die seinerzeitigen Forderungen offenbar nur für sie galten. Was ist daraus geworden? Kinder hungern in Deutschland, Zahnbehandlungen sind oft unerschwinglich. Seit 2006 bin ich von einem 1-Euro-Job in den anderen geschoben worden: Diakonie - hausmeisterliche Hilfskraft. Dann SWT - ein Jahr Kinder- und Jugendarbeit. Ich arbeitete in der Offenen Ganztagsschule, wo ich auf einer Erzieherstelle saß. Inzwischen bin ich in der Druckerei der Caritas beschäftigt und froh, an vier Tagen jeweils fünf Stunden eine z. T. sitzende Tätigkeit verrichten zu können. Der Job in der Ganztagsschule war körperlich und seelisch hart, und ich empfand mich oft herabgewürdigt.

Immer, wenn ich mich ein bißchen einlebe und in meiner Situation wohl fühle, kommt wieder so ein unbezahlbarer Hammer: verzichten auf den Gang zum Zahnarzt der Kosten wegen oder für Preissteigerungen wie beim Energiekonzern ENBW-Stadtwerke aufkommen.

Ich fange beim Kurz-Duschen mein Duschwasser auf und spüle damit die Toilette: Aufs Jahr gerechnet ist das sicher eine beachtliche Einsparung. Ich putze nicht viel, kann mir das auch nicht leisten. Ich wasche mir nicht ständig die Hände, fange Regenwasser zum Pflanzengießen auf, mache nur einmal am Tag Abwasch, sammle das Geschirr erst oder lasse es vorgespült mit kaltem Wasser stehen. Eine Waschmaschine habe ich seit Mitte Januar 2008, vorher war Waschsalon angesagt. Auch da spare ich. Seit zwei Jahren bin ich der Arbeit wegen viel unterwegs, auch abends. Und trotzdem habe ich angeblich diesen Mehrverbrauch bei kaltem Wasser und den Warmwasserverbrauch eines Zweipersonenhaushalts. Wie kommt das?

Der Mitarbeiter von den Stadtwerken schrieb mir, ob ich mich wohl auch beschweren würde, wenn ich sechs Flaschen Milch kaufte, weil ich vier beim Eingießen verschüttet hätte.

"Zahl oder stirb" lautet die Devise der Energiekonzerne. Ich bin verzweifelt.

Meine Rentenerwartung als alleinerziehende Mutter liegt bei 550 Euro. Jetzt aber bekomme ich, wie gesagt, einen 1-Euro-Job nach dem anderen. Aber ich brauche das bißchen Geld, denn ich muß monatlich 150 Euro an die Stadtwerke bezahlen. Meine Kinder haben ständig Ärger mit dem BAFöG-Amt. Denen kann ich auch nicht helfen. Am 12. September war ich zum Hartz-IV-Hearing unter der Brücke neben dem nordrhein-westfälischen Landtag, dort also, wo Leute hingehören, die sich in meiner sozialen Lage befinden.

Gesine B. Unger, Düsseldorf

Raute

Das Kampffeld nicht verlassen

Die "Grübeleien" von Dr. Franz Köhler wurden durch den "Einspruch" Klaus Steinigers gründlich gestört. Ich war gedanklich selbst damit beschäftigt, Franz Köhler zu widersprechen. Unserem Chefredakteur stimme ich voll zu. Ich freue mich immer wieder über dessen klare klassenbewußte Sprache.

Die von Franz Köhler vorgenommene leichtfertige Abstrahierung von Raum und Zeit kann so nicht hingenommen werden. Lenin forderte im 1. Weltkrieg, an dessen Ausbruch alle imperialistischen Staaten Schuld trugen, Frieden ohne Annexionen und Kontributionen. Die Übertragung dieser Forderung auf den mit großer Schuld beladenen faschistischen deutschen Staat hätte uns nicht 50 Jahre Frieden in Europa gebracht. Es war notwendig, dem deutschen Imperialismus die Krallen zu beschneiden und die Zähne zu ziehen.

Als Mangel empfinde ich es, daß Franz Köhler, wie er schreibt, den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zukünftigen Generationen überlassen will.

15 Jahre alt, wurde ich 1940 Mitglied einer antifaschistischen Jugendgruppe in Leipzig. Sie umfaßte etwa 120 Personen und wurde von Genossen betreut, die oft schwere Zuchthausjahre unter der faschistischen Diktatur hinter sich hatten. Hervorheben möchte ich hier den Namen des Widerstandskämpfers Alfred Schellenberger. Er gehörte zu vielen hervorragenden Menschen, mit denen ich Kontakt hatte. Die Töchter von Alfred Schellenberger fand ich über den "RotFuchs" wieder. Der Maschinenschlosser wurde 1939 aus dem KZ Buchenwald entlassen. Er war sofort weiter in der illegalen politischen Arbeit tätig. 1944 wurde er erneut verhaftet und zum Tode verurteilt. Er konnte im Februar 1945 bei der Bombardierung Dresdens fliehen und war noch vor dem Einmarsch der U.S. Army in Leipzig wieder aktiv.

Im Rahmen der Bewegung "Freies Deutschland" bereiteten wir bereits unter dem Hitler-Regime die künftige Legalisierung der antifaschistischen Jugendbewegung vor. Eines der Lieder, die wir heimlich, aber mit großer Begeisterung sangen, war: "Wir sind des Geyers schwarzer Haufen." Wir betrachteten uns als junge klassenbewußte Arbeiter und Arbeiterinnen, als Enkel von Spartakus und der Revolutionäre des deutschen Bauernkrieges. Heute mit 83 fühle ich mich noch immer als deren Enkel. In ihrem Sinne bin ich tätig und organisiert.

Viele Mitarbeiter des Parteiapparats der SED und des Staatsapparats der DDR haben nach der Rückwende zu kapitalistischen Verhältnissen das gesellschaftliche Kampffeld verlassen. Nicht wenige machten von dem durch Günter Gaus in seiner Sendung "Zur Person" stets propagierten "Recht auf Anpassung an die BRD" leider Gebrauch.

Ein bewußter Proletarier - und auch ein lohnabhängiger Akademiker gehört ja zum Proletariat - wird sich aber nicht anpassen und vom Klassenkampf verabschieden.

Wir sind die Enkel jener Revolutionäre, welche gegen die jeweils herrschenden Klassen antraten. Aber wir führen nicht den gleichen Kampf. Unsere Bedingungen und Methoden bringen andere Strategien und Taktiken hervor, die den sich ständig ändernden Situationen entsprechen müssen.

Walter Kern, Münchehofe

Raute

Moralisierende "Grübeleien" statt nüchterner Geschichtsbetrachtung

Wörter können etwas signalisieren, sie lassen aufhorchen, machen neugierig. Das nutzen die Medien für Schlagzeilen. Auch der "RotFuchs" macht davon Gebrauch. In seiner November-Extra-Ausgabe waren es für mich gleich vier solche Wörter: "Grübeleien", "respektlos", "Tabus" und "Große Sozialistische Oktoberrevolution". Wenn ich den dazugehörigen Aufsatz von Dr. Franz Köhler richtig verstanden habe, soll er zur Aufklärung der objektiven Ursachen unserer Niederlage beitragen. Der Autor fordert, "endlich den Mut aufzubringen ... alle, aber auch wirklich alle Thesen auf den Prüfstand zu stellen" und mahnt, "theoretisch konsequent" zu sein. Sieben "Tabus" hat er ausgemacht, um Ursachen der Niederlage zu benennen. Zu alledem könnten im einzelnen zahlreiche Einwände erhoben und müßte die Auseinandersetzung geführt werden. Das brächte jedoch nur Wiederholungen.

Mir geht es um Köhlers Grundgedanken, der sich wie ein roter Faden durch seinen Beitrag zieht: Unsere Niederlage war unvermeidbar. "Mußten wir nicht deshalb Schiffbruch erleiden ..., weil wir von vornherein auf verlorenem Posten standen?", fragt er. Derartige Behauptungen gibt es zuhauf.

Die Oktoberrevolution sei "Ausgangspunkt für 70 Jahre sozialistische Staatlichkeit - und für den größten Scherbenhaufen der Geschichte gewesen". "Wir verloren, weil wir verlieren mußten, weil der Rote Oktober zur falschen Zeit am falschen Platz stattfand, weil die Revolution in einem Land steckenblieb, weil die Sowjetunion nicht das war, was sie hätte sein müssen ..." An anderer Stelle steht die saloppe Kurzfassung: "Es hat eben nicht funktioniert."

Es sind nicht allein derartige Thesen, die in Erstaunen versetzen. Es ist die Ignoranz historischer Tatsachen, die dem Fatalismus entgegenstehen. Unvoreingenommenheit vorausgesetzt, ist doch kaum zu übersehen, daß die Wirkungen der Oktoberrevolution sich nicht in der sieben Jahrzehnte währenden Existenz sozialistischer Staaten in Europa erschöpfen. Sie waren und sind weltweit, tiefgreifend und anhaltend.

"Die Oktoberrevolution brachte die gewaltigste Revolutionsbewegung der modernen Geschichte hervor. Ihre Ausdehnung über die Welt ist seit dem Siegeszug des Islam in seinem ersten Jahrhundert ohne Parallele geblieben", urteilte 1998 der Historiker Eric Hobsbawm.

Aus Köhlers Blickfeld entschwindet, daß die Oktoberrevolution eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte einleitete. Soziale Revolutionen künden von dieser Übergangsperiode. Das Kolonialsystem zerfiel.

Mit zunehmender Stärke des Sozialismus entwickelte sich ein für den Kampf der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Ländern und das Ringen der unterdrückten Völker günstiges Kräfteverhältnis. Die im Verlaufe des I. Weltkrieges zutage tretende allgemeine Krise des Kapitalismus wird offensichtlich. Man sollte annehmen, daß die "Epoche" zur Niederlagenanalyse gehört, entfaltet sich doch in ihr der Klassenkampf - die Grundform der Geschichte von Klassengesellschaften - als Systemauseinandersetzung. Und weil mit unserer Niederlage die Geschichte nicht ihr Ende fand, leben wir auch gegenwärtig in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Das alles ist kein Thema für Franz Köhler. "Übersehen" und "Ausblenden" sind auffällig. Beides wird ergänzt durch "eigenwillige Interpretationen", wie seine Beurteilung des Sieges der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg zeigt. Auf der Sowjetunion ruhte die Hoffnung der Völker Europas und darüber hinaus. Sie war das einzige Land unseres Kontinents, das der stärksten und bestausgerüsteten imperialistischen Armee nicht nur widerstand, sondern das den entscheidenden Beitrag zur Zerschlagung des Faschismus leistete. Die UdSSR ging aus dem Krieg als Weltmacht hervor.

Das habe mit Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaft nichts zu tun, moniert Franz Köhler und verweist auf die Wiedereinführung der alten "russischen Uniformutensilien und Militärränge" und den Segen der orthodoxen Kirche. Das ist ein Hohn! Es ist hinreichend bekannt, welcher immensen Anstrengungen es bedurfte, um die materiellen Voraussetzungen dieses Sieges, dieser Überlegenheit, zu schaffen. Mit der Industrialisierung der Sowjetunion wurde innerhalb von zehn Jahren ein Rückstand von annähernd einhundert Jahren wettgemacht. Die Alternative in dieser konkret-historischen Klassenkampfsituation faßte Stalin 1931 in einem Satz zusammen: "Entweder wir bringen das zustande, oder wir werden zermalmt."

Das alles paßt nicht in Köhlers Konzept unserer unvermeidbaren Niederlage. Vergeblich sucht man bei ihm nach der sich regelrecht aufdrängenden Frage, warum die Sowjetunion als Weltmacht aus dem Krieg hervorging, der Sozialismus lange Zeit lebensfähig war, viele seiner Vorzüge zur Geltung bringen konnte, aber im Kalten Krieg dennoch zusammenbrach? Um seine Unvermeidbarkeitsthese zu stützen, wählt er den Vergleich der Oktoberrevolution mit Sklavenaufständen und dem Bauernkrieg. Seltsamerweise verzichtet er auf einen Revolutionsvergleich von bürgerlicher und sozialistischer Revolution, obwohl sich gerade hieraus eines - nach meiner Auffassung - der gravierendsten Probleme der Niederlagenanalyse ergibt: das Primat der Politik gegenüber der Ökonomie!

Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse können sich spontan im Schoße der alten Gesellschaftsformation entwickeln. Die politische Machtergreifung ist der Höhepunkt und Abschluß der bürgerlichen Revolution. Für die sozialistische Revolution ist die Machteroberung ihr Beginn. Erst mit Hilfe der Macht können die dem Sozialismus entsprechenden Produktions- und sonstigen Verhältnisse geschaffen werden. Deshalb besteht das Primat der Politik gegenüber der Ökonomie. Es reicht nicht aus, auf die wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten zu verweisen. Wir müssen der Frage nachgehen, warum es zeitweilig gelang, auch auf ökonomischem Gebiet bedeutende Leistungen zu vollbringen, wir aber letztendlich an der erforderlichen Produktivitätssteigerung scheiterten. Hierauf finden wir ohne Analyse der politischen Zusammenhänge keine befriedigende Antwort.

Niemand wird bestreiten wollen, daß die Frage nach dem "Warum" uns noch lange beschäftigen wird. Das hat nicht nur damit etwas zu tun, daß der Sieg der Konterrevolution zeitlich noch zu nah ist, um die Leidenschaftslosigkeit historischer Betrachtungen zu ermöglichen. Noch gibt es heftige Auseinandersetzungen unter Kommunisten und Sozialisten in der Beurteilung und Gewichtung objektiver und subjektiver Ursachen der Niederlage. Zudem ist deren Analyse kein Selbstzweck, geht es doch auch um die positiven Erfahrungen, um Schlußfolgerungen und Lehren.

Seit 1990 wurde eine beachtliche Zahl von Beiträgen publiziert, die solide, anspruchsvoll, anregend und weiterführend sind. Sie einfach beiseite zu schieben, ist überheblich. Außer Frage steht: Jeder von uns hat seine ganz persönliche Sicht, geprägt von vielfältigen individuellen Erfahrungen. Aber bei der Suche nach objektiven Ursachen unserer Niederlage darf individuelles Erleben, Gesehenes und Gehörtes nicht an die Stelle historischer Fakten und Prozesse treten. Ein parteiloser Kommunist bemerkte im Zusammenhang mit der Niederlagenanalyse: "Wer die Geschichte im Rückblick moralisiert, ihr als Richter begegnet, läuft Gefahr, sie nicht zu begreifen, sondern das Geschichtsbild nach eigenen Wünschen zu modeln." Diese Wahrheit finde ich in Franz Köhlers "Grübeleien" bestätigt.

Dr. Dieter Hillebrenner

Raute

Nichts als die Wahrheit!

Offener Brief Prof. Dr. Harry Nicks an Dr. Klaus Lederer

Prof. Dr. Harry Nick hat sich an den RF mit der Bitte um Veröffentlichung seines Offenen Briefes an Dr. Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Partei Die Linke Berlin, gewandt. Wir entsprechen diesem Wunsch. Aus redaktionellen Gründen können wir das Material erst jetzt publizieren.

Genosse Vorsitzender, nachdem Du Dich in der Lichtenberger Hauptversammlung der Linkspartei am 15. 11. erneut kritisch zu unserem Lichtenberger Sonntagsgespräch vom 5. Oktober geäußert hast, muß ich Dir als dessen Moderator antworten. Das Thema lautete: "Die Gründerväter der deutschen Geheimdienste nach 1945". Referenten waren Klaus Eichler und Gotthold Schramm, Herausgeber des Buches "Angriff und Abwehr. Die deutschen Geheimdienste nach 1945", beide ehemalige Oberste im DDR-Ministerium für Staatssicherheit. Du berufst Dich vor allem auf eine rbb-Reportage über das Gespräch. Der rbb-Reporter beruft sich wiederum auf Dich. Nur: Du warst bei diesem Gespräch nicht zugegen, und die rbb-Reportage ist nicht nur tendenziös, sondern verlogen. Im Sonntagsgespräch am 9.11. hat es kritische bis heftig kritische Bemerkungen der Teilnehmer zu Deinen Äußerungen und heftigen Protest gegen die rbb-Reportage gegeben. Über Hintergründe der Pressekampagne gegen die Veranstaltung am 5.10., ihren Verlauf, vor allem auch über die inhaltlichen Fragen und Diskussionen wird in der rbb-Reportage überhaupt nichts geäußert, bei Dir nur als Kritik am gewählten Thema.

Ich bitte Dich um Antworten auf folgende Fragen:

Du hast Deine Kritik an unserem Sonntagsgespräch mit Überlegungen zur allgemeinen Richtung der Geschichtsdebatte in der Partei verbunden. Diese solle vor allem die kritische Auseinandersetzung mit der DDR sein. Ich hoffe, daß Du damit nicht die Bebilderung des Satzes, die DDR sei ein Staat "auf den Spitzen der Bajonette einer fremden Macht" gewesen (Koalitionsvereinbarung der Berliner SPD und der PDS 2001-2006) meinst. Einen extremeren Versuch der Delegitimierung der DDR kenne ich nicht. Darüber wird wohl noch gestritten werden. Meine Frage an Dich aber ist: Warum fädelst Du Deine Vorstellungen über die Geschichtsdebatte an einem einzelnen Thema auf, an dem unseres Sonntagsgesprächs vom 5.10.? Wir haben uns wiederholt in diesen seit 1991 stattfindenden monatlichen Sonntagsgesprächen vor allem mit der DDR beschäftigt; am 5.10. zum ersten Mal mit einem DDR-BRD-Vergleich. Natürlich tut das von uns gewählte Thema vielen weh, vor allem den DDR-Hassern und den willigen Helfern des Herrn Kinkel bei der Delegitimierung der DDR. Diese Gründerväter waren zum Großteil im Westen nun mal Naziverbrecher, im Osten Widerstandskämpfer gegen den Faschismus. Mußtest Du deshalb in die Forderung der Lichtenberger SPD und fast aller Berliner Zeitungen, wir sollten diese Veranstaltung absagen, einstimmen? Warum will man uns vorschreiben, welche Themen wir behandeln dürfen und welche nicht? Wer soll darüber bestimmen?

Ich halte Deine Richtungsweisung zur Geschichtsdebatte für genausowenig hilfreich wie die von André Brie, man solle sich überhaupt nicht mehr mit der DDR befassen, sondern "nach vorn schauen". Die Geschichtsdebatte ist dringend nötig, sie wird uns auch aufgezwungen. Warum fordern wir für sie nicht einfach: Nichts als die Wahrheit! Müssen wir uns nicht darauf einstellen, daß die Härte in den Auseinandersetzungen über die jüngere Geschichte zunehmen wird? Nicht nur angesichts der Jahrestage 2009, der bevorstehenden Bundestagswahl, sondern vor allem wegen härter werdender sozialer Auseinandersetzungen? Sollten wir nicht sehen, daß die Stasi-Hatz in Wahrheit auf die Verteufelung der DDR und die DDR-Verteufelung auf die Verteufelung des Sozialismus, die Verteufelung der Linken und jedes Ansatzes einer wirklichen Alternative zielt? Nur die Wahrheit kann uns helfen, auch wenn sie uns in vieler Hinsicht weh tut. Vor allem die Schwachen brauchen das Recht; vor allem die Linken brauchen die Wahrheit.

Müssen sich die Linken der Stasi-Hatz nicht unbedingt entgegenstellen? Im Interesse der Wahrheit müssen wir auch akzeptieren, daß die Veröffentlichungen ehemals führender Leute der Auslandsaufklärung des MfS ein wichtiger Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung sind. Es ist ein einzigartiger Fall, daß Interna eines Geheimdienstes von ihren Lenkern publik gemacht werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1995 geurteilt, daß DDR-Kundschafter, die Mitarbeiter des Bereichs Aufklärung des MfS, ihre Arbeit auf der Grundlage der Gesetze ihres Landes geleistet haben wie andere Geheimdienste auch und deshalb gerichtlich nicht verfolgt werden dürfen, worauf eine große Zahl von Gerichtsverfahren eingestellt wurde. Wieso stellen wir uns der Anti-Stasi-Hysterie in Lichtenberg nicht entgegen; warum verteidigen wir in diesem Falle nicht das Recht auf Meinungsfreiheit und schauen zu, wenn die Einführung einer Zensur versucht wird? Gilt die "Freiheit des anderen" wieder mal nicht für alle anderen?

Wie kommst Du zu der Behauptung, in dieser Veranstaltung sei die DDR unkritisch behandelt worden? Die von Dir aus der rbb-Reportage übernommene Aussage eines Teilnehmers, in der DDR seien nur Leute auf der Grundlage von Gesetzen verfolgt worden, ist vor der Tür und nicht in der Veranstaltung gemacht worden. Wäre das geschehen, wäre ihm mit Sicherheit widersprochen worden, spätestens von mir. Nahezu einhellig wurde von den Teilnehmern am Sonntagsgespräch der immer wieder vorgetragene Vorwurf zurückgewiesen, mit diesem Buch solle Stasi-Unrecht relativiert werden. Die Autoren gaben keinen Anlaß für solchen Vorwurf. Wohl aber gebrauchte Herr Andreas Köhler, Mitglied des Abgeordnetenhauses (SPD), das Stasi-Unrecht als Argument für die Bagatellisierung der Besetzung von BRD-Geheimdiensten mit Nazimördern: Diese Leute stünden im Gegensatz zum MfS unter parlamentarischer Aufsicht; ihr Einsatz hätte keine negativen Folgen gehabt. Das aber wurde überzeugend zurückgewiesen. Auch die Behauptung des Herrn Andreas Köhler, der die Veranstaltung vorzeitig verlassen hatte, es seien Andersdenkende zu wenig zu Wort gekommen, ist einfach unwahr. Vertreter der DDR-Opferverbände kamen zu Wort wie andere auch, meldeten sich aber vor allem gegen Ende der Veranstaltung. Es gab auch Unterstützung für uns von Genossen, die in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert waren. Die dreisteste Lüge des rbb-Reporters war, daß diese Veranstaltung die Nähe von Linkspartei und Stasi belegt habe und damit der Partei geschadet hätte. Das Gegenteil ist wahr: Diese Veranstaltung belegte, daß Wahrheit und offene Debatte in der Linkspartei eine Heimstatt haben. Anders ist wohl der allgemeine und anhaltende Beifall am Ende der Veranstaltung nicht zu erklären.

Ist Dir entgangen, daß die SPD- und Medienkampagne gegen die Veranstaltung am 5.10. vor allem auf die Lichtenberger Linkspartei zielte? Dieselben Autoren hatten zum selben Thema mehrmals öffentliche Veranstaltungen bestritten, ohne daß sich jemand aufgeregt hätte. Und der Aufhänger war, daß diese Veranstaltung in den Räumen der Geschäftsstelle der Linkspartei stattfand. Es war keine Veranstaltung des Bezirksvorstandes. Thema, Termin und Referenten der Lichtenberger Sonntagsgespräche werden immer von den Teilnehmern für das jeweils nächste Gespräch bestimmt. Die Lichtenberger SPD führt ganz offensichtlich einen verbissenen, in den Mitteln nicht wählerischen Kampf gegen die Lichtenberger Linkspartei. Daß hier die Linkspartei die Bürgermeisterin stellt, ist der SPD offenbar ein Dorn im Auge. Die SPD hat in der Linkspartei allerdings auch einige willige Helfer, die zum Beispiel auch Thema und Auswahl der Referenten für diese Veranstaltung kritisierten, an ihr aber nicht teilnahmen. Was hast Du unternommen, als nach einer SPD-Kampagne im Kiezfest am Lichtenberger Fennpfuhl vom Kindergarten "Sonnenschein" die Kinder abgewiesen und quasi in politische Geiselhaft genommen wurden, um eine Signierstunde von Werner Großmann, Autor des Buches "Bonn im Blick", zu verhindern? Dieses Buch, in der "edition ost" mittlerweile in vierter Auflage erschienen, hat weithin positive Resonanz gefunden, auch bei ehemaligen Angehörigen von BRD-Geheimdiensten. Ich hatte mich schriftlich an die Leitung des Kindergartens mit der Bitte gewandt, mir diesen Vorgang näher zu erklären. Eine Antwort habe ich bislang nicht erhalten.

Was hast Du unternommen, als die Fensterscheiben des Bundesvorstandes der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und Menschenwürde in der Lichtenberger Weitlingstraße eingeschlagen wurden, nachdem wenige Tage vorher durch eine Zählgemeinschaft von SPD bis NPD ein Antrag in der BVV eingebracht worden war, der die GBM als Stasi-Zentrale denunzierte? Es fehlte "uns", prahlte der SPD-Fraktionsvorsitzende, nur eine Stimme, um diesen Antrag durchzubringen.

Ausdrücklich bezeuge ich meinen Respekt unserer Bundestagsabgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und unserer Bürgermeisterin Christina Emmrich, die diesen Hatz- und Haßkampagnen entgegentraten. Ohne sich in die inhaltlichen Debatten einzuschalten, sagte die Bürgermeisterin, sie werde nicht zulassen, daß in Lichtenberg eine Zensur eingeführt wird. Und Gesine Lötzsch: Wir lassen uns Themen weder vorschreiben noch verbieten. Warum Genosse Vorsitzender, bist Du nicht an ihrer Seite?

Mit sozialistischem Gruß

Harry Nick
Berlin, den 23. 11. 2008

Raute

Die "neuen Kleider" des ND:

War der Kaiser nackt?

Das ND hatte angekündigt, daß es im Jahre 2009 an jedem Montag an die Ereignisse vor zwanzig Jahren erinnern will, die im Ende der DDR mündeten.

Am 5. Januar hieß der erste Artikel "Der Kaiser war nackt". Da der Text die Unvermeidlichkeit des Untergangs der DDR behauptet, also Gottes Fügung in die Geschichte projiziert, scheint mit dem "nackten Kaiser" die "SED-Herrschaft" gemeint zu sein.

Damit würde verständlich, daß das erste - und eigentlich letzte - Wort ein Theologe aus Wittenberg hat, jener Stadt, von der Luther die Reformation in die Welt brachte. Zu ihr gehört, daß die Kirche, die er begründete, den Gehorsam gegenüber Fürsten und Kaisern, zu gegebener Zeit auch gegenüber dem "Führer", zum Prinzip erhob. Eine nennenswerte Rebellion von Bischöfen ist nicht bekannt geworden.

Bei Schorlemmer ist manches anders. Berühmt wurde er 1983, als er mit Hilfe eines Schmiedes die biblische Forderung "Schwerter zu Pflugscharen" in eine spektakuläre Aktion umwandelte. Damals formulierte Eppelmann auch einen entsprechenden Appell, und Pfarrer Bretschneider in Dresden ließ passende Aufnäher herstellen.

Die Idee der Abrüstung entsprach der sozialistischen Außenpolitik, was u. a. daran zu erkennen ist, daß Moskau der UNO ein Denkmal "Schwerter zu Pflugscharen" schenkte, welches heute noch am East River steht. Aber denen, die in der "Welt" Beifall klatschten, ging es nicht um Abrüstung, sondern um die Kirche als Basis und Kern der Opposition. Viele Bücher bezeugen das. Die Zahl der Pfarrer, die inzwischen zu "Helden" ernannt wurden, wächst und wächst.

Schorlemmer gehörte zu den privilegierten zwei Dutzend Rednern (kein einziger Arbeiter, Bauer oder Wissenschaftler war dabei), die am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz "das Volk" repräsentierten. Zu den Kernsätzen Schorlemmers gehörte: "Im Herbst 1989 sind wir auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt." "Wir brauchen eine Koalition der Vernunft." "Der Dialog muß zum Normalfall des Umgangs der Regierung mit dem Volk werden." "Wir brauchen nun eine Struktur der Demokratie von unten nach oben." "Setzen wir an die Stelle der alten Intoleranz nicht neue Intoleranz." "Wir können das Land jetzt nicht ohne die SED aufbauen." "Lasset die Geister aufeinanderprallen, nicht die Fäuste." (Luther-Zitat)

Es hätte sich angeboten, daß Schorlemmer prüft, was davon Wirklichkeit geworden ist. Statt dessen verkündet er im Stil eines Propheten Selbstverständlichkeiten wie "Die beste Sicherheit eines Staates ist die Zufriedenheit seiner Bürger", was wohl auch der dümmste Herrscher weiß (und trotzdem anders handelt, siehe Frau Merkel).

Und Schorlemmer schlüpft aus dem Talar in den Mantel des Richters und listet Sünden der DDR auf, die kein Gottesdiener vergeben kann (und vom Allmächtigen weiß er das nicht): Die DDR sei ein Gefängnis gewesen, sie habe eine "Vertröstungsideologie" verbreitet (und machte damit wohl den Kirchenoberen Konkurrenz). Natürlich war die "Mauer" gräßlich und des Teufels. Mit Politik hatte sie nichts zu tun. (Hoffentlich lesen das auch Israelis mit.) Die SED-Führung sei so dämlich gewesen, daß sie "Friedhofsruhe für Frieden" gehalten habe. Die DDR war, wenn man die ersten Sätze Schorlemmers als christliche Wahrheit nimmt, keine Stunde existenzberechtigt: Der gute Mensch sei eine ideologische Fiktion. (Jeder ist ein potentieller Verbrecher?) Die egoistischen Antriebe in altruistische verwandeln zu wollen, gehe am realen Menschen vorbei. (Wozu dann christliche Werte und Gottes Gebote?)

"Die generelle Korrumpierbarkeit aller ist in Rechnung zu stellen - durch Macht, Geld oder Geltung." (Aller? Auch der Kirchenoberen? Das würde manches schnell erklären.) Wenn das so ist, wie Schorlemmer behauptet, steht die DDR zwar immer noch nicht nackt da, aber die Ewigkeit von Ausbeutung und Krieg wäre "bewiesen".

Prof. Dr. Horst Schneider

Raute

Warum sich der Deutsche Bundeswehrverband um DDR-Militärs "kümmerte"

Ruhigstellen hieß die Devise

Als sich Anfang der 90er Jahre die herrschenden Kreise der BRD anschickten, politische Rache an den "Staatsnahen" der DDR zu nehmen, indem sie diese pauschal mit Strafrenten überzogen, stand vor den Berufssoldaten der NVA und der Grenztruppen der DDR die Frage, was zu tun sei, um diesem Unrecht zu begegnen.

1989/1990 hatte sich in der DDR der Verband der Berufssoldaten der NVA (VBS) zur Wahrnehmung ihrer politischen und sozialen Rechte gegründet. Bis zum 21. April 1990 war dessen Mitgliederzahl auf 46.000 angewachsen. Bald darauf erfaßte er mehr als zwei Drittel der noch dienenden DDR-Militärs.

In den Wirren der konterrevolutionären Ereignisse besaßen die bewaffneten Kräfte der DDR aber keinen Rückhalt mehr im Volk. Die Verbündeten waren verschwunden, der Gegner scheinbar auch. Die "Waffenbrüder" von gestern standen entweder selbst in oder vor konterrevolutionären Umwälzungen.

Die Bundeswehr sickerte mit Vorkommandos ein und setzte sich überall in den militärischen Zentren fest. Zunächst traten ihre Leute als "Berater" auf und forderten den Abbau der Feindbilder, ohne ihre eigenen aufzugeben.

Die Parteien der DDR und die Staatsorgane waren mit sich selbst beschäftigt. Sogar in der PDS, der ein großer Teil der Berufssoldaten noch angehörte, gab es Rufe nach "totaler Abrüstung". Manche Funktionäre erklärten, sie hätten schon immer Vorbehalte gegenüber den bewaffneten Organen der DDR gehabt. Niemand äußerte sich klar zu Auftrag und Zukunft der Soldaten. In der Truppe selbst gaben sich einige der Illusion eines begrenzten Fortbestehens ihrer Einheiten hin. Der Minister für "Verteidigung und Abrüstung", der fanatische Antikommunist Rainer Eppelmann, gaukelte ihnen das auch noch vor. Doch tatsächlich waren in Bonn bereits alle Messen gesungen: Die kompromißlose Auflösung der NVA und der Grenztruppen stand fest.

In dieser Situation trat der Deutsche Bundeswehrverband (DBwV) auf den Plan. Nachdem er schon 1989 Kontakte zum Verband der Berufssoldaten geknüpft hatte, verstärkten sich diese nun. Beim ersten ordentlichen Verbandstag des VBS am 21. April 1990 in Eggersdorf trat der damalige Vorsitzende des DBwV Oberst Wenzel als Gast auf. Er machte den Vorschlag einer "kameradschaftlichen Zusammenarbeit" beider Organisationen.

Nach vielem Für und Wider löste sich unser Verband auf und empfahl seinen Mitgliedern, einzeln in den DBwV einzutreten. Natürlich gab es darüber heftige Diskussionen, besonders um die Aufnahme von Angehörigen der Grenztruppen. Der DBwV-Vorstand beschloß am Ende, sie zu akzeptieren. Ich selbst hatte ihnen 32 Jahre angehört.

Weshalb trat ich in den Bundeswehrverband ein? Damals wollte fast niemand etwas von uns wissen. Wir standen faktisch allein auf weiter Flur. Es drohte die pauschale Abstrafung durch Rentenkürzung. Der DBwV versprach uns, sich für unsere Altersbezüge einzusetzen. Er tat es auch wirklich. ISOR und GRH existierten noch nicht.

12 Jahre lang war ich Vorsitzender einer Kameradschaft im DBwV. Sie hatte rund 250 Mitglieder, anfangs meist ehemalige Grenzer. Uns verband neben den finanziellen Gründen auch der Wille zu Solidarität und gegenseitiger Unterstützung.

Wir führten oft harte politische Auseinandersetzungen mit dem DBwV-Vorstand. So protestierten wir z. B. gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Überfall auf Serbien. In Debatten mit dem Bundesvorsitzenden Oberst Gertz stritten wir über die Traditionsarbeit in der Armee der BRD. Sachlich und fundiert, scharf und kritisch legten wir unsere Meinung dar. Und immer wieder drehte sich das Gespräch um die politisch motivierte Strafverfolgung von DDR-Grenzsoldaten. Fünf Mitglieder unserer Kameradschaft waren betroffen.

Auch in den Landesversammlungen Ost wurde die Frage thematisiert. Die richterliche Bezeichnung der Zugehörigkeit zu den Grenztruppen der DDR als "Dienst in einem rechtsstaatswidrigen Organ" lehnte der Landesvorstand Ost des DBwV im Jahre 2004 als Relikt des Kalten Krieges ab.

Natürlich waren der Druck und die Hetze des Gegners enorm. Im rechtsgerichteten Nachrichtenmagazin "Focus" (39/2008) wurde der Chef der DDR-Grenztruppen, Generaloberst a.D. Klaus-Dieter Baumgarten, noch nach seinem Tode auf das übelste verleumdet. Man nahm seine Zugehörigkeit zum Bundeswehrverband, dem er 1991 beigetreten war, zum Anlaß übler Unterstellungen. Oberst Gertz gab sich gegenüber "Focus" zerknirscht, sprach von durchgreifenden Zweifeln, ob die Aufnahme "ethisch richtig" gewesen sei. Er bat um Verständnis für die "aus heutiger Sicht problematische Linie". Dann ließ der damalige Chef des Bundeswehr-Traditionsverbandes die Katze vollends aus dem Sack: Es habe seinerzeit "auf seiten der westdeutschen politischen und militärischen Führung ernste Befürchtungen gegeben, daß Teile der bewaffneten Organe der untergehenden DDR das Ende der ostdeutschen Republik nicht akzeptieren würden und es zu blutigen Auseinandersetzungen kommen könnte". In dieser Lage habe sich der Bundeswehrverband zusammen mit dem Verband der Berufssoldaten der DDR für eine "friedliche und gewaltfreie Wiedervereinigung" eingesetzt. Auch das war "Focus" zu entnehmen.

Gegenüber der Zeitschrift erklärte nun Gertz, der "Vorgang Baumgarten" sei "kein Ruhmesblatt" für den DBwV. "Jemand wie der frühere Grenztruppenchef hätte nie aufgenommen werden dürfen." Man werde die ganze Sache noch einmal "aufarbeiten" müssen.

Den Eintritt Tausender früherer NVA-Angehöriger bezeichnete Gertz, der inzwischen abgetreten ist, als Beitrag zur "inneren Befriedung".

Auf einem Kolloquium des nach dem faschistischen Kriegsverbrecher Molinari benannten Bildungswerkes des DBwV am 16. Februar 2006 lautete das Thema "Zwei deutsche Armeen im Kalten Krieg - 15 Jahre Ringen um die Armee der Einheit". Dort verkündete Gertz: "Schließlich wurden ohne größere Zwischenfälle einheitliche deutsche Streitkräfte geschaffen, in denen inzwischen Ost- und Westdeutsche gleichermaßen Dienst leisten."

Wo lagen die Beweggründe für das hier geschilderte Tätigwerden des Herrn Gertz?

"Für den DBwV stand schon früh fest, daß wir auch die Soldaten der NVA unter unsere Fittiche nehmen wollen", erklärte der Oberst. Was hieß das im Klartext?

Es ging um Gravierendes: Eine Armee wurde aufgelöst, "abgewickelt" und verschwand. Nur wenige übernahm man in die Bundeswehr. Von Armee der Einheit keine Spur!

Da waren aber noch Tausende Kader, militärisch gut ausgebildet, mit konkreten politischen Vorstellungen und auch Feindbildern, technisch versiert und diszipliniert. Auf einmal standen sie auf der Straße. Es war ein beachtliches Kräftepotential. Da rumorte es, keiner wußte so richtig, was aus diesen ehemaligen Militärs werden sollte. Ein solcher latenter Unruheherd mußte im Prozeß der Einverleibung der DDR durch die BRD beseitigt werden. Diese Aufgabe fiel nach dem Willen der in Bonn Regierenden dem Bundeswehrverband zu. Es ging um Neutralisierung, darum, um alles unter Kontrolle zu behalten. Das war für die BRD von strategischer Bedeutung. Der DBwV löste seinen Auftrag sehr geschickt. Der Plan war raffiniert und gut eingefädelt, ging es doch um nicht mehr und nicht weniger als um die Ausschaltung potentieller Unruhestifter.

Übrigens: Ich bin inzwischen aus diesem Verband ausgetreten.

Horst Liebig, Joachimsthal

Raute

"... Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen"

Mit dem EK in den Heldentod

Am 20. Juli 2008 fand - diesmal vor dem Reichstagsgebäude - das übliche Säbelrasseln beim Rekrutengelöbnis statt. Wiederum wurde der 20. Juli 1944, der Tag des Attentats auf Hitler durch die Verschwörer um den Widerständler Graf Schenk von Stauffenberg, mißbraucht, um die Trommel für weltweite Interventionen der Bundeswehr zu rühren. Motto: Deutsche Interessen lassen sich vorrangig am Hindukusch verteidigen! Doch inzwischen weiß jedes Kind, daß es sich allein um ökonomische Anliegen des Großkapitals handelt.

Die Leser mögen einen Blick in meine Familienchronik werfen: 1870/71 ritt mein Urgroßvater mütterlicherseits blutjung in den Deutsch-Französischen Krieg. Bei Sedan verlor er im Gefecht als Brandenburger Dragoner einen Arm, so daß er anschließend seinen Beruf als Stellmacher nicht mehr ausüben konnte. Nur ein Eisernes Kreuz für Verdienste um Gott, König und Vaterland sollte sein Lohn sein. Der Preußenkönig rief in Versailles auf fremdem Boden das Deutsche Kaiserreich aus. Die Herren des Geldes rissen sich Elsaß und Lothringen unter den Nagel, eine Milliarde französische Goldfranken wanderte als Kontribution, wie man Kriegsbeute zu nennen pflegt, in die deutsche Staatskasse.

Mein Großvater zog als Sozialdemokrat 1914 im Taumel demagogisch erzeugter Kriegsbegeisterung ins Feld. Auf seinem Koppelschloß war die Inschrift "Mit Gott für Kaiser und Vaterland" eingraviert. In den Materialschlachten des Grabenkriegs an der Ost- und Westfront lernte er den Fleischwolf der Menschenvernichtung am eigenen Leibe kennen. Es erwischte ihn 1918 - noch kurz vor Kriegsende - am rechten Bein. Auf zwei Krücken kam er heim. Er wurde Mitstreiter im Arbeiter- und Soldatenrat Berlins. Zeit seines Lebens blieb er Invalide mit Zivilversorgungsschein, denn seinen geliebten Beruf als Vergolder konnte er nicht mehr wahrnehmen. Immerhin war er noch einmal mit dem Leben davongekommen. Sein Fazit: eine Menge Ordensschrott an der Uniform, darunter auch einige Kreuze, und jede Menge Splitter im Kreuz.

Das Großkapital machte auf beiden Seiten maximalen Profit. 1941 - im Jahr meiner Geburt - wurde mein ältester Bruder Günter zur Hitlerwehrmacht eingezogen. Mit 18 marschierte er für Führer, Volk und Vaterland in einen Raub-, Vernichtungs- und Ausrottungskrieg ungeahnten Ausmaßes, der 1945 mit dem Fiasko der Faschisten endete. Im Feldzug gegen die Sowjetunion wurden furchtbare Greuel begangen, wie mein Bruder der Mutter bei einem Heimaturlaub erschüttert berichtete. Auf dem Rückzug 1944 traf ihn eine Kugel in den Rücken. Er starb an den Folgen der Verwundung in einem Lazarett in Polen, ohne bereits richtig gelebt zu haben. Das EK II hatte er vor versammelter Front aus einem Kochgeschirr erhalten. Vielleicht setzte man ein Birkenkreuz auf sein Grab.

Mein Bruder Joachim wurde noch in den letzten Kriegstagen als 16jähriger in den Kessel von Halbe bei Berlin gehetzt. Die meisten seiner Mitschüler überlebten das Massaker nicht. Zwei Vettern entkamen dem sinnlosen Gemetzel ohne Arm und Bein. Joachim diente nach 1945 zuerst in der Hauptverwaltung Ausbildung, dann der Kasernierten Volkspolizei und zuletzt in der NVA. Er starb 1966 als geachteter Ingenieur im Range eines Majors.

Ich selbst und meine beiden Söhne leisteten ebenfalls ihren Ehrendienst in der Nationalen Volksarmee. Ich bin stolz darauf, dazu beigetragen zu haben, den ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden und zugleich den Frieden zu sichern. Bis 1989 war ich als Leiter einer Dienststelle auf einem Militärbahnhof tätig. Orden und Ehrenzeichen gab es auch in der DDR recht reichlich. Eiserne Kreuze waren nicht darunter.

Erst die Bundesrepublik brachte es fertig, beim Überfall auf Jugoslawien - wie einst die Nazis - Belgrad zu bombardieren. Am Horn von Afrika und vor den Küsten Libanons patrouilliert die Bundesmarine, in "Krisengebieten" auf dem Balkan stehen die Soldaten des Herrn Jung, die auf Wunsch des Pentagons und im eigenen Interesse des deutschen Kapitals auch in Afghanistan beim "Wiederaufbau" alle Hände voll zu tun haben.

Für diese Politik wird die heranwachsende Generation indoktriniert und fit gemacht. Durch Gelöbnisse wie am 20. Juli vor dem Reichstag in Berlin stellt man in provokatorischer Absicht deutsche Großmannssucht zur Schau. Eine Parlamentsarmee vor dem Parlamentsgebäude, das die Aufschrift "Dem Deutschen Volke" trägt - wenn das nicht wirkt! Mit militärischem Gepränge, gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in einem Land mit einer solchen Tradition! Die Blutlinie des deutschen Militarismus, zu der Heldentod, Heldenmütter, Heldengedenksteine und das Segnen der siegreichen Waffen durch manchen Kirchenmann gehören, sollte ein für alle mal ein Ende finden.

Alte Männer begründen diesen Akt mit protzigen Phrasen von Demokratie, Bündnistreue und angeblicher Ehre. Altkanzler Helmut Schmidt machte sich durch Auf-die-Pauke-Hauen zum Fürsprecher regelmäßiger Rekrutengelöbnisse vor dem Reichstagsgebäude. Sie sollen immer am 20. Juli stattfinden, dem Jahrestag jenes gescheiterten Anschlags, der als einzigartige Befreiungstat dargestellt wird. Was für eine Geschichtsklitterung und Instrumentalisierung der Männer um Stauffenberg!

Ein Ordenskreuz soll bald wieder an deiner Brust prangen, betrogener Soldat, oder das nicht auszuschließende Heldengrab zieren. Auch dieses Mal sollst du für freien Zugang zu Rohstoffen und Märkten des inzwischen global agierenden Kapitals dein Leben hingeben. Auf deinem Koppelschloß aber müßte stehen: Profit um jeden Preis!

"... Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen -
so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben -
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben",

sang der Liedermacher und linke Barde Hannes Wader schon vor mehr als 30 Jahren.

Verweigert euch diesen Verführern!

Heinrich Ruynat

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Heimkehr vom Auslandseinsatz

Raute

Vorsicht Fälschung!

Seit ein paar Monaten kursiert ein Kurt Tucholsky zugeschriebenes Gedicht mit dem Titel "Wenn die Börsenkurse fallen", das angeblich 1930 in der "Weltbühne" erschienen sein soll. Es wurde uns etliche Male in bester Absicht zugesandt.

Das Gedicht stammt tatsächlich von einem zeitgenössischen Wiener Autor, der eher dem konservativen Spektrum zuzurechnen ist.

Raute

DDR-Staatssicherheit war keine Ressortangelegenheit nur eines Ministeriums

Die Sicherheitspolitik habe ich in 40 Jahren DDR keinesfalls nur als Ressortangelegenheit des Ministeriums für Staatssicherheit erlebt, wie es heute oft den Anschein hat und wie es gerne viele hätten. Die Sicherheit und der Schutz der DDR und ihrer Bürger waren eine Sache der ganzen Gesellschaft. Sie erschöpfte sich nicht in Verboten, Polizeiermittlungen, Strafverfolgungen und gerichtlichen Verurteilungen. Vielmehr war sie verbunden mit der Politik, besonders der Wirtschafts- und auch der Sozialpolitik.

Ich kenne die Sicherheitspolitik als Angelegenheit aller Parteien, der Organe des Staates und der Wirtschaftsleitungen. Sie wurde mehr und mehr zur Sache der Bürger. Deren demokratische Mitwirkung war gefragt und wurde immer besser gewährleistet. Das in einem Maße, wie es die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nie geschafft hat.

Den Gründungstag der DDR erlebte ich als 24jähriger Kursant der Antifa-Schule 2041 bei Gorki in der UdSSR. Wir begingen ihn mit einer kleinen Demonstration, mit selbstgenähten roten Fahnen - einige wenige schwarz-rot-goldene waren auch darunter. Sie führte durch das Lagertor in das nahegelegene Dorf. Die allgemeine Freude war riesig. Wir hatten ein neues, demokratisches Staatswesen, das Arbeit ohne Ausbeutung, Gerechtigkeit, Chancengleichheit und besonders eine Perspektive im Frieden gewährleisten würde. Viele der jahrelangen Hoffnungen dürften nun erfüllbar werden. Die Motivation, daran so schnell wie möglich in der Heimat teilzunehmen, war unbeschreiblich hoch. Sie wirkt bis heute. Schon wenige Wochen später sollte ich - nach einer Eingewöhnungszeit - als Organisationsleiter im Parteivorstand der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands arbeiten. Im Mai 1953 wurde ich als Landwirtschaftsminister in die Regierung berufen, der ich mit vier Jahren Unterbrechung bis Anfang 1990 angehörte.

Die grundlegenden gesellschaftlichen Umwandlungen hatten in der DDR bereits unter Teilnahme großer Teile des Volkes stattgefunden: die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher in der Industrie und im Bankwesen, die Bodenreform und die Bildungsreform. Die politischen und ökonomischen Grundlagen des Nazismus waren beseitigt.

Mit der Schaffung des Volkseigentums an entscheidenden Produktionsmitteln, der Übergabe des Großgrundbesitzes an Hunderttausende Landarbeiter-, Landarmen- und Umsiedlerfamilien und der Öffnung der Bildungszugänge bis in die Universitätssäle, auch für die Kinder von Arbeitern und Bauern, war der Weg für eine demokratische und antifaschistische Entwicklung frei.

Diese tiefgreifenden Veränderungen hatten bei Arbeitern, werktätigen Bauern und der Jugend besonders durch ihre persönliche Teilnahme an den eingeleiteten Maßnahmen zu erheblicher Politisierung, zu gesellschaftlicher Aktivität in Volksvertretungen, Massenorganisationen, Berufsverbänden und Parteien geführt.

Andererseits gab es nicht wenige, die ihren politischen und ökonomischen Einfluß, ihre Machtpositionen durch die Enteignung verloren hatten: ehemalige aktive Nazis, Großgrundbesitzer, Angehörige des Finanzkapitals, leitende Mitarbeiter von Konzernen und auch in deren Dienst Stehende im Osten. Hinzu kam eine Vielzahl von Organisationen der ausländischen Reaktion, die eine demokratische Entwicklung mit allen Kräften und Mitteln aufhalten wollten, Widerstand leisteten und die Sicherheit unseres jungen Staatswesens aufs äußerste gefährdeten. Im Verlauf von 40 Jahren haben sich Organe, Schwerpunkte und Methoden in der Sicherheitspolitik der DDR verändert. Auch die feindlichen Aktivitäten wandelten sich.

Anfang der 50er Jahre habe ich kaum eine Sitzung der Regierung ohne einen Bericht der Kommission für Staatliche Kontrolle erlebt, in dem nicht auf ausgedehnte Schädlingsarbeit, besonders in der Wirtschaft, hingewiesen worden wäre. Am häufigsten waren: Diebstahl von Konstruktionsunterlagen und wissenschaftlichen Erkenntnissen; Verschieben oder Unwirksammachen von besonders sensiblen Geräten, Engpaßmaterialien, Ersatzteilen, Meßgeräten und Spezialwerkzeugen; Sprengung von Eisenbahnschienen und Brücken; Abwerben hochqualifizierter Fachleute; Sabotage im Produktionsprozeß, Beschädigung von Anlagen, Werkzeugen und Instrumenten; Störung von Außenhandelslieferungen beim Ex- und Import. Beteiligt waren häufig mit Unterstützung aus dem Ausland handelnde Banden. Bekanntlich geschah alles bei offener Grenze. Viele Prozesse und Gerichtsurteile sind dokumentiert. Deshalb nur einige Beispiele: Von 1945 bis 1949 haben acht ehemalige Führungskräfte der Deutschen Continental AG Vermögen im Wert von 100 Mill. Mark nach Westdeutschland verschoben, die Überführung der Werke in Volkseigentum verschleppt. Tausende Werktätige der damaligen Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) Buna dankten der Staatlichen Kontrollkommission für die Aufdeckung der Verbrechen. Auch Beauftragte der IG Farben und des Solvay-Konzerns verschoben riesige Vermögenswerte nach dem Westen.

In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg traten bewaffnete Sabotagetrupps aus ehemaligen Offizieren und Funktionären von Naziorganisationen auf und terrorisierten Betriebsbelegschaften wie Landbewohner. Auch unter direkter Führung ausländischer Geheimdienste wurde Schädlingsarbeit in großem Ausmaß organisiert: Die Gruppe "Bluthunde" betrieb, ausgestattet mit gefälschten DDR-Ausweisen, im Auftrag der USA Kriegs- und Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen. Sie verübte Diversionsakte, u. a. die Sprengung eines Hochofens in Eisenhüttenstadt. Bekannt wegen ihrer besonderen Skrupellosigkeit und Brutalität war auch die Gruppe Burianek. Sie wollte u. a. eine Eisenbahnbrücke bei Erkner in die Luft jagen. Die BRD-Justiz rehabilitierte später diese Banditen.

Die Landwirtschaft war auf Grund ihrer Verantwortung für die Lebensmittelversorgung und bei den noch vorhandenen Schwierigkeiten ein bevorzugtes Feld für Verbrechen aller Art. In den 50er Jahren überwogen - auch zur Störung der genossenschaftlichen Umgestaltung - nach Polizeiberichten des Ministeriums des Innern: Zurückhaltung von Marktgetreide und Kartoffeln, die in Feldfluren und Wäldern versteckt wurden; Hetze gegen angesehene und einflußreiche Persönlichkeiten im Dorf; Morddrohungen und Überfälle auf engagierte Bäuerinnen und Bauern sowie Genossenschaftsfunktionäre bis hin zum Mord; Inbrandsetzung voller Scheunen (im Kreis Torgau in einer Nacht 19), von Viehställen und Technikstützpunkten; Unbrauchbarmachen von Landmaschinen, Diebstahl von Ersatzteilen, Engpaßmaterialien und Reifen; Vergiftung von Vieh, besonders Zuchtvieh in bäuerlichen Betrieben, die in die LPG eintreten wollten, und in neugegründeten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften.

Hinzu kam das Verschieben von Zuchtvieh und hochwertigem Saatgut und Tieren erfolgversprechender Zuchtstämme nach dem Westen. Einige in staatlichen Verwaltungen und Handelsorganisationen verbliebene alte "Fachleute" veranlaßten Störungen und Verluste durch Desorganisation bei Verteilung von Saat- und Pflanzgut, Düngemitteln, Baumaterialien, Treibstoff, Reifen, Futtermitteln und vielem anderem.

Dr. Hans Reichelt

Der DBD-Politiker war Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR.

Raute

Vom wirksamen Eingreifen zum Predigen für taube Ohren

Wie das MfS die Volkswirtschaft schützte

Nach Eintritt in das 20. Jahr seit Beginn der Konterrevolution in der DDR ist bis zum Herbst 2009 mit einer noch skrupelloseren Medienkampagne gegen den "Unrechtsstaat" und besonders gegen das MfS zu rechnen.

Als Zeitzeuge mit 25 Jahre währender Mitverantwortung für die Sicherung der Volkswirtschaft im Kreis Quedlinburg möchte ich der zu erwartenden neuen Lügenflut schon jetzt begegnen.

Mit einem erfolgreichen Ingenieurabschluß wurde ich nach der Einstellung in das MfS zunächst in der Landwirtschaft, danach im Eisen- und Hüttenwerk Thale, dem mit 7500 Beschäftigten größten Betrieb der Region, und schließlich als für den Schutz der Volkswirtschaft des Kreises Verantwortlicher eingesetzt. Auch wenn sich spezifische Aspekte der Sicherung im Laufe der Zeit veränderten, bestand meine Aufgabe stets in der vorbeugenden operativen Arbeit, d.h. der Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Handlungen, der Verhinderung von Störungen und Schäden in Betrieben sowie der Unterstützung der staatlichen Leiter im Interesse einer hohen inneren Stabilität.

Mein Arbeitsgebiet befaßte sich mit feindlicher Stützpunkttätigkeit, Geheimnisschutz, Bränden, Havarien, Explosionen, der Gefährdung von Anlagen, der Produktionssicherheit, Planmanipulationen und Falschmeldungen. Darüber hinaus bestand unsere Aufgabe darin, Ursachen und Bedingungen für das Entstehen von Kriminalität zurückzudrängen, die allgemeine Ordnung und Sicherheit in den Betrieben zu gewährleisten. Vorrang hatte die Prävention und nicht, wie von den Geschichtsfälschern behauptet wird, die Festsetzung von Personen. Deshalb ist es geradezu grotesk, wenn uns Birthlers selbsternannte Historiker immer wieder unterstellen, beim Schutz der Volkswirtschaft gegen die eigenen Bürger gewirkt zu haben. Natürlich war unsere Arbeit auch darauf gerichtet, Spione, Saboteure, Terroristen und andere Feinde der DDR-Wirtschaft zu entlarven und der Bestrafung zuzuführen. Aber selbst unter diesem Gesichtspunkt ging es vorrangig darum, potentiellen Tätern die Möglichkeit zu entziehen, den von ihnen angestrebten Schaden überhaupt herbeiführen zu können. Dazu war es in erster Linie erforderlich, Mißstände, Mängel und Schlamperei aufzudecken und zu verhindern.

Für die Realisierung dieser Aufgabe stützten wir uns vor allem auf Inoffizielle Mitarbeiter (IM). Die meisten von ihnen sahen in ihrer Zusammenarbeit mit dem MfS eine Möglichkeit, Fehlentwicklungen in ihren Betrieben entgegenzuwirken. Sie wollten dazu beitragen, die Verantwortlichen der Partei und des Staates über die Stimmung der Bevölkerung ohne jede Schönfärberei in Kenntnis zu setzen. Dabei ließen sie sich nicht nur von sozialistischer Überzeugung leiten, sondern folgten oft auch allein humanistischen Erwägungen. Diese Tatsache bleibt den Siegern auf Zeit ein Rätsel.

Zur Gestaltung einer vorbeugenden und schadensabwendenden Arbeit gehörte ein gut funktionierendes offizielles Informationssystem. In seinem Rahmen wurden alle in den Betrieben bestehenden Einrichtungen dieser Strecke (Sicherheitsbeauftragte, Sicherheitsinspektionen, VS-Stellen, Dispatcher usw.) einbezogen.

Uns war aufgetragen, nicht bei der Informationsbeschaffung stehenzubleiben. Es galt vielmehr, positive Veränderungen mit wirtschafts- und sicherheitspolitischem Nutzen herbeizuführen und Schaden, der der Volkswirtschaft drohte, abzuwenden. Das wiederum war nur möglich über IMs in Schlüsselpositionen oder über den staatlichen Leiter, ohne dabei die Konspiration zu verletzen und Quellen zu offenbaren. Erst wenn sich dieser Kreis spürbar geschlossen hatte, konnten wir das als operativen Erfolg verbuchen. Der Weg war lang und kompliziert, aber leider nicht immer erfolgreich zurückzulegen. Das verleitete dazu, gelegentlich selbst direkten Einfluß auf volkswirtschaftliche Belange nehmen zu wollen.

Ehrlich gesagt, ich habe mich in dieser Hinsicht manchmal auf einem schmalen Grat bewegt. Einerseits war es zwingend geboten, eine erfolgreiche vorbeugende Arbeit zu leisten, andererseits durften wir die erforderlichen Entscheidungen nicht den zuständigen Leitern abnehmen, ohne gegen MfS-Dienstanweisungen zu verstoßen.

Zurückblickend kann ich sagen, daß wir im Referat Volkswirtschaft gemeinsam mit den genannten Kräften in den verschiedensten Betrieben unseres Kreises nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, größere Havarien zu verhüten und damit Volksvermögen zu erhalten. Es gelang uns, nicht wenige Menschen vor körperlichen Beeinträchtigungen zu bewahren und Umweltschäden zu verhindern.

Leider wurde dieser für alle Beteiligten sehr befriedigende Prozeß ab Mitte der 80er Jahre immer spürbarer abgeschwächt. In der Wirtschaftspolitik der Partei- und Staatsführung offenbarten sich unverkennbare Fehler, Irrtümer und Mängel. Das bedeutete insbesondere, daß wir gesammelte Informationen nicht mehr an den Mann bringen konnten. Für die SED-Kreisleitung waren wir bisweilen geradezu "Nestbeschmutzer", während die Betriebsleiter notwendige Änderungen aus den verschiedensten Gründen nicht mehr vornehmen konnten. Manche von ihnen flüchteten sich dann in den Ausweg, uns bestimmte Unzulänglichkeiten im Betrieb als Feindtätigkeit zu suggerieren.

Auch auf der MfS-Strecke über Halle (Bezirk) und Berlin (Zentrale) kamen immer seltener hilfreiche Reaktionen zu übermittelten Berichten. Wir arbeiteten überwiegend nur noch für den Papierkorb.

Es ist sehr bedauerlich und mir bis heute unverständlich, daß wir am Ende unsere IMs weder schützen noch ihnen helfen konnten, weil wir selbst fast über Nacht zum Freiwild erklärt worden waren - ein Zustand, von dem viele noch heute betroffen sind. Trotz der nicht enden wollenden Verleumdung und Diskriminierung blicke ich erhobenen Hauptes auf meine MfS-Tätigkeit zurück. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, da ich stets nach Recht und Gesetz der DDR handelte - eines von 138 Staaten der Welt anerkannten und geachteten UNO-Mitglieds. Daran kann das nachträgliche Geschwätz vom "Unrechtsstaat" nichts ändern.

Wenn es ein Verbrechen gewesen sein soll, daß ich mit meinen Mitarbeitern, den IMs und anderen Kräften im Kreis Quedlinburg zur Festigung sozialistischer Macht- und Eigentumsverhältnisse und damit zur längsten Friedensperiode in der europäischen Geschichte beigetragen habe, so dürfte eine solche Unterstellung nicht mit der vielgepriesenen demokratischen Rechtsstaatlichkeit in Übereinklang stehen. Vor allem, wenn man bedenkt, daß die von den Geheimdiensten der alten BRD gegen unsere Volkswirtschaft angesetzten Spione, Saboteure und Terroristen heute als "Helden" und im Falle ihrer Verurteilung wegen erwiesener Verbrechen als "Opfer" ausgegeben werden.

Heinz Tischner, Quedlinburg

Raute

Antikommunismus - die Marketenderware kalter und heißer Krieger

Giftige Saat

Als Friedrich Engels 1847 die Frage beantwortete, was Kommunismus sei, fand er die Formulierung: (Er) "ist die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats". Diese Auskunft löste heftige Reaktionen beim politischen und sozialen Gegner aus. Ein Jahr später prägten Marx und Engels im "Manifest" die klassischen Sätze: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet: der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten."

Mit anderen Worten: Der Antikommunismus ist so alt wie die Arbeiterbewegung selbst. Mehr als das. Er ist die schärfste Waffe der Ausbeuter, denn mit der Fixierung der Ideen und Ziele der Marxisten zeigte sich bereits, daß die Bourgeoisie nicht mehr fähig ist, dem glaubhaft eigene Ideale entgegenzusetzen. Sie muß den Weg der Verleumdung, Entstellung, plumpen Verfälschung, Bestechung und des Terrors wählen, der über zügellose Aggressivität und blinden Haß zu schwersten Verbrechen führt. Schon in der Geburtsurkunde der revolutionären Arbeiterbewegung mußte den verleumderischen Behauptungen widersprochen werden, die Kommunisten wollten das persönliche Eigentum, das Vaterland und die Nation abschaffen, jede Individualität und persönliche Freiheit aufheben und die Weibergemeinschaft einführen.

Der Antikommunismus steigerte sich in dem Maße, in dem sich die allgemeine Krise des Kapitalismus ausprägte und verschärfte. Unternehmen wir einen kurzen Streifzug durch die Geschichte: Vor der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution war der Umgang mit der "Kommune" in jedem Land als innere Angelegenheit betrachtet worden. Neben Verboten und brutaler Verfolgung bestand das Ziel darin, die Idee von der sozialistischen Gesellschaft als bloße Utopie hinzustellen. Nach 1917 wurde die Idee aber zu einer materiellen Gewalt. Angriffe gegen den ersten sozialistischen Staat, der bewies, daß die Erkenntnisse von Marx, Engels und Lenin wissenschaftlich fundiert und umsetzbar waren, wurden für das Kapital zu einer existentiellen Frage. Die Bourgeoisie begann mit ihrer Intervention der 14 Staaten, um den Sozialismus "noch in der Wiege zu erdrosseln". So forderte es der spätere britische Premierminister Winston Churchill. Furchteinflößende Plakate mit einem Wolf und dem Text: "Bolschewismus heißt, die Welt in Blut zu ertränken", tauchten auf.

Als nach Bürgerkrieg und Intervention das ohnehin schwache Rußland völlig am Boden lag und die Sowjetmacht der Rückständigkeit, der Not, dem Hunger und dem Typhus den Kampf ansagen mußte, konzentrierte sich die antikommunistische Hetze darauf, die verheerenden Folgen des Weltkriegs und die Hinterlassenschaft des Zarismus den Kommunisten in die Schuhe zu schieben.

Mit den Batterien des Antikommunismus wurde ein Jahrzehnt darauf die bürgerliche Demokratie sturmreif geschossen, was den Machtantritt der Hitlerfaschisten zur Folge hatte. Ein bis dahin beispielloser Terror nach innen und außen resultierte aus deren Herrschaft. Die im Kern antikommunistische Ideologie von Hitler, Rosenberg und Goebbels gipfelte in Aggressionskriegen und Völkermord.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Antikommunismus zur offiziellen Doktrin der USA, der NATO und der BRD. Kriege und andere Gewaltakte, Spionage und Sabotage gegen die sozialistischen Staaten sowie eine erbarmungslose Ätheroffensive und die Schaffung militärischer Blöcke bewiesen von Beginn an die Absicht, die neue Welt aus den Angeln zu heben. Das tragische Ergebnis - den Sozialismus in Europa betreffend - ist bekannt.

Nach dem zeitweiligen Sieg der Konterrevolution hat sich der Schwerpunkt antikommunistischer Aktivitäten verlagert. Sie richten sich jetzt besonders gegen die Volksrepublik China und zielen zugleich auch auf das nicht mehr sozialistische, doch selbstbewußte Rußland. Da sich ein erneutes Anwachsen der revolutionären Bewegung in verschiedenen Teilen der Welt abzeichnet, dient die antikommunistische Hetze auch dazu, die Volkskräfte und die marxistisch-leninistischen Parteien solcher Länder Europas wie Portugal und Griechenland zurückzudrängen. Natürlich befinden sich auch Kuba und die antiimperialistischen Kräfte Lateinamerikas im Visier der Antikommunisten. Ihr Sturmgeschütz in Deutschland ist derzeit die berüchtigte These von den zwei Diktaturen, mit der eine Wesensgleichheit von Faschismus und Sozialismus konstruiert werden soll. Andererseits will man den Eindruck erwecken, als seien Freiheit und Demokratie nur unter den Bedingungen der "sozialen Marktwirtschaft" des Kapitalismus möglich.

Die Bourgeoisie braucht eine gelähmte und zersplitterte Arbeiterbewegung und eine zahnlose Linke. Deshalb bedient sie sich mit besonderer Vorliebe solcher abgestandenen Konzepte wie der Theorie vom "dritten Weg" oder der Bezugnahme auf den von Bernstein erfundenen und in Bad Godesberg auf den Schild gehobenen "demokratischen Sozialismus".

"Alles marode" hieß es 1990/91 im Chor der Medien, als die Treuhand wütete und das Volksvermögen der DDR-Bürger in kapitalistische Hände verschob. Heute ist "Unrechtsstaat" eine Lieblingsvokabel des Gegners. Aber immer mehr Menschen beginnen, die antikommunistischen Haßtiraden rechter und rechtssozialdemokratischer BRD-Politiker zu durchschauen. Die Lüge vom "SED-Schreckenssystem", die sich BILD abquälte, erzielt nicht die gewünschte Wirkung. Der Antikommunismus richtet sich nicht nur gegen Sozialisten und Kommunisten, er ist zugleich Widerhall des drohend heraufziehenden neuen Faschismus. Wir sollten deshalb die Gefahr nicht unterschätzen, sondern ihr noch offensiver begegnen.

Bernhard Wartke, Strausberg

Raute

Tillich ist willig

Als der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich im Mai 2008 sein Amt antrat, veröffentlichte er einige Lebensdaten. Er habe eine "... Tätigkeit in der Kreisverwaltung Kamenz ..." ausgeübt, teilte er bescheiden mit. Das trifft für die Zeit zwischen 1987 und 1989 zu. Ich saß ihm als Kreisschulrat am Ratstisch gegenüber. Im Mai 1989 wurde er zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung gewählt.

In dieser Tätigkeit erfüllte er - seiner fachlich-politischen Ausbildung an der Akademie für Staat und Recht in Potsdam-Babelsberg entsprechend - den ihm von der CDU erteilten Auftrag, im Ratskollektiv zur Stärkung des Sozialismus und der DDR beizutragen. Das muß Tillich vergessen haben.

Was sich nun in jüngster Zeit über ihn und seine DDR-Vergangenheit ergossen hat, war das übliche Gedöns der Möchtegerne aus Politik und Geschichtsschreibung. Zum "Widerstandskämpfer" konnten sie Tillich - so, wie die Dinge lagen -, nicht ernennen. Da fanden sie die ihnen gemäße Formulierung, der heutige Regierungschef habe zur "handverlesenen DDR-Clique von etwa 500 Spitzenkadern" gehört.

Zu DDR-Zeiten war es üblich, daß alle fünf Blockparteien ihre Kader für entsprechende Ämter qualifizierten. Das ging Tillich und auch mir nicht anders. Heute kümmert er sich um die Interessen seiner neuen Auftraggeber, dient er der Diktatur des Kapitals.

Nun hat ein sächsischer Ministerpräsident die Suppe auszulöffeln, die er sich mit seiner Doppelmoral, als führender Funktionär in einem Kreis angeblich nicht dem Sozialismus gedient zu haben, einbrockte. Ob ihm der Notanker hilft, er habe sich nicht in die SED "zwingen" lassen, ist fraglich. Er diente sich der CDU an, um in ihr Blockpolitik mit der SED und Karriere zu machen.

Dr. Dieter Rostowski, Kamenz

Raute

Im "RotFuchs" kann man produktiv debattieren

Ein Vorteil unserer Tribüne

Die Resonanz auf das vor zwei Jahren von der Redaktion unterbreitete Angebot einer Diskussion über Gründe unserer Niederlage - ein brisantes Thema - ist stark. Nun tragen alle ihre (roten) Trauben, ihr Selbsterlebtes in den gemeinsamen Korb "RotFuchs". Die Autoren, meine Potsdamer Freunde um Helmut Pannhausen und viele andere sind dabei. Auch die Kritik am "sehr geschätzten Ruge" gehört dazu. Ohne Rechthaberei wird hier produktiv debattiert. Niemand beansprucht für sich, der "Weisheit letzten Schluß" gefunden zu haben. Grundsätzliche Diskussionen werden gesucht und nicht gescheut. Wo gibt es das sonst noch? Allerdings bestätigen Ausnahmen die Regel: Das völlig unverständliche "Abtauchen" Dr. Köhlers zeigt, daß sich nicht jeder der Auseinandersetzung stellt.

Es ist kein Verdienst, eher ein nicht zu leugnender Mangel, daß ich niemals "Schreibtischregent" (s. RF Nr. 130), sondern immer Produktionsarbeiter war, selbst unter Lagerbedingungen mit herausragenden Arbeitsergebnissen, die Dinge somit stets irgendwie "von unten" betrachtet habe. Wie spätere Erfahrungen lehrten, hat Arbeitsproduktivität viel mit Schreibtisch, mit Logistik, mit Reißbrett, ja mit Laptop zu tun. In einem Gespräch mit der "jungen Welt" stellte Allin Cottrell die These auf: "Die Sowjetunion hatte nicht die Computerressourcen, um eine detaillierte Planung auf die gesamte zivile Wirtschaft auszudehnen." Dem muß man nicht unbedingt zustimmen (erst Computer beschaffen, dann Revolution!), dennoch ist es ein bemerkenswerter Gedanke. Hohe Arbeitsproduktivität hängt nämlich weniger davon ab, wie der Arbeitende zu den Produktionsmitteln "steht", wie er "fühlt", sondern bleibt eine Frage der Produktionsvorbereitung, der Arbeitsorganisation. Wir könnten dabei getrost als Axiom zugrunde legen: Hohe Arbeitsproduktivität im Kapitalismus kann nicht damit erklärt werden, daß sich der Produktionsarbeiter etwa als "Eigentümer" der Produktionsmittel "fühlt".

Die Restauration alter Machtverhältnisse im Osten hat den Kapitalismus in anschaulicher Weise kenntlich gemacht, hat gezeigt, was sich unter den vermeintlich neuen - in Wirklichkeit alten - Bedingungen über Nacht als "überflüssig" erwies. "Überflüssiges" wurde "ausgegliedert". An vornehmen Umschreibungen - "abwickeln" oder zu treuen Händen an die "Treuhand" - mangelte es nie. Es ist leider in Vergessenheit geraten, wie der Kahlschlag gewütet hat. "Ausgegliedert" wurden Betriebsferienheime, Betriebssportgemeinschaften nebst Einrichtungen, Fußballstadien und Kegelbahnen, Betriebsbibliotheken, Betriebsakademien, Betriebspolikliniken, Betriebskindergärten, Betriebskantinen, große Klubs und Kulturhäuser. Mir ist in Erinnerung, daß wir auf unserem Betriebsgelände bei 2500 Mitarbeitern eine eigene Sparkasse und eine Bibliothek hatten. Viele Minuten, ja Stunden hat man da seinem sozialistischen Vaterland gestohlen. Aber die dicken Brocken sahen bekanntlich anders aus: ganze Schichten wegen fehlender Grundstoffe oder Zulieferungen waren zum - bezahlten! - Stillstand verurteilt. Auch hier ist es sinnvoll, die Relationen zu beachten: Selbst diese "Verluste" sind Peanuts, verglichen mit den Milliardenwerten, die in den letzten Monaten auf dem Altar der Finanzoligarchie geopfert wurden. Es lohnt sich, das Gesamtbild im Auge zu behalten.

Ab der Stunde Null mußten sich diese ganzen "sozialistischen Extras" selber "tragen", einen "Träger" suchen. Unter den veränderten Bedingungen war der Produktionsarbeiter jetzt einem Heer von "Anbietern" ausgeliefert. Das durch gestiegene Arbeitsproduktivität pralle Füllhorn ergoß sich nicht in die Lohntüten der Produzenten, sondern als Dividende auf die Konten der Shareholders, in die Brieftaschen der unersättlichen Manager. Ohne jegliche Scham zeigten die Kapitalisten nunmehr ihr wahres Gesicht. Die Herrschaften hatten in Jahrhunderten für den produzierten Überschuß andere Anwendungen entwickelt: millionenschwere Fußballstars, Casinos, Millionärs- und Opernbälle, pompöse Preisverleihungen, Shows der Reichen und Schönen. An Medien, Gaffern und kreischenden Teenagern war kein Mangel.

Wenn man durch die Nickelbrille die "vernachlässigte" sozialistische Arbeitsproduktivität, die verlorenengegangenen Besonderheiten des Sozialismus betrachtet, fallen einem humane Züge auf. Der mit Recht beanstandete Gang zum Fleischerkonsum gehörte zu diesen "sozialistischen Extras", die im nachhinein kritisch registriert werden. Nachsicht hat stets etwas Humanes. Wir wissen um den gesicherten Arbeitsplatz in der DDR - er wurde mit Argusaugen von der Konfliktkommission und der Betriebsgewerkschaftsleitung behütet. Praktisch bestand absoluter Kündigungsschutz - eine zutiefst humane Errungenschaft -, die wie manches natürlich auch ihre negativen Seiten hatte, die Eigenwilligkeit des Individuums, des Mitarbeiters stimulierte, ja stimulieren und zu Disziplinlosigkeit, zu Säumigkeit verleiten mußte. Dieser absolute Kündigungsschutz blieb ungeachtet diverser Makel in seiner Zielstellung human.

Das "moderne" Gegenstück, die Mitarbeiter ständig unter dem Damoklesschwert einer Kündigung zu disziplinieren, die Arbeitsintensität, die Arbeitsproduktivität über die Knute der Arbeitslosigkeit ständig zu forcieren, bleibt seinem Wesen nach menschenfeindlich.

Walter Ruge

Raute

Zwei Millionen Spanier erwiesen ihm die letzte Ehre

Gefallen vor Madrid: Hans Beimler

Der 8. Mai 1933 sollte der letzte Tag im Leben des Kommunisten Hans Beimler sein. So wollten es die SS-Aufseher im faschistischen Konzentrationslager Dachau in der Nähe von München. In der Nacht zum 9. Mai erschien einer von ihnen in seiner Zelle, riß eine Decke in Streifen und drehte ein Seil mit einer Schleife daraus. Er sagte dem Gefangenen, er brauche nur den Kopf hineinzustecken und das andere Ende an den Fenstergittern zu befestigen. Höhnisch fügte der Schwarzuniformierte hinzu, daß doch in zwei Minuten alles vorüber sei. Der Häftling käme ohnehin nicht mehr lebendig aus der Zelle heraus. Er hätte zwei Stunden Zeit, "das zu erledigen". Wenn er es nicht bis 5 Uhr früh getan habe, werde es von der SS besorgt.

Vom ersten Tag ihrer Machtübernahme an hatten die Nazis den KPD-Bezirkssekretär Südbayerns gejagt. Sie wollten ihn unbedingt schnell fassen, nicht nur, um jeden Widerstand gegen ihr Regime zu unterbinden, sondern weil sie auch Rache an dem Mann nehmen wollten, der hohes Ansehen im Freistaat Bayern genoß. Bei der Reichstagswahl am 5. März, der letzten, die die neuen Machthaber zuließen, hatten 60.000 Münchner Arbeiter trotz faschistischen Terrors und Einschüchterung für den Kandidaten der KPD gestimmt. Polizisten und SS-Leute konnten ihn bei einem illegalen Treffen verhaften und in das Polizeipräsidium bringen. 14 Tage später verschleppten sie ihn in das am 22. März auf Befehl Heinrich Himmlers, damals Polizeipräsident der bayerischen Hauptstadt, eröffnete Konzentrationslager Dachau.

Mit der Verhaftung begannen brutale, unmenschliche Foltern. Mit Gummiknüppeln, Ochsenziemern, Stahlruten und Fäusten prügelten die Aufseher täglich auf Hans Beimler ein, traten ihn mit ihren Stiefeln, beschimpften und bedrohten ihn, verweigerten ihm Nahrung und Getränke. Sie zwangen ihn, die grausam verstümmelte Leiche seines Genossen Fritz Dressel, Landtagsabgeordneter der KPD, anzusehen. Sie wollten ihn in den "Selbstmord" treiben, um der Öffentlichkeit triumphierend mitteilen zu können, der Kommunist Beimler habe sich feige der Verantwortung entzogen.

Am nächsten Morgen schäumte die Faschistenbande vor Wut. Sie fand keine Leiche. Die Zelle 4 war leer, das Fenster aufgebrochen, ihr Gefangener entflohen. Sie stellte das ganze Lager auf den Kopf, schikanierte und terrorisierte die Häftlinge, aber Hans Beimler befand sich schon in Freiheit. Er hat nie und niemandem je erzählt, wie ihm die Flucht gelang und wer ihm dabei half.

Wer war dieser Mann, der in einer fast aussichtslosen Lage soviel Mut und Kraft aufbrachte, seinen Peinigern zu entkommen?

Hans Beimler wurde am 2. Juli 1895 als Sohn eines Landarbeiters und einer Magd in München geboren. Nach der Volksschule war er Metallarbeiter, aber lange konnte er diesen Beruf nicht ausüben. 1914 holte man ihn zum Militärdienst auf einem Minensuchboot. Die Kriegserlebnisse und die Antikriegspropaganda unter den Matrosen ließen ihn zum Revolutionär werden, was er schon 1918 als Mitglied eines Soldatenrats beim Aufstand in Cuxhaven bewies. Als sich auch in München revolutionäre Entwicklungen zeigten, eilte er dorthin, wurde Kämpfer in der bayerischen Roten Armee und Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands, was eine erste Inhaftierung zur Folge hatte. 1921 sperrte ihn der bürgerliche "Rechtsstaat" für zwei Jahre ein, weil er sich maßgeblich daran beteiligte, den Transport reaktionärer Truppen zu vereiteln, die den mitteldeutschen Arbeiteraufstand gewaltsam niederschlagen sollten.

Nach der Festungshaft nahm er Arbeit in der Münchner Lokomotivenfabrik auf, wo ihn seine Kollegen bald in den Betriebsrat wählten. In dieser Eigenschaft fuhr er 1925 mit der ersten deutschen Arbeiterdelegation in die Sowjetunion.

Seine aktive Parteiarbeit begann er im gleichen Jahr nach der Wahl in die Bezirksleitung Südbayern, wo er als Verantwortlicher für das politische Wirken in Betrieben und Gewerkschaften eingesetzt wurde. 1928 übertrug man ihm die Funktion des Politischen Leiters im Unterbezirk Augsburg, 1932 die für den gesamten Bezirk Südbayern. Parlamentarisch war er im Stadtrat Augsburg tätig, 1932 wurde er in den bayerischen Landtag gewählt, und ab Juli dieses Jahres gehörte er auch zu den 89 Abgeordneten der KPD im Reichstag. Am 7. Februar 1933 reiste er illegal nach Berlin, um an der ZK-Tagung in Ziegenhals teilzunehmen.

Nach der Flucht aus dem KZ verbrachte Hans Beimler einige Wochen in der Obhut bayerischer Antifaschisten, um sich zu erholen. In dieser Zeit schrieb er einen Erlebnisbericht "Im Mörderlager Dachau", womit er die Öffentlichkeit über die Verbrechen der Nazis zu informieren wußte. 1934 bis 1936 leistete er konspirative antifaschistische Arbeit in Frankreich und der Schweiz, vor allem aber in der Tschechoslowakei, von wo aus er über die Grenze hinweg den Widerstand seiner Genossen in Bayern leitete. Obwohl die Gestapo, der Sicherheitsdienst der SS und andere Stellen nach Beimler fahndeten, vermochten sie ihn nicht ausfindig zu machen.

Kaum waren 1936 nach dem Franco-Putsch die ersten internationalen Kämpfer nach Spanien geeilt, folgte ihnen am 4. August Hans Beimler als Beauftragter des Zentralkomitees der KPD. Er reorganisierte den deutschsprachigen antifaschistischen Sender in Barcelona; im besonderen Maße aber widmete er sich der Betreuung der deutschen Interbrigadisten, der Besetzung wichtiger militärischer und politischer Funktionen. Er nahm Einfluß auf die Formierung der XI. Internationalen Brigade und deren ersten Bataillons "Edgar André". Hauptsächlich aber befand er sich bei den kämpfenden Einheiten, die die spanische Hauptstadt Madrid gegen die Franco-Faschisten verteidigten. Als Kriegskommissar des Thälmann-Bataillons suchte er am 1. Dezember 1936 seine Kameraden auf, die eine sehr gefährliche Stellung halten mußten. Gegen 13 Uhr begab er sich auf den Rückweg. Entgegen den Warnungen seiner Begleiter lehnte es Hans Beimler ab, sich gedeckt zu bewegen. So traf ihn die tödliche Kugel eines faschistischen Scharfschützen. Auf der Trauerfeier sprach neben Vertretern der internationalen Arbeiterbewegung und des spanischen Volkes auch Dolores Ibarruri, genannt La Pasionaria. Etwa zwei Millionen Spanier zogen an seiner Bahre vorüber und erwiesen ihm so die letzte Ehre. Hans Beimler wurde auf dem Bergfriedhof von Montjuich in Katalonien beigesetzt.

Günter Freyer

Raute

Schlafzimmer-Affäre

Es gibt keinen offiziellen Staatsgründungstag der BRD, weil man ihn nicht vorzeigen kann. Staatsgründungen vollzogen sich in der Geschichte seit Urzeiten bis heute in aller Regel als Ergebnis eines erfolgreichen Kampfes gegen fremde Unterdrückung. Arminius (Hermann, der Cherusker) vollbrachte das nach der erfolgreichen Vernichtung von drei römischen Legionen allerdings noch nicht. Die Staatsbildungen der Deutschen erfolgten erst unter Heinrich (919) und Bismarck (1866/71).

Die Weimarer Republik wurde auf den Trümmern des Kaiserreichs errichtet. Die in ihrer Verfassung fixierte neue Staatsgründung hat, so seltsam das klingen mag, juristisch bis heute Bestand. Hitler gelangte mit ihr an die Macht und bewies danach, was man alles im Rahmen einer bürgerlichen Verfassung machen kann. Er änderte kein Jota am Buchstaben der Verfassung, und das auf vier Jahre begrenzte Ermächtigungsgesetz ließ er, "Korrektheit" vortäuschend, dreimal durch Reichstagsbeschluß verlängern. Was man von den heutigen Schnipplern am Grundgesetz nicht sagen kann: Ihre Änderungen schreiben sie - wann immer möglich - gleich in die Pseudoverfassung hinein.

Mit der bedingungslosen Kapitulation verschwand der deutsche Staat nicht. Die Unterzeichner (Delegation des "Reichspräsidenten" Admiral Dönitz) traten für Deutschland signierend auf. Danach wurde es in vier Besatzungszonen aufgeteilt, in denen Militärregierungen bestanden. Die Sonderentwicklung der Sowjetischen Besatzungszone/DDR, die es mit einer sozialistischen Bruder-Staatsmacht zu tun hatte, welche den Menschen schon bald tausend Traktoren für den Neuanfang übergab, soll hier außer Betracht bleiben. Mir geht es ausschließlich um die Gründungsurkunde des separaten Weststaates.

In der Zeit nach der Kapitulation wurde über einen Neuanfang und dessen staatsrechtliche Grundlagen debattiert. Ein Büchlein (kein "völkisches" oder neonazistisches - die Faschisten hatten sich zunächst verkrochen) mit dem Titel "Um Volk und Reich" befaßte sich ausgiebig mit der Verfassungsfrage und gelangte zu dem Schluß, daß die Weimarer Konstitution juristisch immer noch bestehe. Die DDR griff 1952 ebenfalls darauf zurück, als sie mit dem Ziel der Wiedervereinigung gesamtdeutsche Wahlen auf der Grundlage des Wahlgesetzes der Weimarer Verfassung vorschlug.

Das entsprach natürlich nicht den Absichten des Separatisten Konrad Adenauer, der seine Pläne von 1923 ("Rheinische Republik") nun in erweitertem Rahmen aufzugreifen gedachte. ("Die Weinzone muß endlich über die Bierzone und die Schnapszone herrschen!", lauteten die skurrilsten Formulierungen, die in diesem Zusammenhang ersonnen wurden.) Doch Adenauer konnte seine Absichten nicht aus eigener Macht verwirklichen - ihm waren die Hände gebunden.

Die Gründung der Bundesrepublik erfolgte auf der Basis eines Befehls der westlichkapitalistischen Militärherrscher. Deshalb kann man auch nicht auf ihre Geburtsstunde verweisen. Sie erfolgte im Schlafzimmer (man höre und staune) König Ludwigs von Bayern im Schloß Herrenchiemsee, wo sich die Ministerpräsidenten der drei westlichen Zonen auf Besatzungsbefehl versammelt hatten, um die Order zur Vorbereitung eines Grundgesetzes ("Basic Law"), keineswegs aber einer Verfassung, entgegenzunehmen. Denn eine vollgültige Verfassung konnte es wegen des separatistischen Hintergrunds ja nicht geben.

Der Geltungsbereich betraf nur einen Teil Gesamtdeutschlands. Doch selbst diese einschränkende Version einer Nicht-Verfassung stieß bei den Ministerpräsidenten auf keine sofortige Zustimmung. Die Renitenz dagegen war nicht gering. Und das Ganze nannte man dann die Geburtsstunde der BRD. Ihr ging noch eine Klein-Konferenz "auf dem Rittersturz" voraus, wie ich mich vage erinnere. Die genauen Daten beider Zusammenkünfte vermag ich nicht mehr zu nennen. Sie fanden aber ursächlich und zeitlich vor der Bildung des "Parlamentarischen Rates" statt, der aus kleinen Abordnungen der Länderparlamente der Trizone bestand. Dieser war das Ergebnis der von mir erwähnten Schlafzimmer-Konferenz von Herrenchiemsee.

Die Kenntnis dieses Vorgangs erlangte ich damals durch das stenographische Protokoll einer Bundestagssitzung, die 1951 oder 1952 stattfand. Es ging dabei um Staatsrechtsfragen im Zusammenhang mit einer Ausdehnung der Westintegration, der Verfestigung des Separatismus und dem Kurs auf die Remilitarisierung der BRD. Der KPD-Bundestagsabgeordnete Heinz Renner resümierte im Parlament die Entstehungsgeschichte des westdeutschen Separatstaates. Als er auf die Versammlung der Ministerpräsidenten in Ludwigs Schlafzimmer zu sprechen kam, brach ein CDU-Parlamentarier in den verwunderten Zwischenruf aus: "Schlafzimmer?" Das Protokoll vermerkte ihn ausdrücklich.

So etwas vergißt man natürlich nie wieder. Die Masse der Abgeordneten kannte schon zwei Jahre nach der Staatsgründung keine Details dieses Vorgangs mehr oder hatte nie Kenntnis davon erlangt.

Westdeutschland war staatsrechtlich wieder auf den Status in der Zeit vor dem Sieg des Arminius über die Römer zurückgefallen. So etwas ist nicht vorzeigbar.

Manfred Lowey, Kamen

Raute

Löwinnenmoral

Der König der Tiere war zornig. Er kann auch eine Löwin gewesen sein, denn die Mähne war kurz und immer frisch geschnitten. Sei es wie es sei, der große Skandal forderte einen Rufer in der Wüste. "Ihr habt das Maß überschritten, Euch in Eurer Gier überfressen! Was sollen die Menschen von uns denken! Auf das besitzanzeigende Fürwort "unsere", das sie früher gebraucht hatte, verzichtete sie diesmal.

Die Füchse grinsten, die Hyänen heulten, der Tiger brüllte auf. Die Geier hackten aufeinander ein. Der große Haifisch zeigte seine Zähne und schwamm davon. Ein paar Luchse versteckten sich hinter dem Busch. Doch die Löwin durchschaute ihr Manöver und ging am Ende auf Distanz.

Wie andere Löwen des Großreviers hatte sie sich entschlossen, über die steinerne Kettenbrücke zu gehen und die Vorratskammern mit den Fleischtöpfen zu öffnen.

Um den Wiederholungstätern zu entgegnen, ihre Gefräßigkeit vorerst einzudämmen, setzte man eine Überwachungsinstanz ein. Dazu winkte die Löwin die vegetarisch lebende Giraffe herbei. Sie würde dank ihres langen Halses die Übersicht behalten.

Dem Gedanken, die Reviere der Raubtiere einzuschränken und alles dem Königreich zuzuordnen, konnte man nicht nähertreten, weil das den freien Wettbewerb geschmälert hätte. Der Wolf war gegen die Begrenzung der Freiheit kapitaler Kräfte. Er verwies auf sein Gesetz: Der Starke verschlingt den Schwachen.

Da war es aber höchste Zeit, die inzwischen unruhig gewordenen kleineren Tiere zu besänftigen, denn sie fürchteten um das, was ihnen noch geblieben war: um ihre kargen Vorräte für den Winter. "Ich garantiere Euch", sprach die Löwin, "daß Ihr sie behalten werdet. Bewahrt nur die Ruhe. Das Schlimmste ist verhindert, laßt uns fortan zusammenhalten!"

Da rollte sich der Igel zu einer stachligen Kugel zusammen und zischte: "Gesagt wird, uns bleibe das Übel erspart. Bedeutet das aber auch, daß uns das Ersparte bleibt?"

Die Löwin nickte wie immer, zog einmal mehr die Maulwinkel herunter, zupfte ihr Jäckchen mit den drei Knöpfen glatt, schnürte das Fleischpaket und trug es über die aus bisherigen Einsparungen gut zementierte steinerne Brücke.

Dr. Käthe Seelig

Raute

Eine reichlich unernste Theaterrezension

Unlängst eröffnete die derzeitige deutsche Regentin, Mütterchen Merkel, die von Beobachtern als Wahlkrampf bezeichnete Theatersaison dieses Jahres. Medienwirksam und vor begeistert applaudierender schwarzgewandeter Familie bezeichnete sie in unübertrefflicher Weisheit einen Teil ihrer Kinderlein als Spitzbuben. Doch die nachgeschobene Korrektur, diese seien wohl eher als Spitzelbuben zu betrachten, zeigte sie als böse Stiefmutter aus dem altdeutschen Märchenschatz.

Übrigens: Fußballfreunde werden hellauf entzückt sein, denn selten ist ein so schönes Eigentor geschossen worden. Bekanntlich hat Mütterchen Merkels rechte politische Hand, der Herr Polizeiminister, einen in seiner technischen Perfektion hierzulande unerreichten Überwachungsapparat geschaffen. Seine Spitzelbuben können sogar in den Gehirnen (den elektronischen) der braven Landeskinderchen lesen!

Die nächste Nummer soll das 2009 anstehende große Drama sein: Mit wem möchte unser Mütterchen es künftig treiben?

Völlig klar dürfte sein, daß die politisch halbseidenen Sozialdemokraten von der Bühne des Staatstheaters zu verschwinden haben. Natürlich sollen linke Spitzelbuben und grüne Knollenblätterpilze nicht einmal als Statisten auftreten.

Was bleibt und schon jetzt hofiert wird, sind die edlen und pflegeleichten Schwestern und Brüder Profitanbeter im schwarzgelben Ornat des schönen Guido. Bei ihnen haben sich sogar die bajuwarischen Zuchtexperten der CSU überwunden.

Weitere Lachnummern wurden bisher nur angedeutet:

Es könnte sich um Rentenerhöhungen über mehr als 0,01 % oder um Lohnerhöhungen unter minus 5,5 %, um eine 25prozentige Senkung der Einkommensteuer für Millionäre oder um die Erhöhung der Produktion nichtverkäuflicher PKWs um 30 % handeln. An den Libretti wird noch gebastelt. Details sind davon abhängig, was sich die politologischen Schamanen zur angeblichen Stimmungslage des großen Publikums ausdenken. Auf jeden Fall ist mit dessen dankbarem Beifall zu rechnen. Denn wo in der großen weiten Welt gibt es sonst noch derart grandioses Theater?

Dietrich Jahn, Dresden

Raute

Das Verhältnis beider deutscher Staaten zu Einheit, Nation und Sprache

Wie Feuer und Wasser

Die im Westen weit verbreitete Vorstellung, Begriffe wie deutsch oder national seien in der DDR verboten gewesen, ist eine Lieblingszüchtung aus der Entenfarm der bürgerlichen Medienmacher und gehört gewissermaßen zur ideologischen Standardausrüstung antikommunistischer kalter Krieger. Dabei ging die Absage an die deutsche Einheit schon in den 20er Jahren vom Rheinlandseparatisten Dr. Konrad Adenauer aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte sie mit der Spaltung des Landes durch die Westalliierten und das Monopolkapital jenseits der Elbe eine neue Konjunktur. Adenauer, der Diener Frankreichs und der USA, war sich der Konsequenzen seines Handelns voll bewußt. "Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb" lautete seine Devise.

Ein Friedensvertrag und die deutsche Einheit unter Einhaltung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens standen ihm nicht im Sinn. Als Brückenkopf im Kampf gegen den "Kommunismus" mußte die BRD jeden Gedanken an Neutralität und Nation verdammen. Hingegen waren die Einbindung in das NATO-Bündnis und eine enge Verflechtung der BRD-Konzerne im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von vorrangiger Bedeutung.

Die DDR ging aus dem Zweiten Weltkrieg als deutsche Alternative zum Kapitalismus der BRD hervor. Sie entmachtete die Konzerne und Banken, zerschlug den Großgrundbesitz und schaltete aktive Vertreter des NS-Regimes konsequent aus. Bei all dem fühlte sie sich lange Zeit dem Gedanken der Wiederherstellung der Einheit eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands verpflichtet. Die Volkskongreßbewegung in der zweiten Hälfte der 40er Jahre strebte genau dieses Ziel an. Bis zum Eintritt der BRD in die NATO und vor Unterzeichnung des Generalvertrages, der die vollständige Subordination der Bundesrepublik unter die Politik der Westmächte regelte, war die Tür für eine Annäherung offen. Pläne zur Schaffung einer Konföderation beider deutscher Staaten wurden erarbeitet und unterbreitet.

Die BRD und ihr Außenminister Hallstein antworteten mit der Doktrin der Alleinvertretungsanmaßung. Sie zielte auf die Verhinderung der diplomatischen Anerkennung der DDR durch andere Staaten. Massiver Druck wurde in diesem Sinne ausgeübt.

Von DDR-Seite waren Losungen wie "Deutsche an einen Tisch" ausgegangen. Nicht zufällig erhielt das Bündnis aller antifaschistisch-demokratischen Kräfte der DDR zunächst die Bezeichnung "Nationale Front des demokratischen Deutschland".

Mit Ausnahme der CDU trugen sämtliche Parteien der DDR ein D - für Deutschland - in ihren Namen (SED, LDPD, DBD und NDPD). Die DDR-Streitkräfte bezeichneten sich als Nationale Volksarmee und stellten sich bewußt in die Traditionen des fortschrittlichen Bürgertums der antinapoleonischen Befreiungskriege, der Interbrigadisten in Spanien und der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Eine besondere Rolle spielten - angesichts der engen Verbundenheit mit der Sowjetarmee - auch deren Überlieferungen.

Ich selbst habe als Gruppen- und Zugführer der Regulierungseinheit eines Panzerregiments in Vorpommern auf die Traditionen von Blücher, Scharnhorst und Gneisenau Bezug genommen. Erwähnung fand dabei stets auch der Befreiungskampf an der Seite Rußlands seit dem Vertrag von Tauroggen zwischen Diebitsch und York. Das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig legt davon Zeugnis ab.

Und noch ein Moment unterstreicht die nationale Identität der DDR: Ihre Sprache war frei von Anglizismen, aber auch von Russifizierung, die übrigens von den sowjetischen Verbündeten weder gewünscht noch aufgedrängt wurde. Die im Westen verbreitete Amerikanisierung entfiel. Gewiß hatte unser Deutsch aufgrund der sozialistischen Ideologie seine eigenen Begrifflichkeiten, was aber die Grundsubstanz der Sprache unberührt ließ. Aufgrund des gesellschaftlichen Systems entstanden neue Worte, die jedem geläufig waren.

Heute braucht man schon ein Wörterbuch, um die durchgängige Amerikanisierung der Terminologie und Alltagssprache in der BRD noch erfassen zu können. Was die Römer einst mit der Romanisierung ihres Imperiums, besonders in Spanien, Portugal und Frankreich, erreichten, tragen heute die USA in die vom Imperialismus globalisierte Welt.

Die Franzosen geben allerdings ein Beispiel für die Bewahrung nationaler Eigenständigkeit, was man von Deutschland leider nicht sagen kann. Entweder bläst man sich in nationalistischer Überhebung und Geringschätzung anderer Völker auf, oder man wirft sich auf die Knie. Großbritanniens einstiger Premierminister Winston Churchill - ein erzreaktionärer Großmachtpolitiker - kam in einer Frage der Wahrheit nahe, als er geringschätzig von gewissen Deutschen sagte, man habe sie "entweder an der Gurgel oder zu Füßen". Die heutige Politik in Merkels BRD scheint das - ganz im Unterschied zur patriotischen und internationalistischen Haltung der DDR - durchaus zu bestätigen.

Udo Hammelsbeck, Drübeck/Harz

Raute

RF-Extra

Sprachrohr der Deutschnationalen in der Weimarer Republik

Das Medienimperium des Alfred Hugenberg

Alfred Hugenberg hatte mit starker Unterstützung seiner Freunde aus der Posener Zeit - führender Herren aus der Schwerindustrie und dem Bankwesen, mit denen er geschäftlich und politisch bereits seit Jahren eng verbunden war - während des Ersten Weltkrieges ein wirkungsvolles Medienimperium geschaffen. In den Klassenkämpfen der Weimarer Republik wurde es zur Heimstatt der deutschnationalen, militaristischen und weit rechts stehenden Kräfte im Kampf gegen den Marxismus, gegen Sozialdemokraten und "Bolschewisten".

Eine Vielzahl der Aktivitäten zur Formierung des Hugenberg-Konzerns erfolgte in diesen Jahren diskret, oft sogar konspirativ, über die "Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte", wie sich die Dachorganisation des Konzerns unter Vorsitz Hugenbergs nannte. Die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Stützen des weitverzweigten Unternehmens waren der Vierer-Ausschuß der Schwerindustrie (Hugenberg, Kirdorf, Stinnes, Beukenberg), der Zentralverband Deutscher Industrieller und der Alldeutsche Verband. Die Ostdeutsche Privatbank (OPRIBA) fungierte als zentrale Holdinggesellschaft des Konzerns.

Deren Aufsichtsratsvorsitzender war Alfred Hugenberg. Die OPRIBA beeinflußte die Siedlungs- und Genossenschaftsbanken sowie kleinere Industriebanken. Das ganze Geflecht wirkte sich auf alle Geschäftsfelder des Hugenberg-Konzerns aus. Hierzu gehörten die Allgemeine Anzeigen GmbH (A-A), der Wirtschaftsteil für die Provinzen (WIPRO), die Vera-Verlagsanstalt GmbH, die MUTUUM-Darlehens AG, die Telegraphen-Union (TU), die ALTERUM-Bank, die August-Scherl-Verlag GmbH und die Universum-Film AG (UFA).

Das Ende des Ersten Weltkrieges, die deutsche Novemberrevolution und die Oktoberrevolution in Rußland paßten Hugenberg und dessen Freunden absolut nicht ins geistige, politische und wirtschaftliche Konzept. Ihr Imperium geriet durch die Zuspitzung der revolutionären Ereignisse 1918/19 mächtig unter Druck. Am 9. November 1918 wurden Druckerei und Redaktion des Scherl-Blattes "Berliner Lokal-Anzeiger" durch Vertreter der Spartakusgruppe mit Hermann Duncker besetzt. Aufgrund des schändlichen Doppelspiels des rechten SPD-Führers und späteren Reichspräsidenten Friedrich Ebert im besonderen verjagten Soldaten bereits zwei Tage später die roten Redakteure wieder aus Hugenbergs Verlagsräumen. Nun waren für dessen Imperium alle Bedingungen gegeben, um den rechtsgerichteten Kräften, die nicht nur von den "im Felde unbesiegten deutschen Truppen" sprachen, sondern auch die später in der Weimarer Verfassung festgeschriebenen demokratischen Errungenschaften der Novemberrevolution angingen, eine feste politische Stütze zu sein.

Von den etwa 4220 Zeitungen, die man 1914 zugrunde legte, gab es 1928 nur noch 3356. Hugenbergs Publikationen überdauerten, und neue folgten. Hierzu zählten "Scherl-Magazin" (1924), "Scherl-Wohnungszeitung" (1927), "Denken und Raten" (1928), "Filmwelt" (1929), "Europastunde" (1929) und "Berlin hört und sieht" (1932). Das Übergewicht lag bei den bürgerlichen Zeitungen.

Für die SPD-Presse gab man 1926 eine Auflagenhöhe von 1,1 Millionen und für die KPD-Presse von 286.000 an. Die Kommunisten verfügten 1930 in Deutschland über 37 Zeitungen. 1928 waren bereits 27,3 % der deutschen Blätter rechtsgerichtet, 52,7 % wurden von einer Gruppe dominiert, die dem Charakter nach als bürgerlich-konservativ eingestuft werden konnte. Hugenbergs Nachrichtenagentur TU versorgte über 1600 Zeitungen mit Meldungen für die städtische und ländliche Bevölkerung. Es war eine Chance, viele Menschen auf die Positionen der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) zu bringen. Hugenbergs VERA war an 60 Zeitungsverlagen beteiligt. Sie trug wie die 18 eigenen Zeitungen des Scherl-Verlages und jene 27 Blätter, bei denen der Hugenberg-Konzern eine Mehrheitsbeteiligung besaß, systematisch zur Verbreitung faschistoiden "Gedankenguts" bei. Unterstützend wirkte die Matern-Gesellschaft WIPRO, die seit 1924 für die Veröffentlichung von Reden, Leitartikeln und Berichten sorgte, in denen eine "Volksgemeinschaft" propagiert wurde. So schuf man die geistige Plattform gegen die SPD-Regierung und die KPD, besonders aber auch gegen die Sowjetunion und deren ersten Fünfjahrplan.

Die Hugenbergschen Medien, von der Presse bis zum Film, kontrollierten indirekt die "Drähte zu den Gehirnen der Menschen", wie es ein mit der Materie vertrauter Autor formulierte. Alle journalistischen Produkte des Hugenberg-Konzerns übten eine Wirkung aus, wie sie später in der BRD nur noch Springer erreichte: Sie prägten die öffentliche Meinung.

Mit der Übernahme der UFA im Jahre 1927 wurde der Film immer wirkungsvoller für die politische Propaganda der DNVP, bis hin zur direkten und indirekten Verbreitung faschistischer Ideologie, genutzt. Besonders deutlich zeigte sich das bei den Reichstagswahlen zwischen 1930 und 1933.

Am "Versprühen" des deutschnationalen Ungeistes waren Journalisten beteiligt, die oft von keiner Presseschule kamen - so Marineoffiziere, Juristen, Theologen. Leute aus wilhelminischen Kreisen boten die Gewähr für eine "nationale Haltung". Unter ihnen befanden sich Militärs, die im 100.000-Mann-Heer der Weimarer Republik nicht mehr unterkamen und mit Hugenbergs Einstellungsverträgen auf die Politik der DNVP festgelegt wurden. Klaus Wernecke und Werner Heller verweisen in ihrem Buch "Der vergessene Führer - Alfred Hugenberg" auf die Aussage Fritz Luckes, der vor 1933 u. a. Chefredakteur der "Berliner illustrierten Nachtausgabe" war. Danach fand sich "für Sozialdemokraten, die ja damals noch weitgehend Marxisten und oft auch klassenkämpferisch eingestellt waren, im Scherl-Verlag natürlich kein Platz". Dessen Blätter druckten auch keine Wahlanzeigen der SPD. Für die DNVP hingegen wurde im April 1928 im "Berliner Lokalanzeiger" Wahlkampf gemacht.

1930 legte sich der "Tag" noch stärker ins Zeug. Mit Anzeigen wie "Heute abend spricht Hugenberg im Sportpalast", "Wählt euch frei - Liste 2" oder "Hugenberg sagt: Wir wollen dem deutschen Arbeiter wieder Arbeit verschaffen, die der Marxismus ihm genommen hat", wurde für die Rechten die Trommel gerührt. Im "Tag" paarte man die traditionellen konservativen Leitbilder mit "neuen politischen Ideen", auch des italienischen Faschismus, die man auf die deutschen Verhältnisse übertrug. Den Faschisten war damals die Kaschierung gesellschaftlicher Gegensätze, die Unterdrückung sozialer Konflikte, das Abbringen der Volksmassen vom Klassenkampf wichtig, um eine breite Basis in allen Bevölkerungsschichten erringen zu können.

Der Journalist Friedrich Hussong griff in seinen Leitartikeln den linken politischen Gegner an, wo er nur konnte. Seine Broschüre "Kurfürstendamm ...", war eine Leitartikelsammlung von 1919 bis 1933. Sie enthielt rechtskonservative "Überlegungen" und ging auf Positionen über, die den Nazis nahestanden. Verbrämt wurde der Gegensatz von Besitz und Nichtbesitz durch ständiges Suggerieren der "Volksgemeinschaft", mit der man den "unseligen Klassenkampf" überwinden könne. Der "Tag" entwickelte sich immer mehr zu einem Sprachrohr, das die Faschisten direkt begünstigte. Das Blatt druckte Reden von NSDAP-Mitgliedern und Auszüge aus deren Schriften ab. So auch von Karl Litzmann, der von sich gab: "Gott verläßt keinen Deutschen ... und hat darum dem deutschen Volke einen Mann beschert, der ihm Führer sein will - Adolf Hitler."

Stimmung wurde auch gegen die Arbeitslosenversicherung gemacht. Statt dessen forderte man den unbezahlten Arbeitsdienst, wandte sich gegen Tariflöhne und verlangte "viel Liebe vom und zum Führer", Reformen der Sozialpolitik, weil die Kassen Krankheiten geradezu züchteten und die Erwerbslosenversicherung nur die Erwerbslosigkeit stimuliere.

Auch Hugenberg begab sich auf die Spur der Nazis. Im April 1931 versicherte er ihrer "Rassenlehre" in einer Rede über "das Erbgut des deutschen Volkes" seine volle Unterstützung. Der "Tag" zitierte ihn, als er auf einer Kundgebung des militaristischen "Stahlhelm", die im November 1931 in Dresden stattfand, als Redner auftrat: "Wir sind ein Volk ohne Raum." Friedrich Hussong und Eberhard von Meden nahmen in ihren Beiträgen, die dasselbe Blatt brachte, nicht nur den 10. Jahrestag des Versailler Vertrags zum Anlaß, chauvinistische Gefühle anzustacheln, sondern sprachen auch von der Schmach, die Deutschland angetan worden sei.

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er und zu Beginn der 30er Jahre verschaffte der Nazipropaganda zusätzlich Auftrieb. NSDAP-Redner in Berlin oder auf den Nürnberger Reichsparteitagen konnten sich der bevorzugten Beachtung durch die Hugenberg-Presse sicher sein. Stets wurde bei Zusammenstößen zwischen Kommunisten und Nazis für die Faschisten Partei ergriffen. Im Vorfeld der Reichstagswahl 1930 berichtete die "Berliner illustrierte Nachtausgabe" unter der Schlagzeile "Die große entschiedene Rechte marschiert. Hitler sprach im Sportpalast". In den Scherl-Blättern fand man Überschriften wie "Wähle entschieden rechts!" Das Wahlergebnis: 107 Nazis zogen in den Reichstag ein - verglichen mit 12 im Jahre 1928. Das rechte Lager triumphierte. Der bevorstehende Schlag gegen den bürgerlichen Parlamentarismus, gegen KPD, SPD und Gewerkschaften, gegen das Weiterbestehen der Weimarer Republik zeichnete sich bereits deutlich ab. Die Leser waren für den elitären Hugenberg nur "der gesichtslose Block als Sockel zur Machtergreifung". Mit seinem Medienimperium trug er maßgeblich dazu bei, daß sich in kurzer Zeit ein massiver Rechtsruck beim deutschen Bürgertum und den Bauern vollzog. Hugenbergs ideologische Artillerie unterstützte indirekt die NSDAP auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens. Gegen Ende der Weimarer Republik hatten die Scherl-Blätter in diesem Sinne eine politische Eigendynamik entwickelt.

Heute - 76 Jahre nach dem Machtantritt des "Führers" - stellt sich erneut die Frage, warum niemand die Reichskanzlerschaft Hitlers, der übrigens erst 1932 die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte, zu verhindern imstande war. In welchem Maße die Mächtigen der Großindustrie, der Banken, des Militärs und des Junkertums dazu beitrugen, wird bei der Entflechtung des Hugenberg-Imperiums besonders deutlich. Die Fäden wurden in den meisten Fällen von Personen im Hintergrund gezogen.

Fritz Lucke, Chefredakteur der "Nachtausgabe", notierte das Geschehen nach dem 30. Januar 1933: "Im Scherl-Verlag geschah es nun, daß sich eine ganze Menge Leute entpuppte. Zu unser aller Erstaunen erschien beispielsweise Erich Schwarzer, Chefredakteur des 'Lokal-Anzeigers', schon kurz nach dem 30. Januar in der Uniform eines SS-Obersturmführers. ... Aber das Schlimmste war dann, wie er zu Ludwig Klitzsch ging und den Generaldirektor ... allen Ernstes aufforderte, zurückzutreten. Der Verlag müßte eigentlich ihm übergeben werden. Viele Redakteure und Angestellte klappten ihr Jackenrevers um, und ein 'Bonbon', das neue NS-Parteiabzeichen, wurde sichtbar." Kein Wunder, gehörte doch Alfred Hugenberg selbst dem ersten Hitler-Kabinett als Minister an.

Die deutschen Faschisten zögerten 1933 nach der Gleichschaltung der Parteien keinen Augenblick, das gesamte Nachrichtenwesen unter ihre uneingeschränkte Kontrolle zu bringen. Die Medien der "deutschnationalen Front" aber konnten unter Hitler ihre Tätigkeit im Dienste des deutschen Faschismus ungehindert fortsetzen. Viele Mitarbeiter des Hugenberg-Konzerns machten im NS-Staat Karriere und trugen in erheblichem Maße zur Verbreitung seiner Ideologie des Völker- und Rassenhasses, des Antikommunismus und der Vorbereitung des deutschen Volkes auf den faschistischen Raubkrieg bei.

Dietmar Wendler, Chemnitz

Raute

Wie die nordirische Provinz Ulster zur britischen Kolonie wurde

Religiös verbrämter Klassenkampf

Die Niederlage von 1601 im ersten irischen Nationalaufstand - angeführt von den Ulster-Chiefs Hugh O'Neill und Red Hugh O'Donnell - gegen die englischen Truppen unter Leutnant Mountjoy in Kinsale leitete die britische Kolonialisierung Ulsters ein. Bis dahin wurde die Provinz nur formal von der englischen Verwaltung in Dublin Castle regiert. Faktisch lebten und arbeiteten die einheimischen Iren unter dem Schutz der irischen Chiefs. Es gab nur wenige Engländer und eine kleine Militäreinheit an der Ostküste der Provinz, hinzu kamen schottische Presbyterier (vor allem in der Gegend von Belfast). Letztere waren weltlich und den Iren gegenüber aufgeschlossen. Sie pflegten ihre Religion in den Gemeinden und Grafschaften. Nach der irischen Niederlage von Kinsale wurde Mountjoy zum Lord-Leutnant von Dublin Castle (oberster englischer Stellvertreter in Irland) gemacht und setzte mit 5000 Soldaten zum Rachefeldzug in der County Tyrone an. Mit seinen Schergen metzelte er wahllos einheimische Männer, Frauen und Kinder nieder, wrackte ihre Häuser ab und vernichtete ihre Ernten. Lord Chichester wurde 1607 zum Gouverneur von Ulster ernannt, die Provinz von der britischen Krone konfisziert. Einige Chiefs machte man zu Lehnsherren ihres einstmals eigenen Landes und verpflichtete sie zu Profitabgaben an die britische Krone. Andere verloren ihren Landbesitz.


Schimpfwort Londonderry

Im Jahr 1609 eigneten sich mehrere London Companies für eine Zahlung von 200.000 Pfund an die britische Krone ein großes Gebiet von der Atlantikmündung des Flusses Foyle bis zum damals kleinen Städtchen Derry in der gleichnamigen County an - und nannten beides Londonderry. Das ist noch heute ein Schimpfwort für die republikanisch gesinnten Iren. Die London Companies kamen mit ca. 4000 Soldaten unter Captain John Dowcra und einigen schottischen Vertragskaufleuten. Dowcra und eine Reihe seiner Offiziere und Soldaten nahmen sich Land und vertrieben die einheimischen Iren entlang des Flusses Foyle und aus dem Zentrum der Stadt Derry. Sie errichteten rein englische Siedlungen und beanspruchten nach den Londoner Willkürgesetzen die alleinigen Rechte auf Fischfang, Handel und Abholzung von Wäldern. Sie begründeten auf diese Weise allmählich ihren imperialen Schiffshandel in alle Welt von der Stadt Derry aus. Die einheimischen Iren, in der Regel Bauern, wurden in die unfruchtbaren bergigen und moorigen Gebiete verbannt. Ihrer Lebensgrundlagen beraubt, verarmten immer mehr von ihnen.

Mit dem Einfall des britischen Puritanismus und Cromwells grausamen Feldzügen in Irland strömten zwischen 1645 und 1653 Tausende englische und schottische Kolonialisten nach Ulster. Während dieser Periode wurde auch die anglikanische Kirche zum Zeichen der protestantischen Vorherrschaft dort eingerammt. Irische Katholiken sollten keine Ämter mehr in staatlichen Institutionen und Magistraten bekommen, Reichtum und Privilegien für alle Zeiten allein Protestanten vorbehalten sein. Nur protestantische Arbeiter sollten in allen Berufen besser bezahlte Jobs bekommen sowie bei Wohnungsund Arbeitsvergabe bevorzugt werden. Der Fundamentalprotestantismus wurde neben der nackten militärischen Gewalt und den Unterdrückungsgesetzen der Krone als ergänzende Waffe eingesetzt, um die kleine Klasse der Reichen/Landlords am Ruder zu halten.

Aber es gab auch Protestanten, die sich irisch fühlten und für die Abschaffung der britischen Herrschaft kämpften. Dafür standen beispielsweise Wolfe Tone und seine United Irishmen, die nach den Prinzipien der französischen Revolution im Jahr 1798 von Belfast aus einen bewaffneten Aufstand unternahmen.

Da England in zahlreiche Kriege verwickelt war und Irland als Mitzahler der Kosten brauchte, lockte es das 1782 errichtete und mit London verbundene korrupte Landlord-Parlament von Dublin mit lohnenden Versprechungen und die Iren mit der Gewährung von mehr Emanzipation in die Falle der britischen Union. Das einfache Volk war zwar gegen einen Beitritt, besaß aber kein Wahlrecht. So stimmte die in Irland herrschende kleine Minderheit dem Act of Union (Vereinigungsgesetz) zu. Danach löste sich das Landlord-Parlament von Dublin selbst auf und vereinigte sich zum britischen Imperialparlament von Westminster. Am 1. Januar 1801 trat das Gesetz in Kraft. Alle irischen Gesetzesvorschläge mußten von nun an in Westminster eingereicht und von dort genehmigt werden. Die Briten brachen ihre Versprechen. Es gab keine Emanzipation für das irische Volk. Und Irland wurde u. a. verpflichtet, sich finanziell an den englischen Kriegskosten zu beteiligen.


Rolle der Oranier

Während um 1800 die industrielle Revolution in Teilen Ulsters einen Run auf dortige Jobs durch verarmte Arbeiter erzeugte, fand zugleich ein Kampf um das ländliche Gebiet statt. Ihren Höhepunkt erreichten die religiös verbrämten Auseinandersetzungen 1795, als protestantische Farmer nach einer siegreichen zweitägigen Schlacht im Dorf Diamond (County Armagh) den geheimen Oranierorden gründeten, der sich dann landesweit organisierte. Sehr schnell erkannten die Landlords diese Organisation als Machtinstrument und nutzten es aus. Fast jeder protestantische Landlord, einflußreiche Magistrat und Politiker trat den Oraniern bei. Bald hatten viele Städte und ländliche Orte eine Loge.

London und die irischen Landlords erzeugten künstlich die große Hungersnot (1845-1850), als in Irland die Kartoffelfäule ausbrach und sie Hilfe "wegen der Gesetze des freien Marktes" verweigerten. Das Ergebnis waren fast vier Millionen Hungertote, Massenvertreibungen durch Landlords "wegen nicht bezahlter Mieten" und Emigrationswellen. Nahezu drei Viertel der Bevölkerung gingen so verloren. Zugleich transportierten irische Schiffe jede Woche Schafe, Kühe, Schweine, Fisch und Getreide im Wert von 22,5 Millionen Pfund nach England zu den Castles der dort Herrschenden. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde das irische Verlangen nach Selbstbestimmung stärker und militanter.

Bauerngruppen gingen in ganz Irland gegen brutale Landlords vor, stahlen oder töteten das Vieh, wenn Bauern vertrieben wurden. Der Marxist Michael Davitt gründete 1876 die revolutionäre Irische Land-Liga der Bauernschaft. Ihre Ziele: "Irisches Land für das irische Volk, Unabhängigkeit für Irland." Die Liga führte in verschiedenen Counties einen Guerillakampf gegen Landlords, schützte Bauern vor der Vertreibung und zwang die Haus- und Grundbesitzer, Wuchermieten zu senken oder zu erlassen. Eine Reihe von Landlords wurde getötet. Dies geschah auch in Süd-Ulster. Der Landkrieg der Bauernschaft führte dazu, daß der liberale britische Premier Gladstone 1876 einen lauwarmen Gesetzesvorschlag für etwas mehr Selbstbestimmung einbrachte - allerdings mit Verbleib Irlands innerhalb des britischen Empire.


Spielball der Briten

Irland wurde weiterhin zum Spielball Londons, wobei es eigentlich allein um den Machtkampf zwischen konservativen Tories und Liberalen in Westminster ging. Denn Gladstone dachte nur an die Behauptung seines Postens und die politische Gunst der irischen Abgeordneten aus den Mittelschichten. Nach langem Hin und Her im britischen Parlament und heftigen Protesten aus Ulster wegen pflaumenweicher Zugeständnisse spalteten sich 1885 in Westminster Radikal-Liberale unter der Führung von Randolph Churchill mit großem Getöse von den Liberalen ab. Churchill fuhr im Februar 1886 nach Belfast und "zog die Oranierkarte", wie er selbst sagte. In einer aufpeitschenden und hetzerischen Rede stachelte er seine 20.000 Zuhörer an. "... Wenn unsere [englische] Regierung per Gesetz Ulster aufgibt, soll jeder Ulstermann zum Verteidigungskampf bereit sein ...". Noch am gleichen Abend zog ein Mob tausender Oranier durch die Katholikenghettos von Belfast, zündete Häuser an, schlug Katholiken zusammen und tötete einige von ihnen.

Während die Briten die industrielle Entwicklung von Ulster förderten, es als ihr imperiales Bollwerk erkannten und immer unterstützten, verhinderten sie zugleich eine industrielle Entwicklung im zunehmend aufbegehrenden südlichen/westlichen Teil Irlands. Das führte dazu, daß die kleine, aber reiche protestantische Ulster-Kaste unbedingt im britischen Empire verbleiben wollte. Hier zeigten sich bereits erste sichtbare Abspaltungstendenzen von Irland.


Paramilitärs der Landlords

Als die Forderung nach Selbstbestimmung aus dem irischen Süden immer heftiger und nun permanent ein Westminster-Gesetz dazu vorgegaukelt wurde, schufen Ulster-Gutsbesitzer eine illegale paramilitärische Miliz - die Ulster Volunteer Force (U.V.F.). Sie wurde 1913 mit Hilfe des britischen Generals George Richardson ausgebildet und von London stillschweigend geduldet. Bereits 1912 hetzte eine Schlüsselfigur der extremen Protestanten Edward Carson - ein irischer Anwalt und Abgeordneter im Westminster-Parlament - zum Widerstand gegen die "Home Rule Bill" (Selbstbestimmungsgesetz) auf und organisierte zugleich eine "feierliche Unterzeichnung des heiligen Vertrags der Gegenwehr" in Belfast, den 400.000 Männer und Frauen unterschrieben.

1914 schmuggelten die Führer der U.V.F. Waffen und Munition in großem Stil von England in den Hafen von Larne (nahe Belfast). Nachts erfolgten deren Verteilen und Verstecken an verschiedenen Punkten in Ulster.

Als dann feststand, daß ein Selbstbestimmungsgesetz für Irland kommen würde, brach der 1. Weltkrieg aus, und die weitere Beratung wurde verschoben. 1918 drohten die Ulster-Führer und Abgeordneten Carson und James Craig in Westminster gegenüber dem britischen Premierminister Lloyd George, die Provinz werde sich einem Gesetz zur irischen Selbstbestimmung nicht beugen und beim britischen Empire verbleiben. Lloyd George war ein Betrüger der übelsten Sorte. Er betrieb ein doppelbödiges Spiel gegenüber Irland. So sicherte er den Ulster-Führern noch vor Verabschiedung eines Gesetzes in geheimen Gesprächen zu, daß Ulster im britischen Empire bleibe, während er der irisch-republikanischen Seite nichts von einer Teilung Irlands erzählte.

Allerdings lag die Teilung Irlands auch im Interesse der britischen Imperialisten. Wenn diese schon nicht in der Lage waren, für immer ganz Irland im Empire zu halten, dann sollte es wenigstens Ulster sein. Denn Irland galt als strategisch wichtiger Außenposten des britischen Empire. Als 1920 in Westminster das entscheidende Regierungsgesetz von Irland (Government of Ireland Act) verabschiedet wurde, war der Ulster-Verbleib im Empire besiegelt. Die Ulster-Führer und ihr Unionistenrat mußten nur noch wissen, mit wieviel Territorium eine protestantische Regierungsmehrheit zustande käme. Denn der erste Premierminister der zukünftigen Nordirland-Regierung.

James Craig, gab schon frühzeitig zu verstehen, daß sein künstlicher Staat ein protestantischer sein sollte, ohne politische und soziale Rechte für die große katholische Minderheit (38,5% der Bevölkerung). Mit den bisherigen neun Counties bestand keine protestantische Majorität in Ulster, da Donegal, Cavan und Monaghan jeweils eine große katholische Bevölkerungsmehrheit hatten. Deshalb ließ London diese drei Counties fallen. Aber selbst in Tyrone und der Stadt Derry gab es noch eine katholische Bevölkerungsmehrheit.

Als nach dem Unabhängigkeitskrieg im Herbst 1921 die anglo-irischen Verhandlungen über die Zukunft Irlands mit der britischen Seite unter Führung von Lloyd George begannen, täuschte dieser die republikanischen Iren noch einige Male, als es um die irischen Gebietsansprüche ging. Er machte der republikanischen Verhandlungsseite heuchlerisch Hoffnungen, daß Ulster ökonomisch nicht lebensfähig sei und daher bald unter die Rechtsprechung der Dublin-Regierung fallen würde. Außerdem sollte eine paritätisch zusammengesetzte Grenzkommission zur Ermittlung konfessioneller Bevölkerungsmehrheiten geschaffen werden. Das war ein abgekartetes Spiel, denn als Craig sich weigerte, diese Kommission anzuerkennen, gab ihm Lloyd George in einem geheimen Gespräch schon vorab die Zusicherung, daß das Territorium nicht verändert würde.


Teilung besiegelt

Am 14. Juni 1921 wurde die Teilung Irlands durch die Eröffnung des Nordirland-Parlaments besiegelt. Doch bereits seit 1919 aktivierten Craig und seine extremen Ulster-Protestanten-Führer heimlich wieder die U.V.F. und bauten die illegalen Paramilitärs Ulster Special Constabulary (U.S.C.) auf, aus denen zunächst die berüchtigten A-, B- und C-Specials und dann die ebenfalls übel beleumdeten Paramilitärs Royal Ulster Constabulary (R.U.C.) hervorgingen. Im Oktober 1920 hatten allein die B-Specials eine Stärke von 20.000 bis 30.000 Mann. Später waren es bis zu 40.000. Von 1920 bis 1927 förderte die britische Imperialregierung durch Winston Churchill verdeckt den Aufbau der illegalen Ulster-Paramilitärs mit 6,85 Millionen Pfund, trotz seines Wissens um deren gewalttätiges sektiererisches Treiben. Diese Einheiten bestanden von Anfang an ausschließlich aus Protestanten. Von 1920 bis 1922 erfolgte in Ulster ein Pogrom, bei dem Oraniermobs und Paramilitärs über 1500 katholische Familien aus ihren Häusern in Belfast und umliegenden Orten vertrieben, über 100 Personen töteten, eine unbekannte Anzahl verletzten und ganze Straßenzüge niederbrannten oder abwrackten.

Die Heimsuchung der großen katholischen Minderheit ging dann über die Jahrzehnte kontinuierlich weiter - sowohl durch gewalttätige Übergriffe von Oraniermobs (auch mit Hilfe des britischen Militärs) als auch durch politische und soziale Diskriminierung (etwa bei Arbeits- und Wohnungsvergabe).

Zu einem Höhepunkt der britischen Militäraggression wurde das Jahr 1969, als die Bürgerrechtsbewegung mit einer großen Demonstration in der Stadt Derry gleiche Rechte einforderte. Britische Fallschirmjäger lösten sie mit Gewehrschüssen in die Menge gewaltsam auf, töteten dabei einen Demonstranten und verletzten mehrere schwer. Londoner Regierungspolitiker versprachen Aufklärung. Doch bis heute wurde keiner der damals verantwortlichen Militärs angeklagt.


Haß auf die IRA

Die Europäische Union hat die Augen vor dem Unterdrückungssystem in Ulster verschlossen und sich nicht geäußert. Noch parteiischer handelte die Europäische Wirtschaftsunion (EWU). Als 1973 Irland und Großbritannien in diese eintreten wollten, verlangte Großbritannien, daß Irland nur aufgenommen werden sollte, wenn es die katholische Irische Republikanische Armee (I.R.A.) zu Terroristen erkläre. Dagegen wurden die terroristischen Protestanten-Organisationen wie etwa die Ulster Defense Army (U.D.A.) - die vor allem in Belfast die No-Go-Areas für Katholiken errichteten und vor Morden nicht zurückschreckten - als Normalität betrachtet. Entsprechend verhielt sich die EWU dann auch.

Das 1998 von Tony Blair initiierte sogenannte Ulster-Friedensabkommen hat den sozial und finanziell benachteiligten Menschen in den Ghettos der Städte nach zehn Jahren noch keine materielle Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse gebracht. Profitiert haben von dem Abkommen bis jetzt nur die britischen Machtzirkel und die kleine, reiche Oligarchie der schon ewig in Ulster Herrschenden.

Klaus Buchheister, Bremen

Ende RF-Extra

Raute

Scharfmacher haben den neuen USA-Präsidenten umzingelt

Obamas "Falken"-Kabinett

Barack Obama, der den "Wandel" ankündigte, hat sich bereits sehr weitgehend wandeln müssen. Er steht unter der Kontrolle jener, welche seine Wahl finanziert und auf ihn gesetzt haben, um die Schwarzen, die Latinos, einen großen Teil der Jugend und der Frauen an die Hand zu bekommen. Auch wenn ihm das Wahlsystem der Vereinigten Staaten (Winner takes all - sämtliche Wahlmänner eines USA-Bundesstaates gehen an jenen Präsidentschaftskandidaten, der auch nur eine einzige Stimme mehr bekommt) einen überwältigenden Sieg beschert hat: Das reale Verhältnis zwischen Obama und McCain war 53:47. Die Entscheidung für einen afroamerikanischen Staats- und Regierungschef muß in gewisser Weise als eine Niederlage des Rassismus betrachtet werden, obwohl die Mehrheit der Weißen gegen Obama gestimmt hat. Eines steht fest: Er wurde zum Hoffnungsträger sowohl der Ärmsten als auch der Superreichen. Die führende Investitionsbank Goldman Sachs überwies beispielsweise 743.371 Dollar auf das Wahlkampfkonto Obamas, an seinen republikanischen Gegenspieler diesmal aber nur 220.045 Dollar, obwohl das Finanzkapital traditionell immer McCains Partei unterstützt hat. Bei Citigroup Inc. war die Relation 499.598 zu 290.101. Insgesamt gingen 49 Millionen Dollar Konzerngelder bei Obama und nur 35 Millionen bei McCain ein.

Nachdem man den Clintons nahegelegt hatte, angesichts des schwächeren Abschneidens von Hillary bei den Vorwahlen ins Obama-Lager überzuwechseln, wurde der erst 47jährige Präsidentschaftsanwärter massiv von den rechtesten und politisch übelsten Gestalten aus Bills Administration eingekreist. Und selbst Scharfmacher aus George W. Bushs Kriegstreiber-Lager beteiligten sich an der Umzingelung des Senators aus Illinois. Das Ergebnis dieser Treibjagd ist Obamas überwiegend aus bekannten Rechten rekrutiertes Kabinett, das ihm seine "Berater" - unter ihnen der unrühmlich bekannte Zbigniew Brzezinski - offensichtlich aufgedrängt haben. Am eklatantesten ist die Einbeziehung zweier Republikaner: des früheren CIA-Direktors und "Verteidigungs"ministers der Bush-Regierung Robert Gates, der auch unter Obama das Pentagon behält, und des ehemaligen NATO-Oberbefehlshabers Vier-Sterne-General Jim Jones als Nationaler Sicherheitsberater. Stabschef des Weißen Hauses ist fortan der Zionist und israelisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Rahm Emanuel, der von den Clintons geliefert wurde. Sein Vater gehörte der berüchtigten Terrororganisation Irgun an, die in den 40er Jahren die palästinensischen Bauern aus dem Lande jagte. Zu den Genannten gesellt sich die Gouverneurin des als besonders reaktionär geltenden USA-Bundesstaates Arizona, der einst durch den faschistoiden Barry Goldwater im Senat vertreten wurde: Janet Napolitano übernahm das harmlos anmutende Ressort Heimatschutz, das in Wirklichkeit eine Art Supergeheimdienst ist, neben dem selbst CIA und FBI verblassen.

Was den Finanzsektor betrifft, so liegt er wie bisher fest in Händen der Wall Street. Deren Sprachrohr "The Wall Street Journal" veröffentlichte übrigens einen aufsehenerregenden Artikel unter der Schlagzeile "Warum die Reichen für Obama stimmten": Der neue Präsident sei bei den Wahlen besonders von zwei Bevölkerungskategorien unterstützt worden - den Ärmsten und den Superreichen. Er habe 60 % des Votums jener erhalten, welche weniger als 50.000 Dollar im Jahr verdienen, aber auch 52 % derer, die ein Jahreseinkommen von über 200.000 Dollar erzielen.

Am spektakulärsten ist zweifellos die Ernennung der Multimillionärin Hillary Clinton zur USA-Außenministerin. Sie vertritt den prononciert rechten Flügel der Demokratischen Partei und galt während der Präsidentschaft ihres Mannes als dessen ihn zu Aggressionen und Abenteuern anstachelnde "Ratgeberin".

Obama werde aus dem politischen Zentrum, gestützt auf das Votum auch der progressiven Kräfte des Landes und im "Dialog" mit den Konservativen, regieren, hoffte "People's Weekly World", das Blatt der KP der USA, vor der Kabinettsbildung. "Die Ultrarechte und die Konzerninteressen werden alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den am 4. November vom Volk errungenen Sieg über Bushs McCain zu begrenzen oder sogar zu stehlen."

"Obama verkündet, alles wandeln zu wollen, ohne irgendeinen präzisen Anhaltspunkt dafür zu liefern, worin der Wandel denn eigentlich bestehen soll", schrieb der amerikanische Publizist Noam Chomsky.

Schon vor seinem Einzug in das Weiße Haus hatte der gewählte Präsident angekündigt, er wolle die USA-Streitkräfte "zur Erfüllung ihrer Mission im 21. Jahrhundert" dadurch befähigen, daß er die Armee um 65.000 Mann und 27.000 zusätzliche Marineinfanteristen aufstocke. Diese Drohung läßt darauf schließen, daß auch Obama unter der massiven Last des militärisch-industriellen Komplexes, der Allmacht von Rüstungsindustrie und Kriegstreibern der Streitkräfte, stehen dürfte.

Die liberale Zeitschrift "The Nation" faßte ihr Urteil in dem Satz zusammen: "Das ist nicht der fundamentale Wandel. Aber niemand, der aufmerksam den Wahlkampf Obamas verfolgte, dachte, daß es um einen solchen Wandel gehen könnte."

Das heißt auf gut Deutsch: Es bleibt alles ganz anders.

Klaus Steiniger

Raute

Spaniens Regierung setzt Francos Terror gegen Euskadi fort

Die baskische Frage

Vor einiger Zeit besuchte ich eine Veranstaltung in Berlin, auf der die aktuelle Situation des Landes mit der ältesten Sprache Europas verdeutlicht wurde. Es ging um das Baskenland.

Der beliebteste Deutsche bleibt Wilhelm von Humboldt, der baskisch lernte, als er dort weilte, und es fließend sprach.

Die DKP hatte zu einer thematischen Veranstaltung über Euskadi eingeladen. Das war ein erfreuliches Signal zur Wachsamkeit angesichts der Realität eines Konflikts, den der spanische Staat durch seine Institutionen mit kriegerischen Mitteln gegen die baskische Gesellschaft weiter eskaliert. Sie ist mit einem vom spanischen Staat unerklärten, nichtsdestotrotz vollstreckten Ausnahmezustand konfrontiert. Die Jugendorganisation der Unabhängigkeitsbewegung Euskadis wurde in die Illegalität getrieben. Aktivisten werden verhaftet, die Festnahme erfolgt aufgrund der unterstellten Mitgliedschaft in einer der illegalisierten Gruppen. Dann werden die Gefangenen "incomunicado" in Haft genommen - unerreichbar für die Außenwelt - und mit grauenerregenden Folterungen dazu gebracht, Dinge zuzugeben, die sie nie getan haben. Spaniens oberster Richter, Garzon, hat erklärt, es sei ein Indiz für die Unterstützung der Guerillaorganisation ETA, wenn Gefangene anzeigten, sie seien gefoltert worden. Die ETA habe ihnen nämlich befohlen, solches zu behaupten, um damit den Staat in Verruf zu bringen. Das ist die Sprache des Krieges.

Es gibt Hunderte politische Gefangene, die in Hungerstreiks und anderen Kämpfen stehen. Sie sind untrennbarer Teil einer zähen und langen Widerstandshaltung der Basken gegen Fremdherrschaft und Faschismus. Die Wurzeln der baskischen Unabhängigkeitsbewegung sind lang, und es ist möglich, daß sie sich weiter behaupten kann. Den ständigen Terror in der Aufstandsbekämpfung kennen wir alle schon aus den Tagen der sozialdemokratischen Regierung von Felipe Gonzalez, als eine paramilitärische Gruppe mit der Abkürzung GAL baskische Aktivisten entführte und nach grausamen Folterungen umbrachte.

Wer im Europaparlament die Freilassung der letzten drei politischen Gefangenen in Minsk fordert, versucht nur, die spanische Guardia-Civil-Folter aus den Bewußtseinsebenen der Europäer zu verdrängen. Wo sich aber solche brutalen Systeme über Jahrzehnte etablieren, ist der Verlust unwiederbringlich, den eine Bewegung wie die baskische erleidet. Sie verliert die besten Leute. Der Terror gibt dem Leben den täglichen bitteren Beigeschmack von Tod und unermeßlichen Greueln. Inzwischen werden auch die Angehörigen der politischen Gefangenen und deren Anwälte illegalisiert. Die KP des Baskenlandes ist verboten worden. Und die UN-Menschenrechtskommission rügt zwar die spanische Regierung wegen systematischer Folter, aber die Medien schlucken derlei.

Nur einer dringt durch mit einer neuen selbstbewußten Stimme: Venezuelas Hugo Chávez, der aus Caracas Spaniens Repräsentanten und selbsternannte Eliten danach fragt, was sich eigentlich seit Francos Tagen an ihren Herrschaftsmethoden verändert habe. Oder auch Nicaraguas Daniel Ortega, der die spanischen Telekommunikationskonzerne als Verbrecher und Gangster benennt.

Auf dem Höhepunkt der antichinesischen Kampagne über Tibet demonstrierten die Jugendlichen Euskadis mit Fahnen der Volksrepublik. Wer den Basken begegnet, ist erstaunt über deren Lebensfreude, ihren Widerstandswillen und ihr energisches Beharren darauf, keine Bevormundung zu dulden.

Dafür, daß die Vernachlässigung der baskischen Frage überwunden wird, hat sich die Berliner DKP eingesetzt. Schade, daß nicht mehr Besucher kamen. Doch es war für alle, die teilnahmen, ein beunruhigender und lehrreicher Abend.

Volker Braun, Oderaue

Raute

Beijing stärkt Menschenrechte

Die Volksrepublik China beabsichtigt, ihren ersten nationalen Aktionsplan für den Schutz der Menschenrechte auszuarbeiten, teilte das Informationsbüro des Staatsrates mit. Der Plan werde solche Aspekte berücksichtigen wie die Verbesserung der Regierungstätigkeit, den Ausbau der Demokratie, die Stärkung der Gesetzlichkeit, die Erhöhung des Lebensstandards, den Schutz der Rechte von Frauen, Kindern und ethnischen Minderheiten sowie das stärkere Bewußtmachen der Menschenrechte, hieß es in der Verlautbarung.

Der Aktionsplan soll von einer Kommission entwickelt werden, der Vertreter des Informationsbüros des Staatsrates und des Außenministeriums angehören. Außerdem ist die Einbeziehung von mehr als 50 Bezirken, von öffentlichen Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen vorgesehen. Unter den Mitwirkenden befinden sich Vertreter des Parlaments, der Obersten Politischen Beratergruppe, des Obersten Gerichts, der Obersten Staatsanwaltschaft sowie der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission.

Eine Reihe namhafter Menschenrechtsexperten führender Universitäten und akademischer Einrichtungen des Landes wird das Gremium beraten, heißt es in der offiziellen Mitteilung der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, die am 4. November verbreitet wurde.

Raute

Um was geht es in Libanon?

Der Nahoststaat Libanon mißt nur 10.400 km² und zählt knapp 4 Millionen Einwohner. Mit den über die ganze Welt verstreuten Landsleuten sind es allerdings 11 Millionen Libanesen. Das kleine, aber strategisch enorm wichtige arabische Land wird von Syrien, Israel und dem Mittelmeer begrenzt. Libanon ist - nicht zuletzt aufgrund der Existenz einer Vielzahl bisweilen kooperierender, meist aber gegeneinander arbeitender christlicher und islamischer Strömungen - nur schwer regierbar. Seit mehr als 90 Jahren dient es als Spielball fremder Interessen. 1916 wurde ein Geheimvertrag zwischen Großbritannien, Frankreich und Rußland über die Teilung des Nahen Ostens unterzeichnet. 1920 entstand Groß-Libanon unter französischer Kolonial-"Aufsicht". 1943 erhielt das Land die formelle Unabhängigkeit. In den Jahren 1973 bis 1989 fand ein blutiger Bürgerkrieg statt, der Tausende Opfer forderte und in dessen Verlauf die Hauptstadt Beirut weitgehend verwüstet wurde.

Vor allem aber muß dem Gesagten hinzugefügt werden, daß Israel sein nördliches Nachbarland, in dem 410.000 palästinensische Flüchtlinge in Lagern zusammengepfercht leben, unablässig mit Aggressionen überzogen hat. 1968 wurden 13 Zivilmaschinen durch Tel Avivs Luftwaffe auf Beiruts internationalem Flughafen zerstört. 1978 erfolgte der Einfall in Libanons Süden bis zum Fluß Litani. Zwischen 1982 und 2000 war der gesamte Süden des Landes durch israelische Truppen okkupiert. 1993 fand eine weitere Invasion (Operation "Berechenbarkeit") gegen die libanesischen Hezbollah-Milizen und Palästinenser-Camps statt. 1996 wurden Beirut und die Bekaa-Ebene schwer bombardiert. 2006 griff Israels Armee Süd-Libanon erneut massiv an. Bei dieser "Aktion", deren Ziel die endgültige Zerschlagung der Hezbollah war, erlitten die Aggressoren eine politische, militärische und moralische Niederlage.

Im Januar 2007 fand die Konferenz Paris 3 mit dem Ziel einer "Lösung" der libanesischen Frage im Interesse des internationalen Kapitals statt. Im Mai 2008 kam es schließlich zum Abkommen von Doha, das die Beziehungen zwischen den libanesischen Kontrahenten durch einen Kompromiß regeln sollte.

Die in Brüssel erscheinende Wochenzeitung "Solidaire" veröffentlichte unlängst ein Interview mit der bekannten libanesischen Politologin Marie Debs. Die Gesellschaft ihres Landes sei nicht nur multikonfessionell, betonte die Kommunistin. Die französischen Kolonialisten hätten auch die Teilung der politischen Macht zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen eingeführt - gewissermaßen einen ständigen Proporz. Übrigens betreffe diese Aufspaltung sämtliche Bereiche der Gesellschaft - selbst die Gewerkschaften.

Im Jahr 2006 habe das libanesische Volk Israel erfolgreich getrotzt, betonte Marie Debs. Sieger sei dabei vor allem die Hezbollah gewesen. Sie repräsentiere die libanesischen Schiiten und spiele eine fundamentale Rolle im Land. Auf Teheran gestützt, verfüge sie über gutausgebildete und modern bewaffnete Truppen. Aber auch Tausende andere Libanesen, darunter viele Kommunisten, seien an der Abwehr des israelischen Aggressors aktiv beteiligt gewesen.

Um angeblich den Wiederaufbau Libanons finanziell zu unterstützen, habe in Paris eine "Geberkonferenz" in der Absicht stattgefunden, die Republik völlig der ökonomischen Vormundschaft des "Westens" auszuliefern. Vor allem gehe es dabei um die durchgängige Privatisierung sämtlicher Bereiche des öffentlich-rechtlichen Sektors - bis hin zum Bildungswesen. Angesichts einer Auslandsverschuldung in Höhe von 40 Mrd. Dollar sei Beiruts Handlungsspielraum äußerst begrenzt.

Auf die Frage, welche Rolle ihre Partei, die KP Libanons, beim aktuellen Geschehen spiele, erwiderte Marie Debs: "Wir hatten eine sehr lebhafte Debatte mit der Hezbollah. Sie wendet sich energisch gegen Israel und die Vereinigten Staaten, ohne dabei zu begreifen, daß gerade sie die entscheidenden Kräfte jener wirtschaftlichen 'Reformen' sind, mit denen der Imperialismus durch die Hintertür in Libanon eindringen will."

Die Hezbollah besitze keinerlei Konzept zur Behebung der im Lande grassierenden Massenarmut. Sie biete auch keine sozialökonomische Alternative. Diese Tatsache erkläre sich daraus, daß ihre Führer selbst ein Teil der libanesischen Bourgeoisie seien und ausschließlich in deren Kategorien dächten. Dabei gehe es allein um "Effizienz". Deshalb setze auch die Hezbollah auf Privatisierung. In dieser Hinsicht sei Libanon jetzt ein Testlabor. Der "Westen" suche Wege zur totalen Rückeroberung der politischen und ökonomischen Schlüsselpositionen in sämtlichen arabischen Ländern zu erkunden, soweit sich diese nicht bereits auf Positionen der Unterstützung von NATO und EU befänden.

Die KP Libanons habe in dieser Situation mehrere Anliegen: Sie kämpfe für die Verbesserung der materiellen Lage breitester Volksschichten, um eine demokratische Reform des Wahlsystems und um ein nationales Programm des Widerstands gegen Israel und die USA. Im Jahr 2007 habe die Partei erstmals eine Konferenz mit ihren engsten politischen Kampfgefährten, vor allem im Mittelmeerraum und im Nahen Osten, organisiert. Sie werde auch in Zukunft bestrebt sein, die internationalen Bande noch enger zu knüpfen.

R. F., gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Tel Aviv verlacht das Völkerrecht

Die ersten jüdischen Siedlungen auf dem Boden des heutigen Israel entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Bewohner lebten mit den Arabern in Frieden und guter Nachbarschaft. Aber nicht von diesen Siedlungen soll hier die Rede sein, sondern von jenen, welche in den letzten Jahrzehnten im widerrechtlich besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem sowie auf den syrischen Golanhöhen errichtet wurden.

Diese Territorien und der Gaza-Streifen werden durch Israel seit dem Sechstagekrieg von 1967 okkupiert. Die Siedlungen überwiegend fanatisch religiöser Israelis befinden sich in der Regel auf Anhöhen, von denen sich das Umfeld leichter kontrollieren läßt. Die Zahl der Siedler wächst buchstäblich von Tag zu Tag. Waren es 1972 im Westjordanland erst 1500 und 1988 dann bereits 66.300 Kolonisten, so betrug deren Zahl 2007 nicht weniger als 275.000. Rechnet man die Siedlungen in Ostjerusalem hinzu, dann ist von etwa 440.000 Personen auszugehen, die sich auf geraubtem Grund und Boden illegal niedergelassen haben. Übrigens: Grundsätzlich wurden die fruchtbarsten Äcker und nahezu alle Wasserreserven der Region mit Beschlag belegt.

Illegal ist die Landinbesitznahme deshalb, weil die Schaffung vollendeter Tatsachen dieser Art eindeutig gegen das Völkerrecht und - konkret - gegen fünf UNO-Resolutionen verstößt. Die 4. Genfer Konvention vom 12. August 1949 fordert den Schutz von Zivilisten in Kriegszeiten. Ihr Artikel 49 verbietet ausdrücklich die Vertreibung der Zivilbevölkerung aus militärisch besetzten Territorien. Die israelische Siedlungspolitik aber richtet sich direkt gegen diese Bestimmung. Der UN-Sicherheitsrat hat das mehrfach unmißverständlich unterstrichen. In den Resolutionen 446 und 452 (1979) und 465, 469 und 471 (1980) wird festgestellt, daß die 4. Genfer Konvention im Hinblick auf die von Israel eingenommenen Gebiete volle Anwendung finden muß.

R. F.

Raute

In tausend Stürmen bewährt: Griechenlands KKE

Zu jenen massengestützten revolutionären Vorhutparteien Europas, die in guten wie in schlechten Tagen dem Marxismus-Leninismus treu geblieben sind, gehört die KKE. So nennt sich die Kommunistische Partei Griechenlands abgekürzt in der Landessprache.

Schon 1918 formiert, konnte sie Ende vergangenen Jahres ihr 90. Gründungsjubiläum begehen. Neben der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) ist die KKE heute die - im Verhältnis zur Bevölkerungszahl - einflußreichste und mitgliederstärkste kommunistische Kraft aller europäischen Länder. So manche andere Partei kann von ihren Errungenschaften und ihrer Zielklarheit nur träumen.

Die KKE verfügt mit der KNE nicht nur über einen kämpferischen und disziplinierten Jugendverband, sondern hat sich auch große Verdienste um den Aufbau der Panhellenischen Arbeiterfront (P.A.M.E.) - einer im ganzen Land fest verankerten klassenkämpferischen Gewerkschaftszentrale - erworben. Gemeinsam mit den anderen Dachorganisationen der Arbeiter und Angestellten rief sie wiederholt zu gesamtgriechischen Generalstreiks auf, die von der Masse der Werktätigen befolgt wurden. Der jüngste fand im Dezember statt. Ursprünglich ökonomisch motiviert, stellte er zugleich die politische Antwort der Massen auf den Athener Polizeimord an dem 15jährigen Alexis Grigoropoulos dar.

Besonders hervorzuheben sind zwei Aspekte des internationalistischen Wirkens der KKE: Einerseits war sie jahrelang Gastgeber der von ihr ausgerichteten Welttreffen kommunistischer und Arbeiterparteien, die einen wichtigen Beitrag zur Revitalisierung unserer Bewegung leisteten, andererseits ist sie - als so manche im Nebel wankten - mit beispielhafter Klarheit gegen das Europa der Monopole und dessen EU aufgetreten. Die KKE hat sich nicht - wie die Linkssozialdemokraten von Synaspismos - durch Sirenenklänge in die Netze der Europäischen Linkspartei locken lassen. Sie lehnt dieses künstlich geschaffene Konstrukt, das lediglich eine "soziale Abfederung" der EU erreichen will, ebenso ab wie Portugals PCP.

Zu 90 Jahren KKE gehören der heldenhafte Kampf der durch die Partei geführten Befreiungsarmee ELAS gegen die hitlerfaschistischen Okkupanten ebenso wie die unauslöschlichen Traditionen der Demokratischen Armee Griechenlands, die sich gegen das monarcho-faschistische Athener Regime und dessen anglo-amerikanische Hintermänner bis zuletzt im Grammos-Massiv tapfer geschlagen hat. Unvergeßlich bleibt uns der Name des vom Feind erschossenen ZK-Mitglieds der KKE Nikos Belojannis, der für Tausende und Abertausende steht, die an den Fronten fielen, durch die Reaktion ermordet oder in Zuchthäusern und auf Verbannungsinseln wie Makronissos lange Jahre gequält wurden.

Schließen wir den Kreis mit der Feststellung: Die KKE gehört zum Besten, was die internationale kommunistische Bewegung heute vorzuweisen hat.

R. F.

Raute

"Terroristen" heißen jetzt "Piraten"

Für wie dumm hält man uns eigentlich? Als der sowjetische Buhmann verschwunden war, von dessen angeblichem Bedrohungspotential die Rüstungsindustriellen sämtlicher NATO-Staaten jahrzehntelang gelebt hatten, erfand der Oberterrorist Dabbelju Bush im Kreise seiner Mitterroristen einen neuen imaginären Hauptfeind: den "internationalen Terrorismus". Um ihn buchstäblich über Nacht vorführen zu können, verzichtete man auf ein paar Wolkenkratzer in New York. Seine Galionsfigur Osama Bin Laden blieb im doppelten Sinne unfaßbar.

Der Kampf gegen den "internationalen Terrorismus" hat sich für die Imperialisten bereits ausgezahlt: Er bescherte den Waffen- und Munitionslieferanten der "westlichen Verbündeten" einen Goldrausch und der Welt zwei furchtbare Kriege.

Jetzt ist ein zweiter imaginärer Hauptfeind aus der freiheitlichen Retorte gestiegen: die "Piraterie". Wiederum wurde ein islamisches Land als seine Wiege ausgemacht: Somalia. Warum sind die Somalis auf einmal Piraten? Ganz einfach: weil die am Horn von Afrika kreuzenden Fangflotten gigantischer Konzerne den Ozean mit ihren riesigen Schleppnetzen derart leergefischt haben, daß den einheimischen Küstenbewohnern eigentlich nur noch die Piraterie als Ausweg bleibt.

Bei all dem geht es um den "Schutz" der Reeder, deren Routen hermetisch abgeschirmt werden müssen, damit niemand die Profite des "freien Welthandels" zu schmälern vermag. Herr Jung mit seinen schmucken Jungs von der Bundesmarine braucht dazu verständlicherweise ein "extra robustes Mandat" und 1400 zusätzliche "Piratenjäger".

Hysterie? Scharfmacherei? Plumper Schwindel? Deutscher Größenwahn?

Wohl eine Melange aus allem. Nur gut, daß es neben den "Terroristen" jetzt auch noch die "Piraten" gibt, um vor fremden Küsten Krieg spielen zu können.

K. S.

Raute

Partisanenbewegung operierte unter Führung der Kommunisten

Widerstand in Bulgarien

Schon 1903 hatten sich die revolutionären Marxisten Bulgariens als sogenannte Engherzige gegenüber den reformistischen "Weitherzigen" in der Sozialdemokratie durchgesetzt, diese ausgeschlossen und die Partei 1919 in BKP umbenannt. Die bulgarischen Kommunisten standen auch an der Spitze des ersten antifaschistischen Aufstands der Welt im September 1923. Dabei konnten die Genossen wertvolle Erfahrungen im Partisanenkampf sammeln und hohes Ansehen unter der bäuerlichen Bevölkerung erringen. 1924 schuf sich die BKP in Gestalt der Arbeiterpartei eine legale Organisation, die über Wahlbündnisse sogar ins Parlament gelangte. 1931 erhielt sie 170.000 Stimmen, 1939 waren es bereits 609.000 Bulgaren (28 %), die für sie votierten. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl war die Bulgarische KP nach der KP der Tschechoslowakei die zweitstärkste kommunistische Partei Osteuropas. Sie besaß in Georgi Dimitroff - seit 1935 zugleich auch Generalsekretär der Kommunistischen Internationale - einen herausragenden Führer. Der faschistische Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 schuf eine völlig neue Lage. Das bulgarische Volk, den Russen für seine Befreiung von der Türkenherrschaft dankbar, sympathisierte überwiegend mit der UdSSR. Daher wurde auch die BKP-Forderung "Kein bulgarischer Soldat an die Ostfront!" über Klassengrenzen angenommen.

Unter diesen recht günstigen Bedingungen begann die Parteiführung mit der Organisierung des Partisanenkampfes. Eine der anfänglichen Hauptschwierigkeiten bestand darin, daß viele Mitglieder der BKP und des Jugendverbandes in die 230.000 Mann umfassende bulgarische Armee eingezogen und gezwungen worden waren, in Griechenland gegen die Befreiungsarmee ELAS und in Jugoslawien gegen Titos Partisanen zu kämpfen. Später liefen etliche dieser Genossen zum Widerstand über. Das ZK der BKP verlor keine Zeit. Am 24. Juni berief es die Zentrale Militärkommission. Zwei Tage später wurde im Piringebirge die erste Partisanenabteilung formiert. In der Folgezeit entstanden weitere Abteilungen und Einheiten. Zugleich bildeten Kommunisten in der regulären bulgarischen Armee Antifaschistische Aktivs. Aus der UdSSR strahlte der Sender "Christo Botew", der eine große Rolle bei der Sammlung von Kräften spielte, seine Programme aus. In der UdSSR lebende Emigranten sprangen mit Fallschirmen ab oder wurden von U-Booten an Land gesetzt.

Große Aufmerksamkeit widmete die Partei auch dem Aufbau von Sabotagegruppen in den Städten und Dörfern. Von Juni bis November 1941 registrierte die Polizei 69 Anschläge auf kriegswichtige Objekte. Allein in Sofia waren es 30 Aktionen. Die faschistische Staatsmacht stellte sich darauf ein. Im Ergebnis von Massenverhaftungen zerfiel die bisherige BKP-Leitung. Einige Zellen wurden zerschlagen, illegale Druckereien ausgehoben, Führer verhaftet und hingerichtet.

Doch die Bewegung war nicht aufzuhalten. 1942 vereinigten sich in der durch die Partei geführten Vaterländischen Front sämtliche antifaschistisch-demokratischen Kräfte. Nun registrierte man bereits 300 Aktionen. In diesem Jahr stieß auch der 28jährige Kommunist Dobri Dsurow zu den Kämpfern. 1943 wurde er Kommandeur der Partisanenbrigade "Tschawdar". (In der Volksrepublik Bulgarien war er dann lange Zeit Verteidigungsminister.) Im selben Jahr fanden 1606 Aktionen statt. Fast 700 Soldaten und Offiziere der regulären Armee liefen zu den Partisanen über. Im April 1943 wurde die Volksbefreiungsarmee mit einer Stärke von zunächst 25.000 Männern und Frauen geschaffen. Im Rilagebirge unternahmen Armee und Polizei ausgedehnte Strafoperationen mit dem Ziel, die Partisanen zu zerschlagen. Ohne den erhofften Erfolg.

Den Höhepunkt des Widerstandskampfes brachte das Jahr 1944. Bis zum Sommer wurden mehr als 2000 bewaffnete Aktionen unternommen. Im September zählte die Partei 13.700 Mitglieder und 20.000 Jungkommunisten, die überwiegend Partisanenabteilungen oder Kampfgruppen angehörten. Jetzt verfügte die Volksbefreiungsarmee bereits über eine Division, 12 Brigaden und 70 Abteilungen. 10.000 weitere Kämpfer gehörten zu Diversionsgruppen, über 20.000 galten als Partisanenhelfer.

In Anbetracht des sowjetischen Vormarsches und des Volksaufstandes in Rumänien rief das ZK der BKP am 26. August zur allgemeinen Volkserhebung auf. Die Kräfte wurden umgruppiert. Anfang September überschritt die Rote Armee die Grenze Bulgariens.

Marschall Shukow notierte: "Am Morgen des 8. September war alles bereit, das Feuer zu eröffnen, doch sahen wir von unseren Beobachtungsposten keine Ziele, die wir hätten treffen müssen. Durch die Scherenfernrohre und Feldstecher sowie mit bloßem Auge nahmen wir auf bulgarischem Boden das übliche friedliche Leben wahr. In den Ortschaften stieg aus den Schornsteinen Rauch auf, während die Menschen ihrer täglichen Beschäftigung nachgingen. Truppen wurden nicht entdeckt. Marschall Tolbuchin erteilte seinen Verbänden den Befehl, die Vorausabteilungen in Marsch zu setzen. Es vergingen keine 30 Minuten, als der Befehlshaber der 57. Armee meldete, daß eine bulgarische Infanteriedivision an der Straße angetreten sei und unsere Truppen mit wehenden roten Fahnen und feierlicher Musik begrüßt habe. Nach einiger Zeit kam es auch anderswo zu ähnlichen Ereignissen. Die jeweiligen Befehlshaber meldeten, daß eine spontane Verbrüderung der Sowjetsoldaten mit dem bulgarischen Volk stattfinde."

So verwandelte sich der "Bulgarien-Feldzug" in ein einzigartiges Fest der bulgarischsowjetischen Freundschaft. Bei Sofia gingen viele Truppenteile der regulären bulgarischen Streitkräfte zur Volksbefeiungsarmee über. In der Nacht zum 9. September drangen deren Kämpfer in die Hauptstadt ein, befreiten sie, verhafteten die alte Regierung und bildeten ein Kabinett der Vaterländischen Front. Erst am 16. September trafen sowjetische Truppen dort ein. Die Partisanen wurden als Garde in die sich zur Volksarmee entwickelnde bulgarische Armee eingeordnet, deren 1. Infanteriedivision und 1. Infanterieregiment sie bildeten. Jedem Truppenteil gab man eine Partisanenabteilung bei. So ging der Kampf an der Seite der Roten Armee gegen die Faschisten weiter. Der Sieg war teuer bezahlt worden. 9.150 Partisanen und 20.000 andere Antifaschisten gaben ihr Leben hin. 31.540 wurden in Konzentrationslager und Strafbataillone geschickt. Das Regime der Hitlerfreunde warf 60.345 Patrioten in die Gefängnisse und ließ 12.461 zum Tode verurteilen.

Die marxistisch-leninistische Partei des bulgarischen Volkes war aus der großen Schlacht gestärkt hervorgegangen. 1945 besaß sie schon eine Viertelmillion Mitglieder. Durch ihr Beispiel der Aufopferung hatten sich die bulgarischen Kommunisten an die Spitze ihres Volkes gesetzt. Fast ein halbes Jahrhundert lang bestimmten sie die Entwicklung zu einem Leben, von dem die Bulgaren heute - nach dem Sieg der Konterrevolution, der mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verbunden war - nur noch Erinnerungen besitzen.

Die bulgarische Linke hat manche Wandlungen erfahren und Rückschläge hinnehmen müssen. Doch die Euphorie des Westens, Bulgarien vollständig und auf alle Zeiten integriert zu haben, könnte sich eines Tages als Trugschluß erweisen. Denn das von Georgi Dimitroff entzündete Feuer ist im Land der Partisanen nicht erloschen.

Dr. Bernhard Majorow

Raute

Wie man in Washington den "neuen Hauptfeind" erfand

Warum "Ground Zero"?

Es ist schon ein bedenkenswerter Fall des Mißbrauchs der Sprache, wenn eine Grundfläche, auf der einst die Gebäude des New Yorker Welthandelszentrums (WTC) standen und in deren höchste Türme zwei Flugzeuge stießen, als "Ground Zero" bezeichnet wird. In der angloamerikanischen Militärsprache steht dieser Begriff nämlich für eine Explosionsstelle direkt über dem Erdboden. Täglich an die "Bereicherung" des Deutschen durch Anglizismen gewöhnt, stelle ich mir die Frage: Was wollen uns die Skull-, Bone- und Bush-Männer mit diesem Fachausdruck der Sprengtechnik eigentlich sagen? Warum markieren sie nicht die Großbrandstelle oder den Einsturzort der beiden WTC-Gebäude in Manhattan?

Es handelt sich offenkundig um einen nichtwiedergutzumachenden terminologischen Ausrutscher. Mit den hier eingesetzten Worten "Ground Zero" soll uns und der Nachwelt, gewissermaßen auf die feine englische Art, eines beigebracht werden: Die Wolkenkratzer wurden tatsächlich gesprengt. Und dabei hat man uns doch offiziell immer wieder versichert, der imaginäre Osama Bin Laden und seine Getreuen mit Mohammed Atta an der Spitze, dessen Paß in den Trümmern des WTC zufällig obenauf lag, hätten die Türme eigenhändig umgeflogen. Und zwar ganz allein.

Sollte man da die Eventualität einer Sprengung - parallel zum Hineinfliegen vorgenommen - nicht doch etwas aufmerksamer in Betracht ziehen? Leider wurden ja die Beweismittel in Windeseile weggefahren und als Schrott kostengünstig ins Ausland verschifft. Warum wohl?

Mit einer solchen Überlegung kann man natürlich sehr rasch bei den "Verschwörungstheoretikern" eingeordnet werden. Doch ich bin Ingenieur, Konstrukteur und Wissenschaftler, der 50 Jahre in Produktion und Forschung tätig gewesen ist, also nicht gerade der Prototyp eines Spinners. Konstruktionen mit ungelösten Problemen, geplante Produktionsprozesse, die in der Praxis versagen oder geschönte Berichte darüber lassen stets Fragen offen, die man nicht übergehen kann. So ist es auch mit dem eindeutig frisierten offiziellen Bericht, den das "Nationale Institut für Maßeinheiten und Technologie" (NIST) - eine Behörde des Handelsministeriums der Bush-Administration - zu den Ereignissen des 11. September 2001 geliefert hat. Das NIST tritt vehement der von verschiedener Seite geforderten unabhängigen Untersuchung des Geschehens mit allen medialen und sonstigen Mitteln entgegen. Sämtliche offenen Fragen bleiben so "der Allgemeinheit" überlassen. Aber erst deren Beantwortung führt zur Auflösung der Zweifel und damit zu des Pudels Kern.

Mir fällt in diesem Zusammenhang der "Überraschungsangriff" auf den USA-Pazifik-Stützpunkt Pearl Harbor ein. Hier wurde mit geheimdienstlichen Mitteln die Taktik, "den ersten Schuß von der Gegenseite herauszukitzeln", perfekt vorgeführt.

Henry Stimson, damals USA-Verteidigungsminister, notierte am 25. November 1941 über ein Japan betreffendes Gespräch mit Präsident Roosevelt: "Die Frage war, wie man sie (die Japaner d. R.) in eine Position hineinmanövrieren könnte, in der sie den ersten Schuß abgeben würden, ohne daß uns allzuviel passiert. ... Es wäre wünschenswert sicherzustellen, daß die Japaner jene seien, welche den ersten Schuß abgeben, so daß niemand auch nur den geringsten Zweifel haben könnte, wer der Aggressor war."

Als Admiral Richardson, der den Marinehafen Pearl Harbor auf Hawaii befehligte, von einem Untersuchungsausschuß die Schuld an dem militärischen Desaster in die Schuhe geschoben werden sollte, kam es zu einem Freispruch, weil bekannt wurde, daß ihm 188 aufgefangene und entschlüsselte japanische Funksprüche, die u. a. Datum und Uhrzeit des bevorstehenden Angriffs nannten, bewußt vorenthalten worden waren. Dasselbe traf auf Quellen holländischen, britischen und sowjetischen Ursprungs zu, welche die Mär vom "Überraschungsangriff" widerlegten. Zwei "Spinner", die Professoren Charles Beard und Harry Elmer Warnes, welche die offizielle Regierungsversion vom unvorhersehbaren Überfall widerlegt hatten, wurden "ganz demokratisch" aus dem Lehrbetrieb entfernt. Aber die Version vom "Überraschungsangriff" auf Pearl Harbor überlebte in den gängigen Lexika bis heute und wird auch in Filmen wie im Fernsehen nach wie vor kolportiert.

Bei der Untersuchung der Frage einer strategischen Notwendigkeit, den abhanden gekommenen "Bolschewismus" durch den "Terror" als neue Weltbedrohung Nr. 1 zu ersetzen, stößt man unwillkürlich auf die bei den WTC-Gebäuden vollbrachte Meisterleistung der Sprengtechnik. Daß hier etwas nicht stimmt, ist so augenfällig, daß selbst ein Blinder es sehen könnte. Eric Hufschmid gehört zu den "Zweiflern". In "Time for Painful Questions" (Zeit für qualvolle Fragen) liefert er Quellenangaben und schlußfolgert, die Angriffe vom 11. September seien sowohl auf Demokratie und Verfassung der Vereinigten Staaten als auch auf das internationale Kräftegleichgewicht gerichtet gewesen. Auffällig ist, daß die amerikanische Führung unmittelbar nach der Sprengung "die Schaffung einer neuen Weltordnung" auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Zu den konsequent Nachfragenden gehört auch der italienische Abgeordnete Giulietto Chiesa. In seinem Buch: "Zero Investigation into 9/11" läßt er international bekannte Experten als Mitautoren zu Wort kommen, darunter auch den früheren BRD-Staatssekretär Andreas von Bülow, der durch sein politisches Sachbuch "Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste" als Experte bekannt wurde.

Wie aber werden die offenen Fragen solcher Kapazitäten durch Washington beantwortet? Allein durch "Aussitzen". Anders ausgedrückt: gar nicht.

Wie im Falle Pearl Harbors werden "Spinner" und "Verrückte" kaltgestellt oder totgeschwiegen. Um solche Nachdenklichen und Mahner zu diskreditieren, brachte man den Begriff "Verschwörungstheoretiker" ins Spiel. Auf deren Argumente überhaupt einzugehen, lohne sich nicht, heißt es.

Als Giulietto Chiesa im März 2008 etwa 1000 Einladungen zu seiner Veranstaltung im Europarat an Journalisten und Mitglieder des Hauses verschickte, um sein Buch und den dazu geschaffenen Film vorzustellen, erschienen ganze sechs Personen.

Herbert Ahlgrimm, Ludwigsfelde

Raute

Reime für den "RotFuchs"


Angie

Im Osten war'n se alle böse,
im Osten jing et hart uff hart.
Un' die SEDisten mit Jetöse
ham dir zum Jugendtreff jekarrt.

Da ham se dir wat rinjebürstet
Un' schikaniert mit M un' L,
un' du hast freiheitlich jedürstet
un' stillgestanden zun Appell.

Wat ham se dir jetan, du Jute,
du mußtet lernen wie dressiert.
Im Osten ham se mit de Rute
den ollen Marx dir intejriert.

Un' denn det Forschen ohnejleichen
for eenen schnöden Unrechtsstaat.
Du dachtest an die Schönen, Reichen
un' machtest schnieke uff privat.

De Stasi war uff deinen Fersen,
du hast et innerlich jespürt.
Die fragten sich bei Kontroversen,
wat is jeschüttelt, wat jerührt?!

Im Jrunde biste, ohne Frage,
den Schönen un' den Reichen nah.
"Ick diene Deutschlands Kassenlage."
Det war een Wort un' keen Trara!

Im Osten war'n se am Verhungern.
Statt Jeld da jab et Alu-Chips.
Hier brauchste nich mehr rumzulungern,
hier jibt's zum Frühstück Aktien-Tips.

Ach, Mädelchen, du arme Kleene,
im Westen, wenn man so verjleicht,
da jeht et wesentlich um Beene!
Det Abi hätt da ooch jereicht.

Na ja, man kann et drehn un' steuern
un' hin un' her un' obendrein.
Du wirst det jroße Land erneuern.
Man zahlt ja jern,
un' Spaß muß sein.

Et kann ja sein,
du bist Trojaner.
Da wirste wach, da denkste jleich:
Mensch, schleppt se da vielleicht Marxianer
in unser christsoziales Reich?

Ick weeß ja, un' det bringt de Quote,
du hast die Thatcher anvisiert.
Du warst nur 'ne lackierte Rote,
karrieremäßig geil verziert.

Gerhard Schmidt


*


Die Zocker

Denn die Herren von den Daxen
machen ihre Zockerfaxen -
machen mit dem Gelde Spiele
nur mit einem einz'gen Ziele:
Geld soll selber sich vermehren
immer mehr davon begehren
ihre nimmersatten Ranzen.

Ja, der Markt, er soll es richten
da vergessen sie die Pflichten
raffen nur, so viel sie können
nie genug ihr eigen nennen
keiner will gesehen haben
wie sie sich am Gelde laben
weil sie davon profitieren.

Hohles Geld und ohne Werte
bricht zusammen, das erklärte
jetzt die Folgen unbestritten
mit den großen Defiziten
wird belastet jetzt der kleine
Steuerzahler der Gemeinde -
Die Erkenntnis aus dem Ganzen?

Soll Regierung sich bequemen
und an die Kandare nehmen
diese Zockerzinsvereine
und für immer, nicht zum Scheine
weil sie sonst beim nächsten Male
mit Bravour und mit Skandale
ganze Völker ruinieren

Doch - wer kontrolliert am Ende
diese Herrn der Dividende?
Denn es ist jetzt hier der Fall
Zocker sind schon überall
in der Welt des Kapitals

Lydia Kuhnt


*


Angriffsminister

an Bedeutung ein Mini-ster
dum-dumm spreng-kopflos seine Freude,
als Bundesminister
von maximaler Wichtigkeit zu sein

CDU-schwarz wie Teer
klingt humanitär
in seinem Mund:
Maximum an Wortverfälschung
seine Rauchbomben-Maxime:
Kriegsbegriff vernebeln
sonst Stinkbombenmißerfolg bei nächster Wahl

keineswegs minimal sein Beitrag
zur Schaffung
explosionsheißer Gefahrenquellen
in Deutschland
als unstrammer Max mit Strammsteh-Mentalität
Minister für Angriff
auf innere Sicherheit

Jürgen Riedel


*


Als Ossi bin ich nicht geboren
(nach der Melodie "In Hamburg, da bin ich gewesen")

Als Ossi bin ich nicht geboren,
doch hab ich einem kleinen Land
einmal meine Treue geschworen,
weil ich dort meine Heimat fand.

Ich hab meine glücklichsten Stunden
in diesem Lande verbracht,
hab dort meine Freunde gefunden,
mit ihnen geweint und gelacht.

Dem Land hab ich viel zu verdanken.
Dazu werde ich immer steh'n,
mögen and're wanken und schwanken
oder sich wie ein Wendehals dreh'n.

Doch wie wird dies Land heut beschrieben!
Ich hab es anders gekannt.
Wo ist all das Gute geblieben,
was die Welt einst anerkannt?

Verfolg ich die Medienberichte,
so scheint mir, gab's dort fast
nur Faulpelze und Bösewichte,
nur Spitzel, "Stasi" und Knast.

Man stempelt ein Volk zum Verbrecher,
tritt selbst dann als Glücksbringer auf,
kommt daher als rechtender Rächer -
Ossis, nehmt's nicht länger in Kauf!

Hans Kluth


*


Entdeckung

Schirokko verblies
Steinzeitdörfer,
Römerstraßen.
Zehn Meter Sand auf untergegangenen
Stätten. Und Städte
auf ihnen, und noch
stehen Kirchen und
Häuser an Straßen
auf Untergegangenem.

Der Himmel über den Inseln
atmet. Wolken beschatten
das Meer, und alles ändert
sich von Augenblick
zu Augenblick.
Angesichts dieses Himmels,
angesichts dieses Meeres,
was fange ich an
mit meinem Sterben?
Liparis Völker wurden
zerstreut und
zerstreut und
zerstreut. Wer
wird wissen wollen,
welche Worte
ich hatte für
Leben und Tod
in Zeiten, als meine Hoffnung
zerstreut werden sollte?
Unter der Akropolis in
enger Gasse
fand ich ein dunkles Gelaß.
Setzkästen drinnen und Pressen
und in die Wand geschlagen:
der Erdball mit Hammer und Sichel.

Christa Müller

Raute

Braunes Unkraut und das Gästebuch einer Ausstellung

Faschistischer "Kulturdünger"

Vor zwei Jahren veröffentlichte die Friedrich-Ebert-Stiftung "alarmierende Zahlen": 8,6 % der Deutschen hätten ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild, 26,7 % stimmten ausländerfeindlichen Aussagen zu, und 15,2 % meinten, es solle einen Führer (!) geben, der Deutschland mit starker Hand regieren würde.

Während der Finanzkrise, die ja in Wahrheit eine Systemkrise ist, kann man beobachten, wie die Regierung sich als "ein Ausschuß" betätigt, "der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Kapitalistenklasse verwaltet". So steht es schon im Kommunistischen Manifest.

Auf diesem Nährboden konnte vor 80 Jahren die faschistische Pest in Deutschland gedeihen. Er ist noch immer fruchtbar für "braunes Unkraut", das von Staats wegen kaum ernsthaft bekämpft wird, zumal es als Widerpart gegen "linke Gewächse" ganz gut zu gebrauchen ist. Man düngt es sogar und wundert sich dann über gewisse Auswüchse. Den entsprechenden "Kulturdünger" findet man in Buchhandlungen und Supermärkten. Man bekommt ihn im Kino und im Theater vorgeführt, kann ihn in Ausstellungen besichtigen. Unter dem Deckmantel sachlicher Information und historischer Aufklärung geht so manche Welle brauner Verharmlosung und Verherrlichung durchs Land.

Kürzlich fand ich ohne Zeitaufwand und Mühe in einer Buchhandlung "satirische" und "unterhaltende" Werke über Hitler mit Titeln wie "Heil Hitler", "Mein Führer", "Heil Hitler, das Schwein ist tot", "Lachen unter Hitler - Humor im Dritten Reich", "Hitlers Freunde in England", "Der Kaisersohn bei Hitler" und "Hitlers Schloß - die Führerresidenz in Posen" Hinzu kam "Ernstes": "Geschichte der SA", "Der U-Boot-Krieg", "Riesengeschütze und schwerer Donner", "Die deutschen Schnellboote im Einsatz", "Gott mit uns". Auch die Reihe von Filmen über Nazigrößen reißt nicht ab. Ein neuer Streifen über "Wüstenfuchs" Rommel ist in Arbeit.

Und Woche für Woche erbauen immer neue Landser-Hefte eine große Leserschar mit heroischen Heldentaten und -sagen. Ritterkreuzträger werden mit oder ohne Eichenlaub abgebildet und glorifiziert, Uniformen der SS und der Wehrmacht mit ihren Waffengattungen, Laufbahnen, Rangabzeichen und Auszeichnungen, die Entstehungsgeschichte des "Stahlhelms" dargestellt, alte "Wunderwaffen" präsentiert.

Es ist makaber: Gerade wurden wieder an der Oder die sterblichen Überreste von 16- bis 18jährigen Volkssturm-"Männern" geborgen. Da fällt einem im Supermarkt "Der Landser" Nr. 2623 ins Auge. Das Titelbild zeigt einen gerade 16 Jahre alten und damit "jüngsten Ritterkreuzträger", der im Februar 1945 im Nahkampf mit einer geballten Ladung Handgranaten einen von insgesamt neun Panzern der Roten Armee vernichtet.

In der "Märkischen Oderzeitung" wurde über die Eröffnung der Ausstellung "Mythos Germania - Schatten und Spuren der Reichshauptstadt" der Berliner Unterwelten e.V. berichtet. Auf zwei Seiten sah man riesige Abbildungen der "Großen Halle" und weiterer Monumentalbauten sowie Hitler mit seinem Baumeister Speer "in schöpferischer Pose". Mir war sofort klar, daß diese Monster-Exposition ihre Bewunderer wohl finden würde. So entschloß ich mich, sie selbst in Augenschein zu nehmen und insbesondere im Gästebuch zu blättern. Meine bösen Vermutungen bestätigten sich. Die vielen Eintragungen zeugen von schwelgender Begeisterung für die Schau, genauer, für die "großartige Architektur" und die "beeindruckenden gigantischen Bauten". Auch Bedauern, daß die Pläne nicht umgesetzt werden konnten. Jene Informationstafeln, die den sozialen Hintergründen gewidmet waren - vor allem der "Entjudung" der Stadt, der zwangsweisen Umsiedlung Tausender, der Sklavenarbeit von Häftlingen des KZs Sachsenhausen, die in einem Depot in der Nähe des Oder-Havel-Kanals riesige numerierte Quader aus Granit und Marmor für die Welthauptstadt des "Führers" bereitzuhalten hatten, müssen dagegen weniger beeindruckt haben. Denn darüber war kaum etwas zu lesen. Hingegen stieß ich mit Entsetzen auf das, was "nationalistisch gesinnte Deutsche" ganz ungeniert und mit borniertem Stolz über die "große Vergangenheit" so von sich geben. Hier nur eine Auswahl (wörtlich):

"Eine gelungne Ausstellung! Mythos Germania und die Geschichte erwacht zum Leben." Danke, daß man das erleben darf."
"Bin von Germania begeistert."
"Endlich eine gute Ausstellung über die Vergangenheit
ohne Polemik. Danke!"
"Der Umbau von Berlin in die Stadt Germania ist wohl nicht mit dem rot-roten Senat vereinbar."

Bewußt werden düstere Musik übertragen und historisch widerlegbare Kommentare abgegeben.

"Die Dämonisierung des Dritten Reiches bzw. die Verfälschung der Geschichte wird und muß im Sinne historischer und politischer Wahrheit ein Ende haben!"
"Wenn das geklappt hätte, hätte uns die ganze Welt beneidet."
"Herrliche Architektur des 20. Jahrhunderts! Dem Architekten der Großen Halle sollte man den Nobelpreis für Architektur postum verleihen!"
"Schöne Vision - leider nicht geklappt!"
"Der Traum lebt weiter!"
"Meine Ehre heißt Treue!"
"Morgen geht's in den Untergrund, heute ein wenig Theorie im Vorfeld! Vielen Dank für die phantastischen Informationen ..."

Einzelne Meinungsäußerungen, die mehr oder weniger zaghaft den Sinn der Ausstellung in Frage stellten oder eine Verklärung des NS-Regimes befürchteten, wurden mit gehässigen Randglossen wie "Spinner", "lächerlich", "Du hast die Ausstellung nicht verstanden!", "Die Irren sterben nicht aus - sehr gute Ausstellung!" versehen.

Es ist kaum anzunehmen, daß einer von jenen noch immer "völkisch" Beseelten das Denkmal für die ermordeten Juden Europas direkt nebenan (!) besuchen würde. Denkbar ist aber, daß ein Holocaust-Opfer mehr über seine Peiniger erfahren möchte. Hoffentlich blättert es dann nicht im Gästebuch der Ausstellung. Oder sollte es dies vielleicht gerade tun?

Volker Link, Frankfurt/Oder

Raute

Passauer Dolchstoß

Als ein in der BRD aufgepäppelter mutmaßlicher Neofaschist den Passauer Polizeichef Alois Mannichl zu erstechen versuchte, ging für kurze Zeit ein Ruck des Entsetzens durch die sonst so gleichgeschalteten Medien: Selten benutzte Begriffe wie "Rechtsextremisten" und "Neonazis" hatten eine Eintagsfliegen-Konjunktur. Dann kehrte man wieder zur Normalität "ausgewogener" Verdammung der linken und der rechten "Szene" zurück. Und am 3. Januar marschierten unter dem Protest des Stadtrats von der Polizei beschirmte Nazis erneut durch Passau.

Natürlich steht das Gros der BRD-Polizisten eher zu weit rechts als etwa halblinks. Mannichl, ein gewiß konservativer Beamter, erwies sich in seinem beherzten Auftreten gegen faschistische Zusammenrottungen in diesem Milieu als wahre Lichtgestalt. Für uns ist nicht Polizist gleich Polizist. Auf das Handeln kommt es an. Wenn Ordnungshüter wie der Passauer Dienststellenleiter tatsächlich im rechtsstaatlichen Sinne Ordnung zu schaffen bemüht sind und dabei ins Visier von Nazis geraten, zollen wir dem Mut solcher Beamter Respekt.

S. R.

Raute

Wie die Hymne des antifaschistischen Widerstandes entstand

Das Moorsoldatenlied

Vor 75 Jahren, im Sommer 1933, erblickte ein Lied das Licht der Welt, das sich neben der Internationale wohl am tiefsten in den Liederschatz vieler Völker eingeprägt hat - das Lied der Moorsoldaten. Weltweit wurde es zum Symbol des antifaschistischen Widerstandes. Es ist erstaunlich, in welchem Tempo es sich unmittelbar nach seiner Entstehung durch die KZ-Häftlinge selbst verbreitet hat.

Nachdem Ernst Busch die "Moorsoldaten" auf der I. Internationalen Arbeitermusikund Gesangs-Olympiade 1935 in Strasbourg erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, trug er das Lied in die Reihen der Internationalen Brigaden. Während 1938 Bomben auf Barcelona fielen, brachte er gemeinsam mit Kameraden der XI. Brigade das Moorsoldatenlied auf Schellackplatte heraus. Seitdem galt es in vielen europäischen Ländern als Lied der deutschen Hitlergegner. Als anonymes Volkslied ist es in internationalen Veröffentlichungen abgedruckt worden. Auch Radio Moskau hat zu seiner Verbreitung beigetragen.

Wie entstand das Lied, was war der Anlaß, wer waren die Autoren?

Dazu finden sich in Wolfgang Langhoffs Buch "Die Moorsoldaten" ausführliche Schilderungen.

Nach dreizehnmonatiger Haft im Börgermoor und im KZ Lichtenburg konnte er in die Schweiz ausreisen. Hier verfaßte er seinen "Tatsachenbericht" als "Zeugenaussage vor dem Richterstuhl des Weltgewissens" und veröffentlichte ihn 1935 im Spiegel-Verlag Zürich. Es war eines der ersten publizierten Dokumente über das wahre Gesicht des Dritten Reiches. Langhoff beschreibt die Entstehung des Liedes aus verständlichen Gründen ohne Benennung der Verfasser. Er schildert anschaulich dessen erste öffentliche Aufführung im Rahmen einer selbstinszenierten Kulturveranstaltung der Häftlinge. Sie sollte zur Aufmunterung der Kameraden nach einem brutalen nächtlichen Überfall der SS auf eine Lagerbaracke, die sogenannte Nacht der langen Latten, dienen.

Langhoff hatte Johann Esser, einen dichtenden Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet, um den Text für ein situationsgemäßes "Heimatlied" gebeten. Am Refrain, der ihm stellenweise zu provokativ erschien, hat Langhoff dann mitgearbeitet. Die Melodie, den vierstimmigen Chorsatz und die musikalische Einstudierung für den Auftritt von Mitgliedern des Solinger Arbeitergesangvereins, die ebenfalls inhaftiert waren, lag in den Händen von Rudi Goguel. Er war wegen aktiver KPD-Mitgliedschaft in Düsseldorf in das Börgermoor verschleppt worden und mußte bis 1945 noch andere Konzentrationslager durchleiden. Nach seiner Haft in Neuengamme gehörte er zu den wenigen, die den Untergang des Schiffes "Cap Arcona" überlebten.

Für das 1962 vom Arbeiterliedarchiv zusammengestellte Buch "Lieder aus den faschistischen Konzentrationslagern" verfaßte Rudi Goguel einen lebendigen Bericht über die Uraufführung: "Auf der Kulturveranstaltung, die unter der Bezeichnung 'Zirkus Konzentrazani' durchgeführt wurde, fand im Sommer 1933 die Uraufführung des Moorsoldatenliedes statt. Die 16 Sänger marschierten in ihren grünen Polizeiuniformen (sie waren unsere damalige Häftlingskleidung) mit geschultertem Spaten in die Arena, ich selbst an der Spitze in blauem Trainingsanzug mit einem abgebrochenen Spatenstiel als Taktstock. Wir sangen, und bereits bei der zweiten Strophe begannen die fast 1000 Gefangenen den Refrain mitzusummen. Von Strophe zu Strophe steigerte sich der Refrain, und bei der letzten sangen sogar die SS-Leute, die mit ihrem Kommandanten erschienen waren, mit ... Bei den Worten: 'Dann zieh'n die Moorsoldaten nicht mehr mit dem Spaten ins Moor', stießen die Sänger die Spaten in den Sand und marschierten aus der Arena, die Spaten zurücklassend, die nun, in der Moorerde steckend, wie Grabkreuze wirkten."

Inge Lammel
Aus "Mahnruf", Wien

Raute

Häßlich und überflüssig?

Jahre vor der barbarischen Zerstörung des Palastes der Republik durch die kaisertreuen und schloßbesessenen Kulturschänder aus der BRD-Regierung (am 15. September 2000) verspritzte die "Ex-Bürgerrechtlerin" und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld ihr Gift. An die Palastinitiative zur Rettung des Bauwerks aus DDR-Zeiten schrieb sie in dümmlicher Unbefangenheit:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Brief an die Bundestagsabgeordneten ist ein Lehrstück für Geschichtsfälschung. Der Palast der Republik hat nie Anziehungskraft für die "Bevölkerung" der DDR besessen. Die stand immer außen vor, wenn es Funktionärsfeten im Palast gab, egal ob die Bauarbeiter, die Jugend oder andere als Aushängeschild herhalten mußten.

Die Palastrestaurants waren teuer und deshalb meistens halbleer - mit Ausnahme der Eisbar - und für die Bowlingbahn mußte man sich Jahre vorher anmelden, um einmal die Kugel schieben zu können.

Der Bau war auch deshalb für die "Bevölkerung" völlig ungeeignet, weil er zu über 70 % aus Verkehrsfläche besteht. Im Foyer konnte man sich nur kurz aufhalten - es fehlten Sitzgelegenheiten und alles, was zu einem Treffpunkt für Menschen gehört.

Mit dem Palast der Republik haben sich SED-Funktionäre ein Denkmal gesetzt, und nun soll die DDR-Bevölkerung herhalten, um einen Bau zu bewahren, der schon von seiner verfehlten Anlage her niemals auf eine wirtschaftliche Grundlage gestellt werden kann, der überflüssig ist wie ein Kropf und genauso häßlich.

Ich erinnere mich genau, mit welcher Erbitterung die Bevölkerung den Bau verfolgt hat. Aus dem ganzen Land wurden Bauarbeiter abgezogen. Nötige Krankenhausbauten wurden gestrichen, im ganzen Land verfielen die Häuser, um Geld für Honeckers Prunkpalast zu haben. Wenn die Mitglieder Ihrer Initiative damals in der DDR gelebt haben, müssen sie die verbitterten Witze und Kommentare doch gehört haben, mit denen das Bauvorhaben begleitet wurde. Der Palast gehörte abgerissen, selbst wenn er nicht asbestverseucht wäre, denn er steht für die menschenverachtende Politik des Honecker-Regimes, die sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert hat, sondern Menschen als bloßes Material für seine Politik betrachtet hat. Diese Tradition setzen Sie fort, indem Sie jetzt die "Bevölkerung" instrumentalisieren, wo es nur darum geht, ein Symbol Ihrer vergangenen Macht zu bewahren. Ihre Initiative wird in mir immer eine entschiedene Gegnerin haben.

Hochachtungsvoll
Vera Lengsfeld, MdB

Raute

Spannend und ehrlich: "Erinnerungssplitter"

Memoiren schreiben, heißt Inventur aufnehmen, heißt Erlebnisse registrieren, heißt einen Schlußstrich ziehen unter eine abgeschlossene Rechnung." So beantwortet Erich Mühsam die Frage: Soll man Memoiren schreiben?

Lebenserinnerungen und Autobiographien gehören seit Literaturgedenken zu den am meisten gelesenen Büchern. Jede Zeit hat ihre Vertreter, darunter auch Schwachköpfe, die sich trivial-reißerisch wie Bohlen, Küblbeck, Effenberg oder Emmerlich verkaufen. Diese sich vor Ehrgeiz krümmenden Selbstdarsteller haben oft reißenden Absatz, während seriöse Veröffentlichungen heutzutage kaum zur Kenntnis genommen werden.

Hier soll ein Buch vorgestellt werden, das mich persönlich sehr berührt hat. Möglicherweise auch deshalb, weil ich vieles ähnlich erlebt und als langjähriger Kollege des Autors manches von ihm Erzählte bildhaft vor Augen habe.

Wolfgang Hässner, Jahrgang 1935, hat seine "Erinnerungssplitter aus sieben Jahrzehnten" unter dem Titel "Im Strom der Zeit" herausgegeben. Als Sohn eines Werkzeugmachers in Chemnitz geboren, nahm er einen für die DDR typischen Entwicklungsweg. Er studierte Geschichte und Pädagogik an der Universität Leipzig und wurde 1955 als junger Fachlehrer an einer kleinen Landschule im Kreis Schwerin eingesetzt. Er durchlebte die für diesen Beruf in jener Zeit so typischen Abenteuer und Herausforderungen. Hier gründete er seine noch heute festgefügte Familie, träumte er von einer wissenschaftlichen Karriere.

Hässner legte sein zweites Staatsexamen als Slawist in Russistik am damaligen Pädagogischen Institut in Güstrow ab, das danach für mehrere Jahrzehnte bis 1989 seine wissenschaftliche Heimat werden sollte. Diese Tätigkeit begann 1964. Nach erfolgreicher Promotion (1970) und Habilitation (1978) wurde er 1979 berufener Hochschullehrer. Immer überzeugt von seinem Tun, bekannte er sich zu DDR und SED, die ihm diese Entwicklung bei einfacher Herkunft ermöglichten. Da er aus persönlichen Gründen eine verantwortliche Tätigkeit im Ministerium für Volksbildung ablehnte, wurde er nicht zum Professor berufen.

In seiner fachlichen Arbeit beschäftigte sich Hässner überwiegend mit Problemen der Literaturwissenschaft. Dabei drang er tief in die Problematik der sowjetischen Gegenwartsliteratur ein.

Hässner gab trotz mancher Rückschläge nicht auf. So befaßte er sich mit dem Schaffen des heute leider fast in Vergessenheit geratenen Schriftstellers Tendrjakow, den er persönlich kennenlernte. Diese Begegnung und die mit vielen anderen russischen Freunden und Kollegen prägten seine tiefe Liebe zu deren großer Heimat.

Ab 1989 geriet Hässner in die Mühlen der "Abwicklung" des Hoch- und Fachschulwesens der DDR, nun schon an der gerade erst gegründeten Pädagogischen Hochschule Neubrandenburg. Gemeinsam mit anderen DDR-Wissenschaftlern fiel er im Zuge der Rückwende, die zur Annexion führte, der sogenannten Evaluierung zum Opfer: der Vernichtung eines großen Forschungspotentials. Wie viele Lehrer und in gesellschaftlichen Bereichen Tätige wurde er im Auftrag inkompetenter Kultusminister Mecklenburg-Vorpommerns von DDR-Scheinrevolutionären und drittklassigen Westimporten aus dem Hochschuldienst entfernt. Mehr und mehr ist heute zu spüren, daß gerade dieser Kahlschlag maßgeblich zur Bildungsmisere der BRD beigetragen hat.

Hässner beschreibt sein Leben sachlich, augenzwinkernd, manchmal auch etwas in sich selbst verliebt, jedoch mit Abstand, keineswegs nostalgisch, eher selbstkritisch, sich ständig befragend. Er sucht nach den Ursachen für menschliches Versagen, auch für eigene Fehler, um die er keinen Bogen macht. Er bleibt sich selbst in der Beschreibung bitterer Stunden treu, einschließlich der Zeit der Arbeitslosigkeit und des keineswegs einfachen Neubeginns als Gastprofessor für Deutsch an der Pädagogischen Akademie im polnischen Kraków.

Gerade seine Beharrlichkeit, sein Fleiß, sein Wille, nicht aufzugeben, sich zu behaupten, sich nicht von beliebigen Demagogen ins Abseits drängen zu lassen, sind jene Faktoren, welche das Buch so lesenswert und optimistisch stimmend machen.

Hässner erhebt nicht den Anspruch, große Literatur zu schreiben. Aber spannender und ehrlicher als manches andere Werk ist seine Autobiographie allemal. Der "gelernte DDR-Bürger" findet sich hier wieder. Gerade die Redlichkeit im Umgang mit sich selbst in den wechselnden Zeitläuften macht es so interessant. Man kann diesen Memoiren mit bestem Gewissen - vor allem auch im Westen - viele Leser wünschen, da sie einen Mosaikstein wirklicher Aufarbeitung des Lebens in der DDR darstellen, ohne in Selbstmitleid und Rückwärtsgewandtheit zu verfallen. Das trifft auch für jene Passagen des Buches zu, in denen Hässner freimütig über seine familiären Beziehungen berichtet, über Tragik und Glück, über Liebe und Verlust, über Freundschaft und Feindschaft. Unpathetisch geschrieben, ist der Lebensabriß von beachtlichem menschlichem Wert.

Dr. habil. Hans-Jürgen Audehm

Raute

Walther Victor über Klopffechter, "Handwerker" und Journalisten

Zur Freiheit des Pressemenschen

Vor rund 60 Jahren erschien im Thüringer Volksverlag Weimar GmbH ein kleines Buch "Über die Presse. 6 Kapitel für Zeitungsleser". Der 1947 aus dem USA-Exil heimgekehrte sozialistische Journalist und Schriftsteller Walther Victor (1895-1971) hatte 1947/48 im zeitungswissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig Gastvorlesungen gehalten, auf deren Grundlagen die "6 Kapitel für Zeitungsleser" entstanden. Auf Seite 4 ist oben vermerkt: "In Verehrung für Ilja Ehrenburg / Im Gedenken an Egon Erwin Kisch". Das folgende Zitat stammt aus dem Kapitel 5, das von der Freiheit eines Pressemenschen handelt:

Man muß, vom Einzelfalle weg, den "wesentlichen Charakter" der Dinge begreifen. Nicht nur ist die Presse nicht frei, die sich "zum Gewerbe herabwürdigt" (hier zitiert Victor Karl Marx, W. V.), sie bedeutet nicht nur eine Korrumpierung der Idee der öffentlichen Meinungsbildung, sondern sie korrumpiert auch den Pressemenschen, den, der sie "macht", ihren Inhalt gestaltet, ihre Nachrichten auswählt oder unterschlägt, ihre Artikel schreibt, zum Klopffechter der Sache seines Ausbeuters wird. Wie es "die erste Freiheit der Presse" ist, "kein Gewerbe zu sein", so ist es die erste Freiheit des Pressemenschen, kein Handwerker zu sein!

Er muß sein Handwerk verstehen - wie nötig das ist, haben wir nie besser beobachten können als in unseren Tagen, wo es damit so herzlich schlecht bestellt ist. Aber ebensowenig wie ein Künstler aus technischem Können allein echte Kunstwerke schaffen kann, ebenso wie auch er einsetzen muß, was er in sich hat, beweisen muß, aus welchem Holz er geschnitzt ist, ebenso machen auch handwerkliche Fähigkeiten allein noch keinen Journalisten, der diesen Namen verdient.

Er muß mit seiner ganzen Person für seine Sache stehen. Die Sache, der er dient, muß seine Sache sein, nicht die eines sein Handwerk bezahlenden Verlegers. Sein Herz, nicht nur sein Hirn, muß dabei sein! Begeisterung ist keine Heringsware, und ohne Begeisterung ist noch niemals eine große Sache zustande gekommen ...

Soweit Victor.

Wie wäre es, wenn "gewendete" Journalisten, die zu DDR-Zeiten in Leipzig fleißig ihr Handwerk gelernt haben, diese sechs Kapitel einmal durchlesen und beherzigen würden?

Werner Voigt, Kromsdorf

Raute

Büchermacher aus Leidenschaft und profilierter Verleger

Unvergessener Wieland Herzfelde

Ein Verleger ist ein Buchnarr, Literaturkenner, Werbestratege, "Schlitzohr", Weltmann, Idealist und Unternehmer in einem. Bedeutende Verlegerpersönlichkeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren: Anton Kippenberg, Samuel Fischer, Kurt Wolff, Fritz Landshoff, Reinhard Piper, Gustav Kiepenheuer und Ernst Rowohlt. In diese Reihe gehört Wieland Herzfelde, der am 11. März 1896 geboren wurde. Er war der Sohn des Schriftstellers und Anarchisten Franz Herzfelde (Pseudonym Franz Held). Dieser wurde 1895 in München wegen staatsfeindlicher und gotteslästerlicher Texte in Abwesenheit verurteilt und entzog sich der Haftstrafe, indem er sich mit Frau und Kindern auf eine Berghütte in den Alpen zurückzog. 1898 verschwanden die Eltern, und der achtjährige Helmut (später John) suchte tagelang nach ihnen in den Wäldern. Franz und Alice Held wurden 1900 in eine Nervenheilanstalt eingewiesen.

Bereits vor dem ersten Weltkrieg schrieb Wieland Herzfelde Gedichte und Tagebücher und gründete eine Zeitschrift. Ende 1913 sandte er der Dichterin Else Lasker-Schüler seine "Weihnachtserinnerungen". Schon als Neunzehnjähriger begegnete Herzfelde dem Maler George Grosz, dem später herausragenden gesellschaftskritischen Künstler der 20er Jahre. Er gab 1916/1917 die Zeitschrift "Neue Jugend" mit heraus, in der Zeichnungen von Grosz veröffentlicht wurden. Damit wurde Herzfelde der Entdecker von George Grosz. 1923 gaben beide drei Essays unter dem Titel "Die Kunst ist in Gefahr" heraus. Anläßlich seines 85. Geburtstages produzierten der Jubilar und Hans Marquardt gemeinsam den Bild-Text-Band "Paß auf! Hier kommt Grosz" (1981). Herzfelde gilt als einer der Initiatoren der Dada-Bewegung, die eine polemisch heitere Demonstration war, bei der man sich nach Gutdünken, aber programmlos verhielt.

Mit seinem Bruder John Heartfield - dem Erfinder der politischen Fotomontage - rief er 1917 den legendären Malik-Verlag ins Leben. Heartfield zeichnete für die buchkünstlerische Gestaltung der Werke verantwortlieh, die nicht nur Kurt Tucholsky zu rühmen wußte. Dieser schrieb 1932 in der "Weltbühne": "Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich Buchumschlag im Malik-Verlag sein ... Bei Malik werden sie (die Bücher) am besten angezogen." Herzfelde äußerte sich 1922 in einem Prospekt über das Anliegen des Verlagshauses, er wolle den Blick auf eine neue Welt öffnen. Folglich erschienen bei Malik zahlreiche Bücher deutscher Emigranten, hoffnungsvoller junger Autoren und auch russischer Schriftsteller wie Wladimir Majakowski und Marietta Schaginjan. Verlegt wurden Bücher von Leonhard Frank, Franz Jung und anderen, aber auch Werke der Weltliteratur, so von Lew N. Tolstoi, Maxim Gorki und Upton Sinclair. Herzfelde gab Anfang der 30er Jahre die beiden Bände "30 neue Erzähler des neuen Deutschland" und "30 neue Erzähler des neuen Rußland" heraus. Nachdem er 1933 von den Faschisten ausgebürgert und vertrieben worden war, baute er den Verlag in Prag wieder auf und leitete ihn bis 1939. Der gesamte Buchbestand des Malik-Verlages von 400.000 Bänden wurde durch die Nazis vernichtet.

Herzfelde emigrierte 1939 in die USA, wo er sich zunächst als Buchhändler durchschlug, bis er 1944 zusammen mit elf Schriftstellern - darunter Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Oskar Maria Graf und Franz Carl Weiskopf - den New Yorker Aurora-Verlag gründete. Im Malik-Ausstellungskatalog von 1966/67 wurde dokumentiert, wie der Verlag ein Stück deutsche Literaturgeschichte geschrieben hat. Die abenteuerliche Chronik des legendären Buchhauses zeichnete Hans-Ulrich Faure 1992 nach. (Im Knotenpunkt des Weltverkehrs. Herzfelde, Heartfield, Grosz und der Malik-Verlag) Herzfelde galt - Faure zufolge - als "Büchermacher aus Leidenschaft", als "großer ermutigender Anreger" und als "Virtuose des Machbaren".

Als feinsinniger Lyriker legte er poetische Erinnerungsbilder aus seinem ereignisreichen Leben in den beiden Gedichtbänden "Sulamith" (1917) und "Im Gehen geschrieben" (1956) vor. Von eigenen Prosabüchern wären "Tragigrotesken der Nacht" und seine autobiographischen Texte in "Immergrün. Merkwürdige Erlebnisse und Erfahrungen eines fröhlichen Waisenknaben" (1949, in 6 Auflagen) oder "Unterwegs, Blätter aus fünfzig Jahren" zu nennen. Adolf Endler schrieb: "Die Autobiographie 'Immergrün' ist tatsächlich ein immergrünes Prosawerk, eines jener seltenen Bücher, die Lebensretter sein können."

Herzfeldes streitbare literaturtheoretische Äußerungen und Beiträge beeinflußten erheblich die Literaturentwicklung. Sie wurden in dem Band "Zur Sache geschrieben und gesprochen zwischen 18 und 80" (1976) gesammelt. Jene Reden und Aufsätze - in klarer, klassischer Sprache verfaßt - dienten auch als ein wirksames Mittel gegen die Verschlampung der Sprache.

Nach Kriegsende kehrte Herzfelde aus dem Exil zurück. Er wurde Professor für Literatur und Soziologie an der Universität Leipzig, leitete Prosa-Seminare am Literaturinstitut in der Pleißestadt und zählte auch zu den Förderern junger Autoren. Aber es gab auch Konflikte. Er wurde sogar aus der SED ausgeschlossen. Dessenungeachtet war er Ehrenmitglied der Akademie der Künste und Ehrenpräsident des PEN-Zentrums der DDR. Der Filmemacher Ulrich Kasten schuf den Film "Malik, meine Liebe".

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Wieland Herzfelde in einem Feierabendheim in Berlin-Friedrichshagen, wo ihm seine langjährige Vertraute und Mitarbeiterin Elisabeth Trepte zur Seite stand. Hochbetagt starb er am 23. November 1988.

Dieter Fechner

Raute

Archie und der Landesvater

Erinnerungen an große Theaterereignisse bleiben lange im Gedächtnis haften, um so mehr, wenn man selbst mitgewirkt hat. So geht es Archie ganz besonders mit dem Stück "Das Leben des Galilei", das er als Dramaturg am BE in den 70er Jahren betreut hatte. Durch die Besetzung der Hauptrolle in der Neuinszenierung mit dem großen Theatermann und Volksschauspieler Wolfgang Heinz steht ihm jetzt immer noch fast jedes Detail dieser Inszenierung vor Augen, und er hört die Stimme des sprachgewaltigen Mimen wie heute, wenn er die Brecht-Sätze von der Vernunft, die sich nicht von allein durchsetzt, sprach, und zwar mit "Orgelbegleitung in der Stimme".

Prof. Wolfgang Heinz hatte seinem Dramaturgen für dessen Mitarbeit gedankt, indem er ihm Erfahrungen aus seinem reichen Theaterleben vermittelte, temperamentvoll, präzise, mitunter auch didaktisch lautstark. Begonnen hatte die Zusammenarbeit schon in den 60er Jahren, als er, leider nur ein Jahr lang, Intendant an der Volksbühne war und Archie vom Adlershofer DDR-Fernsehen ans Theater engagierte.

In den Jahren davor hatte sich Archie intensiv mit Sprachen befaßt, namentlich mit Russisch, aber auch mit anderen, und für den Bühnenvertrieb des Henschelverlags am laufenden Band Lektorate fremdsprachiger Theaterstücke verfaßt. Dabei war er auf das Stück "Mein Freund" von Nikolai Pogodin gestoßen, eine Ausgrabung gewissermaßen. Allgemein bekannt war Pogodin damals durch die legendären Dramen "Das Glockenspiel des Kreml" und "Der Mann mit dem Gewehr", auch verfilmt, die Lenin das erste Mal auf die Bühne brachten.

"Mein Freund", 1932 entstanden, basierte auf damals aktuellen journalistischen Recherchen des Autors beim Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und wurde erst 1962 ins Deutsche übersetzt, eben von Archie, gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin. Mit dem Regisseur Hannes Fischer wurde dann noch eine Bühnenfassung erarbeitet.

Wolfgang Heinz stellte sich als Intendant mit seiner künstlerischen Autorität hinter das riskante, aufwendige Unternehmen und gab einen hinreißenden Part in der Rolle des Ordshonikidse. Das Stück spielt auf einer Großbaustelle der 30er Jahre während des 1. Fünfjahrplans. Die längere dienstliche Abwesenheit des engagierten Direktors im Ausland führt zu politischen Intrigen, zu bürokratisch-kurzsichtigen Entscheidungen, auch zu Sabotageakten, Schlendrian und Schlamperei. Der Werkdirektor wird in Abwesenheit abgesetzt, dessen Frau erliegt Einflüssen seiner Gegner. Bei der Rückkehr des Direktors herrscht Chaos, das es sofort zu überwinden gilt. Viele heiße Eisen werden angepackt, die in der DDR-Gegenwartsdramatik kaum zu finden waren. Das Stück wurde auch im Mutterland lange nicht gespielt. Produktionsdramen waren bei der DDR-Bevölkerung nicht sonderlich beliebt, aber in dem Werk von Pogodin herrschte eine enorme Dynamik. Auch ging es um prinzipielle Fragen einer erfolgreichen oder erfolglosen Ökonomie im Sozialismus, um Sein oder Nichtsein einer Gesellschaft, auch um die Rolle der Partei. Aufgrund der mitreißenden Vorgänge, der brisanten Konflikte, der hervorragenden Besetzung - z. B. gab Dieter Franke den Brigadier der Krawall-Truppe Grammofonow - wurde das Stück ein Erfolg, zu dem auch das Bühnenbild von John Heartfield beitrug.

Gerungen wurde um jeden Satz bei der Inszenierung. Archie - Dramaturg, Regieassistent und Übersetzer - schleppte ein ziemlich zerfleddertes Originalmanuskript mit sich herum, weil der Intendant und der Hauptdarsteller Horst Drinda der Meinung waren, die Übersetzung müsse noch einmal hinterfragt werden. Die Nervosität steigerte sich zu hochgradigem Lampenfieber, als man erfuhr, daß der Staatsratsvorsitzende mit Gefolge die Aufführung besuchen würde. Immerhin galt Pogodin als eine Art Ikone der Sowjetdramatik, zu Recht, wenn man auf sein Gesamtschaffen blickt, das mit seinem Tode 1962 jäh endete.

Pogodin war Jahrgang 1900. Er starb also, als sein Stück ins Deutsche übersetzt wurde, 30 Jahre nach der Uraufführung am "Theater der Revolution" in Moskau. Wolfgang Heinz trieb das Ensemble zur Höchstleistung und ging mit bestem Beispiel voran. Pogodin hatte sich damals zu dieser offenen, operativen, episoden- und temporeichen, auch polemischen Stückform bekannt, wofür er zusammen mit seinem Dramatiker-Kollegen Wsewolod Wischnewski eintrat, auch theoretisch-essayistisch, um die historisch neuen Probleme entsprechend auf die Bühne zu bringen.

Walter Ulbricht hatte mit dieser Form des Theaters kein Problem. Er war offen für solche Stücke, und es gab kaum kritische Bemerkungen, die Aussage oder die Dramaturgie betreffend. Gewiß war es nicht Ulbrichts bevorzugte Art des Theaters, aber er zeigte für die Absichten der "Väter" der Inszenierung in einer lebhaften Diskussion mit dem Ensemble nach der Vorstellung Verständnis. Der Staatsratsvorsitzende war offensichtlich von der Ensembleleistung beeindruckt, ja sogar ein wenig stolz auf diesen rasanten "Pogodin" an der Volksbühne. Ihm gefiel das Tempo der Inszenierung.

In einer Diskussionspause blinzelte der Landesvater Archie, sein Gegenüber, an und fragte: "Junger Freund, eine Frage, ja. Sie haben doch bei uns Dramaturgie studiert und Sprachen, ja, warum gibt es noch keine Theaterfassung, so frage ich, des hervorragenden Nekrassow-Romans 'In den Schützengräben von Stalingrad' - ein wichtiges Thema auch heute noch, ja." Archie war verblüfft und blickte rüber zu seinem Intendanten, der wegguckte. Zunächst wollte er sich aus der Affäre ziehen, etwas von Bechers "Winterschlacht" erzählen, ausweichen also, aber dann besann er sich und sagte seine Meinung, eingedenk der Tatsache, daß der hohe Gast gut informiert war, frei von der Leber weg. Auch er sei der Meinung, daß man das Thema Stalingrad nicht außer acht lassen dürfe, aber die Frage müsse zunächst an den Intendanten oder an den Kulturminister gestellt werden. Alle redeten danach leicht durcheinander, der Landesvater aber zwinkerte Archie vergnügt durch die Brille zu.

Es gäbe noch mehr amüsante Anekdoten von der Begegnung zu berichten. Eins stand indes fest: Walter Ulbricht war an diesem Abend ins Theater zu seinen Leuten gekommen und nahm kein Blatt vor den Mund. Das beeindruckte Archie und gehört bis heute zu seinen großen Theatererinnerungen.

Ihm fällt dazu ein Kalenderspruch zum Peter-Hacks-Jahr 2008 ein:

Was ich nicht dichte,
dichtet keiner mehr.
Was du nicht denkst,
denkt morgen irgendwer.

Das gilt vor allem auch für das Theater, wie sich leider erwiesen hat. Wo wird denn heute noch das Thema Sozialismus objektiv auf die Bühne gebracht? Vorwiegend Zerrbilder sieht Archie, allerdings mit wenigen rühmenswerten Ausnahmen.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Israels "Verteidigungsminister" Ehud Barak verkündete unmittelbar nach dem Fest des Friedens, daß er den Krieg gegen die Palästinenser "bis zum bitteren Ende" fortführen werde. Als ich diese Androhung las, erinnerte mich das an die furchtbarsten Jahre deutscher Geschichte, an die Genozid-Konzeption der Hitlerfaschisten von der "Endlösung der Judenfrage". Dieser mörderische Plan hat über 6 Millionen europäische Juden in den Gaskammern der Konzentrationslager das Leben gekostet. Es ist für mich unfaßbar, daß führende Leute jenes Staates, dessen Begründer und frühe Bürger die Greuel der Faschisten am furchtbarsten erfahren mußten, nun ebenfalls eine "Endlösung" ins Auge gefaßt haben.

Klaus-Peter Breinig, Halle/S.


*


Gestern abend fand hier eine Protestdemonstration auf der bekannten Plaza de la Virgen gegen den zionistischen Angriff auf Gaza statt. Trotz Nässe, Kälte und Jahreswechselrausch waren sehr viele Menschen gekommen. Kleine selbstgefertigte Stocktäfelchen mit Vergleichen (... "von den Nazis gelernt" ...) herrschten vor. Kein Wunder! Dieser Ausdruck von Empörung war voraussehbar und ist genau das, was ich unter von den Zionisten produziertem Antisemitismus verstehe, ob uns das paßt oder nicht. Sterben muß für diesen Wahnsinn das palästinensische Volk.

Isolda Bohler, Valencia


*


Ich begrüße die Herausgabe der Mäder-Beilage zum Januar-RF. Es handelt sich um eine exakte wissenschaftliche Analyse, die ich aus meiner gesellschaftlichen Tätigkeit als langjähriger Vorsitzender von Ausschüssen der Nationalen Front bestätigen kann. Ich hatte zu den Vertretern der CDU - und natürlich auch zu Genossen und Freunden aller anderen Blockparteien - ein vertrauensvolles persönliches Verhältnis. Die Tiefgründigkeit des Artikels bestätigt die gesellschaftliche Praxis des Lebens in der DDR.

Manfred Reinsch, Bautzen


*


Den Vortrag von Wolfgang Mäder halte ich für eine ausgezeichnete und nach meiner Übersicht bisher einmalige Aufbereitung einer speziellen Seite der Geschichte der DDR. Er zeigt die konkrete Anwendung der Leninschen Revolutionstheorie und Bündnispolitik unter den besonderen Aufgabenstellungen der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung und des Übergangs zum sozialistischen Aufbau. Wolfgang Mäder legt berechtigterweise den Finger auf "wunde Stellen" bei der Gestaltung des Bündnisses. Was waren hier Fehler, wie muß Kaderpolitik sein, wenn Parteien mit unterschiedlicher weltanschaulicher Grundlage zusammen regieren? Fragen, die in künftigen revolutionären Prozessen beantwortet werden müssen. Die klare Benennung des Unterschieds zwischen der DDR-Blockpartei CDU und der Nachfolgerin gleichen Namens, die auf dem Territorium der DDR das "Kohlfeld" mit bearbeitete, ist eine ganz hervorragende theoretisch-politische Klarstellung.

Dr. Dr. Ernst Albrecht, Dormagen


*


Wolfgang Mäder möchte ich für seinen wichtigen Aufsatz zur Rolle der CDU in der DDR aufrichtig danken und die Redaktion zu dessen Veröffentlichung beglückwünschen. Dadurch habe ich zum ersten Mal in meinem politischen Leben so deutlich und einprägsam die Sicht eines aufrichtigen Verbündeten beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft in der DDR auf jene Probleme kennengelernt, welche bei der Verwirklichung unserer Blockpolitik zu bewältigen waren. Die führende Partei trug für die aufrichtige, kameradschaftliche und achtungsvolle Zusammenarbeit mit ihren nicht-marxistischen Verbündeten besondere Verantwortung. Da hat es in der Vergangenheit gewiß auch ernste Fehler und Mißgriffe gegeben, die zu vermeiden gewesen wären. Was davon auf das Konto undurchdachter Führungsentscheidungen geht und was auf mangelhaftes Verständnis einzelner Funktionäre zurückzuführen ist, bedarf sicher weiterer sorgfältiger Analyse. Mäder vermittelt wertvolle Ansätze hierfür. Die leicht verständliche und kultivierte Sprache seines Beitrags ist hervorzuheben.

Dr. Hans Kaiser, Berlin


*


Der obskure Streit um die Biographie des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich kann nur auf dem Hintergrund der Auseinandersetzungen in der CDU um das Geschichtsbild der DDR verstanden werden. Tillich hat sich wider besseres Wissen an der Verleumdung der DDR beteiligt. Ich habe seine Auslassungen am 28. September 2008 in der Semperoper gehört, als er die Vortragsreihe der Konrad-Adenauer-Stiftung "Wie schmeckte die DDR?" begründete. Der üble Geschmack, den er dort verbreitete, liegt mir bis heute auf der Zunge. Inzwischen kennt Tillich die Folgen solchen Tuns aus eigener Erfahrung. Hat er Konsequenzen gezogen? Immerhin sagte er den Delegierten des CDU-Parteitags in Stuttgart: "Was ich aber für mich und - wie ich meine - die Mehrzahl der Menschen in der DDR entschieden zurückweise, ist der Versuch, unser Leben insbesondere durch Westdeutsche abwerten zu lassen. Es darf nicht sein, daß ostdeutsche Verhaltensweisen zunehmend einem Generalverdacht ausgesetzt werden und das Handeln der DDR-Bevölkerung generell und grundsätzlich stigmatisiert wird."

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden


*


Seit einigen Monaten befasse ich mich mit Eurer Zeitschrift. Ich habe in ihr wieder ein politisches Umfeld gefunden, das mir zusagt. Ich dachte lange darüber nach, Mitglied des Fördervereins zu werden. Am 3. Oktober 2008 stellte ich den Antrag. An einem Feiertag, der nicht der meinige ist, weil ich in diesem Deutschland keine Heimat gefunden habe. Die ist mir vor 19 Jahren abhanden gekommen - bis ich Euch traf. Ich habe online eine RF-Anzeige in der "jungen Welt" gesehen. Sofort bestellte ich die Zeitschrift. Ich habe mir auch die Ausgaben von Juni 2006 bis Juli 2008 aus dem Internet heruntergeladen, ausgedruckt und mit Begeisterung gelesen, viele Artikel sogar studiert.

Ein paar Worte zu mir selbst: Ich bin Jahrgang 1961 und wurde in Berlin geboren. Ich hatte die typische glückliche und vor allem sorgenfreie Kindheit im Sozialismus, war 1973 als Thälmann-Pionier Teilnehmerin an den X. Weltfestspielen in Berlin. Sie zählen zu meinen schönsten Erlebnissen. Im Juni 1981 wurde ich Mitglied der SED. Von 1990 bis 1994 saß ich für die PDS im Stadtparlament von Neubrandenburg. Dann trieb mich die Arbeitslosigkeit - ich bin alleinstehend mit zwei noch kleinen Kindern - nach Mainz in den tiefen Westen.

Politisch bin ich hier sehr einsam. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, meine Kollegen und ich redeten in unterschiedlichen Sprachen. Natürlich wird auch hier die DDR auf MfS und Mauer reduziert wahrgenommen. Da helfen keine Einsprüche meinerseits. Das einzige, was bisher akzeptiert wird, ist die Tatsache, daß ich eben meine Heimat anders sehe und keine Widerstandskämpferin war, sondern sehr glücklich darüber bin, in der DDR aufgewachsen zu sein.

Jeanette Berger, Stadecken-Elsheim


*


Wir "RotFüchse" von Rügen wünschen Euch auch in Zukunft eine zupackende Hand im sich weiter verschärfenden Klassenkampf. Ich bin mir sicher, daß immer mehr Menschen, welche grundsätzlich Kritik am Kapitalismus üben, sich der einen oder anderen Formation oder Abteilung der kommunistischen oder sozialistischen Bewegung in Deutschland anschließen werden. Seit der Pariser Kommune, der Oktoberrevolution, dem Sieg über die faschistische Barbarei und dem Aufbau eines sozialistischen Weltsystems, der durch Verrat und Konterrevolution untergraben wurde, haben wir sehr viel gelernt, Erhaltenswertes geordert und Negatives aussortiert. Wir sollten mit berechtigtem historischem Optimismus in die kommenden Kämpfe gehen. Denn wir sind nicht Tote auf Urlaub, sondern immer noch Geburtshelfer einer neuen Welt.

Karl-Heinz Schulze, Saßnitz


*


Dank dafür, daß der "RotFuchs" nicht nur für die politisch entmündigten Ostdeutschen eine geistige Heimat ist, sondern auch den medienpolitisch unterdrückten westdeutschen Stimmen einen Raum zum demokratischen Durchatmen gibt.

Mit Ihrer Hilfe werden wir den Verfassungsdialog noch vor der nächsten Bundestagswahl loseisen können - denn die Rechtfertigungsargumentation für das uns zugemutete System beläuft sich auf Null.

Ute Grothusen, Wingst


*


Herzlichen Dank für die Veröffentlichung meiner Zuschrift. Auf diese Weise habe ich fünf gute Freunde und Bekannte, auch Leser des RF, aus ganz Deutschland wiedergefunden. Seit dieser Zeit ist mein Leben mit dem PC dank des RF noch interessanter geworden. Wir tauschen uns über die Zeitschrift aus und diskutieren über aktuelle Probleme.

Ohne RF möchte ich nicht mehr sein. Heute kam die Dezember-Ausgabe. Ich nahm sie mit zu meinem Hausarzt. Er ist auch politisch interessiert. Als ich ihm die Zeitschrift zeigte, weckte das seine Neugier. Daraufhin überließ ich sie ihm. Ich werde ihn noch als Abonnenten werben. Hier die Adressen weiterer Interessenten. ...

Anneliese Schellenberger, Leipzig


*


Ich war Mitglied eines Autorenverbandes, den ich wieder verließ, als ich erkannte, daß er seine Entstehung Antisozialisten verdankte und von solchen an der Spitze bis heute vertreten wird. Zuvor Mitglied eines Landesvorstandes dieses Vereins, hatte ich von einem Verbandsmitglied dessen autobiographischen Bericht zugesandt bekommen. Es ging um die vereitelte Desertion von der NVA über die grüne Grenze gen Westen und um Erlebnisse mit Militärjustiz, Staatssicherheit und DDR-Strafvollzug. Meine Bewertung des dem "Protagonisten" Widerfahrenen: eine im Grunde glimpfliche, jedenfalls erträgliche Ahndung. In einem Brief an den Verfasser bemerkte ich bemüht neutral, es sei aus den Kapiteln ersichtlich, in welche "Mühlen" einer auch damals habe geraten können. Meine Erfahrungen aber seien fundamental andere: Ich hätte unter aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen keinesfalls eine Entwicklung nehmen können, wie sie mir, dem jungen Arbeiter, "damals" geradezu offeriert worden sei.

Ich schlug den Bogen zu den Ereignissen um die "Wende" dahingehend, daß den Zehntausenden "Wir-sind-das-Volk-Rufern" und die Grenzen Durchbrechenden fraglos Millionen passiver Beobachter gegenübergestanden hätten, die seinerzeit einfach nicht wußten, wie und wohin. Mittlerweile sei von ihnen indes hinreichender Klarblick zurückgewonnen worden.

Ich hatte mit böser Antwort des Maschinenbauingenieurs (der seit Jahren als Berufspendler in die Altbundesländer existiert) oder Schlimmerem gerechnet. Was aber bekam ich telefonisch zu hören? Auch er, der "Dissident" von ehedem, sähe die Dinge nicht anders als ich! Bald ins Rentnerdasein eintretend, will er sich dann partout mit mir zum Kaffee treffen und: Auch er hat jenem Autorenverband mittlerweile valet gesagt.

Peter Löw, Mittweida


*


Hegel definierte das Problem der Moral einmal so: Es genüge nicht, das Gute zu wollen, man müsse auch wissen, was das Gute sei.

Bei der BRD-Linken als Ganzes ist es fraglich, ob sie immer weiß, was das Gute ist. Offenbar ist sozialistische Moral heute selten zu finden. Einstige Ideale, Vorstellungen und Grundsätze werden in faulen Kompromissen verraten und damit überflüssig. Sozialistische Grundsätze sind bei der PDL angeblichen "Sachzwängen" gewichen. Sie ist durch die von ihren Verantwortlichen eingenommenen Positionen bereits so weit in den Kapitalismus involviert, daß sie ihn nicht ernsthaft bekämpfen will und kann.

Wer meint, links zu wählen, genüge, und die PDL nähme doch stark zu, irrt sich: Die Linkspartei ist zwar wählbar, aber den herrschenden Prinzipien unterworfen. Und in ihrem Programm steht nichts mehr von Abschaffung des Kapitalismus. Sie hat zwar viele ehemalige SED-Mitglieder, die es mit dem Sozialismus ernst meinen, in ihren Reihen - aber wem nützt es, wenn sich die Partei ausdrücklich von der DDR distanziert und diese verteufelt?

Sandra Ludwig, Langenbernsdorf


*


Gegenwärtig bin ich bemüht, meine politischen Lebenserfahrungen als 94jähriger in die Reihen der PDL zu tragen. Deren Zusammensetzung besitzt allerdings nicht mehr den Klassencharakter wie unsere vergangene Partei, die SED. Dort war der Klassenstandpunkt theoretisch begründet. Es ging um gesellschaftliche Veränderungen durch einheitliches Handeln der Arbeiterklasse. Doch der zurückgekehrte Kapitalismus hat diese Einheit zerstört.

Eine politische Orientierung der Linken im Sinne der Erkenntnisse von Karl Marx "Das Volk ist der Souverän" sollte der richtige Weg sein.

Kurt Neukirchen, Burghardtsdorf


*


Vor einiger Zeit fand in Leipzig eine wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltung in der Offizierheimgesellschaft der General-Olbricht-Kaserne statt. Das Thema lautete: "Psychoreaktive Störungen nach Auslandseinsätzen und die Schnelldiagnostik bei angewandten psychotropen Mitteln". Referent war Oberstarzt Dr. med. Karl-Heinz Biesold, Leiter der Abteilung VI B Psychiatrie und Psychotherapie im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Die Teilnahme brachte zwei Punkte für das Fortbildungszertifikat. Einlader war Oberfeldarzt Honda. Wie man dem gewählten Thema entnehmen kann, gehen die Auslandseinsätze der Bundeswehr für die daran Beteiligten offenbar nicht so glimpflich ab, wie das die Medien vorzuspiegeln suchen.

Klaus Pinkau, Leipzig


*


Ich warte jeden Monat mit Ungeduld auf die neue Ausgabe des RF und lese die Zeitschrift von A bis Z. Die Aussagen vieler Artikel decken sich mit meiner Erfahrung und geben mir Argumente für Gespräche. Ich habe als Diplomingenieur in Betrieben der Trikotagenindustrie auf dem Gebiet der Rationalisierung und des Einsatzes neuer Technik und Technologien gearbeitet. Es hat mir wahnsinnigen Spaß gemacht, in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kollektiven moderne Methoden praktisch und mit Erfolg für eine immer effektivere Produktion zu realisieren.

Mein Mann ist griechischer Staatsbürger und lebt seit 1964 in der DDR. Er hat seinen Berufswunsch realisieren können, studierte an der DHfK in Leipzig und war bis zur Rente als Sportlehrer tätig. Jedes Jahr verbringen wir vier Monate in Griechenland, vor allem in jenem Dorf, in welchem mein Mann geboren wurde.

Wir vertreten beide standhaft unsere Meinung. Die DDR war mit all ihren Mängeln und Schwachpunkten das Beste, was bisher auf deutschem Boden existiert hat.

Ursula Jassonides, Chemnitz


*


Richtig - es geht nicht um Tabus, sondern um Prinzipien. Aber die Prinzipien sind nicht vom Himmel gefallen. Und es gehört zu den Prinzipien der wissenschaftlichen Weltanschauung, daß Tabus gebrochen werden. Dies vorangestellt, halte ich die Interpretation der Überlegungen von Franz Köhler durch Klaus Steiniger für falsch. Wenn Köhler eine Überprüfung aller Thesen fordert, dann fordert er nichts Ehrenrühriges, sondern geht davon aus, daß die allermeisten Thesen des Marxismus sich bestätigen werden. An den Prinzipien rüttelt er gar nicht. Im Gegenteil: Die Überprüfung erfolgt nicht gegen, sondern mit der Methode von Marx und Engels, die Lenin übernahm. Köhler vertraut eben der marxistischen Weltanschauung. Er fürchtet ihre (Über-)Prüfung nicht. Der Marxismus wird tagtäglich durch die Praxis überprüft. Vor jeder Ausgabe des Kommunistischen Manifests wurde zu ihren Lebzeiten durch die Verfasser ein Vorwort in diesem Sinne geschrieben. Also bitte nichts unterstellen, was gar nicht gesagt wurde.

Herbert Münchow, Leipzig


*


Ich möchte sagen, daß der Beitrag Klaus Steinigers "Einspruch, Euer Ehren" wie eine Erlösung auf mich wirkte. Ich wußte mit Dr. Köhlers "Novembergrübeleien" einschließlich seiner sieben Tabus streckenweise nichts anzufangen. Ich begann auch mit einer Antwort, wurde aber unsicher und unterließ es. Die im Dezember-RF erhobenen Einwände stellen nun den wissenschaftlichen Sozialismus wieder vom Kopf auf die Füße. Das tat meinem Gleichgewicht in Fragen der marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie gut. Überhaupt ist die Dezemberausgabe von der Themenwahl und der brillanten Darstellung der Inhalte wieder eine erbauliche und lehrhafte Lektüre.

Arno Reinhold, Schwerin


*


Herzlichen Dank an Dr. Franz Köhler für seine "Grübeleien" im Novemberheft. Ich habe diesen Beitrag mit Gewinn gelesen. Meine Generation, die die DDR mit aufgebaut und als Soldat geschützt hat, wird immer darüber nachdenken, wo die Ursachen für das Ende der sozialistischen Staatlichkeit in Europa liegen. Jeder, der dazu einen öffentlichen Beitrag leistet, verdient Aufmerksamkeit und Respekt, auch wenn nicht jede Bemerkung der Weisheit letzter Schluß ist.

Es hilft nicht weiter, den Autor "knapp neben" einen bürgerlichen Historiker zu stellen (Januar-RF). Verunglimpfung ist nie Teil einer sachlichen Diskussion.

Dieter Meusel, Strausberg


*


Wem nützt es? hatten alte Genossen uns mal zu fragen beigebracht, als sie uns das Abc des Marxismus-Leninismus vermittelten. Eine prima Formel, die stets funktioniert hat und die ich noch heute anwende. Das trifft auch auf Franz Köhlers Beitrag zu. Wenn der RF alle späten Grübeleien und die unterschiedlichsten Meinungen dazu veröffentlichen wollte - mein lieber Mann -, da hätte er wohl keinen Platz mehr für die überwiegend qualifizierten Inhalte, die ja gerade sein klares politisches Profil ausmachen. Bei aller Akzeptanz von Meinungsstreit untereinander halte ich es für falsch und nutzlos, eher für "einfache", aber knallharte Genossen verwirrend, wenn so etwas im "Rot-Fuchs" von Leuten ausgetragen werden muß, die weiß Gott Besseres und Wichtigeres zu tun haben. Auch zu DDR-Zeiten hätte uns das keinen Schritt weitergebracht.

Klaus J. Hesse, Berlin


*


Im sehr eleganten "Einspruch, Euer Ehren" stimmt einfach alles. Vielleicht nur diese Ergänzung: Wirkliche Revolutionen gehören der Vergangenheit an, was vielerorts dazu verleitet, sie zu sterilisieren, aus ihnen einen Retortenvorgang zu machen, sie aus ihrem lebendigen Umwelt in eine verstaubte Apotheke mit bewährten Rezepten, mit Pülverchen und Präzisionswaagen zu verlagern. Das beschert uns dann diese akademischen "zu früh" und "zu spät" oder die etwas anmaßenden Urteile wie "Scherbenhaufen". Wir sollten Revolutionen in erster Linie sorgfältig studieren, nicht guillotinieren.

Eine Revolution kann vor allem deshalb nicht nach "Rezept" verlaufen, weil die andere Seite sie um jeden Preis verhindern will, sich - verständlicherweise - vehement wehrt. Es geht ja um sehr viel, sogar um alles.

Erich Mühsam schrieb seinerzeit den "Revoluzzer" - ein großartiges Gedicht. Diesem schmeckten die Revolutionäre ebenfalls nicht. Daher zog er sich zurück, um ein Buch mit dem Titel zu schreiben: "Wie man revoluzzt und dabei noch Lampen putzt."

Heute kann man sagen, nirgends in der Welt haben "Revoluzzer" etwas zustandegebracht. Das sollte uns zu denken geben.

Walter Ruge, Potsdam


*


Der Beitrag "Klassenkampf-Einmaleins" von Walter Ruge (Dezember-RF) hat mich angeregt, weitere Überlegungen anzustellen. Seiner klaren Einschätzung der sozialen Auseinandersetzungen unter heutigen Bedingungen stimme ich als Marxist zu.

Heute wird von fast allen Medien zum Lesen angeregt. Allerdings sollen die Menschen nicht zu Marx, Engels oder Lenin greifen. Aber auch gute Belletristik ist selten in ihren Händen. Wer kennt heute von den Jugendlichen noch Makarenkos "Der Weg ins Leben", Simonows "Man wird nicht als Soldat geboren" oder Wolfs "Die Troika"?

Man muß mit den Kindern und Enkeln über die Inhalte sprechen und eigenes Erleben einfließen lassen. Woher sollten sie sonst je etwas von den großen Leistungen beim Bau der Talsperre Sosa oder der Wasserleitung zur Maxhütte Unterwellenborn ("Max braucht Wasser!"), des Braunkohlenkombinats "Schwarze Pumpe" oder der Rohrstoßbankanlage in Riesa erfahren? Ich denke, daß man den heutigen Klassenkampf nur richtig erfassen kann, wenn man die Leistungen vergangener Tage nicht außer acht läßt.

Oberstleutnant a. D. Werner Franke, Meißen


*


Ich danke für die Zuschrift von Wolfgang Mäder aus Neubrandenburg. Mir war nicht bekannt, daß Angela Merkels Vater, Pfarrer Horst Kasner, aktiv gegen den Mißbrauch der Kyritz-Ruppiner Heide als Bombodrom aufgetreten ist. Wenn er noch lebt - was sagt er dann heute seiner Tochter, der Kriegskanzlerin, zu den durch sie veranlaßten "Auslandseinsätzen" der Bundeswehr?

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


*


Tatort Bundestag: Nicht immer tagt er, wenn ich gerade Zeit habe, das Geschehen im Fernsehen zu verfolgen. Diesmal klappte es. Der Bericht war in mehrfacher Hinsicht informativ. FDP, Grüne und Linkspartei schickten ihre Wortgewaltigen an die Front. Sie kanzelten Merkel ab. Die saß auf der Regierungsbank, versuchte mit trotzig-verächtlicher Flappe abzuwehren, bekam nicht mit, daß ihr Sessel zur Schulbank mutierte. Sie sollte nachsitzen, unter Aufsicht einen Aufsatz "Wenn ich einmal groß bin, möchte ich rein" verfassen. Wir kennen ja von Schröder, daß er am Zaun rüttelte. Als er dann drin war, wollte er wieder raus - in die Industrie, zum ganz großen Geld. Am Ende plauderte Merkel gebärdenreich über Rettungsschirme, die sich als Knirpse aus dem Leihhaus entpuppten. Mit Appellen will sie das Vertrauen in ein gescheitertes Finanz- und Wirtschaftssystem wiederbeleben - ein Psychiater macht das auf der roten Couch besser. Kein Wort über die wahren Ursachen des grandiosen Desasters. Merkel schwieg auch zu den USA-Atombomben in der BRD. Immerhin ist sie ja deren Lagerverwalterin.

Dr. med. Siegfried Wiesner, Sternberg


*


Wenn Showmaster Thomas Gottschalk und Polittalkerin Maybrit Illner sich vom CDU-dominierten ZDF einspannen lassen, mit tibetischen Kindern Politik gegen die VR China zu machen, dann bin ich darüber entsetzt, wie gutgläubige Fernsehzuschauer manipuliert werden. In der Sendung war von Kindern aus dem Autonomen Gebiet Tibet die Rede, die von ihren Eltern auf einen Marsch ins Ungewisse (zum Dalai Lama in Indien) geschickt wurden, um "frei zu sein".

Für Gottschalk, Illner & Co. gilt: Wes' Geld ich nehm', des' Lied ich sing'.

Hans-Dietrich Grundmann, Eberswalde


*


In letzter Zeit werden im "RotFuchs" Beiträge gedruckt, in denen ein "Revisionismus in militärischen Grundfragen" bei den Führungskräften der NVA vom Minister bis zum Stabsoffizier entdeckt wird, "mit dem der Konterrevolution Schneisen geschlagen wurden" (RF 127/Oberst a. D. Dr. Dieter Hillebrenner - RF 131/Oberstleutnant a. D. Günter Bartsch). Hier wird in unberechtigter Weise zwischen die "einfachen" NVA-Angehörigen und deren Führung ein Keil getrieben. Wenn die NVA maßgeblich zur Erhaltung des Weltfriedens in schwierigen Jahrzehnten beigetragen hat, dann mit ihren Generalen und Stabsoffizieren und nicht ohne oder gar gegen sie. Günter Bartsch macht den angeblichen plötzlichen "Bewußtseinseinbruch" bei den Führungskräften an der "Zustimmung zur unrühmlichen Vereidigung der NVA-Angehörigen nur wenige Wochen vor der Annexion der DDR" fest. Diese Vereidigung fand am 20. Juni 1990 statt, also 10 Wochen vor dem Ende der DDR. Da war das Kräfteverhältnis in der Klassenauseinandersetzung bereits völlig zuungunsten des Sozialismus gekippt, da hatte das Volk im Osten die CDU an die Regierung gewählt, die Westmark war bereits eingeführt, die Medien befanden sich längst unter westlicher Kontrolle. So stand ein Fahneneid auf den Sozialismus nicht mehr auf der Tagesordnung, ob uns das im nachhinein gefällt oder nicht.

Oberst a. D. Dr. Rolf Ziegenbein, Dresden


*


Ich teile die Meinung der Genossen Günter Bartsch und Heinz-Joachim Calvelage, möchte aber zu dem Artikel "Politische Naivität oder Bewußtseinsstörung?" bemerken: Mich empört, daß sich Generale der NVA gegenüber einem rechthaberischen NATO-General und einem fragwürdigen Pfarrer bei der Auflösung der DDR-Streitkräfte nicht durchgesetzt haben und es zuließen, daß die Angehörigen der NVA ohne Fahnen- und Flaggenappell würdelos und wie ehemalige Kriegsgefangene nach Hause geschickt wurden.

Hier haben die verantwortlichen Generale total versagt. Sie hoben vor Lakaien des Gegners die Hände. Anders kann ich ein solches Verhalten nicht beschreiben, egal, welche Schwierigkeiten bei der Abwicklung der NVA auch auftraten. Wie haben einige früher bei ernsthaften Problemen reagiert, weil sie die Verbindung zum wahren Leben und zur Truppe längst verloren hatten? "Diskutieren Sie nicht - Genosse!" hieß es dann. Wo war in dieser Situation ihr Klassenstandpunkt, den sie täglich von anderen gefordert haben. Es ist durchaus ehrenhaft, daß der größte Teil der Kommandeure aus der Arbeiterklasse kam. Doch das war kein Privileg auf Lebenszeit.

Achim Blesse, Gera


*


Mein Schwiegersohn tauchte vor Jahren mit dem "RotFuchs" bei uns auf. Seit dieser Zeit sind wir gemeinsam Leser. Es ist eine hervorragende Zeitung, welche die eigene Haltung und Auffassung unterstützen und für die tägliche Arbeit in der GBM und bei den regelmäßig stattfindenden monatlichen Gesprächen mit Schülern eine wertvolle Hilfe darstellt.

Eberhardt Steinhäuser, Görlitz


*


Aus der "Freien Presse" erfuhr ich, daß die Wettiner ihre "Restitutionsansprüche" angemeldet haben und Anfang 2009 über 1860 Kunstwerke, die sie zurückhaben wollen, entschieden werden soll.

Wenn diese Familie, die jahrhundertelang die Sachsen ausgebeutet und diese Reichtümer ergaunert hat, etwas aus dem Schatz des Freistaates zurückbekommt, dann gründe ich eine Initiative, die Restitutionsansprüche zum Volkseigentum der DDR anmeldet.

Der sächsische Prinz verkündete im MDR-Fernsehen: "Schließlich muß man ja von etwas leben." Ich auch!

Werner Orzschig, Zwickau


*


Die im Dezember-RF reproduzierte Mitteilung des sächsischen Innenministers Dr. Buttolo ist recht aussagekräftig. Ich frage mich aber, warum er seine Beobachtungssucht auf die Dresdner Regionalgruppe des RF beschränkt. Es gibt nämlich noch andere im Lande. Hat Buttolo als ehemaliges Kampfgruppenmitglied - die "Sächsische Zeitung" berichtete von seinen diesbezüglichen Meriten - so schlecht nachgeforscht, daß er von uns in Bautzen und der Oberlausitz noch gar nichts weiß? Oder trifft die Unkenntnis gar auf den NPD-Mann Holger Apfel zu? Wie dem auch sei: Es ist keine Schande, vom Klassenfeind beobachtet zu werden.

Helge Tietze, Bautzen


*


Der "RotFuchs" ist mir zu einer unentbehrlichen politischen Lektüre geworden. Er erscheint "pünktlich wie ein Maurer" zu Monatsbeginn, was von einem äußerst harten Stück Arbeit des ehrenamtlichen Chefredakteurs und seiner Mitarbeiter zeugt. Viele Beiträge erfreuen mich und finden meine Zustimmung. Einige nicht. Dazu gehören solche von Autoren, die sich heute - nach 19 Jahren! - über Erscheinungen des Untergangs der DDR äußern, obwohl man von ihnen zum Zeitpunkt dieses bedauerlichen historischen Vorgangs weder etwas hörte noch lesen konnte.

Millionen ehemaliger DDR-Bürger hofften 1989 auf Erklärungen dazu, was um sie herum passiert. Sie hofften vergebens. Die Obrigkeit in Partei, Regierung und Armee schwieg sich aus. Man ließ uns unvorbereitet ins Messer der lauernden Eroberer laufen.

Wir mußten uns selbst ein Bild zurechtdeuten. Es waren verständliche, aber leider falsche Hoffnungen auf das Weiterbestehen eines verbesserten Sozialismus. An die Anwendung militärischer Gewalt zur Erhaltung der DDR haben wir nicht gedacht. Ich war 20 Jahre Mitglied der Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Als unsere Feinde betrachteten wir Diversanten, Saboteure, bewaffnete Eindringlinge von außen in kleinen Gruppen, nicht aber DDR-Oppositionelle. Auf eigene Bürger hätten wir nicht geschossen.

Dr. Günter Fischer, Berlin


*


Das Feldbauer-Zitat im Januar-RF läßt mich die Frage stellen: Was hat Genosse Dr. Klaus Steiniger eigentlich getan, um ihn in dieser schroffen Form des Opportunismus zu bezichtigen? Spielten hier etwa nicht in Erfüllung gegangenes eigenes Wunschdenken und verletzte Eitelkeit eine Rolle? Ich habe es satt, mit Leuten umzugehen, die sich trotz ihrer Lebensleistung und reichen Erfahrung wie gekränkte Leberwürste aufführen.

Heinz-Joachim Maaßberg, Magdeburg


*


Mit großer Verwunderung sah ich im Januar-RF das Zitat von Gerhard Feldbauer. Was will dieser Mann eigentlich? Dr. Steiniger Opportunismus vorzuwerfen ist ja wohl das letzte an Geschmacklosigkeit. Opportunismus ist nach dem Duden "prinzipienloses Anpassen an die jeweilige Lage, Handeln nach Zweckmäßigkeit". Das kann man ja dem RF wohl in keiner Weise nachsagen.

Ernst-Otto Christalle, Berlin


*


Die Jugendbibliothek Gera ist unter einer neuen Adresse "Werner-Petzold-Straße 17" zu finden. Die künftig vollständig kostenfreie Ausleihe - unser Buchbestand ist mittlerweile auf etwa 10.000 Bände angewachsen - oder die Einladung auf einen Kaffee dürfte den einen oder anderen Einwohner von Gera-Lusan dazu veranlassen, uns während der Öffnungszeiten (Mittwoch von 16 bis 20 Uhr und Samstag von 14 bis 18 Uhr) zu besuchen.

Jugendbibliothek Gera


*


Schon vor dem Herbst 1989 wurde berechtigte Kritik oft als unerwünschte "Fehlerdiskussion" abgetan. Man steuerte Journalisten und hielt sie dazu an, immer neue wirtschaftliche und politische Erfolge zu vermelden, obwohl die Wirklichkeit bereits ganz anders aussah. Offene und ehrliche Meinungen wurden zunehmend negiert, während die Führung Lobhudelei und Selbstbeweihräucherung betrieb. Doppelzüngige und karrieregeile Spitzenfunktionäre zwangen anderen, ohne Widerspruch zu dulden, ihre Parolen auf, von denen sie nach 1989 auf einmal nichts mehr wissen wollten. Leute wie Schabowski & Co. sind die eigentlichen Übeltäter, die ihre Machtbefugnisse ohne Skrupel mißbrauchten. Ihnen war die Stimmung an der Basis inzwischen völlig egal. Das gehört mit zur Analyse unserer Niederlage, da die SED so ihre Glaubwürdigkeit bei den eigenen Mitgliedern und vielen Bürgern der DDR verlor.

Pastoren und Rechtsanwälte, aber auch selbsternannte Widerständler übernahmen unter Vormundschaft der alten BRD-Eliten dann die Machtgestaltung in der noch existenten DDR. Alles wurde nun marode geredet. Selbst einfache Arbeiter und Angestellte legten mit Hand an, um ihren volkseigenen Betrieben die Überlebensgrundlage zu entziehen. Wie ehemals das DDR-Staatswappen vom Palast der Republik gerissen wurde und dieser jetzt selbst plattgemacht worden ist, so landete ein Großteil des von uns unter Mühen Geschaffenen auf dem Müll. Den Menschen wurde die Arbeit genommen. Erst langsam und viel zu spät gelangten etliche zu der Einsicht, daß Westgeld, Reisen in alle Länder, ein Überangebot an Waren, tolle Autos, bunte Fassaden etc. nicht die alleinige Glückseligkeit sind. Viele können sich doch jetzt nicht mal so nebenbei eine Bahnfahrt Berlin-Hamburg und zurück leisten.

Wir sollten uns von niemandem unsere DDR-Biographien streitig machen lassen.

Hans-Jürgen Dählk, Berlin


*


Die bevorstehenden "Jubiläen" werden Anlaß sein, die Kinkelsche Delegitimierungsstrategie weiter voranzutreiben. Da muß man einige Fragen stellen: Wer gehörte eigentlich zum "Unrechtsstaat" DDR - die Staatsmacht und die SED, alle gesellschaftlichen Organisationen oder gar sämtliche Bürgerinnen und Bürger? Haben die Trümmerfrauen und die Neubauern, die Junglehrer und die ABF-Studenten, die Hausgemeinschaften und alle hier nicht Genannten einen Unrechtsstaat aufgebaut und getragen, ohne daß sie das erkannten?

Wehren wir uns gegen Geschichtsfälschungen und einseitige Schuldzuweisungen! Lassen wir uns nicht für dumm verkaufen und kleiner machen, als wir sind!

Dr. Horst Parlow, Neubrandenburg


*


Im Dezember strahlte "Phoenix" den zweiten Teil der Dokumentation "Setzen, sechs! - Schulgeschichten aus Deutschland" unter dem Titel "Verpaßte Chancen" aus. Es war eindeutig, daß sich diese Formulierung nur auf den westlichen Teil beziehen konnte, wie es auch von den Autoren zugegeben wurde. Man kam nicht umhin festzustellen, daß in der DDR das Recht auf gleiche Bildung für alle durchgesetzt und deren einheitliches Schulsystem dem dreigliedrig-föderalen der BRD deutlich überlegen war.

Doch ohne Diffamierung des "Unrechtsstaates" wäre der Beitrag wohl nicht gesendet worden. Dafür stellte sich einmal mehr Katrin Saß, die es in der DDR aufgrund ihrer guten Ausbildung zu einer erfolgreichen Schauspielerin bringen konnte, zur Verfügung. Sie gab von sich, man habe für die Verwendung des Wortes "Russe" statt "Sowjetbürger" hinter Gitter kommen können. Sie empfinde ein "Gruseln", wenn sie "an die Aufmärsche der Blauhemden" denke, geiferte Saß und stellte diese denen der Braunhemden in Nazideutschland gleich. Ich kann mich nicht erinnern, daß die "Blauhemden" jemals unter militaristischen oder rassistischen Parolen "aufmarschiert" wären. Sicher hat Katrin Saß auch an solchen Demonstrationen teilgenommen, so daß sie es besser wissen müßte.

Ein anderer Befragter meinte, Arbeiter- und Bauernkinder hätten für die gleiche schulische Leistung in der Regel eine bessere Note als Kinder aus anderen sozialen Schichten bekommen. Mir ist kein solcher Fall bekannt.

Die Diffamierungskampagne gegen die DDR wird sich dieses Jahr ins Maßlose steigern. Es kommt darauf an, sich darauf einzustellen und dem Paroli zu bieten. Ich bin fest davon überzeugt, daß der "RotFuchs" dabei eine unverzichtbare Rolle spielen wird.

Michael Brix, Potsdam

Raute

Gute Genesungswünsche

Unser langjähriger und bewährter Vertriebsleiter Armin Neumann hat über Weihnachten einen schweren Herzinfarkt erlitten. Er befindet sich auf dem Weg der Besserung.

Wir wünschen Armin die maximale Wiederherstellung seiner Gesundheit und grüßen ihn herzlich.

Ab sofort sind sämtliche Neubestellungen und den "RotFuchs" betreffende Anfragen organisatorischer Art zu richten an:

Karin Dockhorn
Telefon: 030 / 241 26 73
E-Mail: WDockhorn@t-online.de
oder an Sonja Brendel
Telefon: 030 / 512 93 18

Da es in den letzten Wochen zu Lücken bei der Erfassung neuer Besteller gekommen sein könnte, bitten wir die Betreffenden vorsichtshalber um eine abermalige Anmeldung.

Raute

IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

CHEFREDAKTEUR: Dr. Klaus Steiniger, (V.i.S.d.P.)
Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin,
Telefon 030/561 34 04, Fax 030/56 49 39 65
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
(Redaktionsadresse)

SEKRÄTERIN: Karin Mory

LAYOUT: Rüdiger Metzler, Egon Schansker

HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net

Redaktionsschluß ist jeweils der 10. des Monats.

AUTORENKREIS:
Dr. Matin Baraki
Rolf Berthold
Dr. Manfred Böttcher
Dr. Vera Butler (Melbourne)
Wolfgang Clausner
Prof. Dr. Götz Dieckmann
Dr. Rudolf Dix
Ralph Dobrawa
Dieter Fechner
Dr. Peter Fisch
Bernd Fischer
Peter Franz
Günter Freyer
Prof. Dr. Georg Grasnick
Dr. Ernst Heinz
Dr. Dieter Hillebrenner
Manfred Hocke
Prof. Dr. Hans Heinz Holz
Hans Horn
Dr. Klaus Huhn
Dr. Hans-Dieter Krüger
Rudi Kurz
Prof. Dr. Hans Lutter
Wolfgang Mäder
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Wolfgang Metzger
Prof. Dr. Harry Milke
Frank Mühlefeldt
Sokrates Papadopoulos (Thessaloniki)
Richard Georg Richter
Prof. Dr. Werner Roß
Walter Ruge
Karl Schlimme
Gerhard Schmidt
Prof. Dr. Horst Schneider
Joachim Spitzner
Fritz Teppich
Dr.-Ing. Peter Tichauer

KÜNSTLERISCHE MITARBEIT:
Karlheinz Effenberger
Heinz Herresbach
Klaus Parche
Heinrich Ruynat

INTERNET-PRÄSENTATION DES ROTFUCHS
UND AKUSTISCHE AUSGABE (für Sehbehinderte):
Sylvia Feldbinder

VERSAND UND VERTRIEB:
Armin Neumann / Karin Dockhorn
Anna-Louise-Karsch-Str. 3
10178 Berlin
Telefon 030/241 26 73 (Dockhorn)
WDockhorn@t-online.de
oder Sonja Brendel, Tel. 030/512 93 18
Bruni Büdler, Hans Ludwig,
Harry Schreyer, Peter Barth u.v.a.m.

FINANZEN: Jürgen Thiele, Wartenberger Str. 44
13053 Berlin, Tel.: 030/981 56 74

UNSER KONTO:
"RotFuchs"-Förderverein, Konto-Nr.: 2 143 031 400
Berliner Sparkasse, BLZ: 100 500 00

Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.


*


Quelle:
RotFuchs Nr. 133, 12. Jahrgang, Februar 2009
Redaktion: Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin
Telefon: 030/561 34 04, Fax: 030/56 49 39 65
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
Internet: www.rotfuchs.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2009