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ROTFUCHS/092: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 138 - Juli 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 138, Juli 2009



Inhalt
Mal grobschlächtig, mal filigran
Wahlspeck für Rentner
Der antifaschistische Schutzwall
Die BRD-Luftwaffe im Krieg
Der Rattenfänger von Oßling
"Abrüstung" in Dresden
Wahloption aufrechter Demokraten
Drohbriefe an Kinder
Grafiker und Revolutionär: Klaus Parche
Reichsbanner-Kameraden im Visier
Mutige Stimme des Proletariats
Wegbereiter der Konterrevolution
Abwerber, Schleuser und Demagogen
Ein Fall von Käuflichkeit?
Wehrmachtstribunal als Mordmaschine
20. Juli 1944: Verspätetes Heldentum
Rede auf einem Klassentreffen
Überlegenheit auf Pump
Eine andere Sicht
RF-Extra Der schwarze und der rote Marx
RF-Extra Mackie-Messer-Essay
220 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille
Im ukrainischen Kriwoi Rog erlebt
Ungarns Kommunisten brechen mit reformistischer EL
KP Israels: Nicht jeder Jude ist ein Zionist
Warum das Europaparlament eine Luftnummer ist
Eindringlicher Appell aus Paris
Baltische Killer als "Freiheitsbringer"
ALBA mischt OAS auf
Upton Sinclairs Werk in der DDR
BRD vernachlässigt Diesterwegs Lehren
Herrschte in der DDR eine "Erziehungsdiktatur"?
Werner Steinberg eroberte ein Millionenpublikum
Heißsporne contra Bismarck
Archie und der Buchladen
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Auf Tote schießt man nicht

Am Zaun jeder bundesdeutschen Kaserne erfährt man auf Warnschildern vom Schießbefehl des jeweiligen Kommandeurs. Manchen sitzt der Colt locker. Doch in einem Falle würde selbst der rabiateste Militarist das Feuer nicht eröffnen. Dann nämlich, wenn der echte oder angenommene Feind nicht mehr lebt. Diese Erkenntnis hat nichts mit Soldatenethik zu tun, sondern entspringt menschlicher Vernunft. Nur dort, wo eine gegnerische Kraft zu vermuten ist, greift man zur Waffe.

Diese einfache Regel läßt sich auch auf den "zivilen Sektor", wie manche Militärs den "Rest" der Gesellschaft bisweilen etwas geringschätzig zu bezeichnen pflegen, übertragen. Besonders aber gilt sie für die Politik. Niemand wird gegen einen längst dahingeschiedenen Kontrahenten ins Gefecht ziehen. Man setzt nur dort Verstand und Muskeln ein, wo eine reale Potenz vorausgesetzt werden kann.

Auf den Punkt gebracht: Die BRD-Medienmacher und Parteibosse aller Ränge und nahezu aller Richtungen sind seit Jahresbeginn in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, um Jagd auf eine vermeintliche Leiche zu machen. Aus allen Rohren ergießt sich eine ununterbrochene Kanonade auf den "kommunistischen Unrechtsstaat" DDR. Manche, die links blinken und rechts fahren, bezeichnen 40 Jahre Volksmacht in durchsichtiger Absicht als "Stalinismus". Die DDR wird als Inkarnation aller Übel dargestellt. Von Giftspritzen über Totschläger und Dolche bis zu Maschinengewehren und schwerer Artillerie gelangen sämtliche Kaliber gegen sie zum Einsatz.

Aber wird hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Was sollen Eifer und Geifer, die sich auf einen angeblich längst Verblichenen richten? Ist das nicht Leichenschändung oder Störung der Totenruhe? Vielleicht ist ja der Verstorbene, dem bereits unzählige Messen gesungen wurden, nur scheintot gewesen? Oder hat man seiner Seele nicht habhaft werden können?

Die antikommunistischen Sargtischler der BRD haben offenbar danebengehauen. Jeder Nagel, den sie in das für den Toten bestimmte Gehäuse getrieben haben, galt einem Begräbnis, das in Wirklichkeit so gar nicht stattgefunden hat. Hätten sie die 1990 durch die Konterrevolution erdrosselte, von tausend Blessuren übersäte, am Boden liegende DDR nicht nur im materiellen Sinne, sondern auch moralisch unter die Erde gebracht, stünde es schlecht um deren Platz in der Geschichte. Hätten sie die Gefahr des Weiterwirkens oder Wiedererwachens erprobter Wertvorstellungen tatsächlich gebannt, dann würden sie sich entspannt zurücklehnen und könnten auf das ins Maßlose gesteigerte Trommelfeuer verzichten. Statt dessen haben sie sämtliche Hunde von der Kette gelassen und eine heilige Hetzjagd auf das schon von Marx und Engels gesichtete Gespenst des Kommunismus eröffnet, den es ja in der DDR noch gar nicht gegeben hat.

Der BRD, ihrer begnadeten Führung und ihrer in der Wolle gefärbten reaktionären Politiker aus den meisten Parteien sind wir zu großem Dank verpflichtet, führen sie uns doch täglich vor Augen, wie sehr die DDR im Bewußtsein von Millionen Menschen - einschließlich fortschrittlicher oder nüchtern denkender Bürger der Alt-BRD - weiterlebt.

Fast fünf Jahrhunderte nach der Niedermetzelung der Aufständischen um Thomas Münzer bleibt deren Vermächtnis bewahrt, umweht uns der Atem des Großen Deutschen Bauernkrieges. Jahr für Jahr gedenkt man der 1848 Gefallenen wie der Toten von Marstall und Schloß. Für alle Zeiten ist die Erinnerung an die Helden von Börgermoor und Lichtenburg, Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald, an die Märtyrer von Auschwitz und Bergen-Belsen in das Gedächtnis der Völker eingebrannt.

Mit ihrer Haß- und Lügenkampagne haben die Schmäher der DDR dem 1990 niedergemachten und der BRD einverleibten zweiten deutschen Staat ein immaterielles Überleben bescheinigt. Sind ihre Tiraden nicht wie Sektflaschen, die an einem Schiffsbug zerschellen?

Kein Zweifel: Die staatliche Existenz der DDR endete am 3. Oktober 1990. Ihr Untergang war das schmerzlichste und schmählichste Kapitel in der Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Der Verlust wiegt schwer und ist auf lange Sicht unkompensierbar, der mit der Befreiung durch die Rote Armee gebahnte Weg in die Zukunft vorerst verschlossen. Wir haben eine wichtige Schlacht verloren, doch nicht den Krieg der Klassen. Und es bleibt dabei: Eine begriffene Niederlage trägt im Engelsschen Sinne schon den Keim neuer Siege in sich. Auf anderen Kontinenten werden sie bereits errungen.

Das Zeter- und Mordio-Geschrei unserer Gegner klingt trotz aller Dissonanzen wie eine ermutigende Melodie, ist es doch der Beweis dafür, daß sie die DDR weder moralisch noch historisch zu erschlagen vermocht haben. Denn: Auf Tote schießt man nicht.

Klaus Steiniger

Raute

Frühere DDR-Bürger lassen sich von Anschlußpolitikern nicht einseifen

Mal grobschlächtig, mal filigran

Ähnlich wie dem im Lied besungenen alten Holzmichel, der immer noch existiert, ergeht es fast 20 Jahre nach ihrem Ende der DDR im neuen großdeutschen Reich. Die Erinnerung an sie ist nicht verblaßt. Das Gegenteil ist der Fall. Zwar sind alle bedeutenden Institutionen außer dem Sandmann in weiser Voraussicht führender Damen und Herren restlos ausgelöscht worden. Nach anfangs blindwütiger Bilderstürmerei wurden auch ideologisch weniger "belastete" Objekte wie der Palast der Republik dem Erdboden gleichgemacht. Diesmal mußte Asbest herhalten. Kostenpunkt: etwa 150 Millionen Euro - der Gegenwert zu zehn Schulen.

Dennoch lebt in nicht wenigen früheren DDR-Bürgern das bisweilen etwas verschüttete Bewußtsein fort, daß es ihnen in ihrem Staat ganz anders ergangen ist, als es bourgeoise Medien, politische Scharlatane und käufliche Renegaten heute jedermann weismachen wollen. So vermeldete die Mitteldeutsche Zeitung, 37% der einstigen DDR-Bewohner seien mit ihrem Dasein im neuen "Vaterland" zufrieden. Umkehrschluß: 63% paßt die Richtung offenbar nicht, zumindest nicht ganz, bestehen doch für sie die blühenden Landschaften des Herrn Kohl noch immer aus zu vielen Brachen.

Mit Sicherheit dürfte dabei die Tatsache eine Rolle spielen, daß die vielgepriesene Vereinigung zweier Partner in Wirklichkeit der Vereinnahmung einer Kolonie glich. Manche stellen die Sache so dar, als habe der größere den kleineren, nach der Westmark greinenden (Stief-)Bruder bei der Hand genommen und ihm gezeigt, wo es in der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" langgeht. Daß es dort die dem Kleineren seit 40 Jahren abhanden gekommene brutale Klassengesellschaft noch immer gab, wurde ihm erst klar, als er die heißersehnte Westmark in Händen hielt und nun wissen wollte, ob denn alles andere, was sein Leben in der DDR abgesichert hatte, so bleibe wie bisher.

Doch der Zug war abgefahren, und der auf dem Bahnsteig Stehengebliebene begann, über Verlorenes nachzudenken. Wie selbst ziemlich schwarzen Zeitungen zu entnehmen ist, fallen die Vergleiche, die nun angestellt werden, oft nicht zugunsten des einstmals größeren "Bruders" aus. Der fühlt sich ob seiner nicht belohnten und gewürdigten "Mühsal" gekränkt und herausgefordert. Also greift man zum Mittel der Verleumdung, des Anschwärzens. Es muß etwas geschehen, um das langlebige Monster DDR aus den Köpfen und Herzen ihrer einstigen Bürger zu vertreiben, damit sie endlich in der BRD "ankommen" können.

Die Lage hat sich also im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte dramatisch verändert. Das zwingt zu neuen Methoden. Die erste Phase der ideologischen Einverleibung der neuen Untertanen in das kapitalistische System verlief, gelinde gesagt, grobschlächtig. Die in großer Zahl aus der Alt-BRD einströmenden Empfänger von "Buschzulagen" hatten mehrheitlich kaum Erfolgserlebnisse. Oft waren sie auch dritte oder vierte Wahl.

In der nächsten Etappe der Einverleibung ging man geschickter vor und baute zunehmend übergelaufene "DDR-Altkader" oder ihre Laufbahn fortsetzende DDR-Karrieristen in den Apparat ein. Deren Aufgabe ist es, Schwankende und Unentschlossene zu den üppigen Weiden des Kapitalismus zu führen. Die Wirkung solcher Leute übersteigt in der Regel die der vorangegangenen Beglücker. Wenn beispielsweise Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer den Zeigefinger hebt, um seinen ihm anvertrauten Bürgern zu empfehlen, sich doch nicht länger in der Nostalgiehöhle DDR aufzuhalten, erwartet man davon eine andere Durchschlagskraft als vom seinerzeitigen Delegitimierungsgeschwätz des Herrn Kinkel. Auch der Auftritt der DDR-promovierten und zusätzlich in der UdSSR qualifizierten Frau Merkel im Gruselkabinett der Dame Birthler ist wirkungsvoller, als nähme ihn eine Akteurin aus dem Westen wahr. Immerhin besitzt "unsere Angela" ja Wissen über die Zutaten von Agitation und Propaganda, das sie in FDJ-Zeiten erwarb.

Wenn man heute in Tageszeitungen trotz aller Vernebelung etliche Leserbriefe findet, die einen sachlichen und historisch exakten Umgang mit der DDR-Geschichte einfordern, dann zeugt das nicht nur von der Erfahrung der Schreiber, sondern widerspiegelt auch die Horizonterweiterung in 40 Jahren Sozialismus.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg

Raute

Wahlspeck für Rentner

Lange Zeit argumentierte die Obrigkeit, für spürbare Rentenerhöhungen sei kein Geld da, bzw. man könne nicht wegen der Senioren auf Kosten der nächsten Generation Schulden machen. Jetzt werden Millionen, ja Milliarden aufs Spiel gesetzt, und sollten daraus Schulden erwachsen, werden sie zu Lasten der nächsten Generation gehen. Wäre man seinerzeit ehrlich gewesen, hätte man gesagt, daß man die Rentner weiterhin unberücksichtigt lassen wolle, wie in den Jahren zuvor.

Jetzt ist plötzlich auch Geld für die Rentner da. Im Juli gibt es eine Erhöhung, im Osten um 3,38 %. "Ursache ist die gute Entwicklung der Löhne, zudem will die Regierung im Wahljahr ...". Das stammt nicht vom Regierungssprecher, sondern aus dem "Spiegel" 43/2008! Von wegen "zudem"! Die Wahlen im Herbst sind der wahre Grund für die Freigiebigkeit der großen Koalition.

Man hat zwar die Rentner seinerzeit links liegenlassen, befürchtet nun aber, sie könnten auch LINKS wählen.

Als man in Berlin 2008 eine Erhöhung um 1,1 % erwog, erhob ein offensichtlich politisch inkompetenter Ex-Bundespräsident in einem "Hauruck"-Interview Einspruch: Die Senioren würden am Ende so viel Rente erhalten, daß "die Älteren die Jüngeren ausplündern" (O-Ton Herzog); Heiner Geißler, ebenfalls CDU, verwahrte sich gegen derartige Beleidigungen der Rentner. Herzog gestand allenfalls eine einmalige Anhebung um eben 1,1 % zu - ein Bruchteil dessen, was Inflation und höhere Beiträge ausmachen.

Auch SPD-Vize Nahles hatte Bedenken. Doch sogar der gelegentlich den Senioren gegenüber mißgünstige Mißfelder trat für Gerechtigkeit gegenüber den Rentnern ein.

"Die Rentner sind die einzige Bevölkerungsgruppe, bei der die Politik in den letzten Jahren immer wieder gekürzt hat", so der - linker Gesinnung nicht verdächtige - SPD-Bundestagsabgeordnete Lauterbach, "der in jeder Hinsicht privilegierte Altbundespräsident Herzog ist von diesen Kürzungen freilich nicht betroffen gewesen."

Ich frage: Wieviel hat Herzog eigentlich als Beamter zur Finanzierung seiner hohen Pensionen als Bundesverfassungsrichter und Bundespräsident eingezahlt? Er lebt als Pensionär von dem, was alle Steuerzahler (die jetzigen Rentner eingeschlossen) erarbeitet haben.

Inzwischen will man den Rentnern so viel zulegen, daß sie "auch netto mehr" haben (so die Kanzlerin) - wie großzügig! Keine kalte Progression?

Ein Problem bleiben die Ostrenten, die 12 % niedriger sind als die Westrenten. Als Minister Tiefensee, Ostbeauftragter der Regierung, in einer Kabinettsvorlage dafür eintrat, die Ostrenten in den nächsten zehn Jahren den Westrenten anzugleichen, strich Frau Merkel diesen Passus.

Übrigens: Ab 2010 ist wieder mit Null-Runden zu rechnen.

Prof. Dr. Jürgen Werner, Berlin

Raute

Warum 1961 die Errichtung einer "Mauer" unabdingbar war

Der antifaschistische Schutzwall

Wieder einmal nehmen die SPD und andere in der BRD einen Jahrestag zum Anlaß, hauptsächlich den Heranwachsenden die eigene Mitschuld am Bau der "Mauer" vorzuenthalten. Statt dessen spielt man scheinheilig die Rolle von "Maueropfern".

Zweifellos obliegt es der Entscheidung eines jeden Staates, sein Grenzregime so einzurichten, wie es am wirksamsten den eigenen Interessen dient. Die Chinesen bauten eine Mauer gegen den Einfall nomadischer Reiter, die USA wegen des Wohlstandsgefälles zur Absicherung gegen illegale Einwanderer aus Mexiko, Israel im Westjordanland gegen die Palästinenser. Warum tat es die DDR?

Das Potsdamer Abkommen stellte klar: "Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten." Hinsichtlich Berlins lautete die Festlegung: "Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung des Gebiets von Groß-Berlin wird eine Interalliierte Kommandantur errichtet."

Doch die Unterschriften waren kaum getrocknet, da plante der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher bereits im Februar 1946 die Schaffung einer Untergrundorganisation in der Sowjetischen Besatzungszone. Sie sollte "als Instrument der Partei für die kommende Auseinandersetzung mit dem kommunistisch-stalinistischen Machtanspruch in Deutschland" dienen. Nicht einmal ein Jahr nach dem Ende des 2. Weltkrieges schwamm der Vorsitzende einer vermeintlichen Arbeiterpartei de facto im gleichen Fahrwasser wie Hitler, der "eine Ausbreitung des Bolschewismus in Europa zu verhindern" gesucht hatte.

Wer setzte da wohl den ersten Stein für eine Mauer?

Tatsächlich hatte die SPD gar keinen Grund, auf "die Russen" sauer zu sein. Auf ihrem 40. Parteitag im April 1946 wurde im Protokoll festgehalten: "Die KPD hat in der östlichen Zone einschließlich Berlins nicht wie wir sieben, sondern nur sechs Hauptblätter".

Und dennoch waren es SPD-Politiker - Franz Neumann und Kurt Swolinzky -, die am 15. Januar 1948 in Berlin als erste "die reibungslose Durchführung einer baldigen Währungsreform" forderten. Offensichtlich operierte man voreilig mit Geheimdienstwissen, denn die entscheidende Konferenz der Westalliierten über den Bruch des Potsdamer Abkommens begann erst Ende Februar in London. Die Sowjetunion als Mitglied des Alliierten Kontrollrats wurde über deren Einberufung nicht informiert und stellte anschließend fest: "Damit beweisen diese Delegationen lediglich, daß sie das Abkommen über den Kontrollmechanismus in Deutschland zerreißen und die Verantwortung für dessen Bruch übernehmen."

Wer baute hier also an einer Mauer?

Die in den USA gedruckte D-Mark wurde am 20. März 1949 in Westberlin durch die drei westlichen Militärgouverneure "als einziges gesetzliches Zahlungsmittel in den westlichen Sektoren" zugelassen. Dennoch gab es schon am 27. Juli 1948 (!) den Befehl der U.S. Army, in den Westsektoren "zum Zwecke des Umtausches von Deutscher Mark gegen Währung, die im sowjetischen Sektor von Berlin gesetzliches Zahlungsmittel ist, nichtamtliche Geldumtauschstellen zu lizensieren. Die Wechselstuben an den Sektorengrenzen boomten dann. Der Regelkurs lag bei 1:4. Im Durchschnitt verdiente 1960 ein DDR-Bürger 580 Deutsche Mark (Ost). Jene Köpenicker aber, die zu ihrem Arbeitsplatz bei angenommenem gleichem Lohn nach Siemensstadt in Westberlin fuhren, tauschten ihren D-Mark-Verdienst (West) und triumphierten so gegenüber ihren Wohnnachbarn mit 2320 DM (Ost). Und es waren nicht nur die "Grenzgänger". Auch alle in die DDR Einreisenden konnten sich von deren Warendecke profitabel bedienen, zumal die Regierung der DDR zur Herbeiführung eines höheren Lebensstandards etliche Preissenkungen beschloß. Selbst im Dienstleistungsbereich - Schuhmacher/Friseur - zogen die günstigeren Tarife die Damen aus Westberlin in die Hauptstadt der DDR.

Bei der Koordinierung der gegen die DDR gerichteten Aktivitäten spielte das Bundesministerium für "Gesamtdeutsche Fragen" eine maßgebliche Rolle. Den Auftakt zur koordinierten Wühlarbeit gegen die sozialistischen Staaten aber hatte die Rede des USA-Präsidenten Harry Truman vor dem Kongreß am 12. März 1947 gegeben. Die schon erwähnte Londoner Konferenz war ein Ergebnis dieser Strategie. In New York gründete man im Mai 1949 ein "Nationalkomitee für ein freies Europa". Dessen Partner war u. a. der Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS). Bonn resümierte später: "Es ging der Regierung darum, Maßnahmen zu ergreifen, um den sowjetischen Herrschaftsbereich zu destabilisieren. Auch die psychologische Kriegführung sollte intensiviert werden."

Dem Reißwolf überantwortete man das Kontrollratsgesetz Nr. 32. Jetzt durften Personen wie Lübke, Kiesinger, Globke u. a., die den Nazis aktiv gedient hatten, wieder in Spitzenfunktionen des Staates gelangen. Ist es da nicht logisch, daß man parallel dazu die Verfolgung der Kommunisten einleitete und die KPD verbot?

Der Kalte Krieg wurde mit allen Mitteln forciert, und man sah auch anderes vor. Am 9. Juli 1961 verlangte die "Bonner Rundschau", der Westen müsse dazu in der Lage sein, "alle Mittel des Krieges, des Nervenkrieges, des Schießkrieges anzuwenden. Dazu gehören nicht nur herkömmliche Streitkräfte und Rüstungen, sondern auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr."

Im III. Quartal 1961 kam es zu einem sprunghaften Ansteigen von Abwerbungen und Fällen von Republikflucht. Eine regelrechte Massenpsychose wurde geschürt. Dafür sind zwei Anlässe denkbar: die Ausdeutung der Worte Walter Ulbrichts, der am 15. Juli d. J. erklärte: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", und der Beschluß der Regierung der DDR vom 4. August, alle Bürger, die in Westberlin einer Beschäftigung nachgingen, zu registrieren.

Am 13. August 1961 gaben die Regierungen der Staaten des Warschauer Vertrags eine gemeinsame Erklärung ab, in der es hieß: "Die herrschenden Kreise der Bundesrepublik und die Spionageorgane der NATO-Länder benutzen die gegenwärtige Verkehrslage an der Westberliner Grenze, um die Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik zu unterhöhlen. Es gibt auf der Erde keinen Ort, wo so viele Spionage- und Wühlzentralen fremder Staaten konzentriert wären und wo sie sich so ungestraft betätigen können wie in Westberlin. Die Regierungen der Warschauer Vertragsstaaten verstehen natürlich, daß die Ergreifung von Schutzmaßnahmen an der Grenze Westberlins für die Bevölkerung gewisse Unbequemlichkeiten schafft. Aber angesichts der entstandenen Lage trifft die Schuld daran ausschließlich die Westmächte und vor allem die Regierung der Bundesrepublik."

Das heutige Geschrei über das wohl häßlichste, zugleich aber notwendigste Bauwerk jener Zeit erinnert an die Worte des davonlaufenden Diebes: "Haltet den Dieb!"

Hans Horn


Wenn nur die Sieger Geschichte schreiben, dann widerfährt den Verlierern selten Gerechtigkeit.

Johannes Rau, 10. März 2000

Raute

Wie Scharpings Flieger Serbien bombardierten

Die Luftwaffe im Krieg

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Raute

Der Rattenfänger von Oßling

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Raute

"Schwerter zu Pflugscharen" - eine griffige Parole für die Bundeswehr

"Abrüstung" in Dresden

In der Nacht vom Ostersonntag zum Ostermontag 2009 drangen Unbekannte in die Offiziershochschule des Heeres an der Stauffenberg-Allee in Dresden ein und verbrannten 42 Fahrzeuge. Sie (oder "Trittbrettfahrer") veröffentlichten eine Erklärung, die überrascht und verblüfft, auf alle Fälle zum Nachdenken zwingt. Wir lesen: "Schwerter zu Pflugscharen, Panzer zu Gartenscheren! Wenn ihr nicht abrüstet, tun wir es." Die Aussage, daß von Europa Krieg ausgeht und nach 1990 in Europa wieder Krieg geführt wird, kann niemand bestreiten. Andere Sätze könnten bei den Aufrufen Rainer Eppelmanns, Friedrich Schorlemmers oder Christian Führers aus den 80er Jahren abgeschrieben sein. Die Pfarrer gehören immerhin zu den gefeierten "Helden der friedlichen Revolution". Die Forderungen in der "Erklärung" sind aktualisiert und auf Dresden zugeschnitten: "Keine weiteren Militärrituale an der Semperoper!" Oder: "Kriege werden nicht durch Waffen verhindert, auch nicht durch sogenanntes Peacekeeping" (Friedensbewahrung).

Die Verfasser der "Erklärung" haben recht: "Was vor zwanzig Jahren galt, gilt auch heute noch ... Wir müssen den Kriegen ihre materielle Grundlage entziehen." Will jemand der Logik, der christlichen Ethik, den historischen Erfahrungen widersprechen? Womöglich jene Pfarrer, die sich (Schorlemmer sogar mit Hilfe eines Schmiedes in einer spektakulären Aktion) zur Losung "Schwerter zu Pflugscharen" bekannten?

Just zu dem Zeitpunkt, als ich von der Aktion in meiner Heimatstadt las, gelangte Christian Führers "Und wir sind dabeigewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam" (Ullstein-Verlag, 2009) auf meinen Schreibtisch. Zwar interessierte mich sein gesamter Lebensweg, aber hier beschränke ich mich auf die wenigen Seiten des Kapitels "Schwerter zu Pflugscharen". (S. 144-148) Dort erhebt sich Führer selbst zur Ikone der "friedlichen Revolution", vor allem aber bietet sich ein Vergleich zur Dresdner "Erklärung" an.

Das Kapitel setzt mit dem 13. Februar 1982 ein, als auch in Dresden in der Kreuzkirche und an der Ruine der Frauenkirche die Losungen "Schwerter zu Pflugscharen" und "Frieden schaffen ohne Waffen" auftauchten. Der Leipziger Pfarrer erinnert an die offiziellen Parolen der "Friedensdekaden" der Kirche: "Rüstung tötet auch ohne Krieg" hieß es damals.

Wir verzichten hier darauf, zu fragen, warum christliche Kaiser und Präsidenten nichts von der biblischen Vision "Schwerter zu Pflugscharen" hielten und halten, aber wir wiederholen und unterstreichen: Bis heute ist das eine Vision - für uns.

Christian Führer beschreibt, welche "Durchschlagskraft" (woher kommt der Begriff?) der Slogan hatte und welche Rolle die Sowjetunion dabei spielte. Die UdSSR hatte "Abrüstung" in Dresden "Schwerter zu Pflugscharen" - eine griffige Parole für die Bundeswehr der UNO die Skulptur "Schwerter zu Pflugscharen" geschenkt, die am Hudson River zu besichtigen ist. Führer urteilt: "Es war schon erstaunlich, daß ein vom Selbstverständnis her atheistischer Staat für eine Skulptur ein Bibelwort in Auftrag gab. Noch dazu, um das Werk anschließend der UNO zu schenken."

Weiß Führer nicht, daß die Sowjetunion - Atheismus hin, Atheismus her - seit Lenins "Dekret über den Frieden" dem eigenen Land und der Welt das Schweigen der Waffen sichern wollte? Warum fragt er nicht, weshalb "christlich-abendländische" Staaten dem Bibelsatz und dem Beispiel der UdSSR nicht folgten?

Der Leser möge das nachfolgende Zitat verinnerlichen. Führer teilt mit, "daß Leonid Breschnew beim Staatsbesuch in Bonn im Mai 1978 die Tränen in die Augen schossen, als die Rede auf den Zweiten Weltkrieg kam". Das habe damals die Politprofis verblüfft. "Keiner konnte nachvollziehen, wieso jemanden die Emotionen so viele Jahre nach Kriegsende noch derart aufwühlen konnten." Weiß Führer, welches vernichtende Urteil er damit über die seinerzeitigen Bonner Politiker fällt? Niemand habe den Schmerz des ersten Mannes des leidgeprüften Sowjetvolkes nachfühlen können!? (Wer waren denn die mordbrennenden Okkupanten gewesen?)

Auch darin, was Führer über die Losung "Schwerter zu Pflugscharen" schreibt, ist manches Bedenkenswerte zu finden. Er hielt es für eine "pfiffige Idee", Aufnäher herzustellen, mit denen dann Polizisten, Schulleiter und Betriebsfunktionäre provoziert wurden. Er freut sich heute noch diebisch darüber, wie er der Staatsmacht ein Schnippchen schlug. Er trug einen Aktenkoffer mit der Aufschrift "Schwerter zu Pflugscharen", landete auf dem Polizeirevier, wo die Sache schnell zu Ende ging: "Einen Pfarrer verhaftete man nicht so gern, wie man einen Schüler drangsalierte."

Am Ende des Kapitels behauptet Führer, daß etwas heranwuchs, "von dem man noch nicht absehen konnte, was daraus würde". Mag sein, daß er so naiv war. Wenn er heute die Springer-Zeitungen vom Februar 1982 lesen würde, könnte er die Pläne derjenigen prüfen, die auf "Dissidenten" bauten. "Friedensfreunde" waren es jedenfalls nicht.

Das zeigt sich seit 1990. Vom vereinten Deutschland/Europa geht wieder Krieg aus. Auch die BRD-Regierung schwingt wieder das Schwert. Und da gelangen wir zu dem Punkt, an dem die jüngste Dresdner "Erklärung" ansetzt. Bundeswehrminister Franz Josef Jung bestätigte die Richtigkeit ihrer Aussage, als er am 22. April vor dem Bundestag erklärte: Die Soldaten "riskieren Leib und Leben im Interesse der Sicherheit der Bürger" und verdienen Unterstützung. Die Tatsache, daß Jung den grundgesetz- und völkerrechtswidrigen Einsatz deutscher Soldaten als rechtens und mutig bezeichnet, zwingt dazu, einige Bemerkungen über Gewalt und Todesverachtung anzufügen.

Christian Führer pries die Courage der Leipziger "Helden", die mit der Aufforderung "Keine Gewalt!" der Staatsmacht begegneten. Aber der Staat DDR verzichtete aus Gründen der Vernunft auf Gewalt. Diejenigen, die Ostern in die Dresdner Kaserne eindrangen, wußten genau, daß hier Schußwaffengebrauch angedroht war. Wie groß war das Risiko? Der Einbruch fand in einen Komplex statt, in dem einst ein Teil von Hitlers militärischer Elite für den Kriegseinsatz ausgebildet worden war. Wofür üben die Offiziere jetzt?

Die Bundeswehr hat inzwischen die Ehrung der Attentäter von 1944 um Stauffenberg (in Dresden der Generale Olbricht und Oster) zur wichtigsten Tradition erhoben. Widerstand ist heilig, wenn und weil er sich gegen den verlorenen Krieg richtete. Gewalt, wie sie die Männer des 20. Juli praktizierten, wird in einem solchen Falle gerechtfertigt.

Der Widerstand von Kommunisten und Sozialdemokraten, der Faschismus und Krieg generell und schon vor 1933 bekämpft hatte, und sich in Ernst Thälmann verkörpert, wird bis heute totgeschwiegen.

Die Autos, die in Dresden verbrannten, besaßen einen Gebrauchs- und Geldwert. Im Fernsehen bedauerte ein Offizier den eingetretenen Verlust. Würde ihn derselbe Offizier beklagen, wenn er bei einem von ihm befehligten Militäreinsatz entstünde? Die Bundeswehr kostet den Steuerzahler jährlich 30 Milliarden Euro. Sie werden nicht zur Schadensverhütung bereitgestellt.

Prof. Dr. Horst Schneider

Raute

Ehemalige NDPD-Mitglieder bleiben politisch am Ball

Wahloption aufrechter Demokraten

In der sogenannten Wendezeit schwadronierten in der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) politische Illusionisten oder Demagogen von einer Erneuerung der Partei, hinter den Kulissen jedoch kungelten sie ohne Parteitagsbeschluß oder Mitgliederbefragung die Übergabe der NDPD an den Bund Freier Demokraten - Die Liberalen aus. Im September 1990 erfolgte seine Vereinnahmung durch die FDP. In nicht unbegründeter Hoffnung auf einen Judaslohn waren die "Erneuerer" also in Wirklichkeit die Liquidatoren der NDPD. Seither spricht in der politischen Öffentlichkeit niemand mehr von ihnen, es sei denn bei ehemaligen NDPD-Mitgliedern mit Verachtung. Die übergroße Mehrheit unserer Freunde verweigerte sich dieser Westpartei, der Partei des kapitalistischen Marktradikalismus.

Statt dessen traf sich ein Kreis politisch gleichgesinnter ehemaliger NDPD-Mitglieder, der bei kritischer und selbstkritischer Sicht auf die DDR-Vergangenheit am antiimperialistischen Gründungsanliegen der Partei festhielt, mit dem wir nationale Politik als antifaschistische Politik begreiflich gemacht haben. Wir entschieden uns bei den Bundestagswahlen 1994, 1998 und 2002 für eine kritische Nähe zur PDS. Bis zu 180 ehemalige NDPD-Mitglieder hatten den Mut zur politischen Öffentlichkeit und unterzeichneten trotz mancher Vorbehalte Wahlinitiativen für die PDS, veröffentlicht in "Neues Deutschland", "Wochenpost" und anderen Publikationen, in über 100.000 Faltblättern sowie auszugsweise in "junge Welt". Jedesmal berichteten über uns auch die "FAZ" und "Der Spiegel", natürlich hämisch kommentierend. Selbst in Broschüren und sogar in Büchern wird der Text unserer Wahlinitiativen veröffentlicht oder erwähnt.

Obwohl uns viele aus diesem Kreis für immer verlassen haben, fanden sich am 2. Mai wie seit 15 Jahren ihrer Sache treugebliebene frühere NDPD-Mitglieder zum traditionellen Jahrestreffen in Berlin ein. Mit 50 Teilnehmern aus allen östlichen Bundesländern war der Kongreßsaal im Karl-Liebknecht-Haus wieder gefüllt.

In der Diskussion konnte ich von einem Gedankenaustausch berichten, zu dem die Vertreter der 20 Verbände und Vereine des Ostdeutschen Kuratoriums und auch ich als Organisator unseres Kreises vom Vorstand der Partei Die Linke eingeladen waren. Zur Debatte stand "Das Superwahl- und Jubiläumsjahr 2009".

Am Nachmittag begrüßten wir als Gesprächspartner Dr. Hans Modrow. Zur Einstimmung hatte ich westdeutsche Pressestimmen aus dem Jahr 1989 zitiert, in denen Modrow für viele Menschen in der DDR, in der BRD und in der Sowjetunion als Hoffnungsträger charakterisiert worden war, natürlich mit gegensätzlichen Erwartungen.

Dort hieß es: "Unstrittig ist in der DDR bei Anhängern wie bei Gegnern der SED, daß Hans Modrow für sich in Anspruch nehmen darf, eine ehrliche Haut zu sein. Er hat sich gegen besondere Privilegien gewandt." ("Süddeutsche Zeitung", 17.11.1989) "Der Mann aus Dresden liebt das einfache Leben." ("Der Spiegel", 40/89) "Hans Modrow demonstriert (...) Offenheit, Gesprächsbereitschaft, Wirklichkeitssinn." ("Frankfurter Rundschau", 28.9.1989)

Das 41. Jahr der DDR betrachtete Modrow aus seiner Sicht als damaliger Ministerpräsident. Er schilderte die dramatische Entwicklung in der DDR sowie den Warschauer Pakt und den RGW in ihrem Schwebezustand, wie er sagte, und schließlich deren Auflösung. Das brachte auch die DDR, von Gorbatschows Sowjetunion fallengelassen, in einen Zustand der Perspektivlosigkeit. Modrow verwies darauf, wie unwissenschaftlich die Diskussion allein um die Ursachen des Untergangs der DDR sei.

Zur Debatte stand die Krise der Linken in Europa nach dieser Jahrhunderttragödie. Früher politisch einflußreiche, mitgliederstarke kommunistische Parteien wie in Italien oder Frankreich sind von der politischen Bildfläche nahezu verschwunden. Unsere Hoffnungen richten sich heute auf Lateinamerika. Die Diskussion führte schließlich zur gegenwärtigen Lage der Linken in Deutschland. Selbst die einzige relativ bedeutende linke Kraft, die nach Vereinigung von WASG und PDS entstandene Partei Die Linke, ist zerstritten, vor allem unter den Aspekten der Sicht auf die DDR-Geschichte und für Linke vertretbare Kompromisse in Regierungskoalitionen.

Hinsichtlich der Wahlen zum Europa-Parlament und zum Bundestag waren wir uns mit Modrow darin einig, daß für uns ehemalige NDPD-Mitglieder trotz mancher Vorbehalte nur "Die Linke" wählbar bleibt. Sie steht als einzige Bundestagspartei gegen die Beteiligung Deutschlands an völkerrechtswidrigen Kriegen. Sie prangert die Schuldigen der umfassenden Finanz- und Wirtschaftskrise an und bittet sie zur Kasse. Sie tritt gegen Sozialabbau auf und klagt fortgesetzt Rentengerechtigkeit für drei Millionen ostdeutsche Rentner ein.

Der Vorsitzende des Ältestenrates der Partei Die Linke wurde nach seinem Auftritt mit Dank und herzlichem Beifall verabschiedet.

Erhard Lonscher


Unser Autor war Mitglied des Sekretariats des Hauptausschusses der NDPD.
Mit Hans Modrow befand er sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Beide waren Kursanten und anschließend Lehrkräfte an der Antifa-Zentralschule für deutsche Kriegsgefangene.

Raute

Drohbriefe an Kinder

Marleene I., 9 Jahre alt und Schülerin einer 3. Klasse, erhielt kurz vor Weihnachten einen Brief. Der sah zwar sehr amtlich aus, doch das Kind freute sich, "Post vom Weihnachtsmann" zu erhalten. Aber dann las Marleene, daß eine "Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg", eine "Zahlungsaufforderung" über 136,90 Euro an sie geschickt hatte, Fälligkeit der Forderung: 21. Dezember. Eine schöne Bescherung! Das Schreiben war ohne Unterschrift, da "maschinell gefertigt". Marleenes Bruder, der 11jährige Leonard, bekam tags darauf den gleichen Brief mit der gleichen Forderung.

Beide haben eine alleinerziehende Mutter, die den Lebensunterhalt als Hartz-IV-Empfängerin bestreiten muß. Auf ihren Protest erhielt sie folgende Antwort in falschem Deutsch: "die Forderung Ihrer Kinder beruht auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom ... mit freundlichen Grüßen JobCenter Pankow".

Diese Bescheide liegen der Mutter nicht vor, da sie sich auf das Jahr 2007 bezogen, in dem der Kindesvater - damals als Lebenspartner noch in Bedarfsgemeinschaft mit der Familie, aber inzwischen ausgezogen - Antragsteller gewesen war. Die Behörde entschuldigte sich telefonisch für ihren Mißgriff, sandte aber am selben Tage den Kindern die gleichen Briefe noch einmal. Am 25. Januar erging dann eine Mahnung mit Mahngebühr und der Androhung: "Sollten Sie nicht fristgemäß zahlen, werde ich unverzüglich Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ... veranlassen."

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich kann die Berechtigung dieser Forderungen nicht in Zweifel ziehen, da mir sachbezogene Kenntnisse fehlen. Mich empört aber die skandalöse Art und Weise, wie hier mit Schulkindern umgesprungen wird.

Die hierzulande Herrschenden brachten in wenigen Tagen eine halbe Billion Euro auf, um die Mißwirtschaft der Banken "abzuschirmen". Milliardensummen gehen für Militäreinsätze auf fremden Territorien in überfallenen Ländern drauf.

Wird es da schon zur Normalität, daß selbst Schulkinder zur Kasse gebeten werden?

Georg Dorn, Berlin

P. S.: Namen und Anschriften sind mir bekannt. Die erwähnten Briefe liegen mir im Original vor.

Raute

Grafiker und Revolutionär: Klaus Parche

Am 9. Juli begeht unser künstlerischer Mitarbeiter Klaus Parche aus Ueckermünde - ein bedeutender deutscher Grafiker - seinen 70. Geburtstag. Seit vielen Jahren finden die Leser jeweils auf der letzten Seite des "RotFuchs" seine in unverwechselbarer Handschrift gestaltete "Grafik des Monats".

Mit feinem Gespür für politische Situationen, sicherem Nerv für Notwendigkeiten des Augenblicks und der Fähigkeit zu eindrucksvoller Umsetzung seiner Ideen ist Klaus Parche aus dem "RotFuchs" nicht wegzudenken. Als Ausdruck fester Verbundenheit mit unserem treuen Mitstreiter bringen wir einen von ihm bereits 2004 geschaffenen Zyklus "Gestern - heute - morgen".

Herzlichen Glückwunsch, lieber Klaus!


Einladung
Bis Mitte Juli kann man in Waldheim, Schillerstr. 17, eine Ausstellung gesellschaftskritischer Grafiken Klaus Parches besuchen.

Veranstalter ist der Planet Waldheim e. V.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Gestern - heute - morgen

Raute

Als die schwarz-braunen Kohorten in Hagenow wüteten

Reichsbanner-Kameraden im Visier

Das 1933 Kreisstadt gewordene, im Südwesten Mecklenburgs liegende Hagenow war von 1933 bis 1945 kräftig braun. Das konnte nicht nur an den vielen NS-Einrichtungen gelegen haben, die sich nach und nach in dieser mittleren Landstadt festsetzten. Vor 1933 war das da noch anders gewesen: KPD und SPD boten Paroli. Aber schlagkräftige Brutalität bahnte sich auch hier den Weg zur Macht, drapiert mit roten, galgenkreuzgeschmückten Revanchefetzen und gelben, die Menschen auf Schritt und Tritt ächtenden Sternen. Hans Angerstein, Stadtchronist in Lübtheen, schrieb am 16. Juli 1966 in der "Schweriner Volkszeitung": "Am 10. Juli vor 34 Jahren machten die Nazis Hagenow zu einem Mordkessel. Sie organisierten einen Überfall auf den Reichsbannersitz und das Gewerkschaftshaus, bei dem der Genosse Scheffel, Kreisleiter des Reichsbanners, in unglaublicher Roheit niedergeschlagen und mißhandelt wurde, während der 30jährige Fritz Heincke durch hinterhältige Pistolenschüsse so schwer verletzt wurde, daß er nach einigen Tagen verstarb."

Der Parteiveteran Otto Ibs ist dabeigewesen. Vier Wochen vor der Reichspräsidentenwahl am 10. Juli 1932 wurde beim Hagenower Bürgermeister ein Treffen des Reichsbanners angemeldet und genehmigt. Einige Tage vor dem Treffen rief der Bürgermeister den Genossen Ibs zu sich und eröffnete ihm, daß am selben Tag SA und SS in der Stadt marschieren würden. Den Vorwurf, auch diese Demonstration genehmigt zu haben, versuchte der Bürgermeister damit zu entkräften, daß ja die Braunen in anderen Straßen marschieren würden als das Reichsbanner.

Am frühen Nachmittag rüsteten die Reichsbanner-Männer zum Aufbruch, da erscholl am Ende der Straße, die zum Versammlungslokal führte, Gebrüll: "Schulteriemen runter! SA und SS vor!" Der Kreisleiter des Landarbeiterverbandes, Karl Buhr, trat der heranstürmenden Horde entgegen. Natürlich, kein Aufhalten. Danach der Kampf um das Versammlungslokal, das Haus der Gewerkschaft" Da Gläser- und Bierflaschenwurf auf die Dauer nichts ausrichten konnte, hieß es, heil die Familie wiedersehen: Durch ein Fenster im Hintergebäude ging es hinaus in die Gärten.

Otto Ibs gelang das nicht. Er berichtet: "Ich befand mich auch in der Gaststätte. Wir haben so lange Fenster und Türen freigehalten, bis wir keine Flaschen, Gläser und Stühle mehr zur Verfügung hatten. Schließlich brachen die Nazis den Torweg auf und griffen uns von hinten an. Die Kameraden, die sie erwischten, wurden zusammengeschlagen. Ich wollte über die Treppe zum Boden hinauf, wurde aber von der Sipo runtergeholt und vor den Schlägen der Nazis geschützt. Dann hat mich die Sipo in den Schweinestall gesperrt. Erst nach einigen Stunden konnte ich mich aus dem Gefängnis befreien. Frau und Kinder hatten bereits das Schlimmste befürchtet. Sie sagten mir, daß Funktionäre der Nazis, Schaum vor dem Mund, mehrmals dagewesen seien. Es wurden an diesem Tage viele Kameraden ins Krankenhaus eingeliefert. Unseren Kreisleiter, den Genossen Scheffel, hatten sie so zugerichtet, daß sich bei ihm das Fleisch von den Knochen löste, wie mir am nächsten Tag der jüdische Arzt Dr. Sommerfeld erzählte.

Am schlimmsten erging es unserem Kameraden Fritz Heincke. Auch er hatte am Umzug teilgenommen und stand danach ahnungslos am Haus des Kaufmanns Röwe, da, wo sich heute die Gedenktafel befindet. Die Mordbuben schossen dem Genossen in den Bauch. Fritz Heincke starb nach wenigen Tagen an den Verletzungen. Die Tafel wurde im Juli 1968 abgenommen und neben dem Gebäude ein Gedenkstein errichtet, eine Blumenrabatte angelegt, deren Pflege seit 1990 nicht mehr erfolgt.

In DDR-Zeiten trug die Straße am ehemaligen Gewerkschaftshaus den Namen des Ermordeten. Am 13.12.1990, als die Generalumbenennung von Straßen und Plätzen erfolgte, ging dieser Name nicht verloren, jedoch der des anschließenden Rudolf-Breitscheid-Platzes. Der wurde in Lindenplatz umgetauft. Bekanntlich war Rudolf Breitscheid außenpolitischer Sprecher der SPD im Reichstag und kam am 24.8.1944 im KZ Buchenwald um.

Als sich die schwarzen und braunen Schlägertrupps ausgetobt hatten und abgezogen waren, lag es wie Blei auf der Stadt: Stille in allen Straßen, allen Gassen. Bis zum Dunkelwerden ließ sich kein Mensch sehen, dann huschten einige in die Kneipen, vor allem in die Nazilokale "Reichshof" und "Deutsches Haus".

Machtvoll war die Demonstration, als Fritz Heincke zu Grabe getragen wurde. Und alle Räder im Lande Hagenow standen still. Die Nazis lugten hinter den Gardinen, zumal sie ein Gerichtsverfahren zu erwarten hatten, hervor. Aber der Anführer der blutigen Gewaltaktion, Gauführer Friedrich Hildebrandt, log nicht nur, daß sich die Balken bogen, sondern erfand auch Vorkommnisse und schob den Überfallenen alle Schuld zu. Das wurde schon damals in der Zeitung "Das freie Wort" widerlegt, wie heute Walter Schlee, Augenzeuge, zu Zeiten der DDR Vorsitzender einer PGH und Mitglied der Volkskammer, mir gegenüber bekundete.

Obwohl die Einwohner Hagenows über die Ereignisse vom 10. Juli 1932 Bescheid wußten, jubelten sie Hildebrandt zu, als er am 30. Mai 1933 nach seiner Bestallung als Reichsstatthalter von Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Lübeck aus Berlin kam.

Eine Zeitung schrieb: "Die Formationen der NSDAP, die beiden hiesigen Schulen und eine unabsehbare Menschenmenge machte sich in den Vormittagstunden auf den Weg, um ihn auf dem Landbahnhof zu begrüßen. Auf beiden Bahnsteigen, auf dem dazwischenliegenden Platz, auf dem Flachdach des Bahnhofsgebäudes und auf dem Dach des großen Schuppens standen sie. ... Im Namen der Stadt Hagenow überbringt Bürgermeister Dr. Sturm die herzlichsten Glückwünsche. Die Leiterin der NS-Frauenschaft, Maria Timm, auch in Mecklenburger Tracht, überreicht mit einem plattdeutschen Spruch einen Strauß einfacher Bauernblumen. Und dann durchschreitet der Reichsstatthalter die Gasse, die von unseren 800 Schulkindern gebildet wird. Sie grüßen ihn mit erhobenem Arm."

Genossen Otto Ibs wurde die Hölle bereitet: Hausdurchsuchungen - wohl ein Dutzend. Dabei einmal Diebstahl von 900 Mark. Immer wieder Verhaftung und Vorführung beim NS-Leiter. Schläge auf offener Straße. Ständige Vertreibung von Arbeitsstellen. Drohung mit dem KZ.

Siegfried Spantig


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Mahnung eines Widerstandskämpfers

"1933 wäre verhindert worden, wenn alle Hitlergegner die Einheitsfront geschaffen hätten. Daß sie nicht zustande kam, dafür gab es für die Hitlergegner in der Generation meiner Eltern nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist. Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muß jeder wissen, das Faschismus bedeutet. Für alle künftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern."

Peter Gingold

Raute

Wie mitteldeutsche Arbeiter für ihre Zeitung eine Millionensumme aufbrachten

Mutige Stimme des Proletariats

Begonnen hatte die Diskussion in der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) auf deren Außerordentlichem Parteitag (30.11.-6.12.1919) in Leipzig. 326 Delegierte und Gäste berieten darüber, ob sich die Partei der von Lenin gegründeten Kommunistischen Internationale anschließen sollte. Doch vorerst wurde eine von Walter Stoecker eingebrachte Resolution, die durch Ernst Thälmann, die Brüder Bernard und Wilhelm Koenen, Alfred Oelßner, Martha Arendsee und weitere Parteilinke befürwortet wurde, mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Doch die Debatte war damit nicht beendet. Die Landesparteitage in Mecklenburg (Februar 1920) und Thüringen (Mai 1920) sprachen sich als erste für den Beitritt zur KI aus. Von August bis Oktober schlossen sich viele Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesorganisationen an, so in der Pfalz, Halle-Merseburg, Niederrhein, Oberschlesien, Wasserkante und Württemberg. Auf dem folgenden Parteitag (12.-17.10.1920) kam es zu heftigen Auseinandersetzungen in dieser Frage. Diesmal setzte sich der von den revolutionären Linken eingebrachte Vorschlag durch. 237 Delegierte stimmten für, nur noch 156 gegen den Anschluß, was faktisch den Zusammenschluß mit der Kommunistischen Partei Deutschlands bedeutete. Ein Vereinigungsparteitag beriet dann vom 4. bis 7. Dezember 1920 in Berlin.

Die neue Partei, der zunächst etwa 300.000 Mitglieder angehörten, erhielt den Namen Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD). Auch im preußischen Regierungsbezirk Halle-Merseburg vollzogen die revolutionären Kräfte diesen Schritt. Schon am 12. Dezember kamen sie in Halle zusammen und gründeten eine gemeinsame Bezirksorganisation der VKPD, die über 30.000 Genossinnen und Genossen umfaßte und damit die stärkste ganz Deutschlands wurde. Zum Vorsitzenden wählten die Delegierten den aus der USPD gekommenen, im revolutionären Kampf bereits erfahrenen 41jährigen Alfred Oelßner.

In seiner Rede verwies er darauf, daß die Parteiorganisation angesichts der bevorstehenden Auseinandersetzungen mit dem kapitalistischen Klassenfeind und der rechten Sozialdemokratie ein Organ brauche, das im Sinne Lenins kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator sein sollte. Und er unterbreitete zugleich einen konkreten Vorschlag: Die Zeitung sollte von einer Genossenschaft herausgegeben und "Klassenkampf" genannt werden. Zukünftiger Sitz könnte das Haus Lerchenfeldstraße 14 in Halle sein.

Doch ganz so einfach war es mit der Herausgabe einer Arbeiterzeitung nicht. Zunächst mußten bürokratische Hürden genommen werden. Der Richter, bei dem die Gründung der Kooperative anzumelden war, verweigerte diesen Schritt. Er kenne Genossenschaften der Schneider und Tischler, aber keine zur Herausgabe einer Zeitung. Und wie sollte die Finanzierung erfolgen? Man benötigte dafür über eine Million Mark.

Doch Alfred Oelßner ließ sich nicht abweisen. Schon wenige Tage später verwandelte sich das Parteibüro in einen Bienenstock. Die ersten zwanzig Genossen beantragten ihre Mitgliedschaft in der Kooperative und zeichneten 3924 Mark. Dann riß der Strom der Einzahlungsbereiten aus dem ganzen Bezirk nicht mehr ab. Obwohl mindestens hundert Mark beizusteuern waren, kamen Tausende. Die meisten sparten sich das Geld vom Munde ab, griffen ihre geringen Ersparnisse an, liehen sich die Summe im Verwandten- und Bekanntenkreis. Auch Rentner, Witwen, Alleinstehende trugen Groschen für Groschen, Mark für Mark zusammen, um der Partei zu helfen, ihre Zeitung zu gründen.

Bis Ende 1921 erreichte die Zahl der eingetragenen Genossenschafter fast 7000. Als finanzielle Beteiligung kam die geradezu unvorstellbare Summe von 1.100.000 Mark zusammen. So konnte der "Klassenkampf" bereits am 3. Januar 1921 erstmals erscheinen. Er wurde zunächst noch in einer fremden Druckerei hergestellt. Ab 1. November 1921 produzierte man die Zeitung dann in einem parteieigenen Druck- und Verlagsgebäude in der Lerchenfeldstraße 14. Dieses Haus diente bis zu seiner gewaltsamen Schließung durch die Nazis im Jahre 1933 auch den Bezirksleitungen der KPD und des KJVD als Sitz. Es war Versammlungsmittelpunkt und Zentrum der Wahlkämpfe. Außerdem befand sich dort eine modern eingerichtete Bibliothek, die nicht nur Parteimitgliedern offenstand.

Der "Klassenkampf", der bereits ab November 1921 mit lokalen Beilagen für Halle-Merseburg, Mansfeld und Sangerhausen, Querfurt, Weißenfels-Zeitz, Naumburg, Wittenberg-Schweinitz und Torgau-Liebenwerda herauskam, erreichte bereits im Gründungsjahr eine Auflage von über 50 000 Exemplaren. Das war ein Beweis dafür, daß er nicht nur von Kommunisten gelesen wurde. Die Zeitung war eines der verbreitetsten Organe der KPD.

Das rief bei den Rechten und der SPD, die den Bezirk regierten, Wut und Haß hervor. Wann immer sich ein Anlaß ergab, verbot die "freiheitlich-demokratische" Weimarer Republik das Erscheinen des mutigen Blattes, so gleich im März 1921. Das Druckverbot galt für 21 Wochen. Es war ein Versuch, die Partei mundtot zu machen. Sozialdemokratische Polizeipräsidenten setzten ihre Beamten in Marsch, um "Klassenkampf"-Exemplare zu beschlagnahmen. Und schließlich scheute man sich nicht, mit Gewalt gegen Verlag und Druckerei vorzugehen, wie es am 11. Mai 1924 geschah, als aufgehetzte Antikommunisten das Haus in der Lerchenfeldstraße zu stürmen versuchten.

Am Schluß noch eine ganz persönliche Ergänzung: Meine Großmutter Anna Schulze, Mitbegründerin der KPD-Ortsgruppe in Weißenfels/Saale, gehörte viele Jahre zu jenen Hunderten von Genossinnen und Genossen, welche den "Klassenkampf' vertrieben und verteilten.

Zu Fuß war sie oft unterwegs, um die Zeitung in meiner Heimatstadt sowie mancherorts im Kreis Weißenfels auszutragen. Mit dem Ziel, die Beschlagnahme durch Polizisten zu verhindern, versteckte sie 1923/24 ihre Kopien unter der Matratze des Kinderwagens, in dem ihre jüngste Tochter Edith lag.

Günter Freyer

Raute

Zur Rolle von "Bürgerrechtlern" bei der Untergrabung der DDR

Wegbereiter der Konterrevolution

Vor knapp 20 Jahren - im Herbst 1989 - erschien die Nr. 261 von "Informationen", einer internen Publikation des ZK der SED für Kader der Partei, des Staatsapparates und der Nationalen Front. Das kleinformatige Blatt brachte einen Bericht über die Formierung jener später als "Bürgerrechtler" firmierenden konterrevolutionären Stoßtrupps mit bundesdeutschem Medien- und Geheimdiensthintergrund, die unter scheinbar harmlosen Parolen den Sturz des Sozialismus in der DDR anstrebten.

Wir zitieren im folgenden aus dem Aufmachungsbeitrag "Zum 'Neuen Forum' und zu anderen illegalen oppositionellen Gruppierungen in der DDR".


Seit längerem unternehmen äußere und innere sozialismusfeindliche Kräfte intensive Versuche, in der DDR oppositionelle Gruppierungen und Strukturen zu schaffen und sie zu legalisieren. Unter Bruch der Verfassung und des geltenden Rechts, zum Beispiel der Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen vom 6. November 1975, wurden in jüngster Zeit mehrere oppositionelle personelle Zusammenschlüsse illegal gebildet. Bekannt wurden u. a. das "Neue Forum", die sogenannte Sammlungsbewegung "Demokratischer Aufbruch", die "Bürgerbewegung Demokratie jetzt" und die "Sozialdemokratische Partei". Das geschieht nicht zufällig zur gleichen Zeit, da maßgebliche imperialistische Kräfte mit einer haßerfüllten Kampagne gegen die DDR den Sozialismus diffamieren und Zweifel an seiner Perspektive verbreiten.

Eine zentrale Rolle ist dem "Neuen Forum" zugedacht, das sich illegal in Berlin sowie in den Bezirken Leipzig, Halle, Gera, Karl-Marx-Stadt und Frankfurt (Oder) "konstituiert" hat und in allen anderen Bezirken über sogenannte Kontaktstellen bzw. Kontaktadressen verfügt.

Die Autoren dieses "Neuen Forum" betreiben das Geschäft der Feinde des Sozialismus. Ihnen ist es gelungen - anknüpfend an reale Probleme und Widersprüche unserer sozialistischen Entwicklung - bei nicht wenigen Bürgern der DDR, darunter auch jungen Menschen, Gehör zu finden und Verwirrung zu stiften. Notwendig ist es, sich von jenen zu distanzieren, die den Sozialismus als System beseitigen wollen.

Welche eigentlichen Ziele verbergen sich hinter ihren hochtönenden Namen und Bezeichnungen?

Im sogenannten Gründungsaufruf "Aufbruch 89 - Neues Forum", der mittlerweile unter Mißbrauch kirchlicher Einrichtungen republikweit verbreitet wurde, werden die antisozialistischen Ziele seiner Initiatoren deutlich sichtbar. Erklärte Absicht der über 30 "Gründungsmitglieder", unter denen sich Intellektuelle, Studenten und Pfarrer befinden - bezeichnenderweise gehört zu ihnen ein einziger Arbeiter -, ist die Bildung einer politischen Plattform für die gesamte DDR.

Es wird behauptet, daß die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft gestört, die schöpferischen Potenzen der Gesellschaft gelähmt und die Lösung der anstehenden lokalen und globalen Aufgaben behindert seien. Angebote, wie real vorhandene Probleme im demokratischen Miteinander überwunden werden können, werden nicht gemacht. Im Gegenteil. Dem Staat wird keine Möglichkeit geboten, der beteuerten Verfassungstreue der Aufrufer Glauben zu schenken. Wie soll man zum Beispiel die Feststellung im "Gründungsaufruf" verstehen, das Machtmonopol des Staates zu beseitigen?

Damit wird der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern unerträglich diffamiert. Abgeordnete, Werktätige in den Staatsorganen und alle jene Bürger, die für ihren Staat einstehen und für das Wohl des Volkes wirken, werden in ihrer Würde verletzt. Der unermüdlichen, ja aufopferungsvollen Tätigkeit der Rechtspflegeorgane unseres Landes ist es doch wohl ganz entscheidend zu danken, daß die Kriminalität, bezogen auf 100.000 Einwohner, gegenüber der BRD zehnmal geringer ist und die DDR zu den Ländern mit der niedrigsten Kriminalitätsrate in der Welt gehört. Sicherheit und Geborgenheit sind zu Markenzeichen sozialistischen Lebensgefühls bei uns geworden.

Der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und kontinuierlichem Wirtschaftswachstum als Grundlage für Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit und steigenden Lebensstandard wird die Forderung nach "Abkehr vom ungehemmten Wachstum" und nach "Spielraum für wirtschaftliche Initiative" entgegengestellt. Damit wird, wie Akteure der "Organisation" immer wieder auch bei anderen Gelegenheiten betonen, die sozialistische, auf dem gesellschaftlichen Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln beruhende Planwirtschaft in Frage gestellt und einer "sozialen Marktwirtschaft", also kapitalistischer Profitwirtschaft, das Wort geredet. Dies wird zugleich mit der Abschaffung der führenden Rolle der Partei, der Bildung pluralistischer Strukturen in der gesamten Gesellschaft und weiteren auf die Untergrabung der Arbeiter-und-Bauern-Macht zielenden Forderungen verbunden.

Es kann wohl auch kein Zufall sein, daß im Gründungsaufruf für eine "Umgestaltung der Gesellschaft" plädiert, aber keinerlei Bezug auf ihren sozialistischen Charakter genommen wird. Ja, das Wort Sozialismus oder sozialistisch sucht man in diesem Papier vergeblich. Sollen wir derartigem Gedankengut etwa "Pressefreiheit" gewähren?

Die erklärten Forderungen und die Praxis des "Neuen Forum" stehen im Widerspruch zu den Grundwerten und politischen Grundlagen des Sozialismus in der DDR, wie sie in der mit Volksentscheid 1968 angenommenen Verfassung ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Darauf begründet sich seine Nichtzulassung.

Der antisozialistische Charakter des "Neuen Forum" wird auch dadurch verdeutlicht, daß seine Organisatoren im direkten Zusammenspiel mit führenden Vertretern der Bonner Regierung, politischen Parteien und Medien der BRD und Westberlins - also einer fremden Macht - handeln. Dafür spricht, daß noch vor dem Antrag auf Zulassung beim Ministerium des Innern, der am 22. September 1989 mit Datum vom 19. September 1989 gestellt wurde, bereits am 13. September 1989 der Gründungsaufruf in die bürgerliche "Frankfurter Rundschau" lanciert worden war. Flankierend dazu gaben Gründungsmitglieder wie Bärbel Bohley und Rolf Henrich Interviews, zum Teil per Telefon, für verschiedene westliche Hörfunk- und Fernsehsender. Grundtenor ihres Auftretens war die Absicht, ungeachtet einer erwarteten Nichtzulassung als Vereinigung durch den Staat ihre Aktivitäten fortzuführen.

Noch unverhohlener in ihrer antisozialistischen und konterrevolutionären Programmatik und ihrem verfassungsfeindlichen Handeln sind solche Gruppierungen wie die Sammlungsbewegung "Demokratischer Aufbruch" und die bezeichnenderweise am 7. Oktober - dem 40. Jahrestag der DDR - im Untergrund gebildete "Sozialdemokratische Partei". Unter einer "umgestalteten Gesellschaft" und einer "erneuerten demokratischen Republik" verstehen sie:

die "Pluralisierung der Eigentumsformen",
die Aufgabe "der Fiktion des Volkseigentums",
die "Gründung neuer Parteien mit konzeptionellen Alternativen",
eine "soziale Marktwirtschaft mit Monopolverbot",
die Beseitigung der führenden Rolle der SED mit der Begründung der "Aufhebung des Machtmonopols der Partei". So weisen es ihre Dokumente aus.

Diese Gruppierungen haben wohlweislich bisher keinen Antrag auf Zulassung gestellt.

Raute

Kirchlicher "Leitfaden für Sowjetzonenflüchtlinge"

Abwerber, Schleuser und Demagogen

Die antifaschistisch-demokratische und dann die sozialistische Gesellschaft im Osten Deutschlands aufzubauen war angesichts des schon im Sommer und Herbst 1945 einsetzenden gegnerischen Trommelfeuers äußerst kompliziert. Als grober Eingriff in die fortschreitende Entwicklung mit schwerwiegenden Folgen erwies sich die von der Bundesregierung geförderte Abwerbung und Schleusung von DDR-Bürgern nach dem Westen.

Mitte Juli 1961 hatte Adenauer in Köln mit Mitgliedern der CDU im Europarat unter anderem über die verstärkte Abwerbung von Arbeitskräften aus der DDR und die Erhöhung der Finanzmittel für die Abwerbeorganisationen beraten. Das Geld sollte mit Hilfe des "Sonderverbindungsausschusses für Flüchtlinge" und des "Ausschusses für Bevölkerungs- und Flüchtlingsfragen" des Europarates beschafft werden. Die Bundesregierung hatte bis dahin 4,5 Mio. Dollar und 11,1 Mio. DM erhalten.

Adenauer verwies auch darauf, daß der Bundesverband der Deutschen Industrie seine Geldmittel für die Abwerbung bedeutend erhöht hatte. Dazu kam ein ganzes "Abwerbungsförderungsprogramm" mit einer Sonderfinanzierung des Wohnungsbaus, Unterhalts- und Hausratshilfen sowie Existenzaufbau- und Wohnungsbaudarlehen aus dem Härtefonds des Lastenausgleichs. Schließlich wurde auch der Flüchtlingsausweis C (politische Zwangslage mit Anerkennung ohne Überprüfung - sonst nur für religiöse Gruppen!) verliehen.

Das Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands gab einen "Leitfaden für Sowjetzonenflüchtlinge" heraus. Große Aktivitäten wurden auch von den verschiedenen Flüchtlingsorganisationen, Landsmannschaften und vielen anderen Verbänden entfaltet. Massive Unterstützung erfuhr dies alles durch die im Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen mit dem Bundespresseamt und dem Verteidigungsministerium vereinbarte Verstärkung der "psychologischen Kriegführung" gegen den sozialistischen Staat.

Wie eine Schleusung gezielt und gut koordiniert erfolgte und welche Auswirkungen sie hatte, erlebte ich im Sommer 1961 im Kreis Prenzlau. Eine Gemeinde war auffällig weit bei der Getreideernte zurückgeblieben. In den ersten Gesprächen mit Vorstandsmitgliedern der LPG und der DBD-Ortsgruppe gab es dafür nur wenig überzeugende Gründe. Fast spürbar war die Scheu, ja Angst, offen zu reden. Erst nach Stunden schälte sich heraus: Zwei ehemalige Angehörige der Nazipartei, die in kommunalen Diensten standen, setzten die führenden Personen unter Druck, hetzten und verleumdeten sie. Im Frühjahr waren etwa 150 Dorfbewohner nach dem Westen geschleust worden. Als Akteure betätigten sich ein aus Westberlin gekommener Prediger und der ehemalige Gutsgärtner, seit Jahren Verbindungsmann zu seinem nach dem Westen geflüchteten Baron. Dies alles hatte zu Unsicherheit, sogar zu Ängsten geführt. Viele trauten sich nicht, die LPG-Arbeiten ordnungsgemäß durchzuführen. Am Abend wurde in einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung sehr offen über alles geredet, bis Erleichterung spürbar war und notwendige Maßnahmen für eine zügige Ernte beschlossen werden konnten.

Es gab kaum einen Tag ohne massive Aktivitäten ausländischer Organisationen, der diversen Ostbüros und Verbände im Zusammenwirken mit in der DDR noch tätigen feindlichen Kräften.

Eine so massive Einmischung war nicht allein durch die Volkspolizei, die Staatliche Kontrollkommission, die Kräfte der Staatssicherheit und der Nationalen Volksarmee zu beherrschen. Eine gefährliche internationale Eskalation, die auch durch eine erhebliche Zuspitzung der politischen und militärischen Lage in Europa entstehen konnte, mußte verhindert werden. Als entscheidende Schritte erwiesen sich die Grenzsicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961, wodurch es zur Beruhigung der angespannten Weltlage und in der Folge zu einer Stabilisierung der inneren Situation der DDR kam.

Die Sicherheitspolitik der DDR habe ich nie allein als Verbrechensbekämpfung, als Aufklärung und Abwehr feindlicher Angriffe erlebt. Ich erinnere mich, daß einerseits die sozialen Bedingungen ständig so weiterentwickelt wurden, daß immer mehr Menschen, besonders auch solche, die aus verschiedenen Gründen abseits gestanden hatten, in die gesellschaftliche Entwicklung gleichberechtigt einbezogen wurden. Andererseits nahm eine wachsende Zahl von Bürgern an der Arbeit und Kontrolle der Organe des Staates teil.

Schon einen Monat nach der Konstituierung der Provisorischen Volkskammer beschloß diese - die Entnazifizierung war schon früher abgeschlossen worden - die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte für ehemalige Mitglieder und Anhänger der Nazipartei und Offiziere der faschistischen Wehrmacht, die nicht in Verbrechen verwickelt waren. Sie erhielten u. a. das passive und aktive Wahlrecht. Die meisten von ihnen haben das als Vertrauensbeweis verstanden und in der Nationalen Front, den Parteien, Massenorganisationen und im Berufsleben am Aufbau teilgenommen.

In gleicher Richtung wirkte die 1954 auf dem Bauernkongreß beschlossene Aufnahme von Großbauern in die LPG, wo sie sehr bald gleichberechtigt waren und oft eine vorbildliche Arbeit leisteten.

Auch die Bemühungen, die in den 60er und 70er Jahren mit dem Ziel unternommen wurden, das Verhältnis zu den Kirchen zu verbessern, haben in vielen Fällen Erleichterungen mit sich gebracht und feindlichen Aktivitäten Nährboden entzogen, was die innere politische Stabilität stärkte. Diese Politik ist in den 80er Jahren nicht fortgesetzt worden. Auch darin ist eine Ursache für jene Entwicklung zu suchen, deren Ergebnisse 1989/90 zutage traten.

In der Sicherheitspolitik ging es nicht zuletzt um Demokratisierung. Bereits am 1. Juni 1953 beschlossen wir in der Regierung die Reorganisation der Volkskontrolle. Hauptanliegen war die stärkere Einbeziehung von Werktätigen in die Kontrolle der Tätigkeit der Staatsorgane. Eine höhere Transparenz wurde angestrebt. Man übertrug Aufgaben der Volkskontrollausschüsse den Ständigen Kommissionen der örtlichen Organe der Staatsmacht und deren Aktivs, den Haus- und Straßenvertrauensleuten, den freiwilligen Helfern der Volkspolizei sowie der gewerkschaftlichen Arbeiterkontrolle in Handel und Versorgung.

Ein großer Schritt in diesem Sinne war später die Bildung der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion mit ihren vielverzweigten und tiefgestaffelten Organisationen bis in Betriebe und Verwaltungseinheiten. In deren Berichten, von denen nicht wenige auf den Kabinettstisch gelangten, ging es z. B. um die Ursachen von Rückständen in der Planerfüllung, um Vergeudung staatlicher Mittel bei Investitionen und Haushaltsmitteln, um Ausnutzung der Ressourcen bei Baustoffen, Engpaßmaterialen und Sekundärrohstoffen, um sparsame Nutzung von Energie, Wasser und Treibstoffen, um Einhaltung der Qualitätskriterien bei Konsum- und Exportgütern. Dabei wurden Zehntausende ehrenamtliche Kontrolleure einbezogen.

Mit der Stabilisierung der DDR, der Demokratisierung in der Sicherheits- und Justizpolitik war es möglich geworden, der Vorbeugung von Gesetzesverletzungen und Straftaten weit größere Beachtung zu schenken. Das betraf die demokratischen Organe der Justiz - die Gerichte, die Schöffen, die Schieds- und Konfliktkommissionen sowie die gesellschaftlichen Ankläger.

Man stelle sich ein solches Maß an demokratischer Transparenz in der BRD vor. Völlig undenkbar! Hier wird in der Regel alles verschleiert, vertuscht und unter den Tisch gekehrt.

Dr. Hans Reichelt


Unser Autor war Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR.

Raute

Ein Fall von Käuflichkeit?

Kommen wir gleich zur Sache, denn der Fall ist klar: Sylvia-Yvonne Kaufmann wollte bezahlte Berufspolitikerin bleiben, koste es, was es wolle. Ob der Übertritt zur SPD Verrat war, der sich gegen "Die Linke" richtet, oder nur ein völlig unerhebliches "Parteihopping" - das Hüpfen von einem zum anderen -, wie es im bürgerlichen Lager nicht unüblich ist, hängt vom eigenen Standpunkt und der Verfaßtheit der Partei Die Linke ab. Wie weit ist sie noch von der SPD entfernt, wie weit war es Kaufmann innerhalb ihrer früheren Partei? Auch die einem Kalauer ähnliche Fragestellung nach der Käuflichkeit von Kaufmann darf gestellt werden. Kaufmann hat sich "weiterentwickelt", ohne daß ihre einstige gesellschaftspolitische Bindung erhalten blieb. Das ist bei ihr sicherlich eine charakterliche Frage, denn unter Bildungsaspekten dürfte sie wenig Defizite haben. Auf dem Münsteraner Parteitag im Jahr 2000 bewog sie noch stichhaltig und unter Tränen die Delegierten zur Stimmabgabe gegen jeglichen Militäreinsatz, weil sie am nächsten Tag nicht in der Zeitung lesen wollte, die PDS habe "humanitären Kriegseinsätzen" zugestimmt. Neun Jahre später trat sie nun in die Kriegspartei SPD ein. Das zeugt wohl von Egoismus und einem Mangel an Ehrlichkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Hatte sie einen politischen Standpunkt, oder kam ihr dieser abhanden? Wie konnte sich das alles entwickeln?

Die Antwort hierauf schließt die Frage nach dem Umfeld ein. Hier ist zuerst "Die Linke" selbst zu betrachten. Bei ihr ist unter dem Dach des Pluralismus eine Art Beliebigkeit, verbunden mit Protektionismus innerhalb eines entstandenen Parteiklüngels, eingezogen. Das führte unter anderem zu personellen Fehlbesetzungen in den vor allem finanziell attraktiven Führungspositionen und Wahlämtern in Landtagen, Bundestag und Europaparlament. Dort werden dann, mehr oder weniger kritisiert, aber weitgehend geduldet, Auffassungen vertreten und Entscheidungen mitgetragen, die manchmal mit sozialistischen oder auch nur fortschrittlichen Positionen kaum in Übereinstimmung zu bringen sind. Kaufmann tat sich im Hinblick auf die "Europäische Verfassung" in diesem Sinne hervor, war aber schon früher durch ihr Abrücken von einstmals durch sie bezogenen Positionen aufgefallen. Insofern ist nur das Extreme ihres Schrittes überraschend.

"Die Linke" hat eine völlig unkritische Haltung bezüglich solcher allseits bekannter bedenklicher politischer "Abweichungen". Da wird mal eine Zeitungsdebatte losgetreten, und die Sache ist dann in aller Regel "abgearbeitet", folgenlos, selbst wenn programmatische Grundsatzfragen oder deren Fehlen berührt sind. Klare politische Bilder, geschweige denn ein Standpunkt ähnlich dem, der in der Geschichte immer als Klassenstandpunkt oder Treue zur Sache bezeichnet worden war, sind eigentlich in Führungskreisen nur vage oder punktuell auszumachen. Eher fragt man sich, wer wohl der Nächste sein wird, der zur SPD geht. Und da fallen einem auch gleich einige Namen ein. Kaufmann ist nur ein Indiz für den Fall der "Linken", und zwar im doppelten Sinne dieses Wortes. Wenn sich die Partei nur noch als eine Mitgliedersammlungs- und Wählerbindungspartei im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft sieht, die lediglich als soziales Gewissen ein bestimmtes Gegengewicht aufbringen will, hat ihre letzte Stunde bald geschlagen. Sie wird im schlechtesten oder besten Fall (?) mit der SPD verschmelzen, ohne links zu sein, oder ganz verschwinden. Wenn "Die Linke" nicht endlich wissenschaftlich begründete Positionen für die Arbeit in naher und ferner Zukunft erarbeitet und einen entsprechenden Maßstab an Politik und Mitglieder anlegt, wird sie in der Beliebigkeit bürgerlicher Parteien und Vereine aufgehen, den Kaufmanns und Konsorten hinterher.

An die vielen leider ausgetretenen ehrlichen Linken richte ich den Aufruf, doch besser zurückzukommen und das linke Profil durch ihr Gewicht zu schärfen, es teilweise wiederherzustellen, vor allem auch personell.

Noch lohnt es sich angesichts des Austritts von Kaufmann. Die Delegierten und Mitglieder der Partei Die Linke sollten sich Entscheidungen für Exponenten der Partei gründlicher überlegen, den Lebenslauf einzelner beachten und auch die Meinungen Dritter, die sich ihrerseits bewährt haben, mit einbeziehen.

Renato Lorenz, Zwickau

Raute

Wie die SPD den Bürgern in die Tasche log

Im Wahljahr 1998 verbreitete die SPD eine Broschüre des Bundesministeriums der Finanzen, Referat Presse und Information. Das Vorwort hatte Minister Hans Eichel verfaßt. Die Überschrift lautete: Deutschland erneuern! Ein Weg, der sich für alle lohnt - das Zukunftsprogramm der Bundesregierung. Dort konnte man erfahren: "Die viel zu hohe Staatsverschuldung ... ist in ihren Auswirkungen ungerecht und unsozial. Das Zukunftsprogramm sorgt für ein gerechtes Steuersystem, unterstützt den Abbau der Arbeitslosigkeit, entlastet Familien und Arbeitnehmer ..."

Und weiter: "Raus aus der Schuldenfalle. Jedes Jahr müssen Zinsen in Höhe von 82 Milliarden DM entrichtet werden. Das Geld fehlt uns für wichtige Projekte (Bildung und Forschung) ... und für die Unterstützung der sozial Schwächeren."

Die SPD proklamierte damals: "Wir können den Marsch in den Verschuldungsstaat beenden. ... In wenigen Jahren können wir einen Haushalt vorlegen, der keine neuen Schulden braucht."

Eine strahlende Zukunft wurde anvisiert: "Endlich werden wieder alle Spitzenverdiener zur Besteuerung herangezogen. Bisher mußten die kleinen Leute brav ihre Steuern zahlen, während viele Spitzenverdiener mit Tricks und Kniffen Steuerschlupflöcher nutzen und ihre Steuerlasten auf Null drücken können."

Man blies kühn die Fanfare: "Starke Schultern müssen mehr Lasten tragen als schwache. Förderung von Arbeit steht im Mittelpunkt."

Und schließlich: "Wir haben mit dem Zukunftsprogramm das Ruder herumgerissen ... soziale Gerechtigkeit ... auch die Stärkeren in unserer Gesellschaft sollen entsprechend ihrer höheren Leistungsfähigkeit herangezogen werden."

Dieses Dokument zu lesen, muß Herrn Steinbrück pausenlos Albträume bescheren.

Nachbetrachtung: Wer vor 20 Jahren zur "Demo" ging, kam von der Arbeit, wer heute demonstriert, hat diese entweder verloren oder muß damit rechnen, bald auch auf die Abschußliste zu geraten. Darin besteht der kleine Unterschied.

Klaus Pinkau, Leipzig

Raute

Wehrmachtstribunal als Mordmaschine

Am 21. April 1943 stand ein schmächtiger 38jähriger Leipziger in Paris vor den Gewehrläufen eines Wehrmachtserschießungskommandos: Herbert Matzel aus Dösen.

Wer war jener junge Mann, nach dem man 1965 in seiner Heimatstadt eine Straße benannte?

Herbert Matzel wurde 1915 geboren, wuchs in einer politisch aktiven Familie auf, schloß sich dem Kommunistischen Jugendverband an, kümmerte sich in seiner Freizeit gerne um Kinder und beteiligte sich nach dem Machtantritt der Nazis erst 18jährig am antifaschistischen Widerstand in der Messestadt.

Die Gestapo kam ihm im Frühjahr 1936 auf die Spur, so daß er sich eiligst in die Tschechoslowakei absetzen mußte. Von hier aus versuchte er Ende des Jahres nach Spanien zu gelangen, um in den Internationalen Brigaden und an der Seite der regulären republikanischen Armee gegen Francos Truppen zu kämpfen. Der Weg dorthin war für jeden deutschen Exilanten voller Hindernisse und Gefahren. Viele erreichten ihr Ziel nicht. Herbert Matzel kam zwar über die Grenze nach Österreich, wurde dort aber von der Polizei ergriffen und an Nazideutschland ausgeliefert. Man brachte ihn in das KZ Dachau. Über die dort verbrachte Zeit gibt es keine Unterlagen, doch er muß so gefoltert worden sein, daß er nach zweieinhalb Jahren Haft eine schwere Sprachstörung hatte, die sich nicht beheben ließ. Dennoch wurde er im Jahr seiner Entlassung zur Wehrmacht eingezogen. Nach dem Überfall auf Frankreich gehörte er einer Artilleriedivision der Okkupanten an.

Schnell suchte und fand er Kontakt zu französischen Widerstandskämpfern. Als Hitlerdeutschland am 21. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, verließ er mit Hilfe einheimischer Freunde seine Einheit in Bordeaux. Sie halfen ihm, nach Bellac zu gelangen, wo er unter falschem Namen in eine Arbeitskompanie für Ausländer eingereiht wurde, der auch internierte deutsche Spanienkämpfer angehörten. 1942 nahm er im Departement Haute Vienne (bei Limoges) Verbindung zu einer Gruppe der französischen Résistance auf und schloß sich ihr an. Am 13. März 1943 fiel er den faschistischen Besatzern in die Hände. Ein Wehrmachtstribunal verurteilte ihn am 16. April wegen Fahnenflucht zum Tode. Nach der Bestätigung des Urteils durch den Kommandanten von Groß-Paris wurde Herbert Matzel am 21. April erschossen.

Bald darauf erhielt seine Schwester einen Abschiedsbrief. Darin hieß es: "Ich gehe den letzten Schritt als Mann, wie viele Kameraden vor mir, aufrecht und den Blick nach vorn. Eine Bitte: Sei Du den Eltern das, was ich nicht sein konnte - eine Stütze. Wenn einmal das Gespräch auf mich kommt, so denkt nichts Falsches von mir. Ich war ein Mensch, der vom Leben noch nicht viel hatte, sich aber ein Ziel erringen wollte ..."

Dr. Dieter Kürschner, Leipzig

Raute

20. Juli 1944: Verspätetes Heldentum

Jahrgang 1922, habe ich ab Januar 1941 am 2. Weltkrieg teilgenommen und bin Anfang 1945 als Angehöriger der 1. Fallschirmjägerdivision in Italien in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten.

Die Widerstandsoffiziere des 20. Juli 1944 genießen den Ruf, sich - wenngleich auch sehr spät - Hitler verweigert und die nationalen Interessen Deutschlands vertreten zu haben. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist festzustellen: Sie waren vor ihrer durchaus mutigen Bereitschaft zum Attentat auf den "Führer" selbst tief in dessen Vernichtungskrieg verstrickt. Hitler war seit 1939 Oberbefehlshaber der faschistischen Wehrmacht. Er konnte indes seine Kriege nicht allein planen, vorbereiten und durchführen, sondern vermochte das nur in enger Zusammenarbeit mit der militärischen Elite. Mit anderen Worten: den Generalen von Heer und Luftwaffe, den Admiralen der Kriegsmarine sowie deren wichtigsten Gehilfen, den Generalstabs- und Admiralstabsoffizieren. Sie waren es, die bis Juli 1944 allein 2,7 Millionen Wehrmachtsangehörige sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben befohlen haben. Gewiß äußerten Angehörige der Wehrmachtselite wiederholt auch Bedenken gegen Hitlers radikalen Kriegskurs. Tatsächlich hat es in wichtigen militärischen Spitzenstellungen Umbesetzungen gegeben. Auch in der Planungsphase des Krieges gegen Frankreich wurden von Militärs Einwände erhoben. Als dann aber der "Blitzkrieg" mit einem triumphalen Erfolg der Wehrmacht endete, verstummten die zuvor geäußerten Bedenken. Die Generale und Stabsoffiziere ließen sich bis zum Juli 1944 für ihre Siegeszüge in anderen Ländern von Hitler mit Titeln, Orden und Geschenken überhäufen. Im Sommer 1944, nach der Landung der Alliierten in der Normandie, als der Luftkrieg der Amerikaner und Briten zu Flächenbombardements gegen Städte und Wohngebiete mit dramatischen Folgen eskalierte, die sowjetischen Truppen unaufhaltsam vordrangen und sich die Kampfhandlungen zunehmend den Grenzen des Reiches näherten - da war allen denkenden Menschen klar, daß dieser Krieg durch die Faschisten nicht mehr siegreich beendet werden konnte. Warum erfolgte erst jetzt das Attentat?

Obwohl auch in den vorhergehenden Jahren mehrmals Anschläge auf Hitler geplant und erfolglos unternommen worden waren, trugen diese nicht den Charakter einer derart ausgeprägten politischen Aktion gegen das Regime wie im Juli 1944. Es waren meist adlige Generalstabsoffiziere, die hinter dem Anschlag Stauffenbergs standen. Auch sie hatten erkennen müssen, daß der Krieg mit einer Niederlage enden würde.

Was war nun der eigentliche Grund für den Anschlag der Militärs? Wollten sie ihr eigenes Leben retten, ihre Güter und Besitztümer, das Leben ihrer Angehörigen? Wollten sie dafür Wiedergutmachung leisten, daß sie allzulange Helfer und Nutznießer Hitlers gewesen waren und sich auf diese Weise das Recht anmaßen, als die einzigen Vertreter der wahren Interessen Deutschlands dazustehen? Nach meiner Ansicht war es dafür in Anbetracht unzähliger Toter, der Millionen Flüchtlinge, des Elends und der Kriegszerstörungen zu spät.

Horst Girbert, Potsdam

Raute

Wie der Dresdner Veteran Fred Schlicke seine DDR-Erfahrungen an die nächste Generation weitergibt

Rede auf einem Klassentreffen

Liebe Schüler von damals, es ist Leichtsinn, unsereins einzuladen, weil ein Rentner wie ich viel Zeit dazu hat, sich Gedanken zu machen über das, was mal war und was sein wird. Solches Nachdenken ist durchaus nicht sehr erwünscht. Als ich z. B. der Frau vom Checkpoint Charlie bei ihrer Buchlesung in Blasewitz Verlogenheit vorhielt, die nur dem Zweck dient, unsere Vergangenheit zu verteufeln, stellten ihre Claqueure erleichtert fest, daß sich so jemand wie ich "zum Glück bald biologisch von selbst erledigt". Damit komme ich zur Sache. Noch kann ich Euch erinnern: Als Ihr geboren wurdet, waren Lebensmittel zum Teil rationiert. Die DDR mußte für die Kriegsschäden aufkommen, die Nazideutschland verursacht hatte. Die BRD dagegen erhielt aus gutem Grund Marshallplanhilfe aus den unzerstörten USA. Die Schwerindustrie lag im Westen. Eisenhüttenstadt, die Maxhütte, zahlreiche Talsperren, Chemiewerke wie Schwarze Pumpe und Leuna mußten in der DDR erst aufgebaut werden.

Die DDR war ein sehr rohstoffarmes Land. Aus dem Vorhandenen, nämlich Wasser, Luft, Braunkohle und Salz mußte entstehen, was möglich war. Die Chemie! Mein Fach! Ihr erinnert Euch: "Wohlstand, Schönheit, Brot." Umweltdreck natürlich auch! Im Osten gab es noch keinen Überseehafen. Ferienkinder, die an die Ostsee fuhren, halfen symbolisch mit Steinen im Gepäck beim Bau der Mole Rostock, auch Heidi aus Seifersdorf, später die Mutter meiner Kinder. Aber den Ferienaufenthalt konnte sich jeder leisten. Eine Woche Ferienspiele kostete eine Mark! Die meisten von Euch hatten eine behütete Kindheit und eine sorgenfreie Schulzeit. Es fehlte Wohnraum, dennoch wurden die Theater spielfähig gemacht, und Kultur war bezahlbar, nicht nur für Eliten! Bildung, Gesundheitsfürsorge gab es bereits kostenlos. Als Ihr etwa drei Jahre alt ward, hatte man noch freie Sicht und Wind vom Hauptbahnhof bis zum Albertplatz. Im Jahre 1955 sah ich aus "meiner" Jak 18 Dresden von oben: Es war ein großer ovaler schwarzer Fleck! Aber ich sah auch den bereits wieder aufgebauten Zwinger. Er war eingerahmt von düsteren Trümmern, in denen sich nur die Kaninchen wohl fühlten!

Im Rathaus war das Modell der künftigen Bebauung ausgestellt. Dazu wurden Vorschläge der Bevölkerung ernst genommen. Jedoch die Neugestaltung ging mühsam voran, denn Rüdersdorf produzierte noch zu wenig Zement. Wenn auch langsam, wurde doch die Stadt für alle bewohnbar. Selbst das Schloß wurde wenigstens gesichert. Und letzten Endes weihte Erich Honecker die Semperoper ein - trotz Embargos. Und der Neumarkt wäre planmäßig im Jahre 2008 ebenfalls fertig bebaut gewesen, allerdings unter anderen Bedingungen und mit anderen Bewohnern, nämlich kleinen Gewerken und Geschäften, darüber Wohnraum. Der Staat plante, finanzierte, kontrollierte und blieb Eigner. In letzter Zeit häuft sich das Verlangen nach staatlicher Rettung, nachdem Gewinne privatisiert wurden. Die Masse bezahlt den Profit einer kleinen Minderheit. Es wird als Verklärung der DDR verunglimpft, wenn man beschreibt, was an ihr einmalig war in der deutschen Geschichte, nämlich die Alternative zu Kapitalismus und Krieg. Was war denn so unrecht daran, daß Spekulanten kaum Chancen hatten, andere zu schröpfen, zu übervorteilen, daß fast ausnahmslos ehrliche Arbeit die Grundlage des Broterwerbs darstellte und Geld bei der individuellen Entwicklung des einzelnen keine Rolle spielte? Wieso gab es keinen Anreiz dafür, Kunstwerke zu rauben oder Omas zu überfallen? Gibt es Gründe, den effektiven Nah-, Güter- und Containerverkehr auf Gleisen schlechtzureden, nur weil er auf den Schienen der DDR funktionierte? Ist es Verklärung, darauf hinzuweisen, daß von der internationalen Diplomatie die Menschenrechte in der DDR nie beanstandet wurden, daß auf allen Ebenen normale Beziehungen mit den meisten Ländern dieser Erde bestanden? Wieso hat kein einziger Politiker, keine Organisation der Welt vor 1989/90 das Wort "Unrechtsstaat" für die allgemein als friedlich anerkannte DDR erfunden oder benutzt?

Die Medien reduzieren alles auf "Stasi" und "Stacheldraht", die Funktionäre waren nur fies. So so.

Wir waren nicht reich, aber arm mußte niemand sein. An Autos, Südfrüchten und Fassadenfarbe mangelte es. Aber Kinderarmut, Analphabeten und Obdachlose gab es überhaupt nicht! In Dresden sind es jetzt offiziell schon 380!

Man ist sehr in Sorge, daß sich jemand erinnern könnte: Recht auf Arbeit, Lohn, von dem man leben konnte, Gleichberechtigung der Frau, Jugendschutz und ABV, Gemeindeschwester, Poliklinik, SV-Buch, Baby-Wiegekarte, Schwangeren- und Mütterberatung, Prophylaxe und Therapie, Impfschutz und Röntgenzug, Arzneimittel, alles ohne Zuzahlung. Arbeitsschutz, Amt für Preise und Konfliktkommission statt Rechtsanwalt, bezahlbare Mieten und Nahverkehrsmittel, Haushaltstage usw.

Ein hocheffizientes einheitliches Bildungssystem, Berufsberatung, Talenteförderung.

Daß ein Studium auch Geld kosten kann, war uns nicht mehr bewußt. Wir machten uns kaum Gedanken darüber, warum die Absolventen unserer Bildungseinrichtungen vom Westen umworben und mit Kußhand genommen wurden.

200 reiche Leute bestimmen heute, wohin die Reise geht! Die Freiheit der Medien ist letztlich die Freiheit dieser Familien, ihre Meinung zu veröffentlichen. Das sollte man wissen, vor allem bei der "Aufarbeitung des Unrechtsstaates", der von den meisten Leuten als "ärmer, aber wärmer" empfunden wird. Bitte bewahrt Euch die in unseren Bildungseinrichtungen erworbene Fähigkeit zum logischen Denken in Zusammenhängen! Ihr habt das Richtige gelernt: Physik statt Metaphysik! Astronomie statt Astrologie, Darwins Entwicklungslehre im Fach Biologie anstelle Kreativismus, den auch der fromme George W. Bush bevorzugt! Leute dieses Schlages beginnen ihren Tag im Gebet, ehe sie die Bomber losschicken. Solche Religion mildert die Tyrannei der Milliardäre. Sie kaufen alles, Menschen, Marionetten, Mörder, Medien, also Meinungen! "BILD Dir ihre Meinung"!

Euch, die Ihr mehr oder meist weniger vom Kuchen abbekommt, müssen wir Alten daran erinnern: Hat man erst mal den "faulen Hartz-IV-Empfänger" als den Parasiten erkannt, ist die Solidarität futsch.

Der da unten gehört kontrolliert auf Schwarzgeld! Nicht etwa die in den oberen Etagen! Die "Bunte" füttert uns mit den nötigen Informationen. Dabei ist man schnell auch da unten. Und wer gar dort geboren wird, hat ganz schlechte Karten. Auch der kleine Mittelständler ist zunehmend gefährdet. Die Formel "Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige" gilt heute nicht mehr.

Hütet Eure wertvollen Freundschaften! Heute habt Ihr nicht nur Gelegenheit, in der Schulzeit zu kramen, sondern auch die Chance, Eure Kontakte aufzufrischen! Sie können nützlich sein, vielleicht sogar lebenserhaltend, vorausgesetzt, Ihr verbündet Euch nicht nur mit den Gewinnern, sondern vergeßt auch die anderen nicht, die es schuldlos ja auch gibt. Freundschaft darf nicht danach fragen "Was bringt sie mir ein?"

Meine Kindheit war mit dem Bombenangriff erledigt. Mein Vater blieb irgendwo zwischen Seelow und Halbe vermißt. Ich sah keinen Klassenkameraden wieder. Ihr solltet festhalten, was Euch erhalten blieb!

Ich wünsche Euch alles Gute dazu!

Raute

Die Glamourgesellschaft erweist sich als tödlicher Kreisel

Überlegenheit auf Pump

Wir sind Zeugen dessen, daß Menschen, unabhängig von ihrem Willen, ja ohne ihr Wissen, Verhältnisse eingegangen sind, die sie nicht mehr überschauen können. Sie stehen ihnen völlig hilflos gegenüber. Auf den Regierungsbänken ist die Fassungslosigkeit angesichts der rabiaten Talfahrt des deutschen und internationalen Kapitalismus natürlich gespielt. Man präsentiert geschönte Zahlen und falsche Prognosen. Plötzlich haben sich die Ziffern "nicht bestätigt". Mit frommem Augenaufschlag wird eine "Korrektur nach unten" vorgenommen, als ob das ganz selbstverständlich sei. Zunächst verschleudert man Milliarden an die Banken, dann wird medienwirksam auf die quietschende "Schuldenbremse" getreten. Für den potentiellen Wähler, den man auf seine Seite ziehen will, seufzt man mal über Bonuszahlungen, mal über Managergehälter. Das Schnüren (wie aktiv!) immer neuer "Konjunkturpakete" wird inszeniert wie im Zoo, wo man von Gehege zu Gehege geht, und mal Opel, mal Daimler, mal der einen, mal der anderen Bank etwas Futter hinwirft. Die "Politiker", die auch keinen "Durchblick" haben, erweisen sich als hilflos-verlogen stammelnde, skrupel- und gewissenlose Gefangene der herrschenden Produktionsverhältnisse, nur auf höherem Niveau. Zur Abwechslung bringt "man" sogar Marx oder "Verstaatlichungen" ins Gespräch. Die Angebotspalette der Roßtäuscher ist mannigfaltig.

Das Wertgesetz wird allgemein negiert, schon vor Marx (Ricardo) hatte man es als etwas definiert, was vor allem mit Arbeit - und zwar mit geronnener Arbeit - zu tun hat. Der Wert liegt dem Preis zugrunde, und hinter dem Wert steckt Arbeit. Der Preis variiert und schwankt, aber eben um den Wert herum. Unter heutigen Bedingungen werden diese Eckpfeiler ökonomischen Denkens zielstrebig ignoriert. Millionen und Milliarden gehen von Hand zu Hand, die diesen Anforderungen nicht mehr standhalten: "Einkünfte" der "Chefetagen", fiktive "Preise" für Fußballstars und deren Klubs, für Models, Filmsternchen, Luxusvillen, Jagden, Privatstrände, malerische Buchten. Wir sprechen schon gar nicht von bewußten (denn die Akteure wissen natürlich, was sie tun) und gewissenlosen Spekulationen, vom "Verkauf" und "Erwerb", von Schulden, wobei es sich von vornherein um Luftblasen handelt, hinter denen keinerlei produktive Leistung steckt.

"Wir" - gemeint sind nicht die Leser des RF - leben über unsere Verhältnisse. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Energie, fossilen Brennstoffen, Wasser für mehrere Swimmingpools und solche Privilegien wie Wohnfläche in Luxusvillen und die Vernichtung natürlicher Umwelt, Wald, Wild und Meerestieren übersteigt das, was diese Welt herzugeben vermag. Die "Schönen und Reichen" verprassen die Arbeitsergebnisse ganzer Generationen, Naturschätze von Jahrmillionen. Wollte man Afrika im Pro-Kopf-Verbrauch auf das Niveau der USA anheben, hieße das für die Menschheit, ein Seebeben zu inszenieren. Die im Fernsehen gern präsentierte Glamourgesellschaft - Synonym von "Wohlstand" - entpuppt sich als gigantischer ungedeckter Scheck. "Neu" ist lediglich, daß wir bei dieser fatalen Fahrt mit ins Boot gezerrt werden. Damit vergrößern wir zwar die Schwungmasse des tödlichen Kreisels erheblich, dem Wahnsinn aber ist auf diese Weise nicht beizukommen.

Die "Überlegenheit", ja der "triumphale Sieg" der "westlichen Lebensweise" über den Sozialismus in Europa stellt sich unter den heutigen Bedingungen völlig neu dar: als eine von Grund auf morsche Überlegenheit auf Pump. Es handelt sich um eine gigantische Täuschung mit Luftschlössern, Galaempfängen, Preisverleihungen, Formel-I-Rennen, Traumschiffen, Weltmeisterschaften, Fanmeilen, chronischem Doping und einer "gutgelaunten" Börse. Die Medien als Künder dieser Fata Morgana flankieren das Spektakel und verdecken kaum den wahren Preis. Gleichzeitig erweist sich diese "Leistungsgesellschaft" als unfähig, auch nur die elementarsten Bedürfnisse der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft als Ganzes zu lösen. Der Krieg als Bombengeschäft floriert wie nie zuvor, Fragen von Leben und Tod wie Hunger, Trinkwassermangel oder Kindersterblichkeit perspektivisch auch nur im Ansatz lösen zu können, ist in dieser Gesellschaft objektiv wie subjektiv ausgeschlossen.

Walter Ruge

Raute

"Internationaler Terrorismus" ist ein ideologischer Kampfbegriff

Eine andere Sicht

Dr. Udo Stegemann hat im RF 136 einen Beitrag unter der Überschrift "Die DDR und der internationale Terrorismus" veröffentlicht. Aus meiner Sicht beschreibt der Autor die historische Realität nicht exakt. Der Artikel ist eher als Polemik zu verstehen, was seine Wissenschaftlichkeit und Glaubhaftigkeit einschränkt.

Zum Beweis meiner Behauptung führe ich im einzelnen an:

Mir ist keine Aussage der gegnerischen Propaganda von 1949 und in den unmittelbaren Folgejahren bekannt, die sich des Terminus "internationaler Terrorismus" bedient hätte. In die Propagandasprache des Westens wurde dieser Begriff erst in den 60er Jahren eingeführt. Das geschah angesichts der erstarkenden nationalen und sozialen Befreiungsbewegungen sowie im Kontext des Auftretens terroristischer Gruppen in imperialistischen Staaten. Wirklich relevant ist die Formel "internationaler Terrorismus" nach dem nebulösen Anschlag vom 11. September 2001 geworden, als die USA-Administration unter George W. Bush ihre neue Militärstrategie präsentierte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß im "Kleinen Politischen Wörterbuch" (Dietz-Verlag 1988) unter diesem Stichwort der Staatsterrorismus imperialistischer Mächte zusammengefaßt wird. Der Ausgangspunkt des Stegemann-Artikels kann demnach so nicht akzeptiert werden.

Es trifft zu, daß es eine völkerrechtliche Definition für das Konstrukt "internationaler Terrorismus" nicht gibt. Es stimmt auch, daß es sich hierbei um einen ideologisch geprägten verleumderischen "Kampfbegriff" handelt, der völlig willkürlich auslegbar ist. Es muß aber dringend darauf hingewiesen werden, daß die Worte "Terror" und "Terrorismus" nicht als Synonyme benutzt werden können.

Dr. Stegemann vermischt staatliche imperialistische Militärpolitik mit unterhalb dieser Ebene existierenden terroristischen Aktivitäten. Während der Staat dabei auf Expansion und Gewinn von Territorium zielt, richten sich Terror wie Terrorismus auf das Beeinflussen des Bewußtseins, das Erzeugen von Angst oder die Auslösung von Unruhen usw. Beide Mittel sind völkerrechtlich gesehen Formen des Kampfes unterhalb der staatlichen Schwelle (außer dem sogenannten Staatsterrorismus) und bilden deshalb auch keinen Bestandteil des Völkerrechts. Terror ist nur ideologisch zu erklären, also nicht allgemeingültig, und schon gar nicht klassen- und systemindifferent, weil er ja letztlich darauf gerichtet ist, seine Ziele gegen bestehende Ordnungen durchzusetzen. Das alles wird an Beispielen auch im Artikel deutlich dargestellt. Es gilt in gleicher Weise für den Zweifel, ob eine "auf das Allgemeinste beschränkte Kompromißformel" überhaupt einen praktikablen Sinn hätte. An einer Stelle des Textes bin ich gestolpert. Dort heißt es, die "Konfrontation" durfte auch im "Selbsterhaltungsinteresse" des Imperialismus "kein heißer Weltkrieg werden". Ließe man das so verkürzt stehen, dann wäre unsere Teilnahme am Wettrüsten, unser dadurch bedingtes ökonomisches Ausbluten nur reine Spiegelfechterei gewesen. Daß in einem Kernwaffenkrieg der Angreifer als zweiter stirbt, war ja in höchsten militärischen Kreisen schon in den frühen 60er Jahren kein Geheimnis mehr.

Die DDR und damit auch das MfS hatten eine Definition für Terror und Terrorismus. Es ist und bleibt ein ideologisch besetzter Kampfbegriff. Mit dem "weißen Terror" kann ich in dem gewählten Zusammenhang allerdings wenig anfangen. Es soll wohl eine höhere Stufe, eine Steigerungsform sein, resultiert aber sicher letztlich aus der undifferenzierten Anwendung der Termini "Terror" und "Terrorismus" sowie der Gleichsetzung des Begriffs mit seinen möglichen Formen.

Die Abwehr von gegen die DDR gerichtetem Terror war Aufgabe von Teilen des MfS. Aber was hat das mit dem "internationalen Terrorismus" zu tun? Der Autor irrt, wenn er resümierend feststellt: "Wie man rückblickend sagen kann, wurde dieser Auftrag in Ehren erfüllt." Wir alle kennen ja die Schlußbilanz: Die DDR wurde vom Klassenfeind geschluckt, das MfS kriminalisiert und aufgelöst. Ist das wirklich eine in Ehren erfüllte Aufgabe? Und ich widerspreche weiter:

War es nicht gerade die Geheimniskrämerei der Führung um vielfach und allgemein bekannte Zustände, die Unruhe in der Bevölkerung aufkommen ließ? Das in jedem Haushalt präsente BRD-Fernsehen füllte allenthalben sofort die Lücken, die von den DDR-Medien nicht besetzt werden konnten oder durften. Terror muß man öffentlich an den Pranger stellen! Auf diese Weise war die DDR nicht auf Dauer zu schützen, wie die gesellschaftliche Realität bitter beweist. Eine sprachlose Führung versäumte es, das Ihre zu tun und gab einfach auf. Und was soll hier eigentlich die Formulierung "Kriterien eines Rechtsstaates"? Auch das ist ein ideologischer Kampfbegriff, den man nicht klassenindifferent anwenden darf. Man sollte nicht vergessen: Das bestehende Recht ist immer das Recht der politisch und ökonomisch herrschenden Klasse. Demzufolge bestimmt natürlich heute bei uns die Siegerjustiz.

Es gibt bessere Argumente für die Auseinandersetzung mit dem Imperialismus.

Auch der "RotFuchs" liefert sie monatlich und oft in bester Qualität. Der genannte Artikel hat zwar zum Denken angeregt, ist aber nach meiner Auffassung so nicht ausreichend.

Richard Georg Richter

Raute

RF-Extra

Wie ein Erzbischof das Kapital zu moralisieren sucht

Der schwarze und der rote Marx

Hohen Respekt bekundete der wohl bedeutendste Vertreter der katholischen Soziallehre des 20. Jahrhunderts Oswald von Nell-Breuning, ebenfalls ein Sohn der Stadt Trier, im Jahre 1957 dem von ihm als "großer Gegner" bezeichneten Karl Marx. Nun hat sich ein weiterer gläubiger Anhänger dieser Lehre, der Erzbischof von München und Freising Dr. Reinhard Marx, mit einem Buch, sinnigerweise "Das Kapital" betitelt, zu Wort gemeldet, um "Ein Plädoyer für den Menschen" zu liefern und sich damit am Original zu reiben. Auf dem blauen Buchumschlag verkündet er dazu: "Ein Kapitalismus ohne Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit hat keine Moral und auch keine Zukunft." Sehr wahr Eminenz, ein Wolf ohne Zähne wird sicherlich verhungern; und seit wann hat denn der Kapitalismus auch Moral?

Am Anfang des Buches schreibt er einen fiktiven Brief an seinen Namensvetter Karl Marx. Darin beruft er sich darauf, daß von der Kirche die soziale Frage schon im 18./19. Jahrhundert durch engagierte Christen kritisch behandelt wurde. Die viel ältere Kritik am "Tanz um das goldene Kalb" (2. Mose 32) oder das rebellische Umstürzen von Tischen der Geldwechsler (Mt 21,12) gehören ebenfalls zur Auseinandersetzung mit dieser Thematik.

Der 1848 im "Manifest der Kommunistischen Partei" proklamierten und damit angestrebten Aufhebung des Privateigentums (an den Produktionsmitteln) wird die durch Wilhelm Erasmus von Kettler vorgetragene Eigentumsauffassung gegenübergestellt. Diese nun fordert: Eigentum verpflichtet. Unklar wird gelassen, wen und wozu. Nach Artikel 14 des Grundgesetzes für die BRD werden sein Inhalt und die Schranken durch die Gesetze bestimmt.

Er legt dazu lediglich fest, daß sein Gebrauch "zugleich" dem "Wohle der Allgemeinheit" dienen solle. Die im Buch enthaltene Schilderung weltweiter Zunahme großen menschlichen Elends sowie der wachsenden Unterschiede zwischen Reichtum und Armut zeigen aber sehr deutlich, wie diesem "gedient" wird.

Von "begründeter Differenz" zwischen Sozialer Marktwirtschaft und einem ungebremsten Kapitalismus kann (zumindest seit 1990, als die Maske überflüssig wurde) keine Rede sein. Daß "Wirtschaft" keine spezifischen Interessen verfolgen dürfe, sondern "Dienerin der Menschlichkeit" zu sein habe, ist und bleibt doch unter kapitalistischen Vorzeichen bloß ein frommer Wunsch.

Verschiedenen Zitaten ist zu entnehmen, daß Reinhard einiges von Karl gelesen hat. Offensichtlich hat er ihn kaum verstanden oder verstehen wollen, können oder dürfen. Jedenfalls wird den Marx-Zitaten eine Vielzahl Aussprüche von Päpsten, Klerikern und Verfechtern der katholischen Soziallehre entgegengestellt, um die Überlegenheit christlicher Auffassungen darzulegen.

Sicher würde Karl nicht mit den Thesen anderer argumentieren, und wenn es Reinhard keine Ruhe läßt, ob es nicht doch zu früh war, über dessen ökonomische Theorien den Stab zu brechen, so ist beides zu bejahen. Was ein paar Jahrhunderte lang an Verbrechen im Namen von Jesus Christus begangen wurde und einige Jahrzehnte unter Mißbrauch des Namens von Karl Marx geschah, ist in keinem Fall zu verzeihen, darf aber nicht den Begründern ihrer Lehren angelastet werden.

Richtig ist die Feststellung, daß die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen einer kleinen herrschenden Clique auch zur politischen Diktatur führt. Die Unterschiede finden sich allerdings im Klassenhintergrund, in den jeweiligen Zielsetzungen, ihren Machtmitteln sowie den durch sie angewandten Methoden.

Soviel zu dem fiktiven Brief Reinhards an Karl, mit dem das Buch eingeleitet wird. Im folgenden kommt dann voll der Kirchenmann zum Vorschein. Ein analytisches Herangehen an die ökonomischen Sachverhalte wie von Karl ist bei Reinhard nicht erkennbar, fehlt einfach.

Das erste Kapitel zum Thema Freiheit (für wen, wovon, wofür?) geht schon völlig an Karl Marx und dessen Kritik der formellen "bürgerlichen Freiheit" vorbei. Beim "Dritten Weg" als Position zwischen liberalem Individualismus und sozialistischem Kollektivismus wird eine "Schlagseite" zum Liberalismus eingestanden.

Bei der Ökonomie für Menschen (das zweite Kapitel ist nach einem Buch des Nobelpreisträgers Amartya Sen überschrieben) geht Reinhard Marx auch auf Adam Smith sowie die "unsichtbare Hand" ein. Ihm ist kein Beispiel bekannt, daß eine freie Marktwirtschaft sich segensreich für Arme erwiesen hätte. Um die Aufhebung des Zinsverbots, die sich öffnende Schuldenfalle (über drei Millionen deutsche Haushalte sind überschuldet) und zweifelhafte Geschäfte mit "Schrottimmobilien" wird schwadroniert oder auf Johannes Paul II. verwiesen.

Im dritten Kapitel "... und raus bist du" wird mit reichhaltigem Zahlenmaterial auf die Armut inmitten unserer Wohlstandsgesellschaft, die rund 800 Tafeln, den Skandal Kinderelend und die Folgen der seit Jahrzehnten grassierenden Massenarbeitslosigkeit eingegangen. Mit dem Hinweis auf eine Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" (von 1933!) werden deren psychosoziale Folgen beleuchtet. Wie wurde einst über die in der DDR vertretene These von der Arbeit als erstem Lebensbedürfnis des Menschen im Sozialismus hergezogen!

Dem Kapitel über Räuberbanden und die biblische Gerechtigkeit kann gemäß einer Forderung von Bischof Basilius (330-379) "Verteile deinen Reichtum!" zugestimmt werden. Ob das aber auch für den Reichtum der Kirche gilt?

Zu den "Modernisierungsverlierern" und dem doch so despektierlichen Begriff "Unterschicht" (Warum nicht; es ist üblich, von Mittelschicht und Oberschicht zu sprechen, oder ist "abgehängtes Prekariat" etwa die zahmere Benennung für die "Kollateralschäden" der diversen Wirtschaftskriege bzw. -verbrechen?) kommt im fünften Kapitel nochmals Bischof Kettler zu Wort: Es ist nicht damit getan, Ungerechtigkeiten zu erkennen und anzuprangern, sondern man muß auch sagen, wie es besser, wie es gerechter zugehen könnte. Dazu gibt es allerdings von Karl Marx in seiner 11. These über Feuerbach eine viel klarere Aussage: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern." Das jedoch scheuen die Reformer! Kettlers Appelle an das Gewissen der Reichen wie auch sein Experiment mit der Genossenschaftsidee - dazu kontaktierte er sogar Ferdinand Lassalle - fruchteten nicht. Er wurde zum Verfechter staatlicher Sozialpolitik.

In der Kritik am Gothaer Programm hielt Karl Marx diesen "veralteten Phrasenkram" (laut Reinhard Marx "Gift und Galle spuckend") für blanken Unsinn und eine aller Welt bekannte demokratische Litanei. Einen "dritten Weg" hielt Karl nicht für möglich, und er würde sich, gewiß zu Reinhards Ärger, nicht etwa verwundert die Augen, sondern befriedigt die Hände reiben, wer heute alles seine Auffassungen teilt. Zum Unsinn Prof. Sinns und der übrigen vier "Wirtschaftsweisen", deren Prognosen und dem Vorschlag, einen "Sozialstaats-TÜV" einzuführen, wäre sein sicherlich beißender Spott äußerst lesenswert.

Die Karten neu verteilen (so ist Kapitel sechs überschrieben), wie von USA-Präsident Franklin D. Roosevelt 1932 propagiert, zeigt auf das Pokerface des Kapitalismus. Neben den Schilderungen zur Misere bei Arbeit, Bildung und Familie ist in diesem Kapitel der Satz "Arbeit gehört zum menschlichen Leben" hervorzuheben.

Bei dem Kapitel Moral fürs Kapital ergibt sich die bange Frage, ob nicht ein Messer ebenfalls eine Moral haben könnte oder nur sein Benutzer; gegebenenfalls eben auch ein Mörder oder ein Banker?

Mit einigen Beispielen unmoralischen Verhaltens großer Firmen wird auf die Verantwortungslosigkeit ihrer Manager (die mit dem "goldenen Handschlag" nach Hause geschickt werden) hingewiesen. Nicht das Kapital, sondern Kapitalisten und deren Vertreter als handelnde Personen zeigen trotz aller Appelle, auch aus Kirchenkreisen, unmoralisches Verhalten, werden von der Profitgier großer wie kleiner Aktionäre getrieben.

Im Kapitel VIII (Globalisierung der Gerechtigkeit) wird China attackiert. Die von korrupten Herrschern in den Entwicklungsländern installierten Mißstände finden immerhin Erwähnung. Auch die Rolle des IWF wird beleuchtet. Von den 6,7 Milliarden heute auf der Erde lebenden Menschen haben über 2,5 Milliarden in bitterster Armut Existierende weniger als zwei Dollar täglich, eine Milliarde verfügt über weniger als einen Dollar am Tag, mehr als 850 Millionen leiden Hunger. Unter den geschätzten 24.000 täglich an Unterernährung Sterbenden sind die Mehrzahl Kinder.

Zu der 2000 von 189 Ländern verabschiedeten "Millenniumserklärung" wurde im Sommer 2007 eine ernüchternde Halbzeitbilanz gezogen. So wirken eben Appelle. Wenn Reinhard dem Karl vorwirft, die 1864 gegründete Internationale würde die Menschenwürde nicht achten, ist das eine üble Unterstellung.

Mit dem Gebet von Papst Johannes Paul II. 1979 in Warschau "Herr, sende aus Deinen Geist und erneuere das Antlitz der Erde - dieser Erde!" (das laut Reinhard Marx immer noch Gültigkeit hat) ist dem Elend auf der Welt wohl nicht beizukommen! Da muß schon ein kräftigerer Hebel angesetzt werden.

Im Schlußkapitel "Um des Menschen willen" wird zitiert, wo Karl Marx die Wurzel allen Übels sieht. Nur spielen Eigentum, Zins, Mehrwert, Ausbeutung und Gewalt für die Anbeter der "sozialen Marktwirtschaft" keine besondere Rolle. Sie glauben, mit Reformen, dem Neujustieren der Rahmenbedingungen sowie der "Globalen Sozialen Marktwirtschaft" könnten die anstehenden Probleme gelöst werden.

Nach verschiedenen Kinderkrankheiten der Menschheit ist sie nun mit einer langwierigen, tödlich werdenden Krankheit, dem Kapitalismus, befallen. In ihrem letztlich fatalen Verlauf hat diese eine erstaunliche Entwicklung und viel Kraft gezeigt. Wie in der Vergangenheit eilen jetzt wieder Reformer aller Couleur herbei, um an Symptomen herumzukurieren. Aber an den Herd des Siechtums will so recht keiner herangehen. Auch die Sozialdemokratie steht wieder als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus. Gefürchtet wird von allen, Karl Marx könnte uns als Wiederkehrender der Geschichte begegnen. Er soll, so wünscht Reinhard Marx, in Frieden ruhen.

Das, Eminenz, wird er - weil seine Lehre lebt. Zwar wurde sie bereits "real", aber noch kein ausgereifter Sozialismus. Die Marktwirtschaft hingegen hat ihr Attribut "sozial" inzwischen längst verloren. Das Ende der Geschichte ist noch nicht gekommen.

Hans Rolf Besser

Raute

Warum auch die "demokratischsten" Haifische Zähne haben

Mackie-Messer-Essay

Zeigt sich ein neuer "Messias", ein durch bürgerliche Wahlen gesalbter Heilsbringer, am Horizont?

Ein schwarzer Präsident in den USA ist zunächst einmal etwas Positives, weil durch seine Wahl eine weitere Schlinge um den Hals des Monsters Rassismus gelegt wird. Doch ein schwarzer Präsident bringt genausowenig Demokratie wie eine Schwalbe den Sommer. Die ständige Betonung der Hautfarbe eines Politikers ist übrigens auch eine Form rassistischen Denkens. Denn Kapital ist ein gesellschaftliches Verhältnis, was heißt, daß der Bourgeois primär durch dieses als Interessenvertreter seiner Klasse geprägt wird, nur sekundär aber durch seinen Charakter. Gänzlich unwichtig sind in diesem Zusammenhang Hautfarbe und Nationalität. So hat Brecht seinen Puntila gezeichnet.

Betrachten wir das Musterland "abendländisch-atlantischer Demokratie" etwas näher. In den USA gab es nie eine Volksherrschaft. Die Mächtigen waren immer reich, männlich und weiß. Das war so seit der Gründung der Vereinigten Staaten: Für schwarze Sklaven, Indianer, Latinos und arme - wenn auch weiße - Einwanderer und Proleten sah man eine Beteiligung an der Macht nicht vor. Das ist heute nicht anders, auch wenn man Ziele des Imperialismus mit einem Colin Powell oder einer Condoleezza Rice besser zu verkaufen hoffte.

Für die Erhaltung der Herrschaft des Militärisch-Industriellen Komplexes, der Banken und Konzerne ist jedes Mittel recht: Von Manipulation und Demagogie über archaische Gewalt mit Folter (Guantánamo) außerhalb aller moralischen und juristischen Normen, aber mit Verhöhnung der Welt (George W. Bush: "Kein Präsident hat mehr für die Menschenrechte getan als ich.") bis zum offenen Aggressionskrieg zur Erringung der Weltherrschaft, aber auch zur Ablenkung von inneren sozialen Mißständen, wird alles praktiziert, wenn es den Kapitalinteressen dient.

Bis zum Januar dieses Jahres erlebte die Welt an der Spitze der imperialistischen Hauptmacht nicht nur eine Figur zweifelhaften Charakters, sondern auch einen "Repräsentanten" des intellektuellen Tiefflugs. Jetzt soll ein schwarzer Präsident mit Eloquenz und Eleganz das Ansehen des Systems aufpolieren. Er proklamierte im Wahlkampf den "Wandel". Achtung: Nach Alternativen zu suchen, ist in den USA für Bewohner des Weißen Hauses lebensgefährlich! Obama beruft sich auf Abraham Lincoln. Der wurde bekanntlich in einem Washingtoner Theater erschossen.

Selbst wenn Obama die Verhältnisse ändern wollte, er vermag es nicht. Er kann und will ja auch nicht das Selbstverständnis der USA-Gesellschaft wandeln, sondern nur taktische Korrekturen vornehmen. Allein "amerikanische Werte" gelten weiterhin als allgemeingültige Existenzform der Menschheit. Alle Welt hat sich den USA-Interessen unterzuordnen oder anzupassen. Das bleibt die strategische Orientierung. Washington nimmt sich auch in Zukunft das Recht, sein Gesellschaftsmodell allen anderen aufzuzwingen. Alte Kulturen werden vernichtet, souveräne Staaten wie Provinzen behandelt. Man teilt sie in gute und böse ein. Wer dem Kapital der USA nützt, zählt zu den Guten, andere sind Schurkenstaaten und gehören zum Reich des Bösen. Es gilt lediglich eine Kultur, eine Lebensweise, ein Interesse. Mit anderen Worten: die Pax Americana.

Obama müßte die hegemonistische Monroe-Doktrin offiziell über Bord werden, das unsinnige Synonym USA = Amerika aufgeben und die Schulden der Vereinigten Staaten an die UNO begleichen. Das will und kann er trotz einiger neuer Nuancen und Akzente natürlich nicht.

Auch wir Deutschen waren einmal eine Kulturnation. Heute herrschen in der Bundesrepublik "amerikanische" Sitten und Verhältnisse: "Bild" und Privat-TV geben das "Niveau" vor. Politik wird zum Dauerwahlkampf, ihre Akteure sind nur noch der eigenen Wiederwahl verpflichtet, Bruchstücke von Inhalten werden in psychologisch ausgefeilten Werbe-Spots vermittelt. Reue für Fehlverhalten der "Elite" gibt es nur noch, wenn die Übeltäter, was selten geschieht, auf frischer Tat ertappt worden sind. Der globale Verarmungsprozeß macht den Menschen zum Objekt der Herrschaft Weniger.

Es gilt die Quote, das Diktat der "freien" (angeblich wertfreien) Medien. Gemeint ist: frei von Wert. Die Diktatur des Kapitals ist längst zu einem Überstülpen von Niveaulosigkeit und Beliebigkeit geworden.

Die Verbindung von Staat und Recht zum "Rechtsstaat" hat nicht nur die Verrechtlichung aller Bereiche des Lebens zur Folge, sondern auch die Trennung von Recht und Gerechtigkeit. Mackie Messer, dem man nichts beweisen kann, bleibt immer oben und wird in den erblichen Adelsstand erhoben. Er muß künftig keine Bank mehr berauben; als Gentleman gründet er eine und plündert das Volk aus - in Kumpanei mit seinem Kriegskameraden Tiger Brown.

All unsere Parteien - von bürgerlich konservativen bis zu Teilen der PDL - tolerieren die Trennung von Recht und Gerechtigkeit. Das positive Recht - sei es, wie es sei - wird idealisiert. Gerechtigkeit spielt allenfalls noch in politischen Sonntags- und Wahlreden oder in abgeschmackten Parteiprogrammen eine Rolle.

Ist es Gerechtigkeit, von Humanität ganz zu schweigen, wenn in den USA 3200 Menschen - oft jahrzehntelang - in Todeszellen auf ihre Hinrichtung durch Galgen, elektrischen Stuhl, Henkerbeil oder Giftspritze warten?

Ist es Gerechtigkeit, wenn in der BRD ein des Totschlags seiner eigenen Mutter Überführter seit 14 Jahren vor Gericht darum streiten darf, die Umgebrachte zu beerben - mit unterschiedlichem Erfolg bei den verschiedenen Instanzen der deutschen Justiz? Ein Duell der Rechtsanwälte, die in jedem Falle finanzielle Gewinner sind, tötet auch den leisesten Anflug von Gerechtigkeit.

Der "Rechtsstaat" wird als "hohes Gut der Demokratie" mit dem altrömischen Grundsatz "Gerechtigkeit ist der beharrliche Wille, jedem das Seine zu geben" idealisiert. Verhöhnten nicht schon die Nazis so ihre KZ-Opfer?

Für mich hingegen ist die Marx-Erkenntnis wahr, daß das bürgerliche Recht immer Unrecht bleibt, weil der gleiche (juristische) Maßstab auf ungleiche (soziale) Verhältnisse angewendet wird.

Nach uralter und gesicherter Rechtstradition macht sich nur strafbar, wer eine vorher im Gesetz definierte und verbotene Tat begangen hat. Das war die Schwierigkeit im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß, der 1946 gegen die Nazianführer stattfand. Seine Urteile sind "aus formalen Gründen" deshalb bis heute in der BRD nicht anerkannt worden. Auch der Umkehrschluß war dort gängige Praxis: "Wer sein Recht anwendet, tut niemandem Unrecht." So meinte Herr Filbinger, Marinerichter der Nazis und dann CDU-Ministerpräsident im BRD-Land Baden-Württemberg, der den Matrosen Gröger ermorden ließ, daß ehemals gültiges "Recht" nicht nachträglich Unrecht sein könne. (Das gilt selbstverständlich im "Rechtsstaat BRD" nicht für Kommunisten und Funktionsträger der DDR.)

Der Staat kann keine Straftatbestände zum Schutz künftiger wissenschaftlich-technischer Erfindungen schaffen, wohl aber kann der Kriminelle neueste Errungenschaften für Straftaten nutzen, bevor Gesetze das zu verhindern vermögen. (Die Computerkriminalität beweist es.) Dabei sind in der Praxis die Verbrecher oft höher angebunden und besser ausgestattet als die sie bekämpfenden Organe des Staates. Noch immer gilt: Was schadet einer Gesellschaft mehr - der Überfall auf eine Bank oder die Gründung einer Bank? Was bringt gefahrloser Gewinn für die bisher weitgehend legalen Übeltäter?

Fest steht, daß die Haifische, gleich, ob sie in Nadelstreifen oder Richterroben daherkommen, Zähne haben. Unverändert gilt: Manus manum lavat (Eine Hand wäscht die andere). So werden Verfahren in der Liechtensteiner Steueraffäre gegen Zahlung von Millionenbeträgen eingestellt. Hier zeigt man Milde, auch gegenüber Polizisten im Zusammenhang mit brutalen Übergriffen beim G8-Gipfel 2001 in Genua und anderswo. Übrigens habe ich noch nichts von einer Anklage gegen die Staatsterroristen in Heiligendamm gehört.

So viel "Recht", so wenig Gerechtigkeit! Mackie Messer wird Sir Mackie: Geld, Geburtsadel und Gangsterchef - was für eine ideale Personalunion im Kapitalismus!

Den ökonomisch und politisch Machtausübenden ist es gelungen, neue Formen und Inhalte ihrer Teile-und-herrsche-Politik erfolgreich durchzusetzen. Der Klassenkampf wurde zuerst durch Hitlers "Volksgemeinschaft", dann durch die sogenannte Sozialpartnerschaft "überwunden". Alles trennt man von seinen sozialen Wurzeln und Wirkungen. So spielt man Partner und Verbündete im Kampf für eine Änderung der Verhältnisse gegeneinander aus: Männer gegen Frauen, Junge gegen Alte, Kulturen, Religionen, Völker und Rassen.

Statt gleichem Lohn für gleiche Leistung bekamen Frauen eine Frauenquote, während Männer in der BRD immer noch fast ein Viertel mehr verdienen als Frauen. Das Arbeitsleben wird scheinbar entpolitisiert. Selbst die staatsnächsten Berufe wie Militärs, Richter, Lehrer, Pfarrer und Banker üben vermeintlich ganz "unpolitische" Tätigkeiten aus. Die Lohnarbeit heißt jetzt Job. Arbeitslosenzahlen sinken durch die Erfindung immer neuer Minijobs. Kurzarbeit heißt die neue Tugend des Kapitals. Oft kann Arbeit Menschen nicht mehr ernähren. Es gibt zuviel Milch, der Preis ist zu niedrig - bei in weiten Teilen der Welt verhungernden Kindern.

Politiker feiern ihre Erfolge. Die Medien sind immer dabei, um sie zu verkünden. Die Gesellschaft ist eine Mischung aus Zirkus und Pornographie. Die Schule setzt auf nutzlose Daten und Fakten, auf Vereinzelung von Ereignissen und Schicksalen statt auf die Erkenntnis von Zusammenhängen, von Ursache und Wirkung. Sie verhindert, daß politisch reife, urteilsfähige Staatsbürger heranwachsen. Kunst wird zur L'art pour l'art - sie wird nur noch um ihrer selbst willen betrieben. Auch Wissenschaft, Religion und Technik entkleidet man sozialer Verantwortung.

Freiheit mutiert zur zeitlos leeren Phrase: Drogen, Orgien, Fliegen, Autos, Sex, Reisen - alles macht den manipulierten Bürger "frei". In der DDR war die Reisefreiheit tatsächlich eingeschränkt. Heute etwa nicht? Wie viele können ihren Urlaub nur auf "Balkonien" verbringen?

Selbst das Wort Revolution wird mit allerlei Zutaten verfälscht: Da gibt es konservative, orangefarbene, Sex- und Rosenrevolutionen. Der Begriff hat keinerlei sozialen Inhalt mehr, sondern wird nach allen Regeln der Kunst verfälscht. Die Konterrevolution fand als "friedliche Revolution" sogar in Verfassungstexten Eingang.

In der Enzyklika Centesimus annus beschwört Papst Johannes Paul II. ein Menetekel: "Wenn der Kapitalismus die Grundprobleme der Gerechtigkeit, der Solidarität, der Freiheit des Menschen nicht wirklich löst, sondern Gräben neu aufgerissen werden, dann kommen die alten Ideologien wieder." Das gehört zu den Versuchen katholischer Würdenträger, Antwort auf Kapitalismus und Marx zu finden - ohne Marx. Es bleibt aber die Gewißheit, daß die Kirchen nichts für die Menschen tun können außer Murks, weil sie selbst um das Goldene Kalb tanzen und sich von den Wurzeln ihrer eigenen Lehre verabschiedet haben, z. B. vom "göttlichen" Zinsverbot und von der Gütergemeinschaft früher Zeiten.

"Reicher Mann und armer Mann standen da und sah'n sich an, und der Arme sagte bleich: Wär' ich nicht arm, wär'st du nicht reich", heißt es im Brechtschen Vers. Jesus war ein armer Mann, Eure Heiligkeit! Die Geburtstagsfeier Ihres Bruders kostete mehr als 100.000 Euro. Prüfe die Rechnung, gläubiger Steuerzahler, du mußt sie begleichen!

Im Sommer 2009 sollte man die Welt sehen, wie sie tatsächlich ist. Aber man darf sie nicht so belassen. Der Talfahrt muß begegnet werden. Es gilt, die Nuancen im eigenen wie im gegnerischen Lager, ja auch neue Akzente, zu erkennen, sich aber nicht in der Unterscheidung von Freund und Feind irritieren zu lassen.

Deshalb mag noch einmal Brecht zu Wort kommen, der auch heutigen Generationen von Antikapitalisten einen verläßlichen Kompaß an die Hand gibt:

Und was immer ich auch noch lerne
Das bleibt das Einmaleins:
Nichts habe ich jemals gemeinsam
Mit der Sache des Klassenfeinds.
Das Wort wird nicht gefunden
Das uns beide jemals vereint:
Der Regen fließt von oben nach unten
Und du bist mein Klassenfeind.

Horst Gröger


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

USA-Präsident Barack Obama ist von Reaktionären umzingelt. Die Multimillionärin Hillary Clinton, Vertreterin des rechten Flügels der Demokratischen Partei, wurde seine Außenministerin. George W. Bushs berüchtigter Kriegsminister, der Republikaner und frühere CIA-Chef Robert Gates, steht weiter an der Spitze des Pentagons.

Ende RF-Extra

Raute

Wie das Paßwort einer Revolution zur Worthülse verkam

220 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille

Wir sollten uns daran erinnern, daß vor 220 Jahren die Große Französische Revolution begann, die zu den folgenreichsten Ereignissen der europäischen Geschichte zählt. Sie leitete einen tiefgehenden politischen und sozialen Umwälzungsprozeß ein, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Die von Robespierre der Aufklärung entlehnte und verkündete Parole der Revolution lautete: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". Dieses Dreigestirn wurde 1958 in der Verfassung der Französischen Republik verankert und gilt als Teil des nationalen Erbes. Es wäre gut, wenn diese Forderungen in alle nationalen Verfassungen aufgenommen würden. Warum?

Der Freiheitsbegriff wird von den Liberalen und jenen, welche sich heute als Neoliberale darstellen, vor allem auf die Freiheit der Unternehmer zur Sicherung von Profit und Extraprofit bezogen. In diesem Sinne setzt man ihn rücksichtslos durch. Zwischen dem Verlangen nach Freiheit und der Forderung nach Gleichheit und Brüderlichkeit bestehen unlösbare Widersprüche. Einem Konzept für die Menschheit, dem diese Proklamation der Französischen Revolution zugrunde liegt, sind die Länder des Sozialismus, unter ihnen die DDR, bereits deutlich näher gekommen als der "freie" Westen.

Das mag durch einige Beispiele illustriert werden. In der DDR erhielt ein Facharbeiter monatlich etwa 900 Mark Lohn, der Generaldirektor eines Kombinats im Höchstfalle das Fünffache. Er konnte auf eine wesentlich höhere Qualifikation verweisen und trug entschieden mehr Verantwortung. Deshalb gab es bei uns keine billige Gleichmacherei. In der BRD verdient ein Facharbeiter heute bis zu 30.000 Euro im Jahr, aber ein Spitzenmanager kann auf das Fünfzehn- oder Zwanzigfache dieser Summe verweisen, wozu noch enorme Zuwendungen in Form von Bonuszahlungen, Vergütungen für die Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen usw. kommen. Es gibt nicht wenige Konzernbosse und Bankchefs, deren Jahresbezüge sich auf 10 Millionen Euro beziffern.

Mit Gleichheit hat das nichts mehr zu tun, sondern nur noch mit maßloser Gier. Dabei berufen sich die Bosse auf Arbeitsverträge. Wer aber setzt denn solche Kontrakte auf? Sie selbst sind führend daran beteiligt.

Ein weiteres Beispiel: Friedenssicherung. Dabei handelt es sich um einen Schritt in Richtung Brüderlichkeit der Völker. Es geht um die Wahrnehmung nationaler Interessen auf dem Verhandlungswege, nicht durch Waffengewalt. Von der DDR ist niemals ein Krieg begonnen worden. Und heute? Warum waren und sind "die Deutschen" eigentlich in Kosovo, in Afghanistan, am Horn von Afrika und vor Libanons Küsten? Weshalb ist die BRD direkt oder indirekt überall dort verstrickt, wo die USA-Führung unter Nutzung der NATO ihre Weltmachtambitionen durchsetzen will?

Ein drittes Beispiel: Die zwischenmenschlichen Beziehungen gestalteten sich in der DDR und den anderen sozialistischen Ländern wesentlich wärmer und menschenfreundlicher als im "Westen". Viele frühere DDR-Bürger, die in den letzten Jahren dorthin übersiedelten, beklagen sich über fehlende Solidarität, Mangel an gegenseitiger Hilfe, Schwierigkeiten bei der Herstellung freundschaftlicher Kontakte zu Nachbarn und Arbeitskollegen. Auch im Osten kühlen sich die Beziehungen unter BRD-Einwirkung merklich ab. Niemand darf wissen, wieviel der andere verdient. Mobbing am Arbeitsplatz ist angesagt, besonders Frauen leiden darunter. Mit einem Wort: Auch in bezug auf "Brüderlichkeit" geht es rapide abwärts.

All das erklärt, warum bei Umfragen der Meinungsforscher aus Allensbach inzwischen 45 % der Westdeutschen und 54 % der Ostdeutschen der Meinung sind, die Idee des Sozialismus sei das bessere Gesellschaftskonzept. Auf Arbeitslosigkeit und die Tatsache angesprochen, daß immer mehr Menschen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, während das Großkapital nach wie vor riesige Gewinne einfährt, sagten schon 2007 rund 62 % der Befragten, sie könnten auf eine solche Freiheit verzichten.

In den Medien werden die angeblichen Vorteile der "sozialen Marktwirtschaft" unablässig gepriesen. In letzter Zeit ist solches Lob angesichts der weltweiten Krise des Kapitalismus allerdings leiser geworden, und an die sogenannten Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt unterdessen kaum noch jemand.

Ulrike Ackermann offenbart in ihrem Essay "Eros der Freiheit" (Klett-Cotta-Verlag 2008) ihren Kummer mit den Worten: "Je weiter das Jahr 1989 und der glorreiche Sieg der Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft über den Kommunismus in die Ferne rückt, desto beliebter und hoffähiger wird der Sozialismus, desto mehr verkümmert die Liebe zur Freiheit hierzulande."

Der Prozeß nüchternen Herangehens an die Realitäten der BRD schreitet zweifellos voran. Das liberale Freiheitsverständnis wird von immer mehr Menschen als "kalte Freiheit" betrachtet, die nur Ungleichheit und Ungerechtigkeit produziert. So klagt Frau Ackermann: "Doch die Freiheit bleibt zerbrechlich." Mit anderen Worten: Die großbürgerliche und antikommunistische Autorin ist sich keineswegs sicher, ob es mit der Ausbeutung und Profitmacherei auch künftig so ungehemmt weitergehen wird wie bisher.

Längst hat die Weltwirtschaftskrise die Finanzmärkte überschritten und erfaßt mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit auch alle übrigen Bereiche der kapitalistischen Ökonomie. So kommt es überall auf dem Globus zu Produktionsdrosselungen, Insolvenzen und Massenentlassungen.

Deutschland wird das besonders hart treffen. Dem Wähler bleibt dieses "Erfolgserlebnis" der Bourgeoisie allerdings bis zum Abstimmungstag vorenthalten; erst dann wird er in seinen Strudel voll hineingerissen. Man erinnert sich noch an das Eiapopeia vom Export-Weltmeister. Mit einem Ausfuhranteil von 48 % am Bruttoinlandsprodukt dürfte die BRD neben den USA und Japan an der Spitze der Krisenverlierer stehen. Die enorme Überproduktion im Ergebnis grenzenloser Freiheit für die Unternehmer und deren skrupelloses Streben nach Maximalprofit schlägt auf das System zurück.

Wie muß ein Konzept für die Zukunft der Menschheit aussehen, das sich auf die Losung der Großen Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" gründet?

Es ist in jedem Falle nicht unter kapitalistischen Bedingungen realisierbar, was Frankreichs eigene Erfahrungen bewiesen haben.

Dr. Werner Liebig

Raute

Im ukrainischen Kriwoi Rog erlebt

Wer kennt schon alle Geschichten und Episoden zur Wirtschaft der DDR? Ein rohstoffarmes Land ist darauf angewiesen, seine Hochöfen mit Erz zu versorgen, das im eigenen Land nicht gefördert werden kann. Knallhart wurde erklärt: Wenn Ihr - andere sozialistische Länder Europas - Eisenerz von uns, der Sowjetunion, geliefert haben wollt, müßt Ihr Euch schon mal selbst an dessen Förderung beteiligen. Anders ging es nun einmal nicht. Betroffen waren die SSR, Rumänien und die DDR.

So kam es zum Abschluß des RGW-Abkommens über die gemeinsame Errichtung eines Bergbau- und Aufbereitungskombinats (BAK) in Kriwoi Rog. Es ging darum, bereits auf Halde liegende Rückstände aus der bisherigen Förderung, also oxidierte Eisenerze, mit neuesten Technologien zu erschließen. Wissenschaftler erklärten, im Ergebnis dieses Verfahrens könnten nur minderwertige Rohstoffe an die Hochöfen der beteiligten Staaten geliefert werden. Sogar der für das Vorhaben zuständige Minister der DDR hatte Einwände gegen das Projekt und unterbreitete entsprechende Alternativvorschläge, um die Erzversorgung des sozialistischen deutschen Staates zu sichern.

Doch das Politbüro entschied anders. Der Minister wurde veranlaßt, den Generaldirektor eines Kombinats mit der Leitung des Vorhabens zu beauftragen. Die Wahl fiel auf das Mansfeldkombinat. Man schuf einen Generallieferanten für das BAK, der damit die Leitfunktion übernahm.

Jeder gelernte DDR-Bürger wußte aus dem Geschichtsunterricht, was es mit der Fahne von Kriwoi Rog auf sich hatte. Die Mansfelder hatten ja eine besonders enge Beziehung zu dem seinerzeitigen Geschehen. So war es kein Wunder, daß sich im Gepäck der Baustellen- und Parteileitung auch eine Reihe handsignierter Bücher Otto Gotsches befanden, der als Autor des gleichnamigen Rapports Bekanntheit erlangt hatte.

Im August 1985 war ich Leiter der Vorausdelegation, mit mir der Dolmetscher Rolf Junghanns, der Handwerker Gerhard Fillinger und Peter Zimmermann, dem die Unterbringung der ersten Bauleute oblag. Zunächst erfolgte die Grundsteinlegung für ein Bauarbeiterdorf, dann wurde die Baustelleneinrichtung vorbereitet, schließlich ging es um die eigentlichen Gründungsarbeiten für das Projekt. Dessen Achillesferse bestand darin, daß für eine DDR-Mark Aufwand nur 0,20 DM Rückfluß zu erwarten waren. Die DDR beteiligte sich am BAK Kriwoi Rog lediglich mit 5 %; dennoch stellte diese Investition einen immensen Aufwand für ihre Volkswirtschaft dar. Von 1985 bis 1992 waren bis zu 1300 Bauarbeiter der DDR im Einsatz. Das Vorhaben galt nicht als Vorzeigeobjekt. Folglich verhängte Günter Mittag ein Presseverbot. Nur ab und an war in örtlichen Zeitungen beiläufig etwas über das BAK zu lesen. Für mich und meine Frau bedeutete diese Zeit die aufregendste berufliche Herausforderung, die man sich vorstellen konnte. 2002 entstand die Idee - sie ging vor allem von Rolf Junghanns aus -, damals Erlebtes aufzuschreiben.

60 Autoren aus der früheren DDR und der Alt-BRD, aus der Ukraine und Tschechien - es handelte sich um Arbeiter, Angestellte, Ingenieure, Leitungspersonal, Funktionäre und Regierungsbeamte - haben Meinungen, Erinnerungen und Anekdoten zu der Publikation beigesteuert. Heraus kam dabei ein Sachbuch über die technologischen Zusammenhänge, aber auch eine Darstellung persönlicher Erlebnisse in der Ukraine und weiter wirkender Erinnerungen. Jährlich finden Treffen der beteiligten Bauleute statt, eine Schule im thüringischen Roßleben pflegt noch heute Kontakte mit Schülern in Kriwoi Rog.

Gerhard Kasten

Junghanns, Böhrs, Kasten, Hildebrandt:
Das eiserne Problem des Sozialismus.
Ukrainisches Eisenerz zum hohen Preis,
Schibri-Verlag, 2009, 510 S., 29,90 Euro,
ISBN 978-3-937895-72-7

Raute

Ungarns Kommunisten brachen mit Europas reformistischer Linkspartei

Signal und Denkanstoß

Die Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei (UKAP) hat die Europäische Linkspartei (EL), deren Vorsitzender Lothar Bisky ist, demonstrativ verlassen. Obwohl sie selbst zu den Mitbegründern dieses heterogenen Zusammenschlusses linkssozialdemokratischer, eurokommunistischer und anderer Parteien gehörte, hatte sie von Beginn an deutliche Vorbehalte gegen das Projekt. In einer Erklärung des ZK der UKAP heißt es u. a.:

Wir waren nicht mit der Einschätzung der Vergangenheit der europäischen sozialistischen Länder, einschließlich Ungarns, durch die EL einverstanden. Wir sind davon überzeugt, daß diese während der Jahrzehnte des Sozialismus große Erfolge im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben erzielten. Wir leugnen nicht, daß es Irrtümer und Fehler gegeben hat, aber wir werden niemals gestatten, diese Jahre als "reinen Stalinismus" zu charakterisieren.

Wir stimmten nicht mit der allgemeinen Haltung der EL überein, die einer Anzahl wichtiger und starker Parteien die Mitgliedschaft versagte und die EL in eine Partei der EU verwandelte. Wir waren nicht mit der praktischen Politik der EL einverstanden, die sich ausschließlich auf die westeuropäischen Länder und die Fragen der Europäischen Union konzentrierte, den realen Problemen Mittel- und Osteuropas aber keine Aufmerksamkeit schenkte. Wir widersetzten uns der politischen Linie der EL, die Parteien die Mitgliedschaft antrug, welche mit kommunistischen Ideen nichts gemein haben und in einigen Fällen sogar Feinde des Kommunismus sind. Wir waren gegen die Praxis, daß über die politische Linie der EL ausschließlich durch jene Parteien entschieden wurde, die dem Europaparlament angehören.

Wir waren gegen die neue politische Linie der EL, wie sie in den Entschließungen des 2. Parteitags vom November 2007 zum Ausdruck kam. Die UKAP war die einzige Partei der EL, die gegen diese Dokumente stimmte. Wir sind davon überzeugt, daß wir keine "neue europäische politische Kultur" brauchen, sondern einen äußerst entschiedenen Kampf gegen den Kapitalismus und für die Rechte der arbeitenden Massen. Wir sollten das kapitalistische System nicht nur kritisieren, sondern den täglichen Kampf der Arbeiter organisieren.

Wir wollen die Beseitigung des Kapitalismus. Die EL möchte ihn verbessern. Wir stehen auf dem Boden des Marxismus-Leninismus, der Theorie und Praxis des Klassenkampfes, der Prinzipien des proletarischen Internationalismus. Die EL steht leider auf dem Boden des Reformismus. Sie bekämpft den Kapitalismus nur in Worten. In der Praxis hilft sie, das "demokratische" Image der Europäischen Union, des Europaparlaments, des kapitalistischen Systems im allgemeinen zu stärken. Wir versuchten, diese Positionen zu beeinflussen und zu ändern. Wir erkennen jetzt, daß das unmöglich ist. Die politische Linie der meisten Kern-Mitglieder der EL und der Europäischen Linken selbst verläuft in einer Richtung, die die Grundinteressen der Arbeiterklasse und der internationalen kommunistischen Bewegung verletzt.

Wir haben auch die Positionen anderer kommunistischer Parteien in Betracht gezogen. Wir stimmen damit überein, daß die Europäische Linke eine negative Rolle in der internationalen linken Bewegung spielt. Wir möchten mit unserer Entscheidung anderen Parteien helfen, die EL zu verlassen. Wir wollen allen klarmachen, was die EL in Wirklichkeit für eine Partei ist.

Wir denken, daß Revisionismus und Opportunismus jetzt die größte Gefahr sind, die der kommunistischen Bewegung droht.

Es ist eine Schande, daß wir arm sind und kein Geld haben. Aber wir werden alles verlieren, wenn wir unsere klaren ideologischen Überzeugungen, wenn wir den Marxismus-Leninismus aufgeben. Wir werden weiterhin an den Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien teilnehmen und unser Bestes geben, um den kommunistischen Pol der Bewegung in Übereinstimmung mit den Prinzipien des proletarischen Internationalismus zu stärken. Wir werden unsere bilateralen Beziehungen zu anderen kommunistischen Parteien ausbauen. Wir werden unseren Kampf gegen den Kapitalismus auf der Basis des Marxismus-Leninismus fortsetzen.

Übersetzung: RF

Raute

KP Israels: Nicht jeder Jude ist ein Zionist

Die KP Israels begeht den 90. Jahrestag ihrer Gründung. Sie ist - neben der Volkspartei Palästinas und der Jordanischen KP - eine von drei Parteien, die Ende der 40er Jahre aus der schon 1919 entstandenen Kommunistischen Partei Palästinas hervorgingen.

Die antirassistische Einheitsfront Hadash, deren wichtigste Kraft die KP Israels ist, verfügt gegenwärtig über vier Abgeordnete im israelischen Parlament - der Knesseth. Die Kommunisten stellen auch eine Reihe von Bürgermeistern. Seit 32 Jahren steht ein Mitglied der KP Israels an der Verwaltungsspitze von Nazareth, der "arabischen Hauptstadt" des Landes, wie es auch bezeichnet wird. Bei den Munizipalwahlen im November 2008 erhielt das kommunistische Knesseth-Mitglied Dov Khenin, der sich in Tel Aviv um den Bürgermeisterposten bewarb, 36 % des Votums, während auf den sozialdemokratischen Amtsinhaber ein Stimmenanteil von 51 % entfiel.

In der KP Israels wirken Juden und Araber absolut gleichberechtigt zusammen. Die Parteizeitung "Al Ittihad" (Einheit) ist das einzige kommunistische Blatt im Nahen Osten, das täglich erscheint. Die KP gibt zugleich die Wochenzeitung "Zo Haderekh" (Der Pfad) in hebräischer Sprache heraus.

Die in New York erscheinende "People's Weekly World", das Organ der KP der USA, druckte unlängst ein Interview nach, das KPI-Generalsekretär Mohammed Nafa'h einem spanischen Journalisten gewährt hatte. Die israelischen Kommunisten verfolgten seit 1947 konsequent den Kurs "Zwei Staaten für zwei Völker", erklärte Nafa'h. Sie forderten den Rückzug Israels aus allen im Juni 1967 okkupierten arabischen Gebieten und die Auflösung der dort errichteten zionistischen Siedlungen. Die KPI unterstütze zugleich das Rückkehrrecht der ins Ausland vertriebenen Palästinenser.

Ein wichtiges Anliegen der Partei sei die Zusammenarbeit mit verschiedenen Formationen der palästinensischen Linken. So unterhalte sie kameradschaftliche und solidarische Beziehungen mit der Volksfront für die Befreiung Palästinas, der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas und der kommunistischen Volkspartei. Entschieden grenze sich die KPI von allen Formen des Chauvinismus und Rassismus ab, betonte Nafa'h. Der KPI-Generalsekretär stellte nachdrücklich fest: "Nicht jeder Jude ist ein Zionist, weder in der übrigen Welt noch in Israel." Und er fügte hinzu: "Unsere Partei nimmt nicht für sich in Anspruch, jüdisch oder arabisch zu sein. Wir lassen uns von Klassenpositionen leiten und machen weder aus ethnischen noch aus religiösen Gründen irgendwelche Unterschiede.

Die KPI, die in entschiedener Opposition zum herrschenden Regime rechter und rechtsradikaler Parteien Netanjahus und Liebermans steht, unterhält enge Kontakte zu den anderen kommunistischen und Arbeiterparteien des Nahen und Mittleren Ostens.

Während 70 % der israelischen Bürger die brutalen Überfälle der Armee Tel Avivs auf die Bevölkerung Gazas und den von fortschrittlicher Seite als "Apartheid-Mauer" bezeichneten Grenzwall im Westjordanland billigen, wendet sich die KPI unmißverständlich gegen den Krieg und die rassistische Unterdrückung der Araber. "Die politische Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser ist eine internationalistische Pflicht der israelischen Kommunisten", resümierte Nafa'h.

RF, gestützt auf "People's Weekly World", New York

Raute

Warum das Europaparlament eine Luftnummer ist

Kratzen mit gestutzten Krallen

Zwischen dem 4. und dem 7. Juni wählte man in den EU-Staaten ein neues Europaparlament. Das Gremium besteht aus 751 Abgeordneten, wobei die BRD mit 96 Mandatsträgern über das größte Kontingent verfügt. Frankreich entsendet 74, Großbritannien und Italien je 73 Vertreter, Polen 51, die Inselrepublik Malta nur 6.

Der Zentrale Wahlausschuß der BRD hatte diesmal 31 Parteien und Listenverbindungen zugelassen. Auch die Neofaschisten von DVU und REP waren im Rennen. Die NPD hatte zugunsten der DVU auf eigene Bewerber verzichtet. Aber auch andere Gruppierungen des rechtskonservativen Lagers wie die "Freien Wähler" in Bayern, die "AUF-Partei" (Arbeit, Umwelt, Familie) oder "Libertas" präsentierten ihre Schar.

Von der Partei Die Linke wurden auf ihrem Essener Wahlparteitag am 28. Februar 30 Kandidaten benannt, an deren Spitze Lothar Bisky, der auch Vorsitzender der Europäischen Linkspartei (EL) ist, stand. Solche flammenden "Europäer" wie das heutige SPD-Mitglied Sylvia-Yvonne Kaufmann und André Brie waren für Brüssel nicht wieder zum Zuge gekommen, obwohl sich die zuerst Genannte mehreren "Kampfabstimmungen" gestellt und die Zustimmung mancher Delegierter des rechten Parteiflügels besessen hatte. Das Abstimmungsresultat in Essen war in dieser Hinsicht eine Widerspiegelung der Unzufriedenheit an der Basis.

Im Wahlprogramm der Linkspartei wurde die gegenwärtige Krise des kapitalistischen Systems nicht zum Anlaß für eine fundamentale Auseinandersetzung genommen. Man "übersah" die Tatsache, daß die EU das derzeitige Hauptinstrument des europäischen Monopolkapitals darstellt. Ihre Aufgabe besteht darin, dessen Profitinteressen kontinental und weltweit politisch abzusichern.

Die Linkspartei läßt sich von der vagen Hoffnung leiten, dieses Konstrukt der europäischen Konzerneliten "von innen heraus beeinflussen" und es "sozial abfedern" oder "demokratischer gestalten" zu können. Das entspräche einem Sieg der Maus über die Katze. Daß bei Fortbestehen der imperialistischen Machtkonzentration weder eine funktionierende bürgerliche Demokratie noch ein echter Parlamentarismus denkbar sind, liegt auf der Hand. Das Muskelspiel des Unterdrückungsapparats beim G20-Gipfel und anläßlich des NATO-"Jubiläums" hat das anschaulich demonstriert. Vor dem Hintergrund solcher Wolkenkuckucksheime erhob die trotzkistische "Partei für soziale Gleichheit" (BSG) den Anspruch, als "einzige Formation unter den 30 Bewerbern den Kapitalismus in Frage zu stellen".

Übrigens war auch die DKP mit einem eigenständigen, aber in seinen Konturen nicht immer klar genug umrissenen "alternativen Programm" und einem in der Partei nicht unumstrittenen Spitzenkandidaten Leo Mayer im Rennen. Sie erhielt rund 25.000 Stimmen (0,1 Prozent).

Die von den bürgerlichen Fraktionen dominierte Körperschaft besitzt im Vergleich mit nationalen Parlamenten nur äußerst bescheidene und stark eingeschränkte Rechte. Sie verfügt zwar über ein Mitspracherecht in bestimmten Sachfragen, hat aber keine Entscheidungskompetenz bei so wichtigen Themen wie dem Haushalt der Union! Da ist das Europaparlament strikt an die Vorgaben des Rates der EU gebunden, der aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer und dem Präsidenten der Kommission besteht. Dabei sind Haushaltsrecht und - hoheit in jedem bürgerlichen Parlament das Nonplusultra! Es ist Ausdruck seiner tatsächlichen Befugnisse.

Das jetzt neu gewählte Gremium ist an der Bestellung der Kommission, also der EU-Exekutive, lediglich "beteiligt". Es besitzt kein Vorschlagsrecht und kein Initiativrecht für Gesetze und Verordnungen. Das liegt allein in den Händen der Kommission und des Ministerrats.

Diese Kompetenzbeschneidung, verbunden mit der Tatsache, daß das Parlament von einer Mehrheit der Bürger in den EU-Mitgliedsländern gar nicht als eigene Interessenvertretung wahrgenommen wird, hat zu einer geringen Wahlbeteiligung in fast allen Mitgliedsstaaten geführt. Abgerundet wird dieses Bild sicherlich noch dadurch, daß die meisten Europäer Brüssel als eine künstlich geschaffene, von den Nationalstaaten abgehobene bürokratische Maschinerie riesigen Ausmaßes empfinden. Die Beteiligung an den Europawahlen betrug 1990 in der BRD gerade mal 45,2 %. 2004 sackte sie auf 43,0 % ab, auch 2009 änderte sich das nicht. Offenbar hegt die Mehrheit der Menschen in den EU-Ländern für den Brüsseler Wasserkopf keine tiefergehenden Sympathien.

Klaus Baunack

Raute

Nein zu einem EU-"Gedenktag" der Kriminalisierung des Kommunismus

Eindringlicher Appell aus Paris

Am 23. September 2008 faßte das Europäische Parlament den schamlosen Beschluß, den 23. August jeden Jahres zum "Gedenktag an die Opfer des Stalinismus und des Nazismus" zu erklären. Da die französischen Kommunisten die entschiedensten Bekämpfer des Faschismus vor und während der Besatzung waren, ist das eine unerhörte Beleidigung für sie. Durch diesen Beschluß wird die Geschichte verhöhnt.

Das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal hat die Untaten der Diktaturen Hitlers und Mussolinis verurteilt. Die Verfasser des erwähnten Textes sind nicht an historischer Genauigkeit interessiert. Sie wollen lediglich ihren antikommunistischen Feldzug ausweiten. Dazu benutzen sie den Vorwand des Nichtangriffspaktes, der am 23. August 1939 unterzeichnet wurde. So wird eine gemeinsame Zielsetzung des Dritten Reichs und der UdSSR unterstellt. Versucht wird auch, die Verantwortung der Regierungen Frankreichs und Großbritanniens, die das Münchner Abkommen unterzeichneten, zu verschleiern. Diese Herrschaften gaben Hitler im August 1939 den Weg frei.

Abgeordnete eines bunten Halbkreises von Sozialisten bis zu Rechtsradikalen haben den Beschluß unterstützt. Sie sind damit in die Fußstapfen der Münchner getreten, die es Hitler ermöglichten, die Spanische Republik zu ersticken und Österreich wie auch die Tschechoslowakei zu annektieren. Damals haben sowohl Daladier als auch Chamberlain den Abschluß eines Beistandspakts mit der UdSSR abgelehnt. In endlosen Verhandlungen, die sich bis zum 24. August 1939 hinzogen, haben Paris und London die Weigerung Polens, den Sowjettruppen im Falle eines deutschen Überfalls den Einmarsch in ihr Territorium zu gestatten, gutgeheißen. Später gaben sie zu, in jener Zeit keine militärischen Vorbereitungen getroffen zu haben, um die nazistische Aggression zu bekämpfen.

Der deutsche Angriff auf Polen war schon seit dem 11. April geplant. Er sollte spätestens am 1. September erfolgen.

Warschau hatte sich an der Zerstückelung der Tschechoslowakei beteiligt. In der Folgezeit wurde dieses Land absichtlich geopfert. 23 deutsche und 115 anglo-französische Divisionen standen Gewehr bei Fuß. Die Hitlergenerale Keitel und Jodl erklärten später in Nürnberg, sie seien seinerzeit zu der Überzeugung gelangt, daß Frankreich und Großbritannien keinen Krieg gegen sie führen würden. Am 17. September flüchtete die polnische Regierung nach Rumänien. Daladier und Chamberlain verhielten sich genauso wie in München. Die sowjetische Führung hatte dies richtig erahnt.

Militärisch war die UdSSR im August 1939 mit der Abwehr eines japanischen Angriffs auf die Mongolei bei Chalchin Gol gebunden. Moskau war isoliert und sah sich der Gefahr gegenüber, in den Krieg einbezogen zu werden. Als "Alternative" drohte das Auftauchen der faschistischen Wehrmacht - nach einer raschen Durchquerung Polens - an der sowjetischen Grenze, nur 250 km von Kiew entfernt. Deshalb sah Moskau keine andere Möglichkeit, als den von Berlin angebotenen Nichtangriffspakt zu akzeptieren. Das hat den Schlag gegen die Sowjetunion um zwei Jahre verzögert und eine Basis für die künftige Antihitlerkoalition geschaffen, die 1941/42 zustande kam.

Die französischen Abgeordneten des Europaparlaments, die 2008 den erwähnten infamen Beschluß mitgefaßt haben, reihten sich damit in das antikommunistische Heer der Daladiers und Raynauds ein, das am 10. Juli 1940 den eidbrüchigen Marschall Petain an die Macht brachte. Das Regime der Kollaborateure von Vichy war damals die Endstation. "Lieber Hitler als die Volksfront" lautete in jenen Tagen die Parole. Wen wollen Sie denn davon überzeugen, daß Ihr Vorhaben auch der Verurteilung des Faschismus dient? Etliche rechtsradikale oder offen faschistische Abgeordnete aus Italien, dem Baltikum und von anderswo haben 2008 den Vorschlag der Einführung eines "Gedenktages für die Opfer des Stalinismus und des Nazismus" mit unterzeichnet und dann für ihn gestimmt. Stört es Sie nicht, daß der "Liberale" Göran Lindblad einen Kranz am Fuße des Denkmals für die lettische SS niedergelegt hat, deren Verbrechen den Untaten von Tulle und Oradour sur Glane gleichkommen? Wie beurteilen Sie die gemeinsame Stellungnahme mit Allesandra Mussolini? Die Enkelin des Duce fordert die Verurteilung und das Verbot der kommunistischen Parteien!

Auf eine Beantwortung dieser Fragen werden wir wohl lange warten müssen.

Unsere bisherigen Europaabgeordneten verlangten, das französische Parlament solle ihrem Beispiel folgen. Doch niemand zwingt es dazu. Unsere Nationalversammlung soll das Vermächtnis der Résistance ehren! Die Kommunisten haben damals einen glorreichen, von General de Gaulle gelobten Beitrag geleistet. Das Andenken der französischen Widerstandskämpfer muß energisch verteidigt werden. Unter ihnen befanden sich Zehntausende Kommunisten, die gefoltert und erschossen wurden. Alle Verbände und Organisationen sind betroffen, die im Geiste der Prinzipien des Nationalrats des Widerstands (C.N.R.) handelten. Die am 27. Mai 1943 erfolgte Schaffung dieses Rates sicherte dem kämpfenden Frankreich seine Legitimität.

Schande all jenen, welche dieses Frankreich verleumden! Schande allen, die die Verbrecher als Helden bezeichnen! Sie setzen die Aggressoren mit ihren Opfern gleich: Befreiung mit Besatzung, Kommunisten mit eben jenen Nazis, von denen sie erschossen wurden.

Ewiger Ruhm den Französinnen und Franzosen, die im Kampf oder im Zuchthaus ihr Leben opferten, wobei sie dem Beispiel des Kommunisten Gabriel Péri, des Sozialisten Pierre Brossolette und Hunderttausender anderer Patrioten folgten, die für ihr Vaterland und die Freiheit gestorben sind!

Abgeordnete beider Kammern des französischen Parlaments! Sie werden angesprochen, sind Sie doch als Vertreter der Volkssouveränität gewählt worden. Diesen Vorschlag, einen "Gedenktag" am 23. August einzuführen, müssen Sie zurückweisen, weil er für Frankreich schändlich ist. Um den Kampf der Märtyrer fortzusetzen, gilt es, sich wie in Zeiten des C.N.R. zu einem neuen Widerstandskampf zu verbünden.

Übermittelt von Pierre Pranchère, Paris
Bearbeitung: RF

Raute

Litauens "Waldbrüder" waren eine weiße Banditenarmee

Baltische Killer als "Freiheitsbringer"

Nachdem die Nazis 1941 Litauen die Unabhängigkeit verweigert hatten, wollten die dortigen Faschisten der Nationalistenpartei ihr Ziel durch verstärktes Andienen erreichen. Mit dem Vormarsch der Roten Armee 1943 war auch diese Konzeption hinfällig. Für 60.000 Litauer, vor allem Kriegsverbrecher, Angehörige der faschistischen Geheimpolizei Sauguma und der berüchtigten Polizeibataillone sowie einen großen Teil der antisowjetischen Intelligenz blieb nur die Flucht mit den Deutschen.

Andere bürgerliche Kräfte einschließlich der einflußlosen Sozialdemokratie setzten angesichts der sich abzeichnenden deutschen Niederlage auf die Westmächte. Ihre Konzeption ging in zwei Richtungen: Die USA und Großbritannien sollten innerhalb der Antihitlerkoalition die Abspaltung Litauens von der UdSSR erzwingen oder einen permanenten bewaffneten Kampf gegen die Sowjetmacht bis zum Ausbruch eines Dritten Weltkrieges führen.

Ende 1943 schufen bekannte bürgerliche Politiker der Vorkriegszeit das Oberste Litauische Befreiungskomitee (VLIK) mit dem Sozialdemokraten Steponas Kairys an der Spitze. Sein im Februar 1944 verbreitetes Programm basierte auf der Behauptung von der Unrechtmäßigkeit der litauischen Sowjetmacht ("Aggression, Okkupation, Annexion") und der These vom staatsrechtlichen Fortbestand des bürgerlichen Litauen. Für die Zukunft versprachen sie eine Koalitionsregierung auf der Grundlage der modifizierten faschistischen Verfassung von 1938. Widerstand gegen die Deutschen wurde nicht propagiert, sondern dazu aufgefordert, in die von den Nazis erlaubten Sondereinheiten unter einem litauischen faschistischen General einzutreten. Am 15. Mai brachte es das VLIK sogar fertig, der UdSSR im Falle der Befreiung Litauens von den Deutschen mit Krieg zu drohen. Damit stand es in einer Reihe mit den Nazis. Am 30. September, als Litauen zum größten Teil bereits befreit worden war, wandte sich das VLIK an die Briten und Amerikaner mit dem Ersuchen um Hilfe gegen die UdSSR. Als London und Washington nicht reagierten, setzte sich das VLIK später nach Westdeutschland, 1955 in die USA ab.

Im Herbst 1944 begann auf Anweisung des VLIK der antisowjetische bewaffnete Untergrund mit seinen Aktionen. Die Waffen dafür stammten aus Depots, die von Deutschen im Sommer für sie angelegt worden waren. Heute spricht man von 100.000 Litauern, die zu unterschiedlichen Zeiten bis 1952 bei den "Waldbrüdern" kämpften. Diese Zahlen sind zu hoch angesetzt. Selbst für die ständige Truppe angegebene 30.000 bis 50.000 Mann scheinen übertrieben zu sein. Es handelte sich meistens um Leute, die den Absprung nach dem Westen nicht geschafft hatten, nicht dorthin wollten oder von der Illusion eines gerechten Kampfes für die Unabhängigkeit erfüllt waren. Sie bedeuteten - im Gegensatz zu jetzigen Behauptungen - zu keiner Zeit eine existentielle Gefahr für Sowjetlitauen. Mit ihrem individuellen und waffentechnischen Kampfwert konnten sie keinesfalls mit den sowjetlitauischen Schutz- und Sicherheitsorganen und der 16. Litauischen Klaipeda-Division der Sowjetarmee mithalten.

150.000 Litauer hatten auf sowjetischer Seite am Krieg teilgenommen, von denen 60.000 Tapferkeitsauszeichnungen erhielten. 19 wurden "Helden der Sowjetunion".

Die "Waldbrüder", einschließlich ihrer Vorkriegsoffiziere, verfügten im Gegensatz zu den lettischen und estnischen Faschisten über keinerlei Kampferfahrungen, sondern kannten bestenfalls eine terroristische Praxis gegen Unbewaffnete. Dabei blieben sie auch. Ihre Aktionen richteten sich vor allem gegen wehrlose Anhänger der Sowjetmacht, Aktivisten der Linken, arme Bauern und in Ausnahmefällen kleinere sowjetische Einheiten. Für Angriffe auf Städte besaßen sie keine Kraft.

Dennoch waren sie eine erhebliche Belastung für den Wiederaufbau des zerstörten Landes. Die Sowjetmacht bot ihnen 1945 zwei Amnestien an, die sie aber in Verkennung der Lage ablehnten. Daraufhin leitete die Staatsmacht Gegenmaßnahmen ein. Im September wurde das Parteiaktiv bewaffnet, einen Monat später formierten sich die "Volksverteidiger" aus freiwilligen Arbeitern und Bauern. Ihre 300 Abteilungen wuchsen auf 10.000 Mann an.

Sie dienten vorerst nur dem Selbstschutz. Angriffe auf sie erwiesen sich für die "Waldbrüder" mit der Zeit als besonders verlustreich. Darüber hinaus gab es auf dem Lande 800 bewaffnete Gruppen. Die Bekämpfung des reaktionären Untergrundes war weniger Sache der Sowjetarmee als vielmehr der Einheiten des Innenministeriums (NKWD).

Ab 1946 - so die heutige offizielle Einschätzung - konnte der bewaffnete Widerstandskampf nichts mehr bewirken. Er dauerte aber dennoch an. Das litauische NKWD wurde gegen den reaktionären Untergrund durch viele der ehemaligen 10.000 litauischen Partisanen verstärkt. Jene kannten sich in den heimischen Wäldern bestens aus und machten in kleinen Spezialeinheiten die versteckten Standorte der Weißen ausfindig, störten deren Kommunikation, unterbrachen ihren Nachschub, sprengten bescheidene Munitionslager.

Da die "Waldbrüder" politisch und militärisch nicht weiterkamen, griffen sie immer mehr zu Methoden des individuellen Terrors, der auch heute von Vilnius nicht völlig abgestritten werden kann: "Die Gewehre der Partisanen waren nicht nur gegen die Männer des KGB, gegen Soldaten und aktive Kommunisten gerichtet. Es kam auch zu blutigen Abrechnungen mit persönlichen Feinden, zur Vernichtung ganzer Familien, einschließlich alter Menschen und Kleinkinder, die nie Agenten des Innendienstes gewesen waren oder sein konnten", liest man in litauischen Quellen.

Um der bewaffneten Konterrevolution die politisch-ideologische, personelle und materielle Basis zu entziehen, wurden von 1945 bis 1952 etwa 30.000 Rechte, mit Familien insgesamt 108.000 Personen, aus Litauen ausgesiedelt. Von ihnen kehrten 1955 aufgrund einer Amnestie über ein Drittel, in den Jahren bis 1988 auch die übrigen wieder nach Litauen zurück. Fast alle reihten sich vor und während der "Perestrojka" erneut in den antisowjetischen Kampf ein.

Die "Waldbrüder", einschließlich der ins Innere der UdSSR ausgewiesenen, machten nur etwa 8 % der damaligen Bevölkerung Sowjetlitauens aus. Den Willen der Mehrheit des litauischen Volkes repräsentierten sie nicht. Sie konnten den sozialistischen Aufbau zwar behindern, aber nicht verhindern: 1952 galt als das Jahr des Sieges der sozialistischen Revolution in Litauen. Es war indes noch kein endgültiger Sieg. Heute gehört Litauen zu den rabiatesten Staaten der NATO.

Dr. Bernhard Majorow

Raute

Lateinamerikas linksregierte Staaten an der Seite Kubas

ALBA mischt OAS auf

Im April fand in der Hauptstadt von Trinidad und Tobago der fünfte Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) statt. Sie wurde 1948 in Bogotá (Kolumbien) gegründet und hat ihr Hauptquartier in Washington. Mitglieder sind 35 Staaten Nord-, Mittel- und Südamerikas. Derzeit ist der ehemalige chilenische Innenminister José Miguel Insulza Generalsekretär des Zusammenschlusses.

Die OAS wurde ins Leben gerufen, um die Staaten des Kontinents von den USA politisch abhängig zu machen. In den vergangenen 61 Jahren war es der imperialistischen Hauptmacht meist gelungen, ihren "Hinterhof" über die OAS unter Kontrolle zu halten. Doch diesmal kam es ganz anders. Unmittelbar vor dem OAS-Gipfel hatten sich nämlich die Länder der Bolivarianischen Alternative der Amerikas (ALBA) zu ihrer turnusmäßigen Beratung im venezolanischen Cumaná getroffen. Teilnehmer waren Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien), Raúl Castro (Kuba), Daniel Ortega (Nicaragua), Manuel Zelaya (Honduras) und Roosevelt Skerrit (Dominica). Zugegen waren auch der Präsident Paraguays, Fernando Lugo, der Außenminister Ecuadors, Fander Falconi, sowie der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, als Beobachter. Der letztgenannte karibische Kleinstaat wurde als siebtes Land in das Bündnis aufgenommen.

Die Beratungsteilnehmer erklärten, sie würden den Entwurf der Schlußakte des unmittelbar bevorstehenden OAS-Gipfels nicht unterschreiben, weil dieser keinerlei Vorschläge zur Lösung der die Region hart treffenden Wirtschaftskrise enthalte. Außerdem kritisierten sie, daß in der Erklärung von Trinidad und Tobago nicht gefordert werde, die Blockade der USA-Regierung gegenüber Kuba einzustellen. Die ALBA-Länder verlangen eine Debatte über die der Menschheit vom Kapitalismus drohenden Gefahren. Sie treten für die Entwicklung eines alternativen Projekts zum kapitalistischen System ein. Dieses müsse sich auf Solidarität und Gegenseitigkeit, nicht aber auf Konkurrenz gründen.

Die ALBA-Mitgliedsländer verwiesen auf die neuen Realitäten im lateinamerikanisch-karibischen Raum, wo die Völker begonnen haben, einen eigenständigen Weg zu gehen, was Projekte wie ALBA-Petrocaribe und UNASUR manifestierten. Die Staatschefs der G20-Mächte wurden aufgefordert, die Mittel des Internationalen Währungsfonds zu verdreifachen, um einer neuen Weltwirtschaftsordnung den Weg freizumachen, welche die Umwandlung des IWF, der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation zur Bedingung habe.

Die Teilnehmer des ALBA-Gipfels forderten die Vereinigten Staaten auf, "der langen und verhängnisvollen Tradition des Interventionismus und der Aggression, welche sich in der Amtszeit der Administration George W. Bushs enorm verschärft habe, ein Ende zu setzen. Einmischungspraktiken wie verdeckte Operationen, Paralleldiplomatie und Medienkriege zur Destabilisierung von Regierungen und zur Finanzierung darauf hinarbeitender Gruppen müßten beendet werden.

Die ALBA-Mitglieder faßten den Beschluß, eine gemeinsame regionale Währungseinheit - den Sucre - einzuführen.

Evo Morales kritisierte den Boykott Kubas. Auch er sei Marxist, Sozialist und Kommunist, folglich müsse man Bolivien ebenfalls von einer Mitarbeit in der OAS ausschließen. Raúl Castro erwiderte, beide Länder könnten dann ja eine neue kontinentale Organisation gründen und die anderen dazu einladen. Der kubanische Präsident unterstrich, sein Land lege keinen großen Wert auf eine neuerliche OAS-Mitgliedschaft. Es sei an der Zeit, über eine von der Dominanz der USA unabhängige Organisation nachzudenken. Dieser Gedanke wurde inzwischen von Hugo Chávez aufgegriffen.

Der OAS-Gipfel begann mit der Forderung, die Blockade Kubas zu beenden. Als erste Rednerin sprach Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner den anwesenden USA-Präsidenten Barack Obama mit dieser Forderung direkt an. Wenige Stunden vor Beginn des Gipfels hatte dessen Außenministerin Hillary Clinton in Santo Domingo eingestanden, die Blockade- und Isolationspolitik der USA gegen Kuba sei gescheitert. Die von Raúl Castro geäußerte Bereitschaft, mit Washington über alle Themen zu sprechen, nannte sie eine "Öffnung, die wir begrüßen".

Nicaraguas Präsident Daniel Ortega betonte in seiner Rede: "Dieser OAS-Gipfel ist kein Gipfel der Amerikas, denn es gibt zwei Ausgeschlossene: Kuba und Puerto Rico." Er erinnerte Obama daran, daß die USA seinem Volk noch immer 17 Milliarden Dollar Schadensersatz schuldeten, zu dem sie der Internationale Gerichtshof in Den Haag wegen der Aggressionsschäden in den 80er Jahren verurteilt habe. Washington solle endlich aufhören, den Völkern der Region Vorschriften zu machen, und statt dessen ihm auferlegte Verpflichtungen erfüllen.

Für Barack Obama war der OAS-Gipfel alles andere als ein Spaziergang. Am Rande der Beratung kam es zu Gesprächen zwischen dem USA-Präsidenten und den Ländern des Zentralamerikanischen Sicherheitssystems (SICA), dessen Vorsitz gegenwärtig Ortega innehat. Auch die Staats- und Regierungschefs der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) trafen sich mit Obama, der dessen derzeitige Vorsitzende, die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, um eine Begegnung gebeten hatte.

Wie der Rundfunksender YVKe Mundial berichtete, überreichte Chávez dem USA-Präsidenten am Rande der Begegnung das Buch des uruguayischen Autors Eduardo Galeano "Die offenen Adern Lateinamerikas". Erstmals in den 70er Jahren erschienen, behandelt es die brutale Ausbeutung des Subkontinents durch die Kolonialmächte vom Ende des 15. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Es gilt bis heute als Standardwerk zur Geschichte Lateinamerikas.

Inzwischen hat die OAS den Ausschluß Kubas aufgehoben. Havanna verzichtet jedoch auf eine Rückkehr.

Wolfgang Herrmann, Dreesch

Raute

Ein großer Romancier, der nach Irrwegen wieder zu sich fand

Upton Sinclairs Werk in der DDR

Zu den Legenden über die DDR, die seit Jahr und Tag verbreitet werden, gehört die Behauptung, das Werk des US-amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair sei verboten gewesen. "Es gab Fälle, zum Beispiel Howard Fast oder Upton Sinclair, die 'Renegaten' wurden, von denen alle Bücher aus den Bibliotheken rausgeworfen wurden und deren Name tabu war", behauptet zum Beispiel H.-D. Tschörtner, einst Lektor im Verlag Volk und Welt. Upton Sinclairs Name in der DDR tabu? Seine Bücher nicht in den Bibliotheken? Schauen wir einmal genauer hin.

Bei Überlegungen, welche in den Nazijahren verbotenen internationalen Autoren der 1946 von der SED gegründete Dietz-Verlag herausbringen sollte, nahm der Name Upton Sinclair einen hervorragenden Platz ein. Doch die Klärung der Urheberrechtsfragen zogen sich so lange hin, daß erst im September 1948 - im Umfeld des 70. Geburtstags Sinclairs - der Verlag mitteilen konnte, daß "die Neuauflage des Arbeiterromans 'Hundert Prozent' fertiggestellt" sei und "die Romane 'König Kohle' und 'Jimmie Higgins' sich in Vorbereitung" befänden. Kurz vor Weihnachten war es dann endlich soweit: 'Hundert Prozent' traf in den Buchhandlungen ein. Die 20.000 Exemplare waren so schnell verkauft, daß umgehend eine weitere Auflage in gleicher Höhe gedruckt werden mußte. 'Jimmie Higgins', 'Der Sumpf' und 'König Kohle' erschienen in den folgenden Monaten - jeder Titel mit 40.000 Exemplaren.

Während im Dietz-Verlag an der Drucklegung weiterer Bände gearbeitet wurde - für 1949 waren die Romane 'Boston' und 'Petroleum' sowie der Essayband 'Das Geld schreibt' bereits angekündigt - überraschte Upton Sinclair die internationale Öffentlichkeit mit seiner abrupten Abkehr von der Sowjetunion. Am 20. Mai 1949 veröffentlichte das Organ der amerikanischen Besatzungsmacht in Deutschland, die in München erscheinende "Neue Zeitung", seine Erklärung, die zuvor schon in anderen westeuropäischen Periodika publiziert worden war. Unter der Schlagzeile "Meine Einstellung zu den Sowjets" forderte Sinclair: "Die Welt außerhalb der Sowjetunion muß die Herrscher des russischen Volkes in ihrer wahren Gestalt zeigen und sie an einer Ausweitung ihrer Macht hindern. [...] Die freien Völker in aller Welt müssen vor dem Welteroberungskrieg bewahrt werden, auf den die sowjetischen Führer hinarbeiten. Aus diesem Grund müssen wir uns ohne Vorbehalt mit den übrigen freien Völkern der Erde im Atlantikpakt zusammenschließen."

In einem Artikel zum 70. Geburtstag des Romanciers am 20. September 1948 hatte Jan Koplowitz noch hervorgehoben, daß "Upton Sinclair der alte geblieben" wäre, einer, der nicht "vor der Hexenjagd des 'Komitees für unamerikanisches Verhalten' kapituliert" habe. Doch nun kam diese unerwartete Wandlung, wobei es in den nachfolgenden Jahren nicht bei nur einer antikommunistischen Erklärung blieb. Den Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie dieser plötzliche Sinneswandel des bis dahin zu den Sympathisanten der Sowjetunion zählenden Autors zu erklären sei, unternahm einige Wochen später in der "Weltbühne" (23/1949) Pauline Nardi: "Wir unterschätzen gewiß nicht den Druck, dem die fortschrittlichen Geistesschaffenden in Amerika durch die Verfolgungen eines wildgewordenen Rankin-Komitees ausgesetzt sind, und ahnen, daß sich dank seiner erpresserischen Methoden mancher Paulus zu einem Saulus wandelte. Was uns aber der sozialistische Schriftsteller Upton Sinclair erzählt, indem er sich gegen die Avantgarde der Sozialisten wendet, mit Mitteln, die er aus der schäbigen Mottenkiste ihrer erbittertsten Gegner hervorkramte, offenbart einen besonders beschämenden Umfall. Hier spricht kein Sozialist, der, alt geworden, dem Druck nachgab, hier verrät jedes Wort den arrivierten Bürger, der um seine Reputation bangt und sich zu einer Ordnung bekennt, die sein Werk ablehnt." Ihren Artikel schloß Nardi mit der offengelassenen Frage, "ob und inwieweit die Diskrepanz zwischen einem sozialistischen Werk und seinem Autor, der es zu verleugnen wagt, von der sozialistischen Welt registriert werden muß".

Die Überlegung, daß das Werk eines Schriftstellers nicht hinfällig würde, wenn er plötzlich seine bisherigen politischen Überzeugungen abwirft, vertrat in der SED-Zeitschrift "Einheit" (7/1949) auch der Schriftsteller Heinz Rein ("Finale Berlin"). Ungeachtet seiner scharfen Kritik war er der Meinung, daß "auch Sinclairs Bücher bei uns weiterleben (werden), obwohl er nicht mehr einer der Unseren ist, weil er nicht mehr die Wahrheit sagt".

Diese Auffassung teilte jedoch die Redaktion der Zeitschrift nicht, weshalb sie dem Beitrag Reins einen Kommentar anfügte, in dem es dann u. a. hieß, daß "Genosse Rein zwar Upton Sinclair als Renegaten (charakterisiert), aber anstatt gerade an jener Stelle seinen verräterischen Charakter vom Standpunkt der persönlichen Verantwortung aufzuzeigen, entschuldigt er quasi durch seinen einseitigen Blick auf die objektiven Ursachen Upton Sinclairs Umfall", der für die Redaktion ein "jämmerlicher charakterloser Verrat an der Menschheit" war.

Daß der Dietz-Verlag in Zeiten des Kalten Krieges angesichts des Einschwenkens Sinclairs zum aggressiven Antikommunismus darauf verzichtete, dessen Bücher weiterhin zu verlegen - wen will das verwundern? Andererseits wurden die in mehreren Zeitungen laufenden Fortsetzungsreihen von Romanen Sinclairs nicht abgebrochen. In der Jugendzeitung "start" endeten sie erst im Dezember 1949.

Tatsächlich sollte es nun aber 25 Jahre dauern, bis in der DDR wieder Bücher Upton Sinclairs gedruckt wurden. Das bedeutete indes nicht, daß dessen Werke in dieser Zeit aus den Bibliotheken verschwunden, in den Antiquariaten nicht verkauft oder sein Name für Lexika oder literarische Nachschlagwerke tabu gewesen wären. Im Gegenteil. In allen entsprechenden DDR-Ausgaben brachte man weiterhin Artikel zu Upton Sinclair.

Als dieser am 25. November 1968, zwei Monate nach seinem 90. Geburtstag, starb, ging das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" in einem Nachruf noch einmal auf die Wandlung des Literaten ein: "Wenn Sinclair Ende der vierziger Jahre durch den entfesselten Antikommunismus der Hexenjäger McCarthys in seinem Urteil über den ersten sozialistischen Staat, die Sowjetunion, schwankend wurde und sich von den progressiven Kräften seines Landes entfernte, so korrigierte er sich jedoch in den letzten Jahren seines Lebens. Auf die Frage, was er den sowjetischen Menschen heute zu sagen habe, erklärte er kurz vor seinem Tode einem Mitarbeiter der amerikanischen kommunistischen Zeitung 'Daily World': 'Macht weiter so, macht weiter so, wie ihr es bisher gemacht habt, und die Menschheit wird euch dankbar sein. Eure Arbeit ist gewaltig.'"

Größere Auszüge aus dem erwähnten "Daily World"-Beitrag waren bald danach in der "Weltbühne" (1/1969) zu lesen. In dem beigefügten Kommentar schrieb deren Herausgeber, Hermann Budzislawski: "Was hier von nur einem Buch gesagt wird (gemeint ist 'The Cry for Justice' = Der Schrei nach Gerechtigkeit. Eine deutsche Ausgabe dieser Anthologie gibt es nicht. E. Sch.), trifft auf viele seiner Bücher zu und auf viele Menschen, die durch sie bewegt und geprägt wurden. Auch wir in Deutschland haben nach dem ersten Weltkrieg durch ihn die Vereinigten Staaten ohne Schminke kennengelernt. Wir haben seine atemraubenden Bücher verschlungen und in ihnen die grausame gesellschaftliche Gegenwart der USA, die uns vorher unverständlich und fremd war, hautnah gespürt. Sagt man manchmal, Upton Sinclair habe doch nur aus dem Augenblick für den Augenblick geschrieben, so mag das sein. Und doch wirken seine großen Romane über den Tag hinaus bis in unsere Zeit. Man sollte sie wieder unter die Menschen bringen."

So geschah es dann auch. 1974 erschien im Aufbau-Verlag "Der Dschungel" in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Zwei weitere Auflagen kamen 1976 und 1983 mit nochmals 30.000 Exemplaren in die Buchhandlungen. Bis 1985 folgten im gleichen Verlag "König Kohle" (zwei Auflagen 1976 und 1984 mit zusammen 40.000 Exemplaren), "Jimmie Higgins" (1978 mit 30.000 Exemplaren, dazu Ausgaben im buchclub 65 und in der Taschenbibliothek der Weltliteratur), "Öl!" (10.000 Exemplare 1983) sowie 1985 "Die erstaunliche Karriere der Mamie Riggs" als bb-Taschenbuch. Der Druck der bereits lektorierten Übersetzung von "Boston" fiel dann der "Wende" zum Opfer.

So war es wirklich um die Bücher Upton Sinclairs in der DDR bestellt. Die Behauptung, Person und Werk seien tabu, ja - wie gelegentlich auch behauptet wird - verboten gewesen, erweist sich als Unwahrheit.

Und heute? Kein deutscher Verlag hat einen Roman Upton Sinclairs im Programm. Selbst seinen Klassiker "Der Dschungel" nicht, obwohl er im Zusammenhang mit den Fleischskandalen der vergangenen Jahre oft genannt und zitiert wurde. Sinclairs Werk ist jetzt hierzulande - im Gegensatz zu den USA - in die Antiquariate verbannt.

Dr. Edmund Schulz


"Upton Sinclair. Bibliografie seiner Werke in deutscher Sprache" von unserem Autor ist weit mehr als ein Bücherverzeichnis. Sie enthält zugleich eine Chronologie zu Leben und Werk Sinclairs, eine Skizze zur Edition seiner Werke in Deutschland sowie Wieland Herzfeldes Text zu Upton Sinclair von 1928. Interessierte können die im Schöneworth-Verlag erschienene, reich illustrierte Publikation beim Verfasser für 15 Euro versandkostenfrei direkt bestellen. Mail: schulz-sinc@kabelmail.de Tel.: 03 41/3 38 21 16

Raute

Diesterwegs Lehren werden an BRD-Schulen vernachlässigt

Individuelle Stärken erkennen und fördern!

PISA-Studien haben die Schwächen des deutschen Schulsystems offengelegt. In bezug auf Leistung gibt es nach wie vor erhebliche Mängel. Bei den bisherigen Diskussionen ging es weitgehend nur um Strukturfragen. Es kommt jedoch darauf an, die Unterrichtsqualität entscheidend zu erhöhen. Dabei spielt das didaktischmethodische Vorgehen der Lehrkräfte eine wesentliche Rolle. Auf eine Möglichkeit, den Unterricht zu verbessern, soll hier eingegangen werden: auf die Förderung und Nutzung der individuellen Stärken aller Schülerinnen und Schüler. In der DDR war das Bestandteil der Lehrerausbildung. Bei der Umsetzung dieser Erkenntnis in heutigen BRD-Schulen gibt es nach Ansicht vieler Pädagogen erhebliche Defizite.

Solange Unterricht in Schulklassen abgehalten wird, war es stets der Ehrgeiz fortschrittlicher Lehrerinnen und Lehrer, die einheitliche Förderung aller Schüler mit der individuellen Förderung jedes einzelnen zu verbinden. Als einer der entschiedensten Verfechter dieser Praxis erwies sich Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1790-1866). Ein von ihm aufgestelltes Prinzip zur Führung des Unterrichts lautet: "Berücksichtige die Individualität Deiner Schüler!" In seinem berühmt gewordenen "Wegweiser" wird das so auf den Punkt gebracht: "Das eine Kind ist mehr dem Begriffe, das andere mehr der Anschauung zugänglich, ein drittes faßt eine Wahrheit mehr in einem Bilde oder in einer Geschichte auf, es gibt theoretische, und es gibt praktische Köpfe." (F.A.W. Diesterweg, Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer und andere didaktische Schriften. Berlin 1962, S. 157)

Individuelle Stärken bei den Schülern finden wir in den drei großen Bereichen Wissen - Fähigkeiten - Fertigkeiten. Zum Gütemerkmal pädagogischen Führungsverhaltens gehört es, daß sich der Schüler speziell auf dem Gebiet entwickeln, hervortun und besonders beweisen darf, wo er Spezielles zu bieten hat oder zu leisten vermag. Bei der Lösung dieser wesentlichen didaktischen Aufgabe gilt es, vielfältige Wege zu beschreiten, weil der eine Schüler bei der Nutzung der Tafel als Anschauungsmittel, der andere beim Betrachten von Einzelheiten auf einem Wandbild, der nächste beim kooperativen Lernen bzw. dessen Nachvollzug, ein anderer wieder bei der allseitigen Erfassung des Stoffs, der nächste bei einer Buchbesprechung usw. seine spezifischen Stärken unter Beweis stellen kann. Oft besitzen Schüler Fähigkeiten auf mehreren Gebieten oder sind zu verschiedenartigen Aktivitäten in überdurchschnittlich ausgeprägtem Maße befähigt. Zu den Wirkungen der Förderung und Nutzung besonderer individueller Qualitäten der Schüler gehört es, daß ihnen Erfolgserlebnisse beim Lernen ermöglicht werden. Übrigens trägt die Ausprägung von Stärken dazu bei, auftretende Schwächen zu kompensieren. Außerdem stellt ein solches Vorgehen des Lehrers nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine didaktische Potenz dar: Wenn Mitglieder der Klasse im Unterrichtsgeschehen dort, wo es paßt, ihren eigenen Part spielen können, gewinnt der Unterricht insgesamt an Farbe, Lebendigkeit und Niveau. Wenn ein Klassenkamerad etwas Besonderes (Überdurchschnittliches, Außergewöhnliches) offerieren kann, profitieren davon alle.

Nicht zuletzt zeigt die Zunahme von Gewalt an BRD-Schulen, daß das tiefer lotende Eingehen auf die Individualität des Schülers und eine differenzierte Unterrichtsgestaltung manchen unliebsamen Geschehnissen entgegensteuern könnte.

Vor einigen Jahren verfaßte ich mit meinem einstigen Kollegen von der früheren Pädagogischen Hochschule "Erich Weinert" in Magdeburg Dr. sc. Hans Baer eine pädagogisch-methodische Studie zum hier kurz skizzierten Thema "Förderung der individuellen Stärken aller Schülerinnen und Schüler im Unterricht". Wir boten sie auch den Kultusministerien in Sachsen-Anhalt und Sachsen zur publizistischen Verwendung an. Dort bedurfte man ihrer offensichtlich nicht.

Günther Röska, Leipzig

Raute

Widerstandskämpfer "verordneten" der Schule den Antifaschismus

Herrschte in der DDR eine Erziehungsdiktatur?

Der jetzt erschienene Sammelband "Was war unsere Schule wert? - Volksbildung in der DDR" tritt der gesteigerten Diffamierung des sozialistischen deutschen Staates sowie der Verfälschung seiner Geschichte offensiv und mit Sachkenntnis entgegen. Die Zusammenführung von Texten sehr verschiedener Autoren bietet ein Mosaik, das einen wesentlichen Bereich der DDR-Gesellschaft vielfarbig widerspiegelt. Die Frage im Buchtitel schließt den Vergleich der DDR-Schule mit vorangegangenen Schulsystemen, internationalen Trends und dem Schulwesen der BRD ein. Schließlich hat eine historische Bewertung vor allem den Beitrag der Schule zur Lösung der Probleme zu beurteilen, vor denen die Gesellschaft der SBZ und der DDR jeweils stand.

Der Gegenstand des Buches ist sehr komplex und seine Darstellung von der jeweils subjektiven Sicht darauf bestimmt. Auch dies bringt der Titel zur Geltung: Die Autoren sprechen von ihrer Schule, das heißt von der Schule, die sie erlebt und in dieser oder jener Weise mitgestaltet haben. Bei all dem bemühen sie sich um Ausgewogenheit und Objektivität. Sie sprechen nicht nur selbstbewußt von den durch sie positiv bewerteten Seiten, sondern auch von dem, was sie früher schon oder im Rückblick als fehlerhaft und negativ beurteilten.

Der Titel des Buches orientiert auf die Schule, und der Untertitel faßt den Gegenstand als Volksbildung der DDR noch weiter. Doch es gerät weit mehr in den Blick: das Hochschulwesen als ein weiterer Bereich des Bildungssystems (Bathke), die Körpererziehung (Rausch/Hummel) und die Begabtenförderung (Mehlhorn) als übergreifende Erziehungsaufgaben der Schule, das Wirken gesellschaftlicher Erziehungskräfte im Rahmen der Jugendweihe (Adam), der Kinder- und Jugendorganisation (Bolz) und der Medien (Wiedemann). Eigentlich könnte hier zutreffender von der erzieherischen Kultur der DDR-Gesellschaft gesprochen werden, deren Kern allerdings in der Tat die Schule war.

Man mag diese Schulzentriertheit der Erziehung als Ausdruck des Wirkens eines Erziehungsstaates oder gar einer Erziehungsdiktatur ansehen. Aber die nach dem Kriege erforderliche Umerziehung und die Heranbildung eines gesellschaftlichen Gesamtsubjekts, das fähig war, die neue Gesellschaft zu gestalten, erforderten den Einsatz des Staates und der von ihm geleiteten Schule. Dabei war im Schulkonzept durchaus eine Öffnung hin zur Gesellschaft angelegt, wie die polytechnische Erziehung eindrucksvoll belegte. Zu den Stärken der DDR-Schule gehörte der Systemcharakter des Bildungswesens. Deshalb ist es bedauerlich, daß ausgerechnet ein Beitrag zum Kindergarten fehlt.

Dem Buch ist ein Wort von Hildegard Hamm-Brücher, der liberalen Politikerin, vorangestellt. Sie äußert sich, als die große, nicht endende Welle des DDR-Hasses schon anrollte. Ein richtiges Schulsystem hätte die DDR gehabt, schreibt sie. Ähnlich ist auch die frühere Aussage Golo Manns, die DDR habe "sehr gute Schulen, in denen die Kinder wirklich etwas lernen". Aber es kommt nicht nur darauf an, daß in der Schule gelernt wird, sondern auch und vor allem was. Gerhart Neuner setzt sich mit dem Leistungsanspruch der DDR-Schule als Einheitsschule auseinander, wozu ihn seine führende Mitwirkung an der Ausarbeitung mehrerer Lehrplanwerke und seine theoretischen Untersuchungen zur schulischen Allgemeinbildung zweifellos prädestinieren. Nicht alle Resultate seines Rückblicks würde ich unterstützen, aber die Einheitsschule als Leistungsschule implizierte eine Reihe komplizierter Widersprüche, um deren Lösung man sich bei der Erarbeitung von Lehrplanwerken durchaus bemühte.

Die Aussage von Hildegard Hamm-Brücher enthält übrigens ein "Zwar-Aber". Das Schulsystem der DDR sei ideologisiert gewesen, meint sie. Variationen davon finden sich auch in Beiträgen von DDR-Autoren. Daß die Erziehung und eben auch die Schule ideologisch und politisch waren, wird manchmal bedauernd eingeräumt. An der Art und Weise, wie ideologische und politische Erziehung in der DDR-Schule mitunter betrieben wurde, ist durchaus manches zu kritisieren. Daß es diese Erziehung gab, ist aber eher zu verteidigen als ihr anzulasten.

So ist die Weltlichkeit des Unterrichtsinhalts, realisiert unter anderem durch die Eliminierung des Religionsunterrichts aus der Stundentafel und basierend auf der Trennung von Staat und Kirche die Einlösung einer alten Forderung der Arbeiterbewegung. Die heute noch spürbaren Wirkungen halte ich für eine bedeutende Kulturleistung der DDR und ihrer Schule. Die Ausrichtung der Unterrichtsinhalte, vor allem im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht, am Marxismus haben viele ehemalige DDR-Bürger nach der sogenannten Wende mit der Erfahrung bestätigt, der Kapitalismus sei genau so, wie sie es in der Schule gelernt hätten. Es war ein intellektueller Fortschritt, daß Geschichte quasi nach den "Fragen eines lesenden Arbeiters" (Brecht) vermittelt wurde. Die Erziehung zum Antifaschismus in der DDR war von denen "verordnet" worden, die gegen den Faschismus gekämpft hatten. Den Literaturunterricht bestimmten die humanistischen Werke der deutschen und der Weltliteratur. Es gibt keinen Grund, sich des ideologischen Charakters und Gehalts der DDR-Schule zu schämen, zumal es völlig unzureichend ist, den Ideologiebegriff ausschließlich negativ zu gebrauchen. Ideologie als Selbstbewußtsein sozialer Subjekte ist immer und überall gegeben, und zwar als eine Einheit von Wirklichkeitswahrnehmung, Interessenartikulation, Wertekompendium und Willensbekundungen.

Man könnte der Schule der DDR vorwerfen, daß sie die ihr gesetzten ideologischen und politischen Erziehungsziele nicht erreicht habe. Während die Schule vor allem junge Menschen bildet und erzieht, erfüllt der Staat insgesamt die Aufgaben, seine Bürger zu formen. Die Verpflichtungen, welche der Schule ihrem Wesen nach zukommen, hat die DDR-Volksbildung erfüllt. Sie vermittelte allen Kindern eine hohe allgemeine und berufliche Qualifikation, beseitigte Bildungsprivilegien und -barrieren, schuf eine höhere Wissensstruktur der Gesamtbevölkerung und brachte eine neue Intelligenz vor allem aus den bisher benachteiligten Klassen und Schichten hervor. Daß auch dieser Bereich Widersprüche, Irrtümer und Fehler aufwies, die nicht immer erkannt und behoben wurden, ist insofern verständlich, als hier eben nicht ein "Masterplan" einfach nur abgearbeitet wurde. Gesetze garantierten nicht von vornherein Erfolg. Die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft unter den Bedingungen der Systemauseinandersetzung war eine ständige Herausforderung an schöpferisches Denken und konstruktives Handeln. Daß die DDR in diesem Prozeß ein solches Bildungssystem, eine solche Schule hervorbrachte und sie sich in ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage leistete, bleibt ein historisches Verdienst.

Dr. Wolfgang Eichler

Was war unsere Schule wert? Volksbildung in der DDR.
Herausgegeben von Uwe Markus.
Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2009.
256 S., 14,90 €, ISBN 978-3-360-01965-3

Raute

Werner Steinberg - ein produktiver Literat, der ein Millionenpublikum eroberte

Werner Steinberg zählt zu den DDR-Autoren, die in den 50er und 60er Jahren wie Johannes Tralow, Gotthold Gloger und andere aus der BRD in die DDR übersiedelten. Drei große Themen beschäftigten ihn in seinen Büchern: die alte BRD, das Leben in der DDR und Künstlerschicksale. Seine etwa 30 Romane reichen von der Historie über die Gegenwart bis in die Utopie und zur Kriminalstory.

Werner Steinberg wurde 1913 in Neurode (Nowa Ruda) in Schlesien geboren und lebte seit 1922 in Breslau, wo er in der Marxistischen Arbeiterschule mitarbeitete. Nach dem Abitur studierte er an den Hochschulen für Lehrerbildung in Elbing und Hirschberg. Ein Versuch, in die Sowjetunion zu emigrieren, schlug fehl. Als Leiter einer illegalen Widerstandsgruppe wurde er 1934 von der Gestapo verhaftet und anschließend zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er arbeitete dann als Kontorist und später als Verlagsbuchhändler.

Nach 1945 verschlug es Steinberg nach Stuttgart. Er begann eine Tätigkeit als Journalist und Schriftsteller in Süddeutschland, wo er als Redakteur und Herausgeber von Zeitschriften wirkte. Seine ersten Erzählungen und Romane waren Unterhaltungsliteratur, zu denen er später kritischen Abstand gewann.

Im Dezember 1956 übersiedelte Steinberg aus Düsseldorf in die DDR und lebte seit 1960 in Dessau. Ein Anlaß war, daß der Mitteldeutsche Verlag Halle seinen Roman "Als die Uhren stehenblieben" (1957), für den er in der BRD keinen Verleger gefunden hatte, herausbrachte. Seither erschienen in DDR-Verlagen über 20 seiner Bücher mit über drei Millionen Exemplaren und weitere 450.000 Exemplare von Lizenzen und Übersetzungen. Sein Roman "Als die Uhren stehenblieben" (insgesamt 19 Auflagen) um den Fall der Festung Breslau entstand nach eigenem Erleben. Nachdem er im Mitteldeutschen Verlag Halle verlegt worden war, erschien dieser in verfälschten Fortsetzungen in einer westdeutschen Illustrierten, so daß sich Steinberg gezwungen sah, einen Prozeß anzustrengen. Den Verlauf und die Hintergründe dieses Verfahrens gestaltete der Autor später in seinem Buch "Der Prozeß um Jutta Münch". Steinbergs Deutschland-Zyklus umfaßt neben dem genannten auch die Romane "Einzug der Gladiatoren" (1958), "Wasser aus trockenen Brunnen" (1962) und "Ohne Pauken und Trompeten" (1965). Darin reflektiert er die Geschichte der Jutta Münch und ihres Mannes Andreas bis in die Nachkriegszeit in beiden deutschen Staaten. Die Tetralogie, an der er fünfzehn Jahre lang arbeitete, zählt zu den bedeutendsten Werken des Schriftstellers, die bereits bis 1976 allein fast eine halbe Million Exemplare erreichten. Steinbergs Roman "Hinter dem Weltende" erlebte bis 1966 die 5. Auflage.

Sein erfolgreichster historischer Roman ist das Heine-Buch "Der Tag ist in die Nacht verliebt" (1956). Er entstand unter Zeitdruck im Auftrag eines Stuttgarter Verlages. Nach der Erstveröffentlichung erschienen zu diesem rund zweihundert Rezensionen. Das Heine-Buch liegt in 22 Auflagen vor und wurde in sechs Sprachen übertragen. Seit 1938 beschäftigte sich Steinberg auch mit dem Dichter Georg Büchner. Doch sein Büchner-Buch "Protokoll der Unsterblichkeit" erschien erst 1968. Obwohl der Heine-Roman, der einem Volksbuch glich, zweifellos den größten Publikumserfolg erzielte, betrachtete Steinberg "Als die Uhren stehenblieben" und "Protokoll der Unsterblichkeit" als seine künstlerisch gelungensten Werke.

Anfang der 70er Jahre wandte sich der Autor der unmittelbaren Gegenwart zu, so in der damals vieldiskutierten Erzählung "Die Eselstreiberin" (1973), die zuerst in Fortsetzungen in der "Wochenpost" erschien. Es folgte der Gegenwartsroman "Pferdewechsel" (1974), der in einem Chemiewerk handelte. Steinbergs Bücher erfuhren breite Resonanz, weil sie meist ins Schwarze trafen, künstlerisch etwas zu sagen hatten und die Leser in mehrfachem Sinne bewegten. Das umfangreiche Manuskript seines Romans "Mördergrube" lehnten Mitteldeutscher Verlag Halle, Hinstorff-Verlag Rostock und Greifenverlag Rudolstadt ab. Im Zentrum stand der Lebensweg des 1940 geborenen Ulrich Trojandts, der sich zum Schriftsteller berufen fühlte und immer mehr von seiner menschlichen und künstlerischen Substanz verlor. Steinberg zeichnete den Weg eines Karrieristen und gewissenlosen Opportunisten. Dessen negative Entwicklung war in wesentlichen Zügen das Ergebnis seiner Umwelt. Einen Auszug aus der "Mördergrube" stellte die Zeitschrift "ndl" (3/1978) vor. Steinbergs Roman sollte in einer Zeit erscheinen, in der bereits Volker Brauns "Hinze und Kunze" und Günter de Bruyns "Neue Herrlichkeit" für Furore sorgten. Leitende Mitarbeiter des Mitteldeutschen Verlags suchten den Autor Anfang 1979 in Dessau auf, um ihm die Ablehnung des Manuskripts ausführlich zu erläutern. Ein Verlag in der Schweiz nahm es an, doch der Lektor "verbesserte" es so, daß Steinberg die Veröffentlichung untersagte.

In dem Kurzroman "Bruchstück" (1983) gestaltete der Autor die Lebens- und Schaffenskrise eines Kunstmalers zu Beginn der 50er Jahre in der DDR. Dieser resignierte gegenüber vermeintlichen "Kunstkennern" und Auftraggebern, denen sich niemand zu widersetzen wagte.

Steinberg legte auch acht erfolgreiche Kriminalromane vor. Der mehrfach übersetzte war "Der Hut des Kommissars" (1966, in der "NBI" als Vorabdruck). Es folgten die Kriminalromane "Und nebenbei: Ein Mord" (1968), "Ein Mann namens Nottrodt" (1972), "Ikebana oder Blumen für den Fremden" (1973), "Zwei Schüsse unterm Neumond" (1988), "Der letzte Fall des Kommissars" und der utopische Roman "Die Augen der Blinden".

Werner Steinbergs wichtigste Romane begann der Mitteldeutsche Verlag Halle-Leipzig ab 1976 als "Ausgewählte Werke in Einzelausgaben" in acht Bänden herauszugeben.

Der Schriftsteller starb am 25. April 1992 in Dessau.

Dieter Fechner

Raute

Heißsporne contra Bismarck

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Archie und der Buchladen

Zu Büchern hatte Archie stets eine besondere Affinität, ein Zucken in den Händen, nach ihnen zu greifen, zu blättern, sie zu beschnuppern, vom Staub abzuklopfen, nach Widmungen zu suchen, Vor- oder Nachworte zu finden. Das fing schon auf der Flucht vor dem Krieg 1945 aus Schlesien an, als sie auf Böden und in Rumpelkammern kampierten, wo z. T. auch Bücher abgelegt waren, auch auf Bahnhöfen, wo Bücher als Ballast weggeworfen wurden. Ihn interessierten nicht minder Zeitungen, die in langen Klemmbügeln eingeheftet an der Wand hingen, in ländlichen Gaststätten, wo sie unterwegs eine Brühwürfelbouillon schlürften, wenn es so etwas gab. Alles Bedruckte interessierte ihn. Auch schleppte er, so gut es ging, irgendwelche dicken "Schwarten" mit sich herum, ein Ausdruck der ewig an ihm herumnörgelnden Mutter, die gewiß auch ihre Sorgen mit dem Jungen hatte. Nur Nazi- und Kriegshefte schmiß er gleich weg.

Später in der Lausitz, wo sie eigentlich mehr zufällig ansässig wurden, kamen bei jedem Umzug immer mehr Bücher dazu. Dann stieß auch der über das Rote Kreuz wiedergefundene Vater zu ihnen und verbot ihm regelrecht, "die Bude mit Büchern vollzustopfen". Sie hätten andere Sorgen, es gehe ums Überleben. "Bücher gehören auch dazu", verteidigte sich der halbwüchsige Archie und bekam so den ersten Nachkriegskrach mit seinem Vater. Aber da hatte er schon die Mutter auf seiner Seite, die dazwischenging und sagte: "Laß doch den Jungen, auf der ganzen Flucht von der Oder bis zur Ostsee und zurück an die Neiße schleppte er stets Bücher mit, jetzt hat er endlich eine Ecke, wo er sie stapeln kann." Archie trug gerade "Der Spion" von J.F. Cooper und J. Swifts "Gullivers Reisen" auf den Haufen.

Später, als der Vater zum Parteilehrjahr ging, fing der auch an, Bücher zu sammeln, aber nur ganz bestimmte. Eins begann mit dem Satz: "Ein Gespenst geht um in Europa." Dadurch wurde es etwas friedlicher zwischen Vater und Sohn, aber der alte Herr hielt den jungen Mann für einen jener typischen Intellektuellen, denen er mißtrauisch gegenüberstand.

Der Bücherstapel wurde größer, kletterte bald die Wand hoch, eine Art Handbibliothek, Lexika hatten Priorität. Jeder, der ins Zimmer kam, fragte: "Habt ihr die alle schon gelesen?" Oder: "Warum geht ihr nicht in die Leihbibliothek?" Das waren meist Leute, die nie ein Buch in der Hand gehabt hatten.

So ging das über die Jahre der Schulzeit, des Studiums und der beruflichen Tätigkeit. Motto: Leseland DDR. Und jetzt in der Neige seiner Jahre sitzt er in einer großen Wohnung mit einer Riesenbibliothek, alles doppelt und dreifach gestapelt. Die Frage ist oft, wo steht das Buch, oder wo soll das neue hin? Komplikationen mit Mitbewohnern sind vorprogrammiert, wenn Bücher sogar auf Regale ins Bad wandern.

Archie, der gelegentlich als Chaot bezeichnet wird, flüchtet manchmal zu seinem Bücherfreund Matthias M. in dessen Buchladen. Das Leben dieses Mannes war auch stets mit Büchern verbunden: Fachhochschule, Arbeit in großen Volksbuchhandlungen, zuletzt Karl-Marx-Buchhandlung Berlin, Abteilung Gesellschaftswissenschaften, Lesen, Lesen und nochmals Lesen, Wissen ist Macht und kann nie zuviel sein - das war die Losung.

Matthias M., der Buchhändler, kämpft in der Jetztzeit als Ich-AG in einer Ein-Mann-Buchhandlung in Treptow ums Überleben, ist aber gleichzeitig ein Anlaufpunkt für Leute, die Gesprächsdefizite haben, sozialen Kontakt brauchen, das, was sie früher beim Friseur oder in der Kneipe hatten. Oft reden die Leute mehr als sie kaufen. Oder sie kaufen gar nichts, und trotzdem bleibt Matthias M. stets ruhig, freundlich, gelassen und immer auskunftsbereit, auch wenn Kindergeschrei im Laden zu hören ist oder Hunde mitgebracht werden. Er hat Achtung vor Mensch, Buch und Tier, könnte man sagen.

Matthias und Archie passen zusammen wie zwei alte Latschen, obwohl Archie nie so viel Geduld aufbringen könnte wie sein Freund. Es sind auch nicht nur die Bücher, die sie verbinden, sondern es ist auch die Sicht auf die Gesellschaft, eine konsequent linke Sicht, gelegentlich der einzige Grund für Dissens mit Kunden im Laden.

Nebenbei veranstaltete Matthias M. schon eine Reihe von Autoren-Lesungen in dem einzigen Raum, was zusätzliche Mühe und Kosten verursacht und kaum gewürdigt wird. Beinahe wäre er pleite gegangen. Da gab es viel Unruhe im Kiez. Der renommierte Grafiker Manfred Bofinger ging bei ihm ein und aus und beschriftete den Laden originell als "Buchfinger". Ein anerkannter, schon betagter Verleger ist des öfteren bei ihm zu sehen, aber trotzdem kreist der Pleitegeier ständig über der Plesserstraße 1, der Adresse des Buchladens. Eine Erhöhung der Miete oder Wegfall der Buchpreisbindung wären schon das Aus. Der Chef der Gaststätte von gegenüber fragt ab und an, wann er denn endlich aufhöre mit dem Buchladen.

Auf der Tschepine im Armeleuteviertel in Breslau vor dem Krieg gab es keinen Buchladen, nur Milch- und Brotläden. Kann sein, daß Archie deshalb nach dem Krieg unterwegs jedes Buch aus dem Dreck aufgeklaubt hat. Er hatte ständig die Befürchtung, daß ihm etwas vorenthalten werden soll. Die Proleten auf der Tschepine sollten nur bis drei zählen und ihren Namen schreiben können, das reichte für ihre Tätigkeit, mehr Bildung brauchten sie nicht. Heute sollen die Lohnempfänger mit Mikroprozessoren umgehen können, aber die Prozesse in der Gesellschaft dürfen sie nicht durchschauen! Und so soll auch das Bildungssystem aussehen! Wie kann das funktionieren?

Im Buchfinger-Buchladen von Matthias M. darf jede Frage gestellt werden, wird alles hinterfragt von A bis Z. Wenn Archie und sein Freund nichts dazu sagen können, zu wenig dazu wissen, müssen eben Bücher her, die das alles erklären, Bücher von linken Verlagen, auch solche mit oft unbequemen Wahrheiten, die nicht lügen, jedenfalls nicht absichtlich. Matthias M. fährt täglich zwischen Strausberg und Treptower Park hin und her, ohne Urlaub machen zu können, ohne krank werden zu dürfen, ohne mehr Geld zu haben als ein Hartz-IV-Empfänger.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Ich stimme Ernesto Athanatons Meinung im RF 136 zu: Viele Jüngere wünschten sich, von den Älteren lernen zu können. Oftmals frage ich mich, wie es zur Konterrevolution 1989/90 kommen konnte, wenn es so viele fähige Kräfte gegeben hat. Wo sind die Älteren, die die Jüngeren anlernen und anleiten? Manchmal komme ich mir auf dem Kampffeld ziemlich verlassen vor und habe den Eindruck, bei Null anfangen zu müssen, als ob es niemand gäbe, der es wissen könnte. Ich habe den Geraer RF-Leser Achim Blesse durch das Internet kennengelernt und weiß, daß er nicht nur Offizier gewesen ist. Ich habe ihn auch zur früheren Geschichte der DDR befragt und aus dem Dialog erfahren, daß er über Wissen verfügt, welches er weitergeben kann. Warum sollte er der einzige sein?

Um die Aussage von Ernesto zum Verfassen von Leserbriefen und zur Nutzung des Internets zu unterstützen, verweise ich auf Lenins Mahnung im "Linken Radikalismus": "Beherrschen wir nicht alle Kampfmittel, so können wir eine gewaltige, mitunter sogar eine entscheidende Niederlage erleiden ... Beherrschen wir alle Kampfmittel, so siegen wir bestimmt."

Camillo Menzel, Strausberg


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Mit Freude surfe ich jeden Monat die Webseite von "RotFuchs" in der Hoffnung an, die neue Ausgabe zu finden. Ihre Beiträge halte ich für sehr alternativ. Ich selbst habe die DDR nur noch neun Jahre erleben dürfen, bin aber beeindruckt, wie viele Artikel mich an damals erinnern. Ich möchte mich hiermit bei Ihnen bedanken und hoffe, daß es den "RotFuchs" noch viele Jahre geben wird!

Ricky Berghold, Erlangen


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José Soriano Mir, Präsident der Asociación Cultural Instituto Obrero, grüßt den RF und dankt ihm im Namen aller ehemaligen Schüler des Arbeitergymnasiums für die diesem in Nr. 136 gewidmete Aufmerksamkeit. Nach einer kurzer Erläuterung der Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten, die im Osten Deutschlands nach der Befreiung vom Faschismus geschaffen wurden, sagte er: "Das Wichtigste ist die Kultur."

Obwohl die zwar hochbetagten, aber geistig rüstigen und aktiven ehemaligen Schülerinnen und Schüler des Instituto Obrero der deutschen Sprache kaum mächtig sind, konnten sie die Kopfzeile des RF "Proletarier aller Länder ..." entziffern. Die trotz ihres Alters noch immer lange Gedichte frei rezitierende Maria Luisa nahm Kopien für ihren deutschsprechenden Sohn mit; ebenso Emilio Monzó, der anhand der gefertigten Abzüge seine leider unter höchst unerfreulichen Bedingungen erworbenen Deutschkenntnisse überprüft. Emilio wurde nämlich nach dem Verlust der Spanischen Republik, für die er wie alle Schüler des IO in der republikanischen Armee gekämpft hatte, als Mitglied der Résistance von den Nazis im besetzten Frankreich festgenommen und als Zwangsarbeiter deportiert.

Isolda Bohler, Valencia


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Wir haben Euch eine Spende von 100 Euro zur Unterstützung Eurer Arbeit überwiesen. Ende Februar waren wir bei meiner Mutter in Wismar und besuchten auch den Genossen Lunow in Zierow. Als Oberbürgermeister zu DDR-Zeiten hat er die Partnerstädte-Beziehungen sehr gefördert, u. a. mit Calais. Durch den Ferienlageraustausch über die Freundschaftsgesellschaft France - RDA habe ich damals meinen Mann kennengelernt. Er arbeitet politisch in der Coordination Communiste von Lille und freut sich jeden Monat auf Eure Zeitung.

Die wirtschaftliche Lage hier in Nordfrankreich verschlechtert sich ständig. Im März zählte man in der Region im Vergleich mit dem Vormonat drei Prozent mehr Arbeitslose.

Ursula Langlet, Wasquehal


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In seiner Bundestagsrede zum 60. Jahrestag des Grundgesetzes hat der Kovorsitzende der Linksfraktion Gregor Gysi uns Ostdeutschen am 14. Mai mitgeteilt, wir hätten in der DDR weder Freiheit noch Demokratie gehabt. Er bezog sich auf den Anschluß an den Geltungsbereich des Grundgesetzes und sagte wörtlich: "Seitdem gibt es einen ungeheuren Fortschritt für die ostdeutsche Bevölkerung, denn sie lebt in Freiheit und Demokratie, was sie vorher nicht kannte."

Genau diesen ungeheuer simplen Unsinn versuchen uns die Medien seit zwei Jahrzehnten klarzumachen und wiederholen es im zwanzigsten Jahr des "Mauerfalls" bis zur Unerträglichkeit. Daß sich jetzt auch Gysi, der sich so gern als zu den Wohlhabenden gehörend bekennt, bei den notorischen Geschichtsfälschern, die uns das triste Leben in der DDR und die "Vorzüge" der parlamentarischen Demokratie "erklären" wollen, einschleimt, ist für die Partei und jene, die in ihr immer noch eine Alternative zur übrigen Parteienlandschaft vermuten, eine Katastrophe. Man wird sich diese Sätze zu merken haben, genauso wie die Äußerung des Parteivorsitzenden Lothar Bisky, der 1999 in einem Gespräch mit Egon Bahr die alten Genossen als "Klotz am Bein" bezeichnet hatte.

Eine interessante Variante der Volksherrschaft (!) wird deutlich, wenn Abgeordnete, die nach dem Willen der Wähler ihr Mandat erhalten haben, damit nach Belieben umgehen und Fraktion wie Partei ohne Skrupel wechseln, wobei sie das Mandat und dessen Privilegien natürlich mitnehmen. Für mich ist das Betrug am Wählerwillen und ein Bankrott jener formalen Demokratie, in der das Volk lediglich einmal in vier Jahren seine Meinung äußern darf.

Rudolf Krause, Berlin


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Es bleibt zu hoffen, daß "Die Linke" nicht vom Pragmatismus total beherrscht wird. Laut Meyers Lexikon aus DDR-Tagen ist dieser eine Bezeichnung für praktische Nützlichkeit, wobei objektive Gesetzmäßigkeiten geleugnet werden. Im Brockhaus der Alt-BRD wurde der Pragmatismus als "Wert und Gültigkeit von Ideen und Theorien nur nach jeweiligem praktischem Erfolg" bezeichnet.

Oskar Lafontaine und Gregor Gysi haben sowohl Gemeinsames als auch Gegensätzliches: Gysi outet sich öffentlich im ND als Pragmatist, befürwortet einen sogenannten Dritten Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Weiter ist er der Auffassung, daß die Gesellschaft ein religiöses Fundament brauche. Anders ausgedrückt: Anstand, Moral, Solidarität sind ohne Gottglauben unmöglich. Im Gegenteil ist beides genauso trennbar wie Arbeit und Kapital. Ist das die Basis, von der aus man auf die "schwierigen Linken" aufpassen muß, damit sie keine Mehrheit bekommen?

Gregor Gysi hält sie für Phantasten, die sich wie Außerirdische benehmen. Er bezichtigt sie, von einem Enteignungswahn besessen zu sein. Dabei ist nur von der Entprivatisierung des Großkapitals die Rede, die bitter notwendig ist, wenn die Menschheit noch eine soziale und ökologische Zukunft haben will. Will sich Gregor Gysi davon verabschieden?

Oskar Lafontaine lehnt in seinen Büchern Pragmatismus und Dritten Weg ab. Allerdings gibt es auch bei ihm eine merkwürdige Aussage: Aktien und Börsen gehören zur Wirtschaft. Damit stellt er die eigene Linksposition wieder in Frage, ebenso seine völlig richtige Forderung nach politischen Streiks.

Meine Meinung: Weg mit dem Kapitalismus, gleich in welcher Form!

Mario Kettler, Reichenbach/V.


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Der Kurs, den die Partei Die Linke steuert, wird immer abenteuerlicher. Wenn sie so weitermacht, könnte sie bei Wahlen bald unter zehn Prozent fallen und irgendwann im Bett der Sozialdemokratie landen - mit anderen Worten: ins bürgerliche Lager eintauchen.

Wie komme ich zu dieser Auffassung?

Während Oskar Lafontaine kürzlich noch äußerte, sich vorstellen zu können, profitgierige Manager inhaftieren zu lassen, erklärte Ralf Christoffers, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linkspartei im Land Brandenburg, gegenüber der "Märkischen Oderzeitung", es gehe um eine "überfällige Korrektur". Es käme "jetzt darauf an, mit praktikablen Vorschlägen einen Beitrag zur Stabilisierung dieser Gesellschaft zu leisten". Und auch das sagte unser PDL-Politiker: "An sozialen Unruhen kann niemand Interesse haben ..."

Eine "Linke", welche die kapitalistische Gesellschaft stabilisieren will, kann nicht im Sinne der Arbeitslosen, der Kurzarbeiter, der sozial Benachteiligten handeln. Ich frage: Wo bleibt die wahre Linke?

Hans-Dietrich Grundmann, Eberswalde


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Eine von der RF-Gruppe Jena/Weimar gemeinsam mit ISOR durchgeführte Veranstaltung war ein wichtiger Beitrag zur "Geschichtsthematik DDR". Generalmajor a. D. Horst Vogel und Oberst a. D. Siegfried Jesse verstanden es brillant, über die Tätigkeit der DDR-Aufklärer zur Erkundung und Beschaffung von Informationen und Ausrüstung auf den Gebieten von Wissenschaft und Technik zu berichten bzw. entsprechende Fragen zu beantworten. Anhand zahlreicher Beispiele wurden Arbeitsmethoden und Ergebnisse der Tätigkeit des Sektors Wissenschaft und Technik in der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des MfS erläutert. Er hatte großen Anteil am Schutz der DDR und an der Verteidigung des sozialistischen Bündnisses.

Das spannend geschriebene Buch von H. Müller, M. Süß und H. Vogel beleuchtet ein Kapitel DDR-Geschichte und setzt vielen für den sozialistischen deutschen Staat im westlichen Ausland aktiv gewesenen Menschen ein bleibendes Denkmal.

Prof. Dr. Roland Kalthoff, Weimar


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Für die RF-Regionalgruppe Rostock gehört es zur Tradition, am 1. Mai immer mit einem Informationsstand dabeizusein. Diesmal gingen etwa 50 Exemplare der Maiausgabe unserer Zeitschrift an neue Interessenten. Einige von ihnen nahmen gleich auch die Satzung und die Leitsätze des Fördervereins mit. Besonders erfreulich waren für uns Gespräche mit Lesern, die aus nachvollziehbaren Gründen nicht an unseren Veranstaltungen teilnehmen können. Nicht wenige hatten das Bedürfnis, mit uns über Höhen und Tiefen ihres heutigen Lebens zu sprechen.

Solche Begegnungen machen Mut, im kommenden Jahr verstärkt präsent zu sein. Ob andere unserem Beispiel folgen?

Uwe Kramp, Kambs


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Eine Bemerkung zu Matin Barakis Hinweis auf USA-Quellen des Nazismus. Als diese Hitler und dessen Spießgesellen erreichten, war deren Welt- und Menschenbild längst "ausgereift". Hitler saugte aus schmutzig trüben Quellen, die in der Hexenküche des Wiener deutsch-chauvinistischen Gesocks schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Umlauf waren. Da wucherten die Theosophie, die Ariosophie. Da gab es schwülstig-schmierige Pamphlete, von lumpenproletarischen Existenzen verfaßt, die sich hochstaplerisch falsche Adelstitel zulegten und deren "Werke" der "Führer" verschlang. Da waren Jörg Lanz von Liebenfels, Freiherr von Sebottenorf. Hinzu kamen die berüchtigten "Protokolle der Weisen von Zion", die antisemitischen Hetzschriften Marrs aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, auch das Menschenbild Nietzsches (der allerdings von anderem Kaliber war). Hitler in der Festung Landsberg war also bereits der fertige Hitler, der die USA-Sudeleien nicht mehr nötig hatte.

Dr. Robert Steigerwald, Eschborn


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Heute möchte ich mich, wenn auch verspätet, für die Übersendung der Winter-"RotFüchse" nach Tenerife bedanken. Sie gingen mit anderen Hotelgästen in die alte BRD.

In den letzten 20 Jahren ist über die Gründe des Untergangs der DDR viel geschrieben worden. Doch ein Aspekt scheint mir kaum erwähnt: die Tatsache nämlich, daß allzu viele Bürger, insbesondere Genossen und Mitglieder der befreundeten Parteien in leitenden Positionen, sich überhaupt nicht vorstellen konnten, wie sich die Konterrevolution auswirken würde. Sie haben daher ihr Wissen und Können nicht konsequent genug für die Erhaltung der DDR eingesetzt. Ich meine unser Land mit all seinen Errungenschaften, aber auch Mängeln. Die meisten glaubten wohl, die "soziale Marktwirtschaft" der BRD werde doch nicht so schlecht für sie sein. Das war ein fataler Irrtum.

An der letzten Beratung im Ministerium für Bauwesen - ich leitete die Abteilung Planung und Finanzen des VEB Gerüstbau Hoyerswerda - nahmen auch Vertreter der Staatsbank der DDR teil. Sie sprachen bereits so, als ob sie Angestellte von Waigel wären. Da wurde mir definitiv klar, daß alle Messen schon gesungen waren.

Karl-Heinz Mohn, Hoyerswerda


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Als langjähriger "RotFuchs"-Leser sende ich Euch, unter Bezug auf die Ausstellung zum Palast der Republik in der jW-Ladengalerie und als Antwort auf den unsäglichen Brief der Frau Lengsfeld ein kleines Gedicht. Die Nostalgiker der alten Hohenzollern-Zwingburg sollten nicht vergessen, daß sich vom Balkon jenes Schlosses 1848 ein preußischer Monarch vor den hingemetzelten Märzkämpfern verneigen mußte, denen auch Alexander von Humboldt das letzte Geleit gab.

Das Schloß

Hier hatte wahrhaftig ein Volk sich erfrecht
Paläste statt Hütten allein zu bewohnen.
Doch Herr bleibet Herr, und nie Herr wird der Knecht,
Der Abrißbagger tat Auflehnung lohnen!

Bald kündet das Schloß - ist's auch nur Fassade -,
Daß oben und unten auf ewig so bleibe.
Dem Aufruhr die Kugel und nimmermehr Gnade -
Denn Marx ist ja tot und die Erde 'ne Scheibe!

Prof. Dr. Karl-Heinz Bernhardt, Berlin


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Sachsens Ministerpräsident Tillich stellte kürzlich gegenüber dem MDR fest, Merkels Amtszeit seien "vier verlorene Jahre" gewesen. Der sächsische CDU-Politiker dürfte sich das nicht im stillen Kämmerlein zusammengereimt haben. Ich vermute dahinter vor allem einflußreiche hiesige Wirtschaftskreise. Linkspolitiker, Gewerkschaften, Sozialverbände und sogar Teile der Kirchenbasis urteilen da nicht anders.

Die Reaktion des Senders war bezeichnend: Tillichs Kritik wurde sofort wieder "aus dem Verkehr gezogen", weder untersetzt noch bewertet. Den MP persönlich anzugreifen, wagte man nicht.

Ich selbst kann keine Karikatur zeichnen, aber sie beschreiben. Man stelle sich eine Gruppe Strauße vor - alle mit dem Kopf im Sand. Sie symbolisieren die CDU-Wähler. Zwei unterhalten sich. Der eine sagt: "He, Paule, ich habe gehört, daß unsere Kanzlerin vier Jahre eine gute Politik gemacht haben soll." Der andere erwidert: "Ich auch, Ede." Daraufhin Paule: "So gibt es ja gute Gründe, sie zu wählen."

Am Himmel schwebt unterdessen Angela als Engel, flankiert von zwei Medienengeln.

Joachim Spitzner, Leipzig


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"IM Angela Merkel" - so stand es in der "Berliner Morgenpost" - wird durch Fragen von Schülern aus Neuwied unwillkürlich zum Zeitzeugen. Sie gerät in Verwirrung. Da sie der Werbung der "Stasi" in den 70er Jahren nicht gefolgt sei, habe sie die Stelle als wissenschaftliche Assistentin an der Technischen Hochschule in Ilmenau nicht bekommen. So "fand" (!) sie ein Plätzchen am Institut der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof. Die Pfarrerstochter mit Abitur und Staatsexamen, die der Werbung des MfS nicht folgen will, "findet", während sie angeblich ihre geringer vergütete Stelle in Ilmenau nicht bekommt, ohne Schwierigkeiten ein anderes, viel höher dotiertes Plätzchen in der Hauptstadt.

Ob sie an der DDR etwas Positives entdeckt habe, will ein Schüler wissen. "Nee", antwortet die Gefragte, aber sie habe eine glückliche Kindheit gehabt und viel in der Schule gelernt. "Allerdings mußte man aufpassen, daß man nicht aneckte." Und so sei aus ihr keine Oppositionelle geworden (welch Wunder, wenn man in der FDJ-Kreisleitung der Akademie ausgerechnet für Agitation und Propaganda zuständig war).

Der neben Frau Merkel sitzende Hausherr Knabe wartet auf den Hauptschlag gegen die DDR. Angela begreift sofort und knallt den Pflichtsatz heraus: "Wenn ich sehe, daß von den Tätern der SED-Diktatur nur sehr wenige verurteilt wurden, da kriegt man schon die kalte Wut."

Man ist gespannt, wann endlich die "Opferakte" der Kanzlerin präsentiert wird.

Horst Joachimi, Berlin


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Im Mai besuchte ich Hamburg. Auf die etwa zehn Mal geäußerte Bitte, mir doch Auskunft über Adresse und Öffnungszeiten der Thälmann-Gedenkstätte zu geben, zuckten die meisten Befragten nicht nur mit den Schultern. Sie wußten überhaupt nicht, was sie sich unter dem Namen Thälmann vorstellen sollten. Das ist kein Ruhmesblatt für Hamburgs Schulen.

Um anderen Interessierten solche "Auskünfte" zu ersparen, bitte ich den RF, den Lesern die von mir notierten Details bekanntzugeben. Die Gedenkstätte Ernst Thälmann in der Tarpenbekstraße 66 (Thälmannplatz) in 20251 Hamburg ist unter (040) 474184 telefonisch erreichbar und Dienstag 17-20 Uhr, Mittwoch-Freitag 10-17 Uhr und Sonnabend 10-13 Uhr geöffnet.

Dieter Tewes, Callenberg


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Ich gehöre zu jenen, welche Vorgänge in China aufgrund auch von Erfahrungen und Erlebnissen mit Wertesystemen chinesischer Bürger nicht ohne Sorge betrachten. Zweifellos sind die Meinungen zu China und seinem Standort im sozialistischen Gesellschaftssystem nicht einheitlich. Mir erscheinen Vorgänge in China für die Lösung von Fragen mit Weltgeltung bedeutungsvoll. Chancen für einen positiven Verlauf sind aus meiner Sicht vorhanden, solange kapitalistische Entwicklungsprozesse nicht in imperialistische umschlagen, d. h. solange sich das nationale chinesische Kapital nicht mit dem internationalen verbindet.

Manfred Wozniak, Email


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Der Westberliner Ex-Kripobeamte Kurras ermordete 1967 Benno Ohnesorg. Der vermeintliche Verteidiger des Kapitalismus wurde damals rechtskräftig freigesprochen. Mord, Totschlag, ja sogar fahrlässige Tötung kamen für die Westberliner Justiz nicht in Frage. Die Sache war erledigt, und Kurras konnte seine Pension genießen.

Nun findet man in der Birthlerbehörde "rein zufällig" im Superwahljahr 2009 Akten, aus denen hervorgeht, daß Kurras für das MfS gearbeitet haben soll. Warum wurden sie erst jetzt gefunden? Glaubt man Radioberichten, dann standen besagte Vorgänge 20 Jahre geordnet im Regal. Hier mußte die berühmte "Puzzle-Gruppe" der Behörde nicht einmal in Aktion treten.

RA Otto Schily vertrat seinerzeit die Familie Ohnesorg als Nebenkläger: "Der Prozeß wäre anders verlaufen. Wenn die Polizei gewußt hätte, was es mit diesem Herrn auf sich hatte, wäre der Fall von ihr ganz anders angefaßt worden", erklärte der Ex-Innenminister dem "Berliner Kurier". - Fazit: Als Westberliner Polizeibeamter durfte Kurras straffrei einen Demonstranten töten, als möglicher IM des MfS aber hat er einen Mord begangen. Im "Rechtsstaat" BRD ist Mord also nicht gleich Mord.

Wilfried Steinfath, Berlin


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Zunächst einmal meinen Glückwunsch zum Leitartikel der Maiausgabe. Seine Aussagen sind klar und parteilich. Sehr wichtig fand ich auch die Ausführungen zu der Frage, wer in Wahrheit Arbeit-Geber und wer Arbeit-Nehmer ist. Wir müssen stets um die richtigen Begriffe kämpfen. Deshalb auch noch ein Wort der Kritik. Im RF-Leitartikel heißt es: "Klassengegner bleibt Klassengegner."

Gegnerschaft kann sich aber auf sehr verschiedene Art ausdrücken. Nehmen wir nur die "Gegner" beim Tennis oder Schach. Man respektiert gemeinsam die Spielregeln, mißt seine Kräfte in ihrem Rahmen, erkennt den Sieger an, gratuliert sich und scheidet im Guten.

Ganz anders ist das Verhältnis zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern. Die Kapitalisten haben nicht nur mit ihren Gesetzen die Regeln für den Klassenkampf festgelegt, sondern stellen auch den Schiedsrichter: ihre Regierung und Justiz. Und sie ändern bei Bedarf die Regeln. Ohne Skrupel gehen sie notfalls von der bürgerlichen Demokratie zum Faschismus über.

Die Herrschenden sind also nicht unsere Gegner, sondern unsere Klassenfeinde. Wenn sie am Schachbrett der Wahlkämpfe verlieren sollten, werden sie das Brett umwerfen und das Messer zücken.

Fritz Dittmar, Hamburg


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Seit gut zwei Jahren beziehe ich den RF und warte schon immer mit Ungeduld auf die nächste Ausgabe. Der Anlaß, mich heute an Sie zu wenden, ist die Leserzuschrift von Hans Linke aus Suhl, den ich vielleicht kennen müßte, wenn er in der Zeit von 1972 bis zur Schließung 1990 an der Militärakademie studiert hat. In dieser Zeit war ich Lehroffizier und in den letzten Jahren in verantwortlichen Positionen in der Wissenschaft und der Führung der Militärakademie tätig.

Zu deren Auflösung muß ich einiges berichtigen. Die in der Dokumentation "Militärakademie Friedrich Engels 1959-1990", auf die sich Hans Linke offensichtlich bezieht, dargestellte Auflösung "in aller Stille" entspricht nicht den Tatsachen. Am 2. Oktober wurde unter meiner Führung als letzter Chef der Militärakademie beim Appell nach dem Zeremoniell der NVA die Truppenfahne mit allen Ehren eingeholt.

Oberst a.D. Dr. sc. Gerhard Kolitsch, Dresden


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Der Artikel von Prof. Dr. Walter Draeger zum Thema Marktwirtschaft und Kapitalismus in der Märzausgabe des RF eröffnet m. E. völlig neue Einblicke. Er gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß wir dazu imstande sein werden, kompromißlos und produktiv aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, um neue Erkenntnisse in die Tat umsetzen zu können. Prof. Draegers Beitrag schafft Raum für ein befreites Bewußtsein.

Rolf Plötner, Bad Breisig


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Auf unserer Wahlbenachrichtigung stand, daß man Kandidaten für das Europaparlament, den Kreistag und die Stadtvertretung zu wählen habe. Der brave Bürger, der sonst keine oder zumindest nur karge Rechte hat, durfte also zur Urne schreiten und die "vom Volk Gewollten" bestimmen. Frau Merkel hatte ja noch rechtzeitig einen Köder an die Angel gehängt, um die Alten kirre zu machen: die Rentenerhöhung, die im Osten sogar höher ausfiel.

Doch angesichts der neuen Lügen Angelas, die als Pastorentochter in der DDR das Abitur ablegen, studieren und promovieren konnte, es habe sich bei der Arbeiter-und-Bauern-Macht um einen "Unrechtsstaat" gehandelt, sollte die Wahlentscheidung im Herbst gründlich überlegt werden.

Dieter Kramp, Grevesmühlen


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Zur gehässigen Behauptung, die DDR sei ein "Unrechtsstaat" gewesen, habe ich als fast Neunzigjähriger mit 63 Jahren bewußter Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eine fundamental andere Meinung. Die DDR war für ihre Bürger keineswegs nur "Stasi, Stacheldraht und Mauer". Es bedurfte eines großen Aufbauwillens, um ohne Marshallplan aus dem Elend der Nachkriegszeit herauszukommen. Das aber geht vermutlich über den Horizont solcher "Historiker" wie Knabe und Baring.

Trotz der Not und des Mangels war die Kriminalität im Osten viel geringer als im Westen. Kein Vergleich zu den Auswüchsen heutiger "Eliten" in Wirtschaft, Banken und Politik. Deren "Gesetzesverstöße" werden, falls man sie ahndet, von ihnen aus der "Portokasse" bezahlt.

Es ist wahr: In der DDR beteiligten sich viele Menschen am Schutz der Errungenschaften und Vorhaben, wobei sie mit den entsprechenden Organen des Staates zusammenwirkten. Doch in der BRD erfolgt tatsächlich eine flächendeckende Überwachung - vom Abhören der Telefone bis zur Personenkennzeichnung. Es ist grotesk, unter diesen Umständen vom "Unrechtsstaat" DDR zu sprechen. Wenn schon dieses Wort benutzt werden soll, dann trifft es auf ganz andere zu.

Hermann Thomas, Wilsdruff


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Nachdem mein kleiner Beitrag über die "Gedenkstätte" Point Alpha und das "Haus auf der Grenze" bei Geisa im März-RF erschienen war, bekam ich einen Anruf von Manfred Liebscher aus Berlin. Zuerst dachte ich, daß sich ein ehemaliger Grenzer gemeldet hätte, mit dem mich Erinnerungen an die gemeinsame Dienstzeit verbinden würden. Doch schnell war mein Irrtum behoben. Manfred spielt altersmäßig in einer anderen Liga. Dennoch war unser Gespräch von Gemeinsamkeiten geprägt, und es gelang ihm, mich auf seine Autobiographie "Im Paradies der Erinnerungen" hinzuweisen. Nach anfänglichem Zögern vertiefte ich mich in das mir daraufhin übersandte Buch.

Wer erlebt hat, wie unser dienstliches und privates Leben in allen bewaffneten Organen der DDR strukturiert war, kann sich uneingeschränkt mit Liebschers Darstellung identifizieren. Seine klare Position und die eindeutigen Formulierungen zu den ausgewählten Beispielen seines Aufgabenbereichs haben mich beeindruckt. Wenn wir auch in unterschiedlichen Ministerien und etwas zeitversetzt tätig gewesen sind, machen sie mir wie jedem anderen einschlägig "vorbelasteten" Leser erneut deutlich, daß wir uns nichts vorzuwerfen haben. Unsere Ehre und unseren Stolz kann uns niemand nehmen. Doch um der Wahrheit willen dürfen wir nicht müde werden, das der "Nachwendegeneration" zu vermitteln, so schwer das auch unter den heutigen Bedingungen ist.

Oberstleutnant a. D. Wolfgang Kutz, Brehna


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Nach einem Lazarettaufenthalt und kurzem Zwischenspiel daheim wurde ich am 20. April 1945 von den Amerikanern gefangengenommen und landete schließlich im Erdloch-Lager unter freiem Himmel auf den Rheinwiesen bei Bad Kreuznach. Da Borna bei Leipzig damals noch amerikanisch besetzt war, kam ich schließlich mit anderen Sachsen frei. Nach dem Rückzug der US-Truppen übernahm die Sowjetarmee das Gebiet. Damit erhielt ich die Chance, am demokratischen Neuaufbau im Osten teilzunehmen. Schon am 3. Januar 1951 - dem 75. Geburtstag Wilhelm Piecks - trat ich in die Seepolizei ein, aus der später die Volksmarine hervorging. 1984 wurde ich als Kapitän zur See in die Reserve versetzt. Ich bin stolz darauf, am sicheren Schutz der Seegrenzen der DDR mitgewirkt zu haben.

Kurt Loge, Rostock


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32 Jahre habe ich in den bewaffneten Kräften der DDR gedient. Viele unserer Veranstaltungen - so zum Tag der NVA am 1. März - beendeten wir mit der Rezitation eines kurzen Gedichts, das den Charakter unserer Armee unterstreicht:

Ganz unverhofft auf einem Hügel
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
Halt, sprach der Fuchs, du Bösewicht,
kennst du des Königs Order nicht?
Und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
der heute noch bewaffnet geht?
Komm her auf der Stell' und übergib dein Fell!
Nur nicht so schnell, laß dir zuerst die Zähne brechen,
dann können wir uns weitersprechen.
Und auf der Stell' macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt der ganzen Welt:
bewaffnet, doch als Friedensheld.

Oberstleutnant a. D. Werner Franke, Meißen


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Je näher der Oktober heranrückt, um so gröber wird die Hetze gegen die DDR und alles, was sich links nennt. Da paßt der "urplötzlich" aufgetauchte Fall Kurras perfekt in die Inszenierung der Meinungsmacher. Ich selbst versuche durch tägliche Kommentare in den entsprechenden Online-Diensten dagegenzuhalten. Meistens wird es schon nach wenigen Minuten gelöscht. So etwas versteht man unter Freiheit in diesem Land. Für Sozialisten und Kommunisten gilt sie offenbar nicht.

Andreas Maluga, Bochum


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Ich möchte mich auf diesem Weg bei Harry Pursche für seinen Artikel "Steine aus dem Glashaus" (RF 136) bedanken. Dieser Beitrag gehört m. E. zu den eindringlichsten Texten, die ich in letzter Zeit zum Thema Sozialismus und DDR im RF gelesen habe.

Herbert Münchow, Leipzig


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Ich bin freie Journalistin und sammle Material über das Leben und Werk der Antifaschistin und DDR-Schriftstellerin Eva Lippold. Ich suche nach Menschen, die mit ihr Kontakt hatten und über sie erzählen möchten. Bitte schreiben Sie an mich. Meine Adresse: Talstraße 1 b, 18055 Rostock oder liebkind@web.de Danke!

Cristina Fischer, Rostock


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Der Rat eines Journalisten lautete klipp und klar: Die "Ossis" sollten sich doch gefälligst mehr an "Mauer und Stacheldraht" erinnern!

Das ist so einfach gesagt, doch Millionen DDR-Bürger haben weder Mauer noch Stacheldraht je gesehen. Weit mehr kannten den Palast der Republik. Auch die Erinnerung an gemeinschaftliche Arbeit, an Brigadefeiern und den Besuch von Kinderferienlagern, an Reisen nach Bulgarien und Wanderungen in der CSSR ist nicht verblaßt. Oder an das Gesundheitswesen mit den praktischen Polikliniken und nachahmenswerte Bildungseinrichtungen sowie an die Post im Dorf, den Konsum, die HO, die billige Gaststätte ... Wo ist denn nur alles geblieben, woran sich die früheren DDR-Bürger so gerne erinnern?

Die Mauer war vor allem gewissen Leuten im Westen ein Dorn im Auge. Sie hinderte sie nämlich an all dem, was sie dann über Nacht bei uns anrichteten und zwar schneller, als die DDR-Bürger begreifen konnten, sich plötzlich wie in einer eroberten Kolonie fühlen zu müssen.

Elisabeth Monsig, Friedrichsthal


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Die antisozialistische Propaganda läuft in Deutschland täglich über 53 Fernsehsender, 245 Rundfunkstationen, 9412 Zeitungen und Zeitschriften. Sie alle bedienen die herrschende Ideologie oder besser ausgedrückt: die Ideologie der Herrschenden. Ihr Auftrag besteht darin, die Tatsache zu verschleiern, daß der Kapitalismus keine Perspektive zu bieten hat. Die vielgerühmte "soziale Marktwirtschaft" ist perdu. Auch die Milliardenspritzen aus dem Steuertopf, die von Regierungen den Banken und Opel verabreicht werden, können das nicht mehr vertuschen.

Egon Eismann, Wernigerode


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Fahre ich durch meine brandenburgische Heimat, dann sehe ich überall Denkmäler der sogenannten deutschen Einheit. Ich sehe die Job-Center, die Industrieruinen und die verfallenen Anlagen unserer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Ich sehe die sterbenden, entvölkerten Dörfer und kleinen Städte, in denen man keine Illusionen mehr hegt. Denkmäler der "deutschen Einheit" haben wir inmitten unserer ach so blühenden Landschaften in Hülle und Fülle.

Da kann einem das Herz aufgehen, wenn man sich die Ausstellung im Berliner Kronprinzenpalais ansieht, wo derzeit die Entwürfe für das geplante "Einheitsdenkmal" gezeigt werden. Wer das Gruseln verlernt hat, dem wird es hier wieder beigebracht. Ein Abbild der Verlogenheit jagt das nächste. Wo keine echte Haltung dahintersteckt, muß man das durch Monumentalität übertünchen. Irgendwann werden wir wohl auch, sollte uns das Pech nicht eines glücklichen Tages verlassen, eine idiotische Schloßfassade vor einem ebenso idiotischen "Einheitsdenkmal" ertragen müssen.

Ein ernstgemeintes Monument der staatlichen Einheit müßte ganz anders aussehen. Eine differenzierte, um historische Wahrheit bemühte Betrachtung der Geschichte von DDR und BRD wäre da ein Anfang.

Wir Deutschen haben jede Menge steingewordene hohle Phrasen, die hinter pathetischer Gigantomanie geistige Armut verbergen sollen. Der Bau von Hitlers Hauptstadt "Germania" blieb uns durch den Sieg der Roten Armee erspart. Auch daran mußte ich beim Besuch des Kronprinzenpalais denken.

Ulrich Guhl, Berlin


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Soeben habe ich Klaus Eichners neues Buch "Operation Condor" ausgelesen. Es ist wirklich eine starke Leistung, was der Autor da an wichtigem Faktenmaterial zusammengetragen hat. Der gegen Lateinamerika gerichtete US-Staatsterrorismus wird äußerst wirkungsvoll entlarvt. Auch Querverbindungen nach Europa sind angedeutet. Wenn es nach mir ginge, dann würde man dieses im Verlag Wiljo Heinen erschienene Buch zur Pflichtliteratur für alle Linken erklären.

Horst Jäkel, Potsdam


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Fast 20 Jahre nach dem Ende der DDR hat der Kapitalismus zu einem ideologischen Sturmangriff auf den ihm 1990 ausgelieferten Staat geblasen. Wäre die Dahingeschiedene auch nur zum Teil so gewesen, wie ihr die Ideologen vorwerfen und nachreden, könnten sie sich diese Mühe sparen. Die DDR hätte sich nämlich selbst widerlegt. Aber statt dessen lebt sie in der Erinnerung sehr vieler Menschen fort. Nur dagegen richtet sich der Angriff. Die "Aufarbeiter" der Geschichte knüpfen an antikommunistische Traditionen an und setzen den seit 1946 praktizierten Konfrontationskurs gegen die Ostzone und später die DDR fort. Man erinnere sich nur des schon damals geschaffenen SPD-Ostbüros, dessen Einrichtung Kurt Schumacher mit dem Satz begründete: "Es hat sich die Notwendigkeit ergeben, daß wir in der SBZ eine weitverzweigte illegale Organisation schaffen müssen."

Weit von ehrlicher Bewertung entfernt, orientiert man sich auf vorgefertigte Schlagworte und meidet alle Themen, welche die wahren Ursachen für die deutsche Teilung und die Maßnahmen zum Schutz der DDR-Staatsgrenze erklären würden.

Zu den neuen Lügen gehört auch der Versuch, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es seit 1990 ein "völlig neues Deutschland", während es sich in Wirklichkeit um die Fortsetzung der Politik des alten Deutschland - mit anderen Losungen und unter anderen Bedingungen - handelt.

Nein - sie wollten die deutsche Einheit nicht um jeden Preis, sie brauchten den Osten gar nicht, wie sie vorgeben. Ihr Ziel war einzig und allein die Abschaffung der DDR!

Erhard Römer, Berlin

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RotFuchs Nr. 138, 12. Jahrgang, Juli 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2009