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ROTFUCHS/113: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 159 - April 2011


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

14. Jahrgang, Nr. 159, April 2011



Inhalt
Der Zwang zur Vereinigung
Geliebter Otto Buchwitz
Toni Kohlsdorf: Wie war Thälmann?
Solides von "solid"
Eine Armee, der ganz Europa zu Dank verpflichtet sein sollte
Walter Ruge: 55 Jahre nach dem XX. Parteitag
Die PDL bedarf kritischer Solidarität
Verbale Schluckimpfung
Die erste FDJ-Generation
Die NDPD, eine Säule des Blocks der DDR-Parteien
Wo der Hase im Pfeffer liegt
"info links": Nicht vom Geheul einschüchtern lassen!
Von der DDR in das Algerien Ben Bellas entsandt
Schattenspiele kennen keine Lichtgestalten
Die Mär vom bedingungslosen Grundeinkommen
Das Versiegen "geldsprudelnder Quellen"
Kristina Schröders Lockspeise für Denunzianten
"Libertärer Sozialismus"?
Klartext über K-Worte
Kommunismus ausprobieren?
Klaus-Dieter Baumgarten, ein Grenzer-General, den die Siegerjustiz nicht brechen konnte
Marxismus für Einsteiger: Strategie und Taktik
RF-Extra Mit Lenin-Maske gegen den Leninismus
RF-Extra Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen
Libyen: Die Mörder sind unter uns
Araber begehren auf
Ungarns Faschisierer an der Spitze der EU
Kongo: Eine KP im Land von Patrice Lumumba
Portugal: Rekordabstinenz bei Präsidentenwahl
Einmischung in Belarus
Vor dem 6. Parteitag der KP Kubas
Gibt Havanna den Sozialismus auf?
Zwei Milliarden Menschen dürsten bereits
Kein Wasser auf die Mühlen des Kapitals!
Lydia Kuhnt: Trauersteine und Zukunftsgeister
Erich Buchholz: Wir haben nichts gewonnen!
"Na, Lütten?"
Harry Thürks Palette mit tausend Farbnuancen
Archies "Ostern der Tiere"
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Der Zwang zur Vereinigung

Vor 65 Jahren - am 22. April 1946 - trafen 548 Sozialdemokraten und 507 Kommunisten, die 680.000 SPD-Mitglieder und 620.000 KPD-Mitglieder der sowjetischen Besatzungszone sowie Parteigliederungen aus dem Westen vertraten, eine Entscheidung, die trotz des späteren Verlaufs der Ereignisse für immer als Kulminationspunkt in die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung eingegangen ist: Weniger als ein Jahr nach der Niederwerfung des Hitlerfaschismus durch die Rote Armee und die Streitkräfte der damaligen Alliierten der UdSSR wurde im noch trümmerübersäten Berlin die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien vollzogen. Mit der Gründung der SED, deren Politik und Gestaltungskraft mehr als vier darauf folgenden Jahrzehnten deutschen Geschehens ihren Stempel aufdrückten, zog die Linke zwischen Oder und Elbe die Hauptlehre aus der faschistischen Schreckensherrschaft.

Nachdem der 15. Parteitag der KPD am 19. April im Deutschen Theater und der 40. Parteitag der SPD tags darauf im Theater am Schiffbauerdamm beraten hatten, traten deren Delegierte am 21. und 22. April dann zu ihrem Vereinigungsparteitag im Admiralspalast zusammen. Schon in den Monaten zuvor waren sich Tausende und Abertausende Genossen aus SPD und KPD bei oftmals gemeinsamen Beratungen in dem Wunsch und Willen nahegekommen, der verhängnisvollen Spaltung, die Hitlers Machtantritt ermöglicht hatte, ein Ende zu setzen. So wurde der Händedruck zwischen dem Sozialdemokraten Otto Grotewohl und dem Kommunisten Wilhelm Pieck zu einem der schönsten Augenblicke in der wechselvollen, von Beginn an durch Siege und Niederlagen geprägten Chronik der Klassenkämpfe des deutschen Proletariats. Die Tatsache, daß nicht nur die Konstituierung der SED durch die Delegierten aus beiden Parteien einstimmig vollzogen wurde, sondern auch die Annahme der vom Geist des Marxismus durchdrungenen Grundsätze und Ziele in gleicher Weise erfolgen konnte, kennzeichnete das bereits erreichte Maß an prinzipieller Übereinstimmung. Diesem Dokument lagen die Aufrufe der KPD vom 11. und der SPD vom 15. Juni 1945 zugrunde. Lediglich gegen das Leninschen Organisationsprinzipien nahekommende Statut wurden 21 Stimmen abgegeben. Vier Delegierte enthielten sich. - Während der Parteitag Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl bereits als gleichberechtigte Vorsitzende der SED bestätigt hatte, wählte die anschließende 1. Tagung des Parteivorstandes Walter Ulbricht (zuvor KPD) und Max Fechner (zuvor SPD) als deren Stellvertreter. Sämtliche Funktionen - vom Sekretariat des PV bis zu den Leitungen der Grundorganisationen - wurden paritätisch mit früheren Mitgliedern beider Parteien besetzt. Man änderte diesen Modus erst, nachdem Hunderttausende, die zuvor weder der KPD noch der SPD angehört hatten, der SED beigetreten waren.

Der Einheitsdrang erwies sich als so stark, daß der durch die britische Besatzungsmacht mit Spaltungsaktivitäten beauftragte Kurt Schumacher - er hielt am 9. Mai 1946 eiligst eine Separatveranstaltung in Hannover ab - nicht nur die Teilnahme von 103 SPD-Delegierten aus dem Westen am Berliner Gründungsparteitag der SED hinnehmen mußte, sondern auch mit seinem Kurs überall in den Westzonen bei ehrlichen Sozialdemokraten auf Ablehnung stieß. Waren bereits am 1. Mai 1946 Zehntausende Arbeiter und Angestellte im Ruhrgebiet dem Appell von Organisationskomitees einheitswilliger Genossen zu Großkundgebungen gefolgt, so wurden Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck nur zwei Monate später von 40.000 Braunschweigern, 50.000 Essenern sowie Zehntausenden Teilnehmern weiterer Massenmeetings zwischen Köln und Wuppertal stürmisch gefeiert.

Die SED wäre sicher auch im Westen zu einem einflußreichen politischen Faktor geworden, hätten die dortigen Besatzungsmächte ihrer weiteren Ausdehnung nicht einen Riegel vorgeschoben.

Das üble Schumacher-Wort von der "Zwangsvereinigung auf sowjetischen Befehl", das den historisch bedingten Zwang zur Vereinigung diskreditieren sollte, wurde durch rechte SPD-Führer gezielt in die Mitgliedschaft hineingetragen, um den eigenen Genossen Sand in die Augen zu streuen. Der anfangs klare Blick vieler von ihnen konnte auf solche Weise getrübt werden. Besonders aber der schon lange vor und noch massiver nach dem Mitte August 1956 verhängten KPD-Verbot entfesselte Gesinnungsterror des Adenauer-Regimes und seiner Nazi-Juristen gipfelte in einer antikommunistischen Hysterie übelster Art.

Leider üben sich außer den Medien der Bourgeoisie, in denen notorische DDR-Hasser und professionelle Spalter der Arbeiterbewegung ihre Greuelmärchen verbreiten, auch "libertäre Sozialisten", die bei oftmals verdrängter eigener Biographie sogar dazu fähig sind, für die Wahl des Gauck und Birthler nachfolgenden deutschen McCarthy Nr. 3 namens Jahn zu werben, im Gebrauch des Unwortes "Zwangsvereinigung".

Doch wir, die wir als Kommunisten und Sozialisten ungewandelt in der Tradition von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, Otto Buchwitz und Hermann Matern stehen, bekennen uns auch 65 Jahre nach dem grandiosen Berliner Vereinigungsparteitag zu den guten Traditionen der SED. Deren im Bunde mit Gleichgesinnten aus allen anderen Blockparteien und Massenorganisationen vollbrachtes größtes Werk war zweifellos die Gründung und der 40jährige Erhalt der DDR - des besten Staates, der jemals auf deutschem Boden bestanden hat. Das gilt auch angesichts der Tatsache, daß unser kühnes Werk - nicht zuletzt infolge eigener Defizite und des Versagens in der Stunde höchster Bewährung - auf halbem Wege abgebrochen werden mußte.

Doch eine verlorene Schlacht ist noch keine endgültige Niederlage. Mögen unsere Gegner und deren beflissene Schleppenträger sich auch noch so sehr empören - wir schleichen und schlängeln uns nicht aus der eigenen Geschichte davon. So ist unser Bekenntnis zum Sozialismus und zur kommunistischen Zukunftsgestaltung, die natürlich noch in weiter Ferne liegt, viel mehr als ein bloß hinter der vorgehaltenen Hand geflüstertes "K-Wort".

Wir wenden uns an Junge und Alte, an gestandene und potentielle Weggefährten für ein Stück oder die ganze Strecke, nicht zuletzt aber an die Mitglieder und Wähler der Partei Die Linke als der derzeit parlamentarisch wie außerparlamentarisch stärksten Kraft der Demokratie und des Antifaschismus in Deutschland mit dem eindringlichen Appell: Tun wir gemeinsam alles, daß dem historischen Kongreß der ineinandergelegten Hände nicht irgendwann ein "Vereinigungsparteitag" der erhobenen Hände unter antimarxistischen Vorzeichen folgt, auf den die Schumachers unserer Tage - die Gabriels, Strucks und Steinmeiers samt ihrem fds-Gefolge - Kurs nehmen. Noch ist es Zeit, einer solchen Gefahr zu begegnen. Deshalb heißt unsere Devise im Kampf um nahe und ferne Ziele wie vor 65 Jahren: Einheit - Einheit - Einheit!

Klaus Steiniger

Raute

Als Schumachers Clique erfolglos eine Leipziger SPD-Kundgebung boykottierte

Geliebter Otto Buchwitz

In den 30er Jahren fanden im Garten meiner Eltern in regelmäßigen Abständen Familientreffen statt. Mein Großvater mütterlicherseits war Kommunist, der väterlicherseits Sozialdemokrat. Meine Eltern rechneten sich zum linken Flügel der SPD. Ein Onkel war Nazi. Entsprechend erregt verliefen die Debatten. Nach dem Machtantritt der Faschisten wurden solche Familientreffs immer seltener, und über Politik sprach man kaum noch. Niemand beteiligte sich am antifaschistischen Widerstand, aber auch keiner - abgesehen von dem Nazi, der Karriere machte - war NSDAP-Mitglied.

Dann kam der Frühling 1945, der die Befreiung brachte. Nach einigen Wochen "Futtersuche" in der Landwirtschaft begann ich in Leipzig eine Ausbildung als Zimmerer. In dieser Zeit erhielt ich eine Einladung, im Antifaschistischen Jugendausschuß mitzuarbeiten. Nach kurzem Zögern entschloß ich mich dazu. Meine erste "gesellschaftliche Aktivität" bestand darin, den Weihnachtsmann im Wohngebiet zu geben. Bald gehörte ich zum Kern der etwa 30 Jungen und Mädchen umfassenden Gruppe. Woche für Woche ließen wir uns durch Prof. Schaller in Anfangsgründe des Marxismus einführen. Nach zwölf Jahren faschistischer Rassenhetze, Blut-und-Boden-Indoktrination und Abrichtung im Sinne des Treitschke-Spruches "Männer machen Geschichte" war das schon ein Stück geistige Befreiung.

Mit der Gründung der FDJ übernahm ich Funktionen auf Kreis- und Stadtebene. Man machte mich für Funk, Presse und Werbung verantwortlich. Damals entwikkelten sich zunächst lebhafte Beziehungen auch zu Jugendlichen, die kirchlich gebunden waren oder der Liberal-Demokratischen Partei nahestanden. Erst als sich reaktionäre Kräfte um Bischof Dibelius ins Zeug legten, wurde diese Zusammenarbeit untergraben.

Damals lernte ich erfahrene KPD-Genossen kennen. Auch im Elternhaus wurde heftig über politische Themen gestritten. Dabei spielte die Frage der Einheit der Arbeiterparteien eine wichtige Rolle. Die Gespräche drehten sich darum, ob man gleich in die KPD eintreten oder zunächst in die SPD zurückgehen solle, um den Vereinigungsprozeß dort voranzutreiben. Mein Vater und ich bevorzugten die erste Variante, meine Mutter die zweite.

In unserem Wohngebiet hatten sich eine KPD- und eine SPD-Gruppe gebildet. Obwohl sie hin und wieder noch getrennt tagten, führten sie schon damals viele Veranstaltungen gemeinsam durch. Das war immerhin geraume Zeit vor dem Vereinigungsparteitag. Ich erinnere mich, daß es in der SPD-Stadtleitung einflußreiche Leute gab, die der Schumacher-Linie folgten und vehement gegen ein Zusammengehen auftraten. Doch sie fanden bei der Masse der Mitglieder wenig Zuspruch. Der Leipziger SPD-Vorstand sabotierte offen eine Großkundgebung der eigenen Partei, als deren Redner der leidenschaftliche Verfechter der Einheit Otto Buchwitz angekündigt worden war. Da auch die SPD-Presse sein Kommen verschwiegen hatte, liefen viele Genossen aus beiden Parteien von Haus zu Haus, um Einladungen auszutragen. Dem ehemaligen KZ-Häftling Otto Buchwitz wurde von allen Antifaschisten ein Gefühl großer Wärme entgegengebracht. So war das Meeting trotz des offiziellen Boykotts ein großer Erfolg.

Der entscheidende Schlag gegen kapitalistische Kräfte erfolgte dann im Sommer 1946 mit dem Volksentscheid in Sachsen und Thüringen über die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher. Nicht jeder war einverstanden. "Aber doch nicht unser Betrieb", sagten auch manche Arbeiter. Der Chef sei doch immer menschlich gewesen, obwohl er als SS-Offizier oder Wehrwirtschaftsführer Mittäter war. Damals schickte die junge SED Tausende Genossen in die Betriebe, um noch Zögernde zu überzeugen. Wie auf dem Berliner Alex bildeten sich vor dem Leipziger Hauptbahnhof monatelang Gesprächstrauben. Dort ging es um Pro und Contra. Ob die Diskussionsrunden spontan entstanden oder von beiden Seiten - der Partei und ihren Gegnern - organisiert wurden, steht in den Sternen. Natürlich ging es auch um das Verhältnis zur Besatzungsmacht. Rudolf Herrnstadts vielgelesener ND-Artikel "Über die Russen und über uns", der etwas später erschien, sorgte für Klarheit in vielen Köpfen.

Dr. Fritz Welsch, Berlin

Raute

Solides von "solid"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]


Raute

Traditionsverband der NVA wirkt im Sinne der Friedensbeschützer

Eine Armee, der ganz Europa zu Dank verpflichtet sein sollte

Erstmals in der deutschen Militärgeschichte gab es von 1956 bis 1990 mit der NVA eine deutsche Armee, auf welche die Völker Europas mit Vertrauen blickten. Sie besitzt einen bedeutenden Anteil daran, daß es auf unserem Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg eine 50jährige Friedensperiode gab.

Die Nationale Volksarmee war eine gut ausgebildete, gefechtsbereite Truppe, die im Bestand des Warschauer Vertrages in vorderster Linie das militärstrategische Gleichgewicht mit garantiert hat. Damit gebührt auch ihr das Verdienst, daß im Atomzeitalter die todbringenden Vernichtungswaffen in den Arsenalen blieben und bei den Regierungen nüchterner Realismus die Oberhand behielt.

Im Einklang mit der militärwissenschaftlichen Erkenntnis aller Bündnispartner waren wir uns dessen bewußt, daß alles getan werden mußte, einen Krieg zu verhindern, der - einmal begonnen - zwangsläufig zu einer atomaren Auseinandersetzung eskaliert wäre. Ganz folgerichtig wurde deshalb von den Staaten des Warschauer Vertrages am 5. Januar 1983 festgestellt: "In einem Kernwaffenkrieg, würde er entfesselt, kann es keine Sieger geben. Er würde unausweichlich zum Untergang ganzer Völker, zu kolossalen Zerstörungen und katastrophalen Folgen für die Zivilisation und das Leben auf der Erde überhaupt führen."

Auf dieser Erkenntnis beruhten die Vorschläge des Warschauer Vertrages Anfang der 80er Jahre zur Rüstungsbegrenzung sowie zur Eindämmung und Beseitigung von Konfliktherden durch vertrauensbildende Maßnahmen. Von großer Bedeutung waren die Versicherung der UdSSR vor der UNO, nicht als erste Kernwaffen einzusetzen, und die Vorschläge der DDR, in Deutschland eine nuklearwaffenfreie Zone zu schaffen. Leider erfolgten keine entsprechenden Reaktionen der NATO auf einseitige Abrüstungsmaßnahmen unserer Seite in Form äquivalenter Gegenleistungen.

Solange sich die NATO und der Warschauer Vertrag im Zentrum Europas mit der Trennlinie in Deutschland unversöhnlich gegenüberstanden, gebot es die Logik, neben konkreten Schritten zum Abbau der Konfrontation keinen Augenblick die Gefechtsbereitschaft der Truppen zu vernachlässigen.

Die erforderliche militärische Absicherung all dieser Maßnahmen durfte nicht außer acht gelassen werden. Voraussetzung dafür war die Fähigkeit der Truppen der Vereinten Streitkräfte, allen Drohungen und Gefahren seitens der NATO gewachsen zu sein und mögliche Militärschläge erfolgreich abzuwehren.

Die NVA war mit hochmoderner Kampftechnik ausgerüstet. Die Landstreitkräfte, die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung, die Volksmarine sowie die Grenztruppen der DDR hätten alle im Vereinten Oberkommando des Warschauer Vertrages abgestimmten und festgelegten Aufgaben erfolgreich erfüllen können.

Im Laufe der Jahre verfügte die NVA über hervorragend ausgebildete Kader, die dazu befähigt waren, den hohen Anforderungen an das Militärwesen zu entsprechen. Tausende Kommandeure aller Ebenen wurden auf den sowjetischen Militärakademien, einschließlich der Generalstabsakademie, der Militärakademie der NVA "Friedrich Engels", den Offiziershochschulen aller Teilstreitkräfte sowie den Unteroffiziersschulen ausgebildet und weiterqualifiziert. Von der Kompanie bis zur Division und Armee standen an der Spitze hochmotivierte Militärs, die das Prinzip der modernen Truppenführung beherrschten und in der Praxis umsetzten.

Die Waffengattungen, die Artillerie und die Raketentruppen, die Truppenluftabwehr, die chemischen Dienste, die Pioniertruppen, die Nachrichtentruppen, die technischen Dienste sowie die Rückwärtigen Dienste verfügten über die erforderlichen Spezialisten, welche ein erfolgreiches Zusammenwirken im Gesamtbestand der Armee, sowohl unter Gefechtsbedingungen als auch im täglichen Truppenleben, sicherten. Dazu zählten auch die vielen Tausend Zivilbeschäftigten in der NVA, die ihren spezifischen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben leisteten.

Die früheren NVA-Angehörigen können noch heute auf erfüllte Biographien zurückblicken. Es kann sie mit Genugtuung erfüllen, in einer Armee gedient zu haben, die während ihres 34jährigen Bestehens ausschließlich Friedenssicherung, nicht aber Kriegsführung auf ihre Fahnen geschrieben hatte.

Schon bei ihrer Gründung 1956 berief sich die NVA auf die antifaschistischen, revolutionären und fortschrittlichen deutschen Militärtraditionen. Kasernen und Truppenteile trugen entsprechende Namen. Bis 1989 standen an der Spitze des Verteidigungsministeriums der DDR im antifaschistischen Kampf erprobte, militärisch hochqualifizierte Persönlichkeiten: Willi Stoph, Heinz Hoffmann und Heinz Keßler.

Der Anstand verbietet jeglichen Vergleich mit den 15 Verteidigungsministern der BRD seit 1955.

Im Unterschied zu anderen deutschen Armeen war in der NVA der Schutz der Errungenschaften der Werktätigen der DDR einschließlich des sozialistischen Eigentums das eigentliche Anliegen des Militärdienstes.

Verfassungstreu handelten auch die Führungskader der NVA in den Herbsttagen 1989, als sie den Waffeneinsatz zu keinem Zeitpunkt der Entwicklung der Ereignisse in Betracht zogen.

Wenn die Frage gestellt wird, warum die NVA nicht mit militärischer Gewalt den Fortbestand des Sozialismus in der DDR gesichert habe, dann kann es nur eine Antwort geben: Sie war dazu weder legitimiert noch bereit oder befähigt. Außerdem hätte ein solcher Einsatz die Lage nicht zugunsten des Sozialismus verbessert. Im Gegenteil: Die negativen Folgen wären unabsehbar gewesen. Auch die Sowjetarmee, die den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg errungen und den Faschismus vernichtend geschlagen hatte, war in dieser Phase angesichts des Maßes sozialer und politischer Zersetzung im Lande und in der Partei außerstande, die sozialistischen Errungenschaften gegen konterrevolutionäre Kräfte zu verteidigen.

Der Sozialismus hätte gerettet und verteidigt werden können, wenn bereits Anfang der 80er Jahre durch alle Länder der sozialistischen Staatengemeinschaft gemeinsam die notwendigen Maßnahmen ergriffen worden wären: Schritte zum Aufbrechen verkrusteter Strukturen durch Abbau der zentralistischen Hierarchie und zugunsten wirklicher innerparteilicher Demokratie. Außerdem wären grundlegende ökonomische Reformen zur Erreichung wachsender Parameter der Arbeitsproduktivität, konsequentes Vorgehen gegen Erscheinungen ideologischer Aufweichung und des Verrats an den Interessen des Sozialismus dringend geboten gewesen.

Mit dem Ende der staatlichen Existenz der DDR schlug auch für die NVA die letzte Stunde. Sie leistete in ihrer 34jährigen Geschichte das maximal Mögliche für das Volk und den Frieden.

Inzwischen hat sich der Traditionsverband Nationale Volksarmee e. V. konstituiert und seine Tätigkeit aufgenommen. Im Unterschied zum Versteckspiel, zur Anpassung und zum Zurückweichen anderer zeigt er Flagge und bekennt Farbe. Das wurde auch bei der Kranzniederlegung zu Ehren der Volksmarinedivision auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berlin-Friedrichshain anläßlich des 50. Jahrestages der Namensverleihung an die Volksmarine sowie bei der Zusammenkunft am 1. März in der Cafeteria des Berliner Tierparks, die den besonderen Haß von DDR-Gegnern aller Schattierungen hervorrief, deutlich.

Generalleutnant a. D. Manfred Volland, Strausberg

Raute

Vor 55 Jahren fand in Moskau der XX. Parteitag der KPdSU statt

Sachliche Nachbetrachtung

Im Februar 1956 trat in Moskau der XX. Parteitag der KPdSU zusammen. Besonders um die dort vom damaligen Generalsekretär N. S. Chruschtschow gehaltene "Geheimrede", von der schon bald alle Welt wußte, rankten sich die verschiedenartigsten Spekulationen und Ausdeutungen. Die kommunistische Weltbewegung geriet in eine Krise. Denken wir heute über das Ereignis nach, dann bleibt seine Thematik angesichts der gerade gegenwärtig geführten Diskussionen um das "K-Wort" von hoher Aktualität. Damals stellte der Mann an der sowjetischen Parteispitze die in der Zeit zwischen 1928 und 1953 erfolgten Repressalien und begangenen Verbrechen zwar summarisch dar, blieb aber eine marxistische Einschätzung dieser Jahrzehnte schuldig. Zugleich lieferte Chruschtschow - das läßt sich heute unzweideutig feststellen - einen politisch wie intellektuell sehr dürftigen Ausblick auf eine kommunistische Zukunft. Absolut unmarxistisch, wenn auch weitverbreitet, ist der die Dinge umschreibende Begriff "Periode des Personenkults", der folgerichtig nur eine "Periode der Bilderstürmerei" nach sich ziehen konnte. Gigantische Monumente wurden von ihren Sockeln gestürzt und allenthalben die Porträts bisheriger Führer - vor allem Stalins - von den Wänden der Amtsstuben entfernt. Das tatsächlich Erforderliche - eine sachliche, tiefgründige und allseitige Analyse des behandelten Zeitraums - blieb der Generalsekretär nicht nur den Delegierten, sondern auch der demokratischen Weltöffentlichkeit schuldig. Ebenso unsinnig war der Verweis auf eine Rückkehr zu den "Leninschen Normen des Parteilebens". Auf der Tagesordnung stand nämlich keine Rückkehr zu irgendwelchen "Normen", sondern die lange fällige Wiederbesinnung auf den Leninismus. Darauf verzichtete Chruschtschow. Ihn indes schlechterdings als Renegat zu bezeichnen, scheint mir zu hoch gepokert zu sein. Er besaß einfach nicht das Format und die gedankliche Tiefe eines gebildeten Marxisten. Für mich, der ich - obwohl Kommunist - 1941 als "Konterrevolutionär" gebrandmarkt wurde und völlig schuldlos 14 Jahre ein "Betroffener" war, bleibt Chruschtschow allerdings jener Mann, der sofort nach Stalins Tod - beginnend mit den Kreml-Ärzten, die zu Unrecht als "zionistische Verschwörer" verunglimpft wurden -, unzähligen Gefangenen die Lagertore öffnete. Das war zwar keine Großtat, hat aber die Lebensverhältnisse von außerordentlich vielen Menschen über Nacht von Grund auf verändert.

Heute ergehen sich Antikommunisten aller Schattierungen in der Behauptung, Gesine Lötzsch habe die "Verbrechen des Kommunismus" ungenügend erwähnt. Dabei handelt es sich um den Versuch, mit einer "Opfer"-Diskussion unsere Suche nach Wegen in eine vom Kapitalismus freie Zukunft der Menschheit zu blockieren. Die Vorsitzende der Partei Die Linke läßt sich darauf aber nicht ein. Leider beschreiten viele dem Kommunismus durchaus wohlgesonnene Intellektuelle diesen ins Uferlose führenden Weg. Französische Freunde von mir polemisieren übrigens nachdrücklich dagegen, den Bolschewiki auch noch die Hungertoten und die im Bürgerkrieg Umgekommenen, ja sogar den Rückgang der Geburtenzahlen und den Bevölkerungsschwund während der frühen 20er Jahre auf ihr "Opfer-Konto" zu schreiben. Jeder Tote sollte gewürdigt, nichts Geschehenes kleingeredet oder beschönigt werden, doch Summierungen dieser Art weisen wir zurück.

Das eigentliche Ziel des "Aufrechnens" verschiedener Opfergruppen besteht unverkennbar im "Vergleich der Diktaturen". Somit ist für uns, die wir nichts unter den Teppich kehren, eine "Opfer"-Diskussion kein geeigneter Ausgangspunkt im Kampf um unsere eigene Zukunft. Auch unter Mitgliedern der Partei Die Linke hat sich diese Fremdbestimmung unterdessen eingeschlichen. Um so höher ist die Haltung von Gesine Lötzsch zu bewerten.

Der XX. Parteitag war einmal mehr ein Konvent der kommunistischen Weltbewegung. Seit Beginn des Kalten Krieges erhielten die KPdSU-Parteitage fast immer den Rang von "Komintern-Kongressen". Man traf sich, tauschte Meinungen und Situationsbeurteilungen aus. So waren denn auch vor 55 Jahren alle kommunistischen und Arbeiterparteien - sowohl noch um die Macht kämpfende als auch solche, die sie bereits erobert hatten - nach Moskau eingeladen. An dem hochkarätigen Forum nahm auch eine Delegation der SED unter Führung Walter Ulbrichts teil. Sie kehrte allerdings nicht mit den Dokumenten des XX. Parteitages nach Berlin zurück, sondern legte statt dessen einen recht mageren Bericht über ihre Teilnahme am Kongreß vor. Dem Wunsch der sowjetischen Führung entsprechend wurden die Materialien des Parteitages als "Interna" behandelt, was natürlich bei einer so großen Zahl von "Mitwissern" absolut illusorisch war. Die neue Parteiführung handelte überdies politisch unklug, da die außergewöhnliche Veränderung der bis dahin geltenden "Normen" nur Sinn machte, wenn die Dokumente als Botschaft an die Völker der Sowjetunion und als "Öffnung" gegenüber den Genossen der KPdSU gehandhabt worden wären. So wurde Chruschtschows Bericht sehr bald - wie schon erwähnt - mit einer gewissen Berechtigung als "Geheimrede" apostrophiert, um anschließend - eine Ironie der Geschichte - weltweit kolportiert zu werden.

Unter den geladenen Gästen befand sich auch der IKP-Generalsekretär Palmiro Togliatti, einst Mitglied des Exekutivkomitees der Komintern. Nach Rom zurückgekehrt, äußerte er die Meinung, bei der 25jährigen Herrschaft Stalins habe es sich um eine "Entartung des Sozialismus" gehandelt. Das wurde von Chruschtschow scharf zurückgewiesen. Der Sozialismus könne nicht entarten, erklärte er.

Heute wird die Frage abermals aufgeworfen: Kann Sozialismus entarten? Die Wortführer in den Leitungsetagen der Linkspartei sind uns - wie 1956 Chruschtschow - die Antwort bislang schuldig geblieben. War die Zeit von 1928 bis 1953 tatsächlich eine "Periode des entarteten Sozialismus"? Dann müßte es unabhängig davon auch einen nichtentarteten Sozialismus gegeben haben und auch heute noch geben. Die Kommunismus-Schmäher des berüchtigten "Schwarzbuches" und deren sehr zahlreiche völkische Vorgänger wie der "Kampfbund gegen die jüdisch-bolschewistische Gefahr" wußten "schon immer", daß jeder Versuch, die bürgerliche Ordnung abzulösen, nur eine "Entartung" sein könne.

Noch ein Wort in eigener Sache: Bekanntlich befanden sich nicht wenige Genossen aus der alten Leninschen Garde, andere verantwortliche Parteikader und prominente Wissenschaftler in den Straflagern. Dort konnten wir uns mit dieser Crème de la crème der Oktoberrevolution bekanntmachen, ja persönliche Freundschaften schließen. So wurde mir am nördlichen Polarkreis das seltene Glück zuteil, Viktor kennenzulernen - einen gestandenen Kommunisten, Teilnehmer der Oktoberrevolution, Kommandeur der Roten Armee im Fernen Osten zwischen 1918 und 1920 und späteren Tschekisten der sowjetischen Auslandsaufklärung. Auch er war als angeblicher Konterrevolutionär für zehn Jahre im Hohen Norden Sibiriens unter Verschluß gehalten worden. Nach Stalins Tod erhielt mein Freund Viktor mit der Rehabilitierung auch das Recht, wieder die Uniform eines Obersten im Ministerium des Innern zu tragen. In unseren intensiven Gesprächen habe ich den Begriff der "Entartung" zum ersten Mal vernommen. So schließt sich der Kreis.

Walter Ruge

Raute

Innerer Rechtstrend, politische Gegner und die Boulevard-Medien üben Druck aus

Die PDL bedarf kritischer Solidarität

Aus der haßerfüllten antikommunistischen Hetzkampagne um die XVI. internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar lassen sich auch einige positive Rückschlüsse ziehen.

Erstens wird die Politik der PDL offenbar seitens der Reaktion als antikapitalistisch deutlicher wahrgenommen.

Zweitens redet man in der Partei und mit anderen linken Organisationen endlich wieder über Dinge, die im Interesse von Wahlerfolgen, Koalitionsfähigkeit und innerem Zusammenhalt zunehmend tabuisiert worden waren.

Drittens wich die sich zuspitzende Kritik marxistischer Kräfte außerhalb der PDL einer breitgefächerten Solidarität mit Gesine Lötzsch.

Anliegen der Rosa-Luxemburg-Konferenz war es auch, in aller Offenheit über Wege der Zusammenarbeit linksoppositioneller Kräfte in der BRD zu beraten und diesen Prozeß voranzubringen. Dabei kann es gegenwärtig nicht um die von manchen böswillig attackierte "reine Lehre" gehen, sondern nur um die Optimierung der Wirksamkeit unseres Kampfes gegen kapitalistische Repressions- und Aggressionspolitik im Innern wie nach außen.

Das nennt man Aktionseinheit oder auch Bündnispolitik. Niemand wird bestreiten, daß z. B. die Friedensaktivitäten von Teilen der Evangelischen Kirche ebenso wie das Engagement einiger Sozialverbände wertvolle Beiträge zur Erreichung von Etappenzielen sind. So betrachtet muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß die breite Sammlungsbewegung und die Wahlkampfplattform der PDL die derzeit wirksamste und wichtigste Grundlage des politischen Zusammenschlusses aller fortschrittlichen Kräfte sind. Dabei geht es um Bürger- und Menschenrechte, Friedenspolitik und soziale Anliegen im Kampf gegen Kapitalinteressen. Von Marxisten müssen zugleich die darüber hinausgehenden perspektivischen Ziele fest im Auge behalten werden.

Es ist ein richtiger Grundsatz sozialistischen Handelns, nach Analyse einer spezifischen Situation unter den konkreten historischen Bedingungen des jeweiligen Landes stets fortschrittliche, dem Bewußtseinsgrad des Volkes entsprechenden Kräfte - unter ihnen auch Nichtsozialisten - zu unterstützen. Das gilt für nationale Befreiungsbewegungen ebenso wie für demokratische Koalitionen gegen rechtsgerichtete Regimes. Objektiv progressive Strömungen wegen ideologischer Defizite zu bekämpfen, ist kontraproduktiv und der Sache abträglich.

Die PDL steht derzeit von allen Seiten unter massivem Druck, der schwer auszuhalten ist und ihre Wirkungsmöglichkeiten erheblich einschränkt. Einerseits versucht die SPD mit der Forderung nach mehr Anpassung und dem "Abschwören" antikapitalistischer Positionen als Voraussetzungen zur Teilnahme an einer "rot-roten" Koalition das künftige Programm und die Führung der PDL in negativem Sinne zu verändern. Zum anderen prahlt Gabriels und Steinmeiers Partei ganz offen damit, die PDL durch eine solche Koalition "entzaubern" zu können, was ihr in der Hauptstadt bereits gewaltige Stimmeneinbußen gebracht hat. Seitens der CDU und noch weiter rechts stehender Kräfte wird sie der Wählerschaft ja ohnehin als "stalinistische Schreckenspartei" vorgeführt.

Da die Anliegen der PDL den Bedürfnissen und Wünschen weiter Bevölkerungskreise aber durchaus entsprechen, gibt es nur noch den Griff in die antikommunistische Mottenkiste, den man seit Bismarcks Zeiten in Deutschland geübt hat.

Bei völligem Verzicht auf Marx, der im SPD-Programm immerhin noch erwähnt wird, und der beabsichtigten Vielfalt auch antagonistischer Strömungen innerhalb der PDL kann ein Programm nur unter Schmerzen zustande kommen. Und es dürfte wohl kaum mehr als ein Minimalkonsens über Etappenziele sein. Unter diesen Bedingungen muß darauf hingewirkt werden, daß die geltend gemachten Teilforderungen möglichst fortschrittlichen Charakter tragen. Versuche, ausdrücklich den Kapitalismus und dessen Leitlinien wie die imperialistische Kriegführung stützende Formulierungen in das Programm aufzunehmen, müssen strikt zurückgewiesen werden.

Die Debatte zeigt leider, daß der Einfluß marxistischer Kräfte in den Führungsgremien der PDL weiter im Schwinden begriffen ist. Als Gradmesser dafür erweist sich die innerparteiliche Bewertung von Medienäußerungen einiger prominenter Parteimitglieder. Während Vorreiter des "forums demokratischer sozialismus" und auf dieser oder einer ähnlichen Welle Schwimmende sich regelmäßig der bourgeoisen, PDL-feindlichen Blätter und Sender - darunter auch der Boulevard-Medien wie "Bild", "BZ" und RTL - bedienen und die rechten Parteien im Einsatz des Kampfbegriffs "Stalinismus" noch übertreffen, wird Kritik von links in manchen PDL-Publikationen als "parteischädigend" zurückgewiesen. Der Mangel an Entschlossenheit, selbst die der Partei abträglichsten "Genossen" aus deren Reihen zu entfernen, verstärkt noch die Marginalisierung marxistischer Kräfte wie der KPF.

Überzogene Ansprüche auf ideologische "Reinheit" und zukunftsweisende Langzeitprogramme sind indes falsche Reaktionen auf die spezifische Situation in der PDL. Solidarität und Mitarbeit, vor allem zur Durchsetzung nötiger Programmpunkte oder Teilforderungen, verbunden mit der entschiedenen Abwehr des Rechtstrends auf allen Parteiebenen, weisen aus meiner Sicht den richtigen Weg, solange die Debatte andauert und das Kind noch nicht endgültig in den Brunnen gefallen ist.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

Raute

Vom Imperialismus der Sprache zum imperialistischen Sprachgebrauch

Verbale Schluckimpfung

Der Herrschaftswille der Besitzenden bedient sich zur Durchsetzung ihrer globalen Interessen aller heute verfügbaren Medien. Deren gegenüber früher üblichen Presse-, Funk- und Fernsehangeboten vervielfachte Durchschlagskraft wird durch die elektronische Datenflut des Internets noch weit übertroffen. Alle, die Zugang haben, können das, was ihnen vorgesetzt wird, auf Inhalte und Wertvorstellungen hin prüfen, sich damit auseinandersetzen und dem eigene Positionen entgegenstellen. Die Möglichkeit, daß sich jeder Internetnutzer inzwischen mit seinen Homepages, Beiträgen zu den verschiedensten Diskussions-Blogs und in den fast durchgängig angebotenen Fenstern zur Meinungsäußerung selbst einbringen kann, erzeugt das faszinierende Gefühl, ein Akteur zu sein, dem alle Freiheiten zugestanden werden. Die vermeintliche Vielfalt verführt dazu, am Ende zu glauben, man sei gleichberechtigtes Mitglied einer "demokratischen Weltgemeinschaft".

Doch höchste Vorsicht ist angebracht. Die Hinterlist des Gesprochenen und Geschriebenen, die Tücke der verwendeten Begriffe und Ausdrucksweisen bleibt meist unerkannt. Von vielen wird nahezu automatisch verinnerlicht, was ihnen da wie eine verbale Schluckimpfung eingeflößt wird. Durch ständig verwendete Begriffe und immer wiederkehrende Formulierungen sowie deren geschickte Nutzung werden arglose Leser und Diskussionsteilnehmer fast unmerklich dazu verführt, darin enthaltene politische Dogmen und weltanschauliche Prämissen zu übernehmen, sich auf feindlichen Boden zu begeben und die falschen Schlachten zu schlagen.

Nach diesem zunächst recht theoretisch anmutenden Einstieg will ich nun mit praktischen Beispielen den Beweis des von mir Behaupteten antreten. Beginnen wir mit ganz Banalem: In fast jedem Bericht über Vorgänge in den Vereinigten Staaten kommt das zur offiziellen Bezeichnung gehörende Substantiv "Amerika" unzählige Male und dann auch für sich allein vor. Von Amerika, den Amerikanern, der amerikanischen Lebensweise ist die Rede. Im Grunde passiert hier etwas völlig Unzulässiges. Da wird ein zweifellos mächtiges, aber immerhin einzelnes Land sprachlich mit einem ganzen Erdteil gleichgesetzt. Daß auch Chile, Brasilien, Ekuador, Venezuela oder Argentinien ebenso wie Kanada oder Kuba zu Amerika gehören, bleibt völlig ausgeblendet. Der Benutzer des "A-Wortes" soll eine gedankliche Verbeugung machen.

Dagegen setze ich eine weitere Beobachtung, die mit der vorangegangenen sogar in einem gewissen inneren Zusammenhang steht. Wenn vom II. Weltkrieg, in dem das faschistische Deutschland die Sowjetunion überfiel, um sie als Staat auszulöschen, die Rede ist, dann hört man oft Worte wie "Rußland" und "die Russen", ohne sich dessen bewußt zu sein, daß es sich dabei auch um das Vokabular Hitlers und seines Propagandaministers handelt. Ganz ungeniert spricht man vom "Rußland-Feldzug", obwohl die Naziwehrmacht am 22. Juni 1941 zunächst die Belorussische SSR und die Ukrainische SSR angreifen mußte, um die Vernichtungswalze erst dann gegen die RSFSR weiterrollen zu lassen. Offiziell kämpfte das faschistische Deutschland gegen den "russischen Bolschewismus". An diesem Feindbild hat sich auch in der BRD bis heute nichts geändert.

Wenn es um den durch die Rote Armee 1945 befreiten Osten Deutschlands geht, ist ähnliches festzustellen. Zunächst gab es ja die vier Besatzungszonen, darunter auch die sowjetische. Als im August 1949 dann aus den drei Westzonen die Bundesrepublik Deutschland entstand, blieb die SBZ noch für kurze Zeit erhalten, bis die ostdeutschen Parteien unter Führung der SED und mit Unterstützung der UdSSR die Deutsche Demokratische Republik gründeten. Dieser knappe Zeitabschnitt der Noch-Existenz der SBZ erlebte im Vokabular der westlichen Staaten, vor allem dem der BRD, ein wundersames Fortbestehen. Jeder Musikinteressierte erinnert sich da gleich an John Cages Orgelwerk in der Burchardi-Kirche des "ostzonalen" Halberstadt, in dem ein einziger Ton dreieinhalb Jahre erklingt, ehe der nächste angeschlagen wird. Angesichts der westlichen Sprachregelung SBZ müßte sogar der Komponist John Cage erblassen, denn sie verlängerte die virtuelle Existenz der am 7. Oktober 1949 erloschenen "Zone" gleich um Jahrzehnte. Sie besteht sogar noch heute in großbürgerlichen Blättern und im Vokabular der Kommunismus-Hasser fort. Und wenn in der Springer-Presse die DDR überhaupt Erwähnung fand, dann stets nur mit Anführungszeichen. Eine hauptstädtische Singegruppe nutzte diese Vorlage sogar für einen spöttischen Text, in dem es um den "Gänsefüßchen-Staat" geht.

Und da kommen wir, nachdem wir einmal gedanklich deutschen Boden betreten haben, zu einem weiteren erstaunlichen Phänomen bundesrepublikanischer Sprachregelung. Obwohl selbst das Internet-Lexikon Wikipedia die Vokabel "Nationalsozialismus" als Propagandabegriff Hitlers und seiner Gefolgsleute darstellt, taucht sie in jedem nur halbwegs offiziösen Material, ob Buch oder Rede, mit Penetranz immer wieder auf - diesmal ganz ohne Anführungszeichen. Ich habe bei vielen Anlässen stets darauf hingewiesen, daß der Täuschungsbegriff durch Verfolgte und Opfer von SS, SA und Gestapo niemals in den Mund genommen wurde.

In der Erklärung der 21.000 Überlebenden des KZ Buchenwald anläßlich ihrer Befreiung im April 1945 wird von "nazistischen Verbrechern" und "faschistischem Grauen" gesprochen. Im Schwur der bisherigen Häftlinge heißt es: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung." Allein den heute in der BRD politisch und ideologisch Herrschenden bleibt es vorbehalten, ungeniert eine Wortschöpfung der Goebbels und Rosenberg in den Mund zu nehmen.

Übrigens wurde seitens der bundesdeutschen Führung noch nie - man beweise mir das Gegenteil - vom Unrechtsstaat der Faschisten gesprochen, wie man es in bezug auf den Staat des als verordnet diffamierten Antifaschismus - die DDR - ohne Unterlaß tut.

Sprache ist verräterisch, meinte schon der Romanist, Linguistiker und jüdische Sozialist Viktor Klemperer. Er würde heute vermutlich keine "LTI", wie er die Sprache des Dritten Reiches auf lateinisch abkürzte, sondern eine Lingua quartii imperii schreiben - eine Sprache des Vierten Reiches.

Peter Franz, Weimar

Der Verfasser ist evangelisch-lutherischer Theologe.

Raute

Als Erich Kästner an unseren Dresdener Heimabenden teilnahm

Die erste FDJ-Generation

Im Sommer 1945 veröffentlichte die "Sächsische Volkszeitung" einen Aufruf an die Dresdner Jugend. Er war vom Jugendausschuß beim Rat der Stadt verfaßt worden. Darin hieß es: "Wenn wir jemals zu einem anständigen Leben kommen wollen, müssen wir es uns erarbeiten, denn in den vom Faschismus hinterlassenen Trümmerstädten würden wir zugrundegehen. Auf ihnen soll ein neues schöneres Deutschland entstehen. Wir werden und müssen diese Arbeit beginnen, denn die Gestaltung unserer Zukunft liegt zum größten Teil in den Händen der Jugend."

Beginnend mit dem 19. August 1945 wurde die Dresdner Jugend dazu aufgefordert, in Aufbaukolonnen ihren Willen zur Überwindung der Kriegsfolgen zu bekunden. Schon bald rückten wir mit zahlreichen Antifa-Jugendgruppen an jedem Wochenende zu den schier endlosen Ruinenfeldern der Elbestadt aus. Wir wetteiferten beim Abputzen und Bereitstellen der Ziegel. Es dauerte gar nicht lange, bis an solchen Orten das Aufbaulied der FDJ und andere frühe Tonschöpfungen jener Zeit erklangen. Zum festen Bestand der Dresdner Waldschlößchen-Gruppe, deren Mitglied ich geworden war, gehörten auch diese Zeilen:

"Nie, nie woll'n wir Waffen tragen,
nie, nie zieh'n wir in den Krieg,
laßt die hohen Herren sich alleine schlagen,
wir machen einfach nicht mehr mit."

Wir sangen diese Strophe nicht etwa, weil wir dem Pazifismus verfallen waren, sondern weil wir Glück darüber empfanden, der Hölle des Krieges entronnen zu sein und nun ein besseres Leben in Frieden beginnen zu können.

Am 20. März 1946 nahm ich an der Gründungsversammlung der FDJ des Landes Sachsen im Saal der "Sächsischen Volkszeitung" teil. Kulturell wurde sie durch zwei Dresdner Chöre - den Bergsteiger-Chor und den Kreuzchor unter Leitung Prof. Mauersbergers - gestaltet. Als Arbeiterjunge hatte ich den Kreuzchor bis dahin nur vom Hörensagen gekannt. Nun machte mich die Geburtsstunde der FDJ direkt mit ihm bekannt.

Fast parallel zur Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse, die im Parteitag der Vereinigung von SPD und KPD gipfelte, beschritten wir an diesem Tag den Weg der Einheit der Jugend auf antifaschistischen Grundlagen.

Wer damals in Sachsens Hauptstadt FDJler war, kannte mit Gewißheit auch die Waldschlößchen-Gruppe des 18. Stadtbezirks, zählte sie doch zu den Wegbereitern. In der Zeit von 1946 bis 1948 besuchten wir oft die FDJler in Plötzky bei Magdeburg. Zu ihrer Dorfgruppe unterhielten wir enge Kontakte. Nach dem Motto "Stadt und Land - Hand in Hand" traten wir gemeinsam vor der bäuerlichen Bevölkerung auf.

Im April 1947 folgten wir dann dem Appell: "Rettet das grüne Herz Deutschlands - den Thüringer Wald!" Unsere Brigade wollte dem drohenden Baumsterben durch Borkenkäfer-Befall begegnen. In den 80er Jahren führte ich übrigens einige meiner Enkel zu einer Gedenktafel in der Nähe des Rondells von Oberhof, welche an jenen Einsatz erinnert. Ich konnte meinen Nachkommen davon berichten, daß ich im thüringischen Vessertal an der damals legendären aktion teilgenommen hatte.

Für bereits in den ersten Nachkriegsjahren verstorbene Antifaschisten wurde im September 1947 an den Dresdner Elbwiesen unweit des Japanischen Palais zum OdF-Tag ein Urnenhain eingeweiht. Bei einer Gedenkveranstaltung aus diesem Anlaß, die im Saal des Dresdner Hygienemuseums stattfand, sprach Sachsens damaliger Ministerpräsident Max Seydewitz. Unsere FDJ-Gruppe trug die Urnen feierlich zum Ort der Beisetzung.

Unter den nach ihrem Tode so Geehrten befanden sich auch die frühere Dresdner Stadträtin Elsa Fenske sowie der bekannte Gewerkschaftsführer Paul Gruner. In den Jahrzehnten der DDR erinnerten zwei Dresdner Straßennamen an diese beispielhaften Widerstandskämpfer. Nach dem Anschluß der DDR an den Staat des deutschen Imperialismus fielen sie dem Tilgungswillen der Schilderstürmer zum Opfer.

Zu meinen schönsten Erlebnissen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit zählen ohne Zweifel die persönlichen Begegnungen mit dem Dresdner Schriftsteller Erich Kästner. Er nahm an mehreren Heimabenden unserer FDJ-Gruppe teil. Die Beziehung zu ihm verdankten wir dem mit Kästner befreundeten Gerhard Ziller, der damals bei der Sächsischen Landesregierung tätig war, bevor er in Berlin eine wichtige Aufgabe übernahm. Erich Kästners Eltern befanden sich schon in fortgeschrittenem Alter, vor allem die Mutter kränkelte sehr. So bat der berühmte Mann des Wortes Genossen Ziller um Hilfe für die beiden Betagten, zumal die Möglichkeiten des nun in München Lebenden keinen großen Spielraum boten. Unsere FDJ-Gruppe übernahm - so gewissermaßen der späteren "Timur-Bewegung" vorgreifend - die Patenschaft über die alten Kästners. Regelmäßig sorgten die Mädchen für eine saubere Wohnung und frische Wäsche, während wir Jungen Brennholz aus der Dresdner Heide holten, es zerkleinerten und uns so um eine warme Stube kümmerten. Mit Handwagen bewältigten wir dann den Umzug des Vaters von der Königsbrücker Straße in Dresdens Südvorstadt. Zu dieser Zeit befand sich Kästners Mutter bereits in klinischer Behandlung.

Mit einer am ersten Weihnachtsfeiertag 1947 geschriebenen Karte bedankte sich der namhafte Schriftsteller bei unserem damaligen Jugendleiter für die Gesten verläßlicher Solidarität.

Unsere Heimabende wurden in der Regel damit abgeschlossen, daß wir uns zu einem Dresdner Krankenhaus begaben, um den Patienten ein Abendständchen zu bringen. Bei unseren Gute-Nacht-Grüßen am Mittwochabend waren die Fenster stets mit Genesenden besetzt.

Abschließend ist hier noch Ludwig Renn zu erwähnen, der 1947 unserer FDJ-Gruppe die Zustimmung erteilte, seinen Namen zu tragen. Das 1944 von Renn, der eigentlich Arnold Friedrich Vieth von Golßenau hieß, im mexikanischen Exil geschriebene Buch "Adel im Untergang" fand bei der Nachkriegsjugend der damaligen SBZ großen Anklang. Renns Autobiographie nötigte uns Respekt ab. Da war es nicht verwunderlich, daß sich die Gruppe zum Neustädter Bahnhof begab, als er 1947 aus dem Exil in seine Heimatstadt zurückkehrte. Es wurde ein überaus freundlicher Empfang.

Erlebnisse wie die hier zu Papier gebrachten haben meine Generation geprägt. Voller Begeisterung und Hingabe setzten wir uns in jenen schweren Jahren des Aufbruchs für eine bessere, sozialistische Welt ein. Leider erreichten wir unser Ziel im ersten Anlauf noch nicht. Doch den Stolz darauf, an ihm teilgenommen zu haben, kann uns keiner nehmen.

Generalmajor a. D. Dr. Dieter Lehmann, Dresden

Raute

Der "RotFuchs" in Dortmund dabei

Am diesjährigen Pressefest - Fest der Solidarität, das vom 24. bis 26. Juni an traditioneller Stelle - im Dortmunder Revierpark Wischlingen - als von UZ und DKP veranstaltetes größtes linkes Volksfest in Deutschland stattfinden wird, nimmt der RF wieder mit einem repräsentativen Stand teil.

Der hier abgebildete und ab sofort erhältliche Soli-Button (Preis 5 €) trägt die Insignien der internationalen kommunistischen Bewegung: Hammer und Sichel.

Raute

Die NDPD war eine der Säulen des Blocks der DDR-Parteien

Nachdenken über Bündnispolitik

1928 geboren, trat ich nach frühen und kurzen Kriegserfahrungen 1951 als Jurastudent der National-Demokratischen Partei Deutschlands bei. Zwei Jahre später wurde ich ihr hauptamtlicher Mitarbeiter. Das blieb ich bis zum Ende der staatlichen Existenz der DDR. Zwei Jahrzehnte war ich an der Hochschule für Nationale Politik, die sich später Zentrale Parteischule nannte, tätig, von 1972 bis 1982 als ihr Direktor. Ich gehörte dem Hauptausschuß der NDPD an. Nach Ablegung des juristischen Staatsexamens an der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität erwarb ich überdies an der Berliner Humboldt-Universität ein Diplom in Philosophie. Ich promovierte in dieser Disziplin.

1990 schickte man mich in den "Vorruhestand". Seither bin ich Rentner. Die Jahre der DDR waren und bleiben die besten und kreativsten meines Lebens - trotz mancher Verschattungen im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen. Dabei vergesse ich nie, der Sohn eines Arbeiters zu sein.

Alles kommt auf den sozialen Standpunkt an, von dem aus die Dinge erkannt und beurteilt werden! Ich teile die im "RotFuchs" vertretene Auffassung, daß die DDR die größte Errungenschaft der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung und ihrer Bündnispartner ist. Sie hatte dem Großkapital 40 Jahre lang in einem Drittel Deutschlands die Staatsgewalt und die ökonomische Macht entzogen. Ein einmaliger Vorgang in der deutschen Geschichte!

Zudem waren in der DDR Geist und Macht im Sinne des sozialistischen Humanismus mehr und mehr zu einer dialektischen Einheit von Politik und Wissenschaft, von Recht, Gerechtigkeit und Gesetzlichkeit, von Kultur, Kunst und Literatur verschmolzen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sich dieser komplizierte Prozeß nicht ohne Konflikte, Fehler, politische Unzulänglichkeiten, Dummheiten und Sektierertum in allen fünf Parteien der DDR vollzog.

Die Entwicklung der DDR durchbrach die konterrevolutionäre deutsche Tradition der sofortigen Niederschlagung von Revolutionen: 1525, 1848/1849 und 1918/1919. Sebastian Haffner resümierte über diese deutsche Revolution in seinem Buch "Der Verrat 1918/19. Als Deutschland wurde, wie es ist". Thomas Mann hatte schon vom "unrevolutionären deutschen Volk" gesprochen. Für die in der BRD wieder etablierten Konzerne und Monopole waren wir der schlimmste Feind, denn "wir hatten uns ihnen weggenommen". So formulierte es Hermann Kant.

Im Bündnis aller Parteien, aller Klassen und Schichten unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei, der SED, hatten wir uns aus eigener Kraft nach der Befreiung durch die Sowjetunion und deren Rote Armee die eigene Staatsund Gesellschaftsordnung in schweren Kämpfen und in aufopferungsvoller Arbeit geschaffen. Das Entstehen einer "Elite" aus Kindern von Arbeitern, Bauern, Handwerkern, Intellektuellen, Künstlern und anderen Selbständigen erwies sich als Neuheit in der deutschen Geistesgeschichte mit trotz allem unverlierbaren Auswirkungen! So ist die DDR keineswegs eine Fußnote, eine bloße Episode in der bewegten deutschen Chronik des 20. Jahrhunderts. Sie hat dazu beigetragen, daß die Vorstellung widerlegt worden ist, der Sozialismus sei weder theoretisch noch praktisch realisierbar.

Es gibt viel Stoff zum Nachdenken, Umdenken und Neudenken im Hinblick auf sozialen und historischen Fortschritt, Bündnisse und Bündnispolitik, Mehrparteiensysteme und progressive Koalitionen. Die DDR hat mit ihrem demokratischen Block aus fünf Parteien und einer Reihe von Massenorganisationen, ihrem Bündnis der Klassen und Schichten auch auf deutschem Boden die Historizität, die Vergänglichkeit des Kapitalismus bewiesen.

Nicht zufällig beklagte Bundestagspräsident Lammert in der FAZ vom 23. März 2008: "Die große Gefahr ist ..., daß ... das ganze System letztlich keine Akzeptanz mehr findet." Ähnlich äußerte sich BRD-"Starhistoriker" Paul Nolte: "Die Herausforderungen haben sich zugespitzt, das Demokratieproblem stellt sich auf neue Weise ..., es begegnet uns als tiefgreifender Verlust von Vertrauen in das politische System und die politische Klasse."

Das trifft heute erst recht zu. Die vor allem von den USA im Zuge der Globalisierung (den Vorgang globaler Verflechtung gibt es bekanntlich seit der Entstehung des Weltmarktes, des Welthandels, der Weltliteratur etc.) ausgehende Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise hat die unüberbrückbaren Widersprüche des spätkapitalistischen Systems enorm verschärft.

Als Leiter des Lehrstuhls "Dialektischer und historischer Materialismus" an der Hochschule für Politik der NDPD war ich im Lehrkörper der einzige, der zu keiner Nische gehörte, aber stets feinfühlig und achtungsvoll mit Parteifreunden umging, die sich zu verschiedenen Ideologien und Konfessionen bekannten. Bis zum Ende gab es bei uns Marxisten, Marxisten-Leninisten, Kantianer, Fichte-Verehrer, Hegelianer und andere. Entscheidend war das gemeinsame Bekenntnis zur DDR, das sozialistische Staatsbewußtsein.

Es wurde gerade 1989/90 zum entscheidenden politischen Kriterium. Hier trennten sich die Wege derer, die zur DDR standen, jener, die orientierungslos umherirrten und solcher, die Parteigänger von "Glasnost" und "Perestroika" Gorbatschows, Schewardnadses und Jakowlews wurden. Unter diesen befanden sich auch offene Verräter!

Trotz alledem: Die NDPD der DDR hat bedeutende Beiträge zum Aufstieg und zur Stärkung der Staatsmacht, der Gesellschaftsordnung und zu ihrem militärischen Schutz geliefert. Ihre spezifische Mitwirkung betraf die Gebiete des Handwerks, des Genossenschaftswesens, des Einzelhandels, der Landwirtschaft, der Bildung, Kultur und Wissenschaft. Die "National-Zeitung" und der "Verlag der Nation" mit seiner Literatur des Wandels von ehemaligen Gefolgsleuten der Nazis zu überzeugten Antifaschisten erfuhr beachtliche Resonanz im In- und Ausland. Auch unsere Parteischule hat dazu einen anerkannten Beitrag geleistet. Sie war zugleich eine geschätzte Begegnungsstätte für Wissenschaftler und Künstler. In ihren Räumen fanden Vorstellungen des Berliner Ensembles, Auftritte von Darstellern des Maxim-Gorki-Theaters sowie Lesungen des Schriftstellers Helmut Sakowski statt. Wir haben auf den Gebieten von Geschichte, Erbe und Tradition einiges vollbracht. Noch am 19. Mai 1989 hielt ich auf einem Kolloquium unserer Partei ein Referat über die Große Französische Revolution und deren Platz im Geschichtsbild der DDR. Wir unterhielten enge Beziehungen zu den Botschaften der UdSSR, Polens, der Tschechoslowakei und anderer Staaten.

Dr. Fred Dumke, Berlin

Raute

So oder so: An der Revolution führt kein Weg vorbei!

Wo der Hase im Pfeffer liegt

Im Artikel von Dr. Rudolf Dix (RF 156) wird die Frage aufgeworfen: Kann man auch auf parlamentarischem Wege zum Sozialismus gelangen? Dabei behandelt der Autor die Dialektik von Reform und Revolution theoretisch exakt und unter Anführung geschichtlicher Beispiele. Dem stimme ich voll zu.

Schade ist nur, daß die im Untertitel gestellte Frage erst am Schluß mit wenigen Zeilen gestreift wird. Um durch Wahlen zu einer sozialistischen Gesellschaft zu gelangen, bedürfe es neben der Einheit parlamentarischer und außerparlamentarischer Kämpfe eines völlig anderen Kräfteverhältnisses und eines fundamental gewandelten Wahlverhaltens der Bürger, heißt es im Artikel.

Aber gerade hier liegt der Hase im Pfeffer, beginnt die aktuelle Problematik.

Schon Kurt Tucholsky warnte vor dem Bau von Luftschlössern: Wenn Wahlen ernsthaft etwas verändern könnten, wären sie schon längst verboten, konstatierte er. Die bloße Erwartung "eines fundamental gewandelten Wahlverhaltens der Bürger" hilft da nicht weiter.

Fairerweise ist anzumerken, daß als dessen Voraussetzungen "die Einheit parlamentarischer und außerparlamentarischer Kämpfe" sowie "ein völlig anderes Kräfteverhältnis" genannt werden. Das ist der Kern des Problems. Trotz Wirtschaftsund Finanzkrise sowie anderer Verfallserscheinungen im imperialistischen Stadium des Kapitalismus ist das System noch stabil genug, um grundsätzlichem Wandel zu widerstehen. Die herrschenden "Eliten" nutzen alle staatlichen Machtmittel zur Unterdrückung jeglichen Widerstandes gegen ihre Interessen - sogar solcher nicht an die Wurzel gehender Aktionen wie Stuttgart 21 und der Castor-Transporte. Das ist auf parlamentarischem Wege nicht zu verhindern, denn der Bundestag und die entsprechenden Gremien auf Länderebene - kurz: der bürgerliche Parlamentarismus - funktionieren im wesentlichen gemäß den Interessen der tonangebenden Kreise des Kapitals. Um dem zu widerstehen, müssen alle kapitalismuskritischen und alle antikapitalistischen - was ja nicht das gleiche ist - Parteien, Organisationen und Bewegungen gemeinsam eine grundsätzliche Veränderung des politischen Kräfteverhältnisses herbeiführen.

Dabei geht es um ein Zusammenfließen unterschiedlicher Teilinteressen - ob das die Friedensbewegung, Umwelt-, Naturund Tierschutzverbände, Arbeitslosen-Initiativen oder Bünde der Rentner, Steuerzahler und Mieter sind. Im Bemühen um Schnittpunkte all dieser Aktivitäten erweisen sich Reformen als ebenso erforderlich wie ziviler Ungehorsam auf den Straßen. Dabei gilt es natürlich auch, alle parlamentarischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.

Die Herrschenden werden jegliche Mittel einsetzen, um das Entstehen eines neuen systemgefährdenden Kräfteverhältnisses zu verhindern. Die beim Zusammenprall der Fronten potentiell entstehende revolutionäre Situation läßt sich im günstigsten Falle dadurch nutzen, daß die Machtmittel des Staates versagen und die Systemüberwindung durch eine im wesentlichen friedliche Revolution stattfinden kann. Im ungünstigsten Falle folgt der Waffe der Kritik am System die Kritik der Waffen.

Aber, ob so oder so, es handelt sich nicht um einen parlamentarischen Weg infolge "fundamental gewandelten Wahlverhaltens der Bürger". Es ist in jedem Falle ein revolutionärer Weg - in welcher historisch bedingten Form auch immer!

Prof. Dr. Herbert Meißner, Oranienburg

Raute

"info links" zur hysterischen Reaktion auf jW-Beitrag von Gesine Lötzsch

Nicht vom Geheul einschüchtern lassen!

"Für alles, was Die Linke tut oder läßt, ob im Bund, im Land oder im Bezirk, werde ich von meinen Mitbewohnern verantwortlich gemacht", beklagte sich ein Genosse bei mir. "Und mir geht es so an meinem Arbeitsplatz", sekundierte seine Frau. "Aber das ist doch gut so", entgegnete ich. "Es beweist, daß ihr in eurem Umfeld als Linke bekannt und anerkannt seid. Es zeigt auch, daß vielen eben nicht egal ist, was wir Linke woll'n und tun. Daraus zieht unsere Partei ihre Kraft."

Für unsere Ziele geduldig zu werben, hat jedes Mitglied eine große Verantwortung, zumal die bezahlten politischen Meinungsmacher der Medien alles tun, die Politik der LINKEN zu verteufeln. Sie verfahren skrupellos nach dem Goethe-Wort: "Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr's nicht aus, so legt was unter!" Zum Beispiel mit der Behauptung, DIE LINKE wolle den Kommunismus einführen. Antikommunismus ist nach wie vor "in"; er ist systemimmanent. Er wird - wir erleben es gerade - immer dann verschärft, wenn das kapitalistische Gesellschaftssystem in die Krise stürzt. Gewiß ist die hysterische Reaktion auf Gesine Lötzschs Beitrag in der "jungen Welt" auch Ausdruck der tiefen Verunsicherung, welche die Herrschenden angesichts der nicht bewältigten Krise und des wachsenden Einflusses der LINKEN befallen hat.

Lassen wir uns nicht vom Geheul jener einschüchtern, die sich wieder einmal zur gnadenlosen Hatz auf alle aufgemacht haben, die eine andere als diese Gesellschaft für notwendig und möglich halten. Richten wir unbeirrt gemeinsam unsere Kraft auf jene Aufgaben, die heute gelöst werden müssen, ohne unsere Zukunftsvision aus den Augen zu verlieren.

Martin Walter


Gesine Lötzsch:
Erwartungen an unsere Partei

Bei den letzten Berliner Abgeordnetenhauswahlen hatten wir viele unserer Wählerinnen und Wähler verloren, leider auch in Lichtenberg. Ich habe mit sehr vielen Menschen gesprochen, die uns nicht mehr gewählt haben. Ihre Begründung: "Die Armut kann die SPD genausogut verwalten wie ihr. Dafür brauchen wir euch nicht."

In unserer Partei gibt es den Konsens, daß wir in unserem Land keine zweite SPD brauchen. Was heißt das eigentlich? Die grundsätzliche Antwort ist: Unsere Vorstellung von einer gerechten Gesellschaft bleibt nicht im kapitalistischen System stecken, sondern geht weiter, auch wenn unser konkretes Zukunftsbild noch nicht klar konturiert sein kann. Gerade deshalb müssen wir mit der Gesellschaft über den demokratischen Sozialismus und seine Perspektive diskutieren und uns in diesem Sinne als Alltags- und Zukunftspartei profilieren.

Raute

Die anfangs rasiermesserscharfe Hallstein-Doktrin wurde am Ende ein stumpfes Schwert

Von der DDR in das Algerien Ben Bellas entsandt

Die Außenpolitik gehört zur 40jährigen Geschichte der DDR. Mit dem Alleinvertretungsanspruch der BRD sollten die internationale Anerkennung der DDR und die Entwicklung ihrer diplomatischen Beziehungen verhindert oder zumindest aufgehalten werden. "Theoretische" Grundlage dafür und Handlungsinstrument für die BRD-Auslandsvertretungen war die sogenannte Hallstein-Doktrin. Viele Diplomaten der DDR haben diese Zeit je nach Einsatzland unterschiedlich erlebt. In den ersten 20 bis 25 Jahren nach der Gründung ihres Staates wurden sie von Vertretern der BRD und mit dieser verbundener Länder ignoriert, verlacht, geschmäht und provoziert. Das änderte sich mit der Entspannungsperiode: DDR-Diplomaten waren nun auf einmal "wer"! Sie wurden zu anerkannten und gefragten Gesprächspartnern. Ich war damals in vier Ländern tätig und habe die DDR-Außenpolitik mitvertreten können: Syrien 1958 bis 1960, Algerien 1962 bis 1964, Südjemen 1972 bis 1978 und Irak 1982 bis 1987.

Im folgenden will ich einige Eindrücke und Erlebnisse aus meiner Zeit in Algerien schildern. Nach einem siebenjährigen Befreiungskampf und der Verhandlungslösung von Évian wurde am 5. Juli 1962 die Unabhängigkeit Algeriens proklamiert. Schon zuvor, am 16. Juni 1961, hatte die Regierung der DDR die Anerkennung der Provisorischen Regierung Algeriens beschlossen. Ich sollte als erster DDR-Vertreter in Algier Fuß fassen. Erfindungsreich bei der Verwendung diplomatischer Ränge war man bei uns immer. Und so stand in meinem Diplomatenpaß nicht Erster, Zweiter oder Dritter Sekretär, sondern einfach "Sekretär". Diese Benennung war ein kluger Schachzug meiner Vorgesetzten. Politisch hieß das zunächst "Alles oder nichts".

Horst Brasch, Vorsitzender des Komitees für die Solidarität mit den Völkern Afrikas, sollte mich in Algier einführen. Ende August 1962 trafen wir dort ein und strebten ein Gespräch mit einem Mitglied der algerischen Führung an, um meine Position als "Vertreter" der DDR bestätigt zu bekommen. Am 11. September wurden wir von Ahmed Ben Bella, Mitglied des Politbüros der Nationalen Befreiungsfront (kurz danach auch Staatspräsident), empfangen. Brasch stellte mich als ersten Vertreter der DDR in Algerien vor. Mein Auftrag bestehe darin, mich für die Pflege und Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Staaten einzusetzen. Ben Bella würdigte die Unterstützung der DDR für den Befreiungskampf, hieß den "Monsieur le représentant" (Vertreter) willkommen und wünschte mir Erfolg in meiner Arbeit. Noch am gleichen Tag erfuhren wir von einer Intervention des westdeutschen Generalkonsulats. Die Bundesrepublik wünsche weder kommerzielle noch konsularische oder diplomatische Beziehungen Algeriens mit der DDR. Sie, die Algerier, hätten geantwortet, daß Beziehungen zur DDR Sache ihres Landes seien.

Jahre später konnte ich folgende Schilderung des Leiters der BRD-Vertretung, Siegfried von Nostitz, aus dem algerischen Hotel Aletti lesen: "Ein hagerer, hochaufgeschossener Mann, die vollgepfropfte Aktentasche in der Hand, spricht in sächsischem Französisch auf die Livrierten ein. Er hat offenbar Schwierigkeiten mit der Verständigung. 'Das ist Ihr Landsmann, mein Herr! Aber von der anderen Seite!', flüstert mein Freund Jacques, der Oberkellner, mir zu. Ich weiß schon, das ist Herr Scharfenberg, unser Widerpart und Konkurrent, der Vertreter der DDR. Welch eine verrückte Situation, daß ich den einzigen Deutschen, der außer mir in der Halle ist, nicht begrüßen kann! Ich erhalte schon Briefe für ihn, welche die Post fehlgeleitet hat, überall begegne ich den Spuren seiner Wirksamkeit, und doch müssen wir tun, als wären wir füreinander Luft". Ich verspürte bei der Lektüre des "Algerischen Tagebuchs 1960 bis 1962" des Herrn von Nostitz eine leise Genugtuung. Lächeln mußte ich als Brandenburger über das angeblich "sächsische Französisch".

Ich wurde von den Algeriern ziemlich "normal" behandelt. Das Informationsmaterial aus Berlin konnte ich ungehindert verteilen. Es schien deshalb nur im ersten Augenblick erstaunlich, daß das BRD-Generalkonsulat mir über einen Mittelsmann anbot, die eigenen Schriften "im Keller" zu lassen, wenn auch ich die Verteilung meines Materials einstellen würde. Ich sah keinen Grund, darauf einzugehen.

Die Protokollabteilung des algerischen Außenministeriums lud mich wiederholt zur Teilnahme an der Verabschiedung oder Begrüßung von Persönlichkeiten auf dem Flugplatz ein. Herrn von Nostitz versetzte das in Alarmstimmung: "Während ich in Bonn bin, geht ein Telegramm von Mack ein, wonach Herr Scharfenberg, der Abgesandte Ulbrichts, unter den Diplomaten am Flughafen in Algier erschienen sei, die gekommen waren, um Ben Bella bei seiner Rückkehr aus Kuba zu begrüßen. Dann eine weitere Nachricht: Am 1. November will die algerische Regierung eine große Befreiungsfeier veranstalten und dazu Vertreter aus vielen Ländern einladen. Da wäre es möglich, daß auch Abgesandte der Sowjetzone daran teilnehmen. Das würde eine kritische Lage heraufbeschwören. Unsere Algerienpolitik steht auf dem Spiel. Meine Anwesenheit in Algier ist dringend erforderlich. Ich erhalte Weisung, im dortigen Außenamt vorzusprechen. Dann will man weitersehen. Algier steht auf einmal wieder im Brennpunkt des Interesses." ("Algerisches Tagebuch ...", S. 221)

Die DDR wollte diplomatische Beziehungen mit Algerien vereinbaren, doch vor allem unter französischem und westdeutschem Einfluß war die dortige Regierung dazu nicht bereit. Während die Algerier mich als Bezugsperson durchaus akzeptierten, beschloß man in Berlin, einen Geschäftsträger ad interim zu entsenden. Wo es aber keine diplomatischen Beziehungen gibt, kann es auch keinen zeitweiligen Geschäftsträger geben. Man glaubte in Berlin, in "Partisanen-Manier" handeln zu können: Die "algerischen Freunde" würden schon mitmachen. Und so traf am 9. Oktober mein Kollege Martin Bierbach als Geschäftsträger a. i. ein. Er führte einen Brief von Außenminister Dr. Bolz mit sich, in dem vorgeschlagen wurde, "offizielle diplomatische Vertretungen" auszutauschen. Bis zur Regelung dieser Frage werde der Geschäftsträger a. i. Martin Bierbach die Interessen der DDR in Algerien wahrnehmen sowie Verhandlungen über die weitere Entwicklung der Beziehungen führen. Mir erteilte Bierbach laufend neue Aufträge, bei der algerischen Seite Gesprächstermine für den "Geschäftsträger a. i." zu vereinbaren. Immer wieder wurde mir aber gesagt: "Es gibt keinen Geschäftsträger der DDR. Es gibt einen 'représentant', und das sind Sie! Und mit Ihnen sprechen wir jederzeit." Schließlich wurde Bierbach durch Berlin wieder abgezogen. Die Entsendung eines Legationsrates scheiterte ebenfalls. In diesem Falle wurde durch die algerische Seite eine Abberufung "erzwungen", indem man dem Legationsrat zwar eine Einladung zu einem Neujahrsempfang des Präsidenten schickte, sie von ihm aber beim Eintritt abforderte und zerriß. Von Berlin wurde ich als Ständiger Vertreter der DDR benannt und später bis zu meiner Ablösung im Dezember 1964 in die neu eröffnete Handelsvertretung eingegliedert.

Mit dem internationalen Entspannungsprozeß - von der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bis zum Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der BRD - wurde die Hallstein-Doktrin "zahn-" und damit wirkungslos. Im Mai 1970 nahmen die DDR und Algerien diplomatische Beziehungen auf.

Botschafter a. D. Günther Scharfenberg, Kühlungsborn

Raute

Vom erleuchteten SED-Parteihochschüler zum finsteren antikommunistischen Profi: Hermann Weber

Schattenspiele ohne Lichtgestalt

Eine glanzvolle Karriere machte Hermann Weber in den Jahren des Kalten Krieges. Er stieg unter den Historikern zum antikommunistischen Frontmann auf. Einst Schüler der SED-Parteihochschule, warf er alles, wozu er sich bekannt hatte, ohne Skrupel über Bord. Wir gehen hier der durch Weber vorgegebenen Motivation seines Seitenwechsels nicht nach, verweisen aber auf jene Umstände, welche bewirkten, daß ihn die professionellen Antikommunisten mit offenen Armen aufnahmen.

1955 war Weber noch Chefredakteur der Zeitschrift der westdeutschen FDJ. Dadurch geriet er in den Bannkreis des 1953 mit 300.000 DM in der Tasche nach Westberlin geflüchteten Sekretärs des FDJ-Zentralrats Heinz Lippmann. Dieser war in der Leitung des Jugendverbandes der DDR für Westarbeit zuständig gewesen. Als Krankenpfleger im KZ Auschwitz hatte ihn die Gestapo angeworben. Lippmann gelang es jedoch, diese finstere Seite seiner Biographie lange Zeit zu vertuschen. Nach der Flucht in die BRD fing ihn der Bundesnachrichtendienst auf. Er erhielt Order, Mitarbeiter für das Projekt "Der dritte Weg" anzuwerben. Dabei handelte es sich um eine Zeitschrift, die angeblich für "modernen Sozialismus" stand. Sie wurde vom BND finanziert und durch Lippmann als Chefredakteur geleitet. Nach dem im August 1956 erfolgten KPD-Verbot sollten unter der Flagge eines "kritischen Kommunismus" Dissidenten angeworben werden. Weber wurde von Lippmann ausgewählt und fand sich neben Wolfgang Leonhard, Rudolf Schröder, Gerhard Zwerenz u. a. zur Mitarbeit bereit. Er verstand es, das Vertrauen und die Unterstützung derer zu gewinnen, die im antikommunistischen Gewerbe über Geld und Einfluß verfügten.

Weber enttäuschte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Der Renegat schrieb nach Studienjahren in Marburg und Mannheim eine Dissertation zum Thema "Wandlungen des deutschen Kommunismus". Mit anderen Worten: Den Prozeß seines eigenen Farbwechsels übertrug er gewissermaßen auf die KPD. Doch ganz so simpel war es nicht. Webers "Transformation" vom beflissenen Karrieristen zum haßerfüllten Gegner bildete fortan den Grundbaustein seiner politischen Laufbahn und Publizistik. Er wurde ein gelehriger Nachahmer des einst durch Taubert gelenkten Antikomintern-Zentrums im Goebbels-Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda.

Für die Strategen des Kalten Krieges erwies sich Weber als Glücksfall. Er war jung, unbelastet und zukunftsorientiert. So erhielt er an der Mannheimer Universität bald einen Lehrstuhl für Politische Wissenschaften und Zeitgeschichte. Hier nutzte er seine Erfahrungen aus der Mitarbeit an Lippmanns Zeitschrift, um die ideologische Unterwanderung der DDR noch intensiver zu betreiben. Sein Metier wurde dabei die noch junge kommunistische Historiographie. Er klopfte sie nach ideologischen Schwachstellen ab, die er später als "weiße Flecken" bezeichnete. Weber entdeckte vermeintliche Fehler und Widersprüche, fand aber auch tatsächliche Lücken und Defizite, die er propagandistisch erhöht auszuschlachten wußte.

Bei ihm waren immer Geschichtspublizistik und Geschichtspolitik miteinander verwoben. Zugleich ordnete er sein Wirken in die Palette der berüchtigten Totalitarismus-Doktrin ein. Auf diese Weise gelang ihm der Aufstieg zur Leitfigur bundesdeutscher ideologisierter Antikommunismus- und DDR-Forschung in den Jahren des zugespitzten Kalten Krieges. Übrigens konnte er sich nach 1990 mit seinen "antistalinistischen" Thesen sogar in den Publikationsorganen der maßgeblich durch Gregor Gysi geprägten PDS, namentlich des ideologisch zu einer linksbürgerlichen Zeitung umgeschwenkten ND, plazieren.

Weber hat als Mitgestalter der antikommunistischen Staatsdoktrin der BRD deren Geschichtsbild maßgeblich geprägt, historisches Geschehen verzerrt und gefälscht. Seine Arbeitsmethode, mit eigenen Falsifikaten dem politischen Gegner Fälschungen zu unterstellen, ist geradezu ein Vorbild für erfindungsreichen Journalismus à la Springer geworden.

Vielfach hat Weber die Propaganda-Klischees aus dem ideologischen Bestand der Politischen Polizei der Weimarer Republik, der Gestapo und der Anti-Komintern-Abteilung des Goebbels-Ministeriums im Kampf gegen den Kommunismus genutzt. Er hat deren Lügen teilweise abgeschrieben oder modifiziert, neu aufgelegt und in der Propagandahysterie des Kalten Krieges fortgeführt. Daß er dabei selbst "weiße Flecken" schuf, hat ihn nie gestört.

Es ist nur folgerichtig, daß sich Weber in der "Bundesstiftung für die Aufarbeitung der SED-Diktatur" ansiedelte und ihr treuhänderisch seine Gerda- und Hermann-Weber-Stiftung übergab. Diese hat sich die "Auseinandersetzung mit dem internationalen Kommunismus und den Auswirkungen des SED-Regimes" zum Ziel gesetzt. Bei Leuten wie Markus Meckel, Rainer Eppelmann und Gerd Poppe, die in dieser schattigen Institution Akzente setzen, ist Hermann Weber bestens aufgehoben.

Dr. Eberhard Czichon, Berlin

Raute

Mär vom bedingungslosen Grundeinkommen

In einer unserer Mitgliederversammlungen der Partei Die Linke gab die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages, Kersten Steinke, einen interessanten Einblick in ihre Tätigkeit. Dabei kam auch die Petition von Susanne Wiest, einer Kindergärtnerin aus Greifswald, zur Forderung nach einem "bedingungslosen Grundeinkommen" zur Sprache. In dieser Frage gibt es noch erheblichen Klärungsbedarf.

Bedingungsloses Grundeinkommen ist eine Form der Arbeitslosigkeit. Es wird ein Einkommen gezahlt, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Die bisherige Form der Erlangung eines Einkommens durch Arbeitsleistung wird auf ein geringes Einkommen beschränkt. Das ist zunächst naheliegend und für viele verständlich, weil vom Einkommen letzten Endes die Existenz der Menschen und deren Lebensniveau abhängen.

In der modernen kapitalistischen Gesellschaft sind die Beziehungen zwischen der Arbeitsleistung und ihrer Entlohnung, deren Geldausdruck, verlorengegangen. Sie sind so unübersichtlich gestaltet, daß man sie kaum noch erkennen kann. Warum wird beispielsweise für die Tätigkeit, die eine Frau ausübt, in der BRD weniger Geld bezahlt, als wenn sie der Mann leistet? Warum ist die Bezahlung von Arbeitsleistungen in gleichgelagerten Betrieben unterschiedlich, wenn sie in anderen Gegenden, sogar innerhalb eines Landes verrichtet werden? Das nur als Beispiel.

Es kommt aber darauf an, diesen Zusammenhang zwischen Arbeit und Entlohnung zu erkennen, um über eine Bedingungslosigkeit zu urteilen oder diese abzulehnen. - Dabei muß vom Wesen der Arbeit ausgegangen werden. Das geht nicht ohne klare Begriffe. Was ist Arbeit? Auf einen kurzen Nenner gebracht: Arbeit ist die Umwandlung der Natur zur Befriedigung unserer Bedürfnisse. Jedes Tier hat das, was es braucht, von Natur aus. Die Fische Kiemen, um im Wasser leben zu können, Vögel Federn, weil ihr Lebensraum die Luft ist. Der Maulwurf hat schaufelförmige Vorderpfoten, aber sehen kann er nicht weit. Dafür hat der Adler ein weitaus schärferes Sehvermögen als der Mensch, damit er seine Nahrung auf der Erde aus großer Entfernung erkennen kann. Das wäre beliebig fortsetzbar.

Der Mensch kommt nackt auf die Welt. Kann er so bleiben? Was er zum Leben braucht, bietet ihm ebenfalls die Natur, er muß sie sich aber für seine Bedürfnisse umwandeln, und das geschieht durch Arbeit. Von Natur aus ist dem Menschen die Fähigkeit dazu durch den Zusammenhang zwischen Denken, Sprechen und Arbeit mitgegeben. Im Laufe der Entwicklung der Menschheit ist ein sehr langer Weg bis zum heutigen modernen Arbeiter zurückgelegt worden, wobei die Menschen sich immer mehr auf bestimmte Tätigkeiten spezialisierten, deren Resultate sie dann miteinander austauschen mußten. Erschwerend für die Erkenntnis, daß letzten Endes auch heute noch Arbeitsergebnisse der einen Art gegen jene anderer Art ausgetauscht werden, ist die Tatsache, daß sich dieser Vorgang längst mittels des Geldes vollzieht.

Zu keiner Zeit war ein einzelner Mensch dazu in der Lage, die Natur umzuwandeln. Das vollzog sich von Anfang an im Kollektiv, bzw. im Rahmen der gesamten Gesellschaft. Dabei veränderte sich der Charakter der Arbeit selbst. Für das Funktionieren der modernen Gesellschaft ist nicht nur die manuelle Arbeit, sondern sind auch alle anderen Tätigkeiten - medizinische Betreuung, Wissenschaft, Kultur und Erziehung - nötig. Dabei erfolgt ebenfalls ein Austausch mit anderen mittels des Geldes. Die Marxisten haben niemals gefordert, den Menschen von der Arbeit freizustellen. Es geht immer nur um die Möglichkeit, die Fähigkeiten des einzelnen maximal zu berücksichtigen, die entsprechende Ausbildung zu vermitteln und die Arbeitsbedingungen wesentlich zu verbessern. Anders ausgedrückt: sie menschlich zu gestalten sowie ein akzeptables Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit herbeizuführen.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich auch die Frage nach der Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Irgendjemand muß ja wohl dafür arbeiten. Das verschärft die soziale Ungerechtigkeit. Wird diese Frage ignoriert, dann kann man sich sehr gut als Empfänger von bedingungslosem Grundeinkommen in dieser Gesellschaft einrichten. Das ist eine Form des "Arztes am Krankenbett des Kapitalismus". So würde ein Aufbegehren gegen ihm wesenseigene Kriege für wirtschaftliche Interessen und Einflußsphären wie in Irak und Afghanistan sowie gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen hinfällig. Fragen nach dem Verbrauch der Ressourcen auf unserer Erde bleiben aus, wenn nicht garantiert wird, daß das Einkommen auch sinnvoll verwendet wird.

Die Würde des Menschen ist nicht abhängig von seinen Freizeitmöglichkeiten, sondern in erster Linie von seiner Leistung für die Gesellschaft, unabhängig von der Art seiner Tätigkeit.

Gerda Huberty, Neundorf

Raute

Vom Versiegen "geldsprudelnder Quellen"

Viele Frauen hatten 1990 und danach von den sagenhaften "geldsprudelnden Maßnahmen" zur Förderung der Existenzgründer in der BRD gehört. Diese sollten über Banken erfolgen. Also eine der nächsten Filialen im Osten aufgesucht. Die erste Enttäuschung! Sehr sachkundig und entgegenkommend, waren die Angestellten selbst noch unsicher.

Nun aber zu einer West-Bank. Dort mußte man es ja wissen. Doch die zweite Enttäuschung war noch härter. Äußerlich freundlich, gegenüber Frauen zwar etwas reserviert, aber man hörte zu. Und dann kamen mit maliziösem Lächeln die Forderungen. Entnervt, enttäuscht, empört verließ man diese pompösen Paläste und sah an sich hinab. Was fehlt mir denn? Geld! Das wollte ich doch gerade von der Bank leihen. Warum geht das nicht? Soviel sie verstanden, fehlte ihnen vielleicht ein ausgereiftes Konzept, auch die kaufmännische Qualifikation war nicht perfekt, das Gewerbeobjekt noch ungewiß, der langfristige Mietvertrag bislang nicht unterschrieben, die Rentabilitätsvorschau etwas mager - zugegeben. Aber das konnte man doch alles in die Reihe bekommen. Doch da war noch etwas anderes. Eigenkapital und Kreditsicherheiten! Eigenkapital, wer hatte das denn schon, und dann noch 40 % der Gesamtkosten!

Vielleicht ließe sich ja da noch einiges von Verwandten oder Freunden einbringen. Aber bankübliche Kreditsicherheiten? Ist denn mein persönliches Engagement nicht Sicherheit genug? Das müde Lächeln des Mannes am Schalter belehrte: "Wir geben Ihnen unser Geld, was zum großen Teil nicht unser eigenes ist, sondern das unserer Kunden (wir waren ja noch keine, sondern 'Bittsteller'), und das möchten wir natürlich unbedingt und verständlicherweise mit Zinsen wiederbekommen. Wer zahlt es uns denn zurück, wenn Sie, was wir natürlich nicht annehmen, Konkurs anmelden?

Vielleicht gibt es ja in Ihrem Besitz (oder bei Verwandten) ein Eigenheim mit Grund und Boden oder eine fast abgelaufene Lebensversicherung mit hohem Rückkaufwert, ja sogar einen solventen Bürgen?"

Jetzt war alles klar! Die Bank denkt bereits an meinen Konkurs, obwohl ich noch nicht einmal begonnen habe, und daran, wie sie sich an meinem Besitz, vielleicht einem kleinen Häuschen, schadlos halten kann. Das ist doch wohl mehr als suspekt! So nicht, nicht mit mir! Schließlich gibt es doch auch noch andere Banken.

Die dritte Enttäuschung folgte auf dem Fuße. Dort reagierten sie ebenso. Nun war guter Rat teuer. Die Ernüchterung ließ die Frauen erst mal eine Pause einlegen.

Das einzige, was sie hatten, war die Gewerbeanzeige.

Renate Schmidt, Berlin

Raute

Kristina Schröders dubiose "Demokratie-Erklärung"

Lockspeise für Denunzianten

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat den Kampf gegen angeblichen Linksextremismus aus prononciert rechter Sicht zu ihrem Panier gemacht. Einem "Spiegel"-Bericht zufolge dürfen Empfänger von Zuwendungen aus dem Anti-Extremismus-Topf ihres Ministeriums nicht mit Teilen der Partei Die Linke kooperieren. Eine solche Zusammenarbeit sei zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, klammere aber Strömungen wie die Kommunistische Plattform und die Sozialistische Linke aus.

Die aus der Jungen Union hervorgegangene naßforsche Scharfmacherin des Merkel-Kabinetts setzte kurzentschlossen die VVN-BdA sowie ein breites Spektrum antifaschistischer Parteien, Organisationen und Gruppen, denen Verfassungsfeindlichkeit unterstellt wird, auf den Index. Einem Informationsblatt des Schröder-Ministeriums wurde eine dubiose "Demokratie-Erklärung" beigelegt. Alle Antragsteller, die Geld zur nicht näher definierten "Extremismus-Bekämpfung" haben wollen, müssen eine solche Bekundung bereits seit dem Herbst 2010 mit einreichen.

Gegen die provokatorische Forderung Schröders regt sich in Kreisen sowohl konfessionsloser wie konfessionell gebundener Antifaschisten unterdessen heftiger Widerstand. Offen ist von einem "Schnüffelparagraphen" die Rede, weil die Ministerin und deren Hintermänner aus entsprechenden Kreisen der CDU, CSU und FDP durchgesetzt haben, daß alle Interessenten ihre jeweiligen Partner selbst auf vermeintliche Defizite in puncto Verfassungstreue hin überprüfen müssen. Das riecht verdammt nach einem Auftrag zu hemmungsloser Denunziation!

Der Beirat des Bündnisses für Demokratie und Toleranz hat dem Schröder-Ministerium umgehend einen geharnischten Protestbrief übermittelt. Dessen "Initiative" sei geeignet, das politische Klima in der BRD zu vergiften.

Die "Demokratie-Erklärung" ist als Teil einer koordinierten Aktion konservativer und faschistoider Kreise gegen alle Linkskräfte in Deutschland einzuordnen. Teil dessen ist die ultradimensionale Schlammschlacht gegen den Kommunismus-Begriff. Die überzogene Medienpräsenz solcher notorischen DDR-Hasser und Antikommunisten wie Lengsfeld, Knabe, Gauck, Birthler und Jahn springt ins Auge. An Talk-Tischen werden immer wieder Baring, Dohnanyi, Henkel und die gesamte Prominenz solcher Couleur aufgeboten.

Medien und Politiker im Dienste des Kapitals attackieren kritisch eingestellte und selbständig denkende Menschen als angebliche Verfassungsfeinde, "Wutbürger" und linke Chaoten. In dieser Situation sollte es Sache aller Antifaschisten sein, das Grundgesetz gegen die Attacken jener zu verteidigen, die unablässig vorgeben, im Rahmen der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" zu handeln, während sie diese in Wahrheit Tag für Tag untergraben.

Heinrich Ruynat, Hoyerswerda

Raute

"Libertärer Sozialismus"?

An befremdlichen Umschreibungen des demokratischen Sozialismus besteht bekanntlich kein Mangel. Die PDS nannte ihn "Utopie". Verwirrte Anhänger konnten in Wörterbüchern lesen, daß so "Phantasien, Hirngespinste bzw. nicht zu verwirklichende Träume" bezeichnet werden.

An der "sozialistischen Utopie", so wurde verkündet, werde man - koste es, was es wolle - festhalten. Dann kam die "sozialistische Vision", und der interessierte Bürger entnahm Nachschlagewerken, dabei handele es sich um ein "Gesicht, im Sinne von etwas mit dem sogenannten inneren Auge Gesehenes, um ein Phantasiegebilde". Hatte Altbundeskanzler Helmut Schmidt nicht einst empfohlen: Wer an Visionen leide, dem solle man dringend raten, einen Psychiater zu konsultieren?

Und nun ereilt uns angesichts der unsäglichen Kampagne zur Verteufelung des Kommunismus erneut eine Worthülse: Gregor Gysi verkündete in einer "Phoenix"-Talkrunde am 17. Januar: "Ich bin ein libertärer Sozialist."

Was ist denn das nun? Man geht ins Internet und erfährt: Lothar Bisky hat sich in der Zeitschrift "Utopie kreativ" bereits 1996 diesbezüglich ausgelassen. Er beabsichtigte damals offenbar, durch "Erneuerung des Liberalismus" im Beritt der FDP zu wildern. Diese Partei, deren oberster Glaubenssatz lautet, ungezügeltes Walten des Marktes richte alles zum Besten, hatte zuvor "libertäre" Kreationen in die Welt gesetzt. Andererseits erhoben auch Anarchisten Anspruch auf diesen Begriff, um sich unmißverständlich vom Marxismus abzugrenzen.

Gregor Gysi wird zu Beginn des Jahres 2011 beides kaum gemeint haben. Die Westerwelle-Partei ist von Siechtum gezeichnet, und bei den Anarchisten, denen jegliche Staatsmacht des Teufels ist, wird Die Linke in ihrem Drang zu Regierungsbeteiligungen auch keine Anleihen aufnehmen wollen.

Schlagen wir also nach: Vom französischen "libertin", was soviel heißt wie "zügellos, leichtfertig, wüst, ausschweifend" dürfte sich "libertär" hoffentlich nicht ableiten. Doch da gibt es noch "libertini", Freigelassene im alten Rom, ohne Recht auf Eheschließung mit Freigeborenen, die sich nicht um Ämter bewerben durften und beschränktes Stimmrecht hatten. Aber: "Meist gehörten die Libertini zur Klientel reicher Patrizier; vermehrten in ihrer Masse die arme städtische Plebs; einzelne kamen durch Wechsel- und Wuchergeschäfte zu Reichtum oder spielten besonders im Handel italienischer Städte, in der Bürokratie der Kaiserzeit und bei Hofe eine bedeutsame Rolle; ihre Kinder wurden freie Bürger." Auch sie scheinen mir im Jahre 2011 wohl kaum als Vorlage geeignet zu sein. Oder doch?

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

Klartext über K-Worte

Zum Kommentar Gregor Gysis über die eigentlich nicht allzu spektakulären, doch wegen ihrer Klarheit Aufsehen hervorrufenden Äußerungen der PDL-Vorsitzenden Gesine Lötzsch, das K-Wort könne man höchstens noch in wissenschaftlichen Disputen verwenden, und wenn, dann gehe das nicht ohne gleichzeitigen Verweis auf die "im Namen des Kommunismus begangenen Verbrechen", frage ich mich: Müßte es nicht Aufgabe einer linken Partei sein, sich dem antikommunistischen Mainstream entgegenzustellen, statt auf die Stufe von Gauck, Knabe und Birthler hinabzusinken? Oder fällt dem wackeren G-Genossen zu dem K-Buchstaben wirklich nichts anderes ein? Ich möchte ihm einige Stichworte geben, obwohl es GG normalerweise nicht an Ideen mangelt, wenn es um seine medien- und geschäftswirksame Selbstdarstellung geht:

Katholische Kirche
(Kreuz wie Kreuzzüge, Ketzerverfolgungen, Korruption, Kollaboration mit Faschisten, Kindesmißbrauch, aber auch Hexenverbrennungen und andere Untaten, bei denen das Wort nicht mit K beginnt)

Krieg
(zwei Weltkriege, Koreakrieg, Vietnamkrieg, Kalter Krieg, Balkankrieg, Irakkrieg, Krieg in Afghanistan)

Kernwaffen
(Hiroshima und Nagasaki, atomare Aufrüstung, taktische Kernwaffen)

Krise
(Wirtschafts-, Finanz-, Bildungs-, zyklische, allgemeine und globale Krisen)

Kriminalität
(Wirtschafts-, Banken-, Regierungs- und andere Kriminalität, von "A" wie Ausbeuten bis "Z" wie Zocken, Parteispenden-Skandale, die mit dem Namen des "Kanzlers der Einheit" eng verbunden sind, Wahlbetrug (blühende Landschaften, keinem wird es schlechter gehen, es wächst zusammen, was zusammengehört, keine Steuererhöhungen, mehr Netto vom Brutto)

Ku-Klux-Klan
(Flammenkreuze, Menschenjagden, Rassismus, Terror und Mord)

Klimawandel
(Umweltzerstörung, Raubbau, Ozonloch)

Kanzler
(von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis Angela Merkel; von Wiederbewaffnung und Aufrüstung Deutschlands, Kommunistenverfolgung in der BRD und dem gleichzeitigen Schutz der faschistischen Mörderbande wie deren Einbindung in die Politik und Wirtschaft der BRD über die Annexion und wirtschaftliche Zerschlagung der DDR mit Enteignung, Unterdrückung, Ausgrenzung, Benachteiligung und Verfolgung ihrer Bürger bis zum Abbau aller sozialen Sicherungssysteme, der Vorbereitung von Altersarmut, Staatsverschuldung, Ausbau eines alles durchdringenden Polizeistaates)

Konzerne/Kapital
(Ausbeutung zur Erzielung von Maximalprofit, Finanzierung der faschistischen Barbarei, Profite aus der Kriegsindustrie, Ausbeutung der Ressourcen fremder Länder und Unterdrückung ihrer Bevölkerung, Judenverfolgung und Auspressen der Arbeitskräfte in den Konzentrationslagern)

Killer
(CIA-Anschläge auf Staats- und Parteichefs wie Castro, Lumumba, Nasser...)

Kapitalismus
(siehe hierzu Killer, Kapital, Konzerne, Kriege, Konzentrationslager (von Deutschland bis Guantánamo), Kanzler, Klimawandel, Ku-Klux-Klan, Kriminalität, Krise, Kernwaffen und Kirche)

Mit Karl Marx, Klassen und Klassenkampf kann der G-Genosse offenbar nichts mehr anfangen. Hat er jemals die Werke der Klassiker gelesen, geschweige denn begriffen, wenn ihm bei einem K-Wort nur Verbrechen des "Stalinismus", Mauer u. ä. einfallen?

Er kompromittiert nicht nur sich selbst, sondern auch seine Partei und alle linken Kräfte. Versucht er den Kapitalismus an dessen Krankenbett zu kurieren, oder hat ihn nur der Kampfgeist verlassen, so daß er sich kläglich kasteit? Statt Klartext zu reden, bevorzugt er kleinbürgerlichen Klimbim. Wer einen solchen Kniefall vollzieht, macht sich - gewollt oder ungewollt - zum kompatiblen Komplizen politischer Kungelei und Klientelpolitik im Kontext des Systems.

Ist der G-Genosse konvertiert oder durch Teilhabe am Glanz der feinen Gesellschaft nur politisch korrumpiert? Auf jeden Fall gibt es keine Anknüpfung mehr an Kommunarden, eher politischen Konkurs und Kapitulantentum.

Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zum Beispiel vergaß ich bei den K-Worten Begriffe wie Konkurrenz- und Konsumdenken, Zwei-Klassen-Medizin, Kleinverdiener, KFOR und Kosovo, Krupp und Krause, Konterrevolution, Kanonenboot- und Kolonialpolitik, Kommerzialisierung des gesamten Lebens.

Vor allem aber Konformismus ...

Wolfgang Klages, Berlin

Raute

Kommunismus ausprobieren?

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Klaus-Dieter Baumgarten, ein Grenzer-General, den die Siegerjustiz nicht brechen konnte

Es ist der 15. Februar 2008, und die härteste Winterzeit scheint vorbei zu sein, aber ein Frühling ist wohl noch in weiter Ferne. Der Mann, dem ich am Küchentisch gegenübersitze, wird ihn nicht mehr erleben. Er hat das längst begriffen, und so erspart er uns das Mutmachen. Ich bin ihm dankbar dafür, denn damit wird das Gespräch sachlicher - uns ist ohnehin schon schwer genug ums Herz. Es wird das letzte Gespräch zwischen uns sein, und wir wissen das.

Der Mann ist körperlich nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst. Die Krankheit hat ihn aufgefressen, auch seine Müdigkeit ist unübersehbar, seine Bewegungen sind unsicher, doch sein Blick ist klar.

Er schafft zwei Löffel Suppe, dann muß er eine Pause einlegen. Wir sehen uns in die Augen, und während er spricht, leise aber deutlich, habe ich mit einem Kloß im Hals zu kämpfen. Schließlich kennen wir uns seit über 40 Jahren. Aufgrund seiner Dienststellung und durch seine Persönlichkeit beeinflußte er meinen Werdegang ganz wesentlich - wie den von so vielen Männern und Frauen jener Zunft, die sich gemeinsam mit ihm um den Schutz der DDR-Staatsgrenze mühten. Seine Worte streifen Vergangenes und Heutiges. Als Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung und Chef der Grenztruppen der DDR hat er die Last der Verantwortung bewußt und mit Engagement getragen.

Er hat gefordert und gefördert, kollektive Beratung gebraucht und mit Alleingängen sein Umfeld an den Rand der Verzweiflung gebracht. Er hat gewürdigt, war sensibel und konnte verletzen, ohne es zu bemerken. Er war nie nachtragend, hat aber auch nichts vergessen. Kurzum, er ging in seinen Pflichten auf und war ein Mensch aus Fleisch und Blut. Als Chef blieb dieser Mann bisweilen auch einsam, weil er nicht über all das reden konnte, was ihn umtrieb.

In den Jahren der Strafverfolgung, der Inhaftierung durch die Sieger dieser Runde der Geschichte, der Diffamierung seiner Truppe und somit auch der eigenen Person bewegten ihn tausend Fragen. Auf vieles fand er keine schlüssigen Antworten.

Er suchte in Selbstbefragung und im Gespräch mit anderen Genossen eigene Versäumnisse und Fehler als Militär und Kandidat des ZK der SED zu erkennen. Er entschuldigte sich bei so manchem, dem er in harten Dienstjahren vermeintlich Unrecht getan hatte, und ließ andere seine Enttäuschung spüren. In den Grenzerprozessen war er für seine vor Gericht gestellten Männer da, als Zeuge bemühte er sich um sach- und fachliche Bewertung, obwohl das wieder und wieder die Boshaftigkeit der Medien auf ihn lenkte.

Unwirsch reagierte er zunächst auf das Drängen einiger Grenzer, er solle seine Erinnerungen zu Papier zu bringen. Er hat es noch geschafft, auch Dank der Hilfe Hannelores, seiner Frau. Nun sitzen wir uns gegenüber, und ihn bewegt die Frage, ob die Grenzer nach all den bitteren Ereignissen und für viele schmerzlichen Begleitumständen, nach all der Ehrabschneiderei am Ende doch solidarisch im Gefühl des Stolzes darauf zusammenstehen, zur längsten Friedensperiode in Europa beigetragen zu haben. Genugtuung auch darüber, weil sie dafür sorgten, daß am chaotischen Abend der Grenzöffnung kein einziger Schuß fiel. Seine Worte klingen nicht pathetisch. Er meint es so, steht dann mit Mühe auf, wir umarmen uns, und er sagt: "Kümmere Dich - mach's gut" und geht zu seinem Bett.

Ich stehe vor dem Haus, zünde mir eine Zigarette an und weiß: Aufrecht gehen ist eine schwere Sache. Klaus-Dieter Baumgarten, der Generaloberst, der am 1. März 80 Jahre alt geworden wäre, hat es gewagt.

Oberst a. D. Frithjof Banisch, Baruth/Mark

Raute

Marxismus für Einsteiger - Strategie und Taktik

Die Begriffe "Strategie" und "Taktik" entstammen dem Militärwesen. Politische Strategie und Taktik darf aber nicht mit militärischer verwechselt werden, denn hierbei handelt es sich um Klassen, soziale Schichten, Parteien und gesellschaftliche Strömungen - nicht vorrangig um Armeen, Divisionen, Regimenter und Bataillone.

Politische Strategie ist ein systematischer, durch feste Prinzipien erhellter und unbeirrt durchzuführender "Tätigkeitsplan". (LW, Bd. 5/S. 7) Zu "planmäßiger Arbeit in der Partei vereinigt", schrieb Lenin, "müssen wir dafür sorgen, daß diese Planmäßigkeit gesichert ist". (LW, 7/273) Die Strategie erfordert ständige Entwicklung des Klassenbewußtseins: "Das Bewußtsein der Arbeitermassen kann ... kein wahrhaftes Klassenbewußtsein sein, wenn die Arbeiter es nicht an konkreten und dazu unbedingt an brennenden (aktuellen) politischen Tatsachen und Ereignissen lernen, jede andere Klasse der Gesellschaft in allen Erscheinungsformen des geistigen, moralischen und politischen Lebens dieser Klassen zu beobachten; wenn sie es nicht lernen, die materialistische Analyse und materialistische Beurteilung aller Seiten der Tätigkeit und des Lebens aller Klassen und Schichten und Gruppen der Bevölkerung in der Praxis anzuwenden." (LW, 5/426) Es kommt zudem darauf an, "alle Klassen und alle Länder nicht in ihrer Statik, sondern in ihrer Dynamik (zu betrachten), d. h. nicht im starren Zustand, sondern in der Bewegung (deren Gesetze den ökonomischen Existenzbedingungen jeder Klasse entspringen). Die Bewegung wiederum wird nicht nur vom Standpunkt der Vergangenheit betrachtet, sondern auch vom Standpunkt der Zukunft, und zwar nicht nach der platten Auffassung der 'Evolutionisten', die nur langsame Veränderungen sehen, sondern dialektisch." (LW, 21/64) Strategie definiert für die jeweilige Etappe des Kampfes die Hauptaufgabe, den Hauptfeind und die Richtung des Hauptstoßes. So entsteht der Plan zur Formierung von Hauptkräften und Verbündeten (mit entsprechender Differenzierung bei den zeitweiligen, aufgrund ihrer sozialen Lage schwankenden Verbündeten). Es werden zudem jene Klassen oder Schichten bestimmt, die politisch zu neutralisieren sind.

Taktik dagegen muß "Elastizität gewährleisten", das jeweils entscheidende Kettenglied packen und garantieren, "sich den ... rasch wechselnden Bedingungen des Kampfes sofort anzupassen ...". (LW, 5/534) Die Taktik folgt der Strategie. Sie reagiert auf kurzfristige Veränderungen im Verhältnis der Klassenkräfte und bestimmt Wege zur Gewinnung der Massen, Formen der Organisiertheit und Methoden des Kampfes.

Strategie und Taktik sind ein Organismus. Werden sie getrennt, sind die Konsequenzen entweder Erstarrung oder - bei Verabsolutierung der Taktik - Abgleiten in den Opportunismus. In politischen Prozessen gibt es Ebbe und Flut. Man muß auf Angriff und Verteidigung vorbereitet sein, auch auf von der realen Lage erzwungene Kompromisse. Wilhelm Liebknecht betonte, falls die Umstände sich in 24 Stunden änderten, müsse man auch die Taktik in 24 Stunden ändern. Führende Funktionäre der Arbeiterbewegung sind daran zu messen, wie sie mit wissenschaftlicher Einsicht, Prinzipienfestigkeit und zugleich mit sicherem politischem Instinkt jede Wendung früh genug erkennen und rechtzeitig alle notwendigen Schlüsse ziehen.

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

RF-Extra

Wie Gorbatschow und Jakowlew die Konterrevolution inszenierten

Mit Lenin-Maske gegen den Leninismus

Seit Gorbatschow, zum Generalsekretär der KPdSU aufgestiegen, die "Perestroika" verkündete, ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Die Ergebnisse sind bekannt: Der Sozialismus in der Sowjetunion wurde nicht "umgebaut", sondern zerstört, an seine Stelle trat die Herrschaft der Oligarchen in der Wirtschaft und des autoritären Putin-Medwedjew-Regimes. Die unter der Sowjetmacht durchgesetzten Errungenschaften des arbeitenden Volkes wurden geschleift, die große Masse der Menschen ins Elend gestürzt, die UdSSR aufgelöst, ihre Nachfolgestaaten zu bloßen Rohstofflieferanten der imperialistischen Metropolen degradiert. Im Strudel des Zusammenbruchs der UdSSR sind auch die anderen sozialistischen Staaten Europas untergegangen.

Wie konnte all das geschehen? Warum sahen die Sowjetbürger, die in der Vergangenheit so unermeßliche Entbehrungen und Opfer für den Aufbau des Sozialismus und seine Verteidigung auf sich genommen hatten, der Zerstörung des Lebenswerks mehrerer Generationen tatenlos zu oder wirkten dabei sogar mit? Wie ist es zu erklären, daß der Machtantritt Gorbatschows und seine "Perestroika" zunächst auch von den Kommunisten außerhalb der Sowjetunion (der Autor dieses Beitrages schließt sich ausdrücklich ein) begeistert begrüßt wurden?

Vieles läßt sich heute beantworten. Dazu gehört, daß die Probleme der Sowjetgesellschaft Anfang der 80er Jahre immer offensichtlicher wurden und nach einer Lösung drängten. Die Entwicklung von Wirtschaft und Lebensstandard stagnierte, die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten waren ungenügend, die Führung regierte vom Volk abgehoben. Gorbatschow und dessen Mannschaft knüpften an die Unzufriedenheit der Menschen und deren Sorgen an, die Freunde der UdSSR im Ausland bewegten. Sie verkündeten, die Wirtschaft effektiver gestalten, die sozialistische Demokratie entfalten und Offenheit durchsetzen zu wollen. Ihre wirklichen Absichten waren lange Zeit um so weniger zu erkennen, als sie ihre Reden zunächst fleißig mit Lenin-Zitaten garnierten und den Führer der Oktoberrevolution geradezu zum Kronzeugen ihrer Politik erhoben. Dies änderte sich dann Schritt für Schritt, so daß man im Herangehen an Lenin deutlich die Strategie des großen Betruges ablesen kann, hinter dessen Dunstschleier sich die Konterrevolution entfaltete.


Ein heuchlerischer Schwur

Gorbatschow versicherte in seinem 1987 erschienenen Perestroika-Buch: "Die Rückbesinnung auf Lenin hat Partei und Gesellschaft in ihren Versuchen außerordentlich beflügelt, Erklärungen und Antworten auf die neu aufgeworfenen Fragen zu finden." Und an anderer Stelle: "Das Wesen der Perestroika liegt in der Tatsache, daß sie ... das Leninsche Konzept des sozialistischen Aufbaus sowohl in der Theorie als auch in der Praxis wieder einführt." Selbst in dem vom Februar-Plenum 1990 verabschiedeten Entwurf der Plattform zum 28. Parteitag der KPdSU versicherten Gorbatschow und sein Zentralkomitee noch: "Die Treue zur sozialistischen Wahl und den Ideen des Oktober - die Macht der Sowjets, die Fabriken den Arbeitern, der Boden den Bauern, Frieden den Völkern, freie Selbstbestimmung der Nationen - bleibt für uns unerschütterlich." Bei so viel Lenin und so viel Bekenntnissen zum Sozialismus, wer hätte da Gorbatschow und seinen Propheten der "Perestroika" mißtrauen sollen?

Wohin man wirklich steuerte, hatte Gorbatschow allerdings schon einige Wochen vor dieser ZK-Tagung dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt verraten. Der verkündete den Teilnehmern einer Tagung der Evangelischen Akademie Meißen: "'Wenn Sie Erfolg mit Perestroika haben, was wird denn dann aus dem Sozialismus ...?', habe ich ihn gefragt. Da ist Gorbatschow richtig zusammengezuckt. ... 'Ich glaube so etwas wie in Schweden', hat er schließlich gesagt." Im "Hamburger Abendblatt" vom 4./5. November 1989 heißt es weiter: "In Erinnerung lächelt Helmut Schmidt ...: 'Viele sagen, Schweden sei ein hochkapitalistisches Land!'"

Das Bekenntnis zu Lenin wurde mit der Devise verbunden, ihn "neu zu lesen", "seine Konzeption des Sozialismus wiederherzustellen". Unter diesen Losungen baute man einen zurechtgestutzten Lenin auf, den man als Werkzeug des Kampfes gegen den Sozialismus instrumentalisierte. Aus dem Werk Lenins wurden einzelne Zitate herausgerissen und diesen ein Sinn gegeben, mit dem sich die Abkehr vom Sozialismus begründen ließ. Mißbraucht wurden vor allem zwei Aussagen. Die erste bezieht sich auf die Neue Ökonomische Politik (NÖP), zu der nach dem Ende des Bürgerkrieges neben der Aufhebung der Ablieferungspflicht für die Bauern und deren Ersetzung durch eine Naturalsteuer auch solche Elemente gehörten wie der freie Handel der Bauern mit ihren über diese hinausgehenden Erzeugnissen, die Wiederzulassung kleiner Kapitalisten und das Bemühen, durch Konzessionen ausländisches Kapital heranzuziehen. Lenin erklärte dazu auf dem IX. Allrussischen Sowjetkongreß im Dezember 1921, "daß wir diese Politik ernsthaft und auf lange Zeit, aber natürlich, wie das schon richtig bemerkt worden ist, nicht für ewig durchführen".

Die Propheten der "Perestroika" legten das Gewicht auf die Worte "ernsthaft und für lange Zeit". Die Ergänzung "nicht für ewig" verschwand. Und die so verkürzte und dadurch entstellte Aussage wurde mit einer zweiten mißbrauchten Bemerkung Lenins verbunden. In seiner Arbeit "Über das Genossenschaftswesen", die er im Januar 1923 verfaßte, heißt es: "Jetzt haben wir das Recht zu sagen, daß das einfache Wachstum der Genossenschaften für uns ... mit dem Wachstum des Sozialismus identisch ist, und zugleich müssen wir zugeben, daß sich unsere ganze Auffassung vom Sozialismus grundlegend geändert hat." Daraus pickten Gorbatschow und dessen Nachahmer die Worte heraus, "daß sich unsere ganze Auffassung vom Sozialismus grundlegend geändert hat" und stellten sie in einen Zusammenhang mit der NÖP, die "ernsthaft und für lange Zeit" durchgeführt werden müsse. Das Ganze gaben sie dann als "das Leninsche Ideal des Sozialismus" aus, einen "Sozialismus" mit russischen Kapitalisten und ausländischen Konzessionären.

Sie behaupteten, daß Lenin, "in tiefe Zweifel über die Richtigkeit der bolschewistischen Handlungen verfiel. Sagte er doch, daß es notwendig sei, unsere ganze Auffassung vom Sozialismus grundlegend zu ändern."


"Leninsche" Sicht aus antileninistischen Augen

Diese angeblich Leninsche Sicht auf den Sozialismus - so behauptete Jakowlew - "entfiel aus unserem Gedächtnis und unserer Praxis oder wurde bis zur Unkenntlichkeit entstellt". Bei näherem Hinschauen zeigt sich hingegen, daß Lenins Positionen gerade durch die Propheten der "Perestroika" bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurden.

Erstens. Die NÖP war keineswegs Lenins "Ideal des Sozialismus". Vielmehr betonte er in seiner bereits zitierten Rede, daß diese Politik eine erzwungene Maßnahme sei, hervorgerufen durch "unsere Armut und Zerrüttung und durch die überaus große Schwächung unserer Großindustrie".

Kern der NÖP war keineswegs die Wiederzulassung privater Unternehmer und die Heranziehung ausländischen Kapitals, sondern die Bewahrung und Festigung des Bündnisses zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft durch die Entwicklung ökonomischer Beziehungen zwischen der staatlichen Großindustrie und den bäuerlichen Betrieben. Privates Unternehmertum und ausländische Konzessionäre sollten die wirtschaftliche Entwicklung unter den gegebenen Bedingungen der Zerrüttung zeitweilig unterstützen.

Zweitens. Lenins These, daß sich "unsere ganze Auffassung vom Sozialismus grundlegend geändert" hat, bezieht sich nicht auf die NÖP und schon gar nicht auf die Zulassung privater Kapitalisten und ausländischer Konzessionäre. Es ging vielmehr um das Genossenschaftswesen. Lenin stellte sich die Frage, wie die ganze werktätige Bevölkerung, und in einem Bauernland wie Rußland vor allem die des Dorfes, in den sozialistischen Aufbau einbezogen werden könne. Er sah den Schlüssel darin, auf neue Weise an die Genossenschaften heranzugehen.

Zu Beginn der NÖP wurde ihnen keine selbständige Bedeutung beigemessen. Man zählte sie nicht zu den sozialökonomischen Sektoren der Übergangsperiode. Nunmehr änderte sich die Position Lenins grundlegend. Er stellte fest, daß das Wesen der Genossenschaften vom System der jeweils herrschenden ökonomischen Verhältnisse geprägt wird, und daß sie unter den Bedingungen der bestimmenden Rolle der sozialistischen Großindustrie in das System der neuen Produktionsverhältnisse einbezogen werden können.

Was Lenin mit der Bemerkung, "daß sich unsere ganze Auffassung vom Sozialismus geändert hat", sagen wollte, ist vollkommen klar, fuhr er doch fort: "Die grundlegende Änderung besteht darin, daß wir früher das Schwergewicht auf den politischen Kampf, die Revolution, die Eroberung der Macht usw. legten und auch legen mußten. Heute dagegen ändert sich das Schwergewicht so weit, daß es auf die friedliche, organisatorisch-kulturelle Arbeit verlegt wird. ... Vor uns stehen zwei Hauptaufgaben, die eine Epoche ausmachen. Das ist einmal die Aufgabe, unseren Apparat umzugestalten, der absolut nichts taugt und den wir gänzlich von der früheren Epoche übernommen haben. ... Unsere zweite Aufgabe besteht in der kulturellen Arbeit für die Bauernschaft. Bei einem vollständigen genossenschaftlichen Zusammenschluß stünden wir bereits mit beiden Füßen auf sozialistischem Boden."


Die Katze aus dem Sack gelassen

Vom verfälschten Lenin ging Jakowlew dazu über, ihn zu "überwinden" und mit ihm den ganzen Marxismus zu "entsorgen". In seinem Buch "Vorwort, Einsturz, Nachwort" heißt es dazu: "Es ist die Zeit gekommen um zu sagen, daß der Marxismus von Anfang an utopisch und falsch war."

Jetzt wurde das Hohelied auf den Kapitalismus gesungen: ". Die Entstaatlichung des Eigentums ist so notwendig wie die Luft." Und: Da "sich der sozialistische Entwicklungsweg als Sackgasse erwiesen hat, gibt es aus der Sackgasse nur einen Weg - zurück". Das heißt zurück zur Wiedereinsetzung "des Privateigentums in seine vollen Rechte".

Nachdem die Arbeit getan, der Sozialismus zerstört und die Wiederherstellung des Kapitalismus so weit fortgeschritten war, daß man sie für unumkehrbar hielt, konnte man die Katze nun vollends aus dem Sack lassen. Tschernjajew, einer der engsten Mitarbeiter Gorbatschows, schreibt: "Die wahrhaft ungewöhnlichen, die Grenzen der offiziellen Orthodoxie überschreitenden Maßnahmen bedurften einer Deckung, darunter der Autorität Lenins, um zu erreichen, daß sie im Volk und besonders in der Partei eine größere Aufnahmebereitschaft fanden."

Im Vorwort zu Jakowlews erwähntem Buch wird ausgeplaudert, daß sich einer der Mitarbeiter Gorbatschows damit beschäftigt habe, "Fehler Lenins zu suchen und auch humanitäre Ideen, die den traditionellen Marxismus reformieren konnten". Und weiter: "Vom Marxismus wichen alle ab, die nicht die Achtung vor sich selbst verloren und sich entgegen allem die Fähigkeit zum selbständigen Denken bewahrt hatten. Ohne das hätte es die Perestroika nicht gegeben und nicht jene Befreiung, die ihr folgte." Man habe "beginnend mit dem Jahr 1986 allmählich ganz und gar nichtmarxistische Wahrheiten in den ideologischen Umlauf" gebracht.

"Es war richtig, daß sie scharfe Veränderungen in der Ideologie und der Innenpolitik vermieden ... Abrupt und unmittelbar konnten sich Wissenschaftler vom Marxismus abwenden, die Politiker und um so mehr die Führer des Landes jedoch nicht. Für sie war es nötig, in maximal möglichem Maße Zeit zu gewinnen, um bis zu einem dem Wesen der Sache nach unvermeidlichen Aufstand der Konservativen die Veränderungen in der Ideologie und im politischen Verhalten unumkehrbar zu machen."

Gorbatschow bestätigt diese Strategie in einem "Spiegel"-Interview: Er selbst habe das Schiff der Perestroika durch die Klippen steuern müssen. "Dabei konnte man noch nicht Dinge ankündigen, für die das Volk noch nicht reif war. Man hätte mich für verrückt erklärt, das Volk wäre zerrissen worden, es hätte zum Bürgerkrieg kommen können. Man mußte Geduld zeigen, bis die Parteibürokratie so entmachtet war, daß sie das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen konnte." Und das sagt jener Mann, der sich den Posten des Generalsekretärs dieser Partei erschlichen hatte! Welches Ziel er und seine konterrevolutionären Mitverschwörer dabei verfolgten, hat Jakowlew in einem Interview so formuliert: "Zuerst mußte das totalitäre Regime durch die totalitäre Partei zerschlagen werden, einen anderen Weg gab es nicht. ... Weil es nur durch die Nutzung ihres totalitären Charakters, der seinen Ausdruck sowohl in ihrer Organisiertheit wie auch in Disziplin und Gehorsam fand, möglich war, das totalitäre Regime zu zerschlagen. ..."

Bei solcher Offenheit über Strategie und Taktik der unter dem Etikettenschwindel "Perestroika" abgelaufenen antisozialistischen Konterrevolution verwundert es denn auch nicht mehr, wenn bei Jakowlew zu lesen ist: "Die französischen Journalisten, die zu Beginn der Perestroika geschrieben haben, daß der Herd der Konterrevolution in der UdSSR der Stab des Kommunismus, das ZK der KPdSU ist, hatten recht."


Verlust der Kampffähigkeit

Nach alledem kann es keinen Zweifel geben, daß der große Betrug der Gorbatschow, Jakowlew & Co. zu den wesentlichen Ursachen für die Niederlage des Sozialismus in Europa gehört. Diese Tatsache darf allerdings nicht den Blick dafür verstellen, daß die konterrevolutionäre Strategie nur deshalb Erfolg haben konnte, weil Deformationen des frühen Sozialismus den Boden dafür bereitet hatten. Wie wäre es sonst zu erklären, daß die Arbeiterklasse und die übrigen Werktätigen auch dann noch, als die antisozialistische Ausrichtung der "Perestroika" offensichtlich wurde, keine Hand zur Verteidigung ihrer Gesellschaftsordnung gerührt haben? Insbesondere hatte die KPdSU ihre Kampffähigkeit verloren. Ohne den bald nach Lenins Tod einsetzenden Prozeß der Aushöhlung des demokratischen Zentralismus wären solche Entwicklungen kaum denkbar gewesen. In einer lebendigen, streitbaren kommunistischen Partei mit breit entfalteter innerer Demokratie und ständiger Kontrolle der Führung durch die Mitgliedschaft hätte sich die konterrevolutionäre Gorbatschow-Bande kaum in die Spitze "hochschleichen" und die Partei in ihre Gewalt bringen können.

Willi Gerns, Bremen


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Kohl kann strahlen: Er hat Gorbatschow an und in der Hand.

Raute

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen

Offener Brief an den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Christian Wulff

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
während meiner Kur im Altenberger "Raupennest" sind Sie mir via Medien zweimal begegnet. Erlauben Sie mir bitte, dazu einige Bemerkungen zu machen. Ratschläge können es nicht sein, denn Sie haben qualifizierte Ratgeber genug. (Am Ende der Amtszeit Herrn von Weizsäckers hatte er mich zu einem vertraulichen Gespräch eingeladen, in dem ich manches über die Bürde eines Präsidenten erfuhr.)

Sie waren mit Ihrer Gattin Ehrengast des Opernballs in Dresden. Die Medien haben einen großen Wirbel darum gemacht, allen voran die "Super-Illu". Sie wählte den Titel "Hollywood in Dresden" und zitierte Sie: "In Dresden kann man sich wirklich verlieben." Wer Dresden mit enttrümmert hat, hört das gern. Er vergißt aber auch nicht, daß Elbflorenz noch im Frühjahr 1989 atomares Ziel der NATO-Übung Wintex war, wie General Naumann mir später bestätigte.

Der Medienrummel wäre begrüßenswert, wenn etwas für die Versöhnung der Deutschen aus Ost und West dabei herausgekommen wäre. Dazu war schon der Moderator nicht die geeignete Person.

Gunter Emmerlich hat noch an der Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der DDR im Dresdner Kulturpalast mitgewirkt. ("In diesen heil'gen Hallen kennt man die Rache nicht.")

Er hätte das laut Vertrag auch am 40. Jahrestag der Gründung des MfS getan.

Glaubt jemand, das MfS in Dresden hätte einen Feind der DDR auftreten lassen?

Emmerlich arbeitete vor 1989 an der Semperoper, die - nicht zufällig - am 13. Februar 1985 in Anwesenheit der Honeckers neu eingeweiht worden war. Warum hat noch kein Ehrengast des Opernballs, auch Sie und ihre Gattin nicht, die kulturelle Leistung der "maroden" DDR gewürdigt? Warum wird so getan (oder sogar behauptet, wie ich es erlebte), die Oper sei ein Kind der "Wende"? Ist das der Grund dafür, daß die neue Elite das Haus in Besitz genommen hat, Kurt Biedenkopf sogar für einen runden Geburtstag? (Es gab auch Dresdner, die teilhatten, allerdings vor den Türen der Oper.)

In Ihrer Anwesenheit wurden drei Heilige Georgs verliehen. Alle gingen an "Wessis", die mit der Oper und Dresdens Aufbau nicht das geringste zu tun hatten.

Die "Leistung" Roman Herzogs für den Osten bestand darin, daß er als Jurist die Siegerjustiz unterstützte und als Präsident den Krieg auch in den Osten getragen hat. Was hat das mit der Semperoper zu tun?

Dresden hätte genügend Sänger und Schauspieler (Peter Schreier, Theo Adam, Rolf Hoppe und andere), die in der Semperoper präsentiert werden konnten.

Reizvoll wäre die Antwort auf die Frage: War außer dem gewendeten Amtsträger der DDR-CDU, dem heutigen Ministerpräsidenten Tillich, einigen seiner Mitarbeiter und den Tanzeleven noch ein Sachse im Saal? Ich beende meine Fragen.

Das zweite Medienereignis war, daß Sie bei der Eröffnung einer "Stasi"- Ausstellung am 15. Januar, (dem Jahrestag der ominösen "Erstürmung" der Zentrale des MfS) mitwirkten. Sie sorgen sich um die Erinnerung an die DDR, die ja ureigenste Sache jedes einzelnen ist. Ich frage mich: Warum muß sich der Bundespräsident an der unsäglichen "Erinnerungsschlacht" beteiligen? Gibt es nicht genug "willige" Historiker und Publizisten? De facto segneten Sie noch in diesem Jahr das unheilvolle Wirken der "Stasi"-Jäger.

Der Ort, an dem Sie auftraten, war das neue "Bildungszentrum" der Birthler-Behörde. Schreiben Sie es bitte meiner Unkenntnis zu, wenn ich frage: Welches Gesetz ermächtigt diese Behörde, sich die Kompetenz der Länder für die Bildungspolitik anzueignen? In Ihrer Rede malten Sie ein Horrorbild vom Alltagsleben in der DDR: Spitzel unter Freunden und in der eigenen Familie (Vera Lengsfeld?), Ärzte, die ihr "intimes Wissen" preisgaben (Heinz Eggert?), geöffnete Briefe, unerfüllte Berufswünsche. Mit solchen "perfiden Methoden" seien Leben zerstört worden.

Unbestreitbar hat es auch in der DDR vermeidbare Fehler und beklagenswerte Schicksale gegeben. Sie machten aber nicht das Wesen und den Alltag der DDR aus. Immerhin war es Roman Herzog, der aus gutem Grund am 13. Februar 1995 in Dresden vor der "Saldierung der Opfer" gewarnt hat.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Nur eine Frage: Wie vielen jungen Leuten wird heute ihr Berufswunsch verwehrt? Wer ist dafür verantwortlich? Ihr Leserbrief vom 24. Juli 1976, den Sie Ihrer Tochter zeigten, ist immer noch aktuell. Für Millionen Deutsche sind Freiheit und Menschenrechte - das Recht auf Frieden, Arbeit, Bildung und soziale Sicherheit - keine Realität.

Willy Brandt hatte zu Recht vor dem Mißbrauch der Menschenrechte in der Politik gewarnt: Kehre jeder vor seiner eigenen Tür! Die Birthler-Behörde verwirklicht die Menschenrechte gewiß nicht. Aber was tun Sie als Bundespräsident?

Sie sagten am 15. Januar, es sei "erschreckend, wie verklärend viele heute rückblickend auf die DDR schauen". Dem müsse man entgegentreten. Warum? Ist der Bundespräsident für die persönlichen Erinnerungen zuständig? Müssen wir "Ossis" unser Gehirn zerquetschen lassen wie der Mankurt in Aitmatows "Die Zeit zieht den Jahrhundertweg"?

In der Partei Die Linke gibt es einen interessanten Streit. Angesichts der Kritik einiger Mitglieder am Lebensstil des Vorsitzenden Klaus Ernst antwortete der: "Eine Linke, die ihren führenden Leuten vorschreibt, wie sie zu leben haben, ist so attraktiv wie ein Kuhfladen." Und ein Staat, der die Totalitarismus-Doktrin zum Maßstab der Staatsräson und der Erinnerung macht?

Sie werden nicht widersprechen können, wenn ich behaupte: Die Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR haben vierzig Jahre lang ihren Bürgern den äußeren und inneren Frieden garantiert. Das entsprach den Interessen der Bürger und dem Vermächtnis der Überlebenden des Faschismus 1945: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Dresdens Wirklichkeit zwanzig Jahre nach der "Wiedervereinigung" der deutschen Brüder und Schwestern zeigt:

In "Elbflorenz" werden wie zu Hitlers Zeiten wieder Offiziere ausgebildet, die grundgesetz- und völkerrechtswidrig Aggressionen planen und durchführen. Ich könnte Ihnen viele Menschen vorstellen, deren Biographie zerstört wurde: Abgewickelte, in den Selbstmord Getriebene, unschuldige Opfer der Siegerjustiz, auch hochqualifizierte "Revolutionäre" des Herbstes 1989, die jetzt von Hartz IV leben und über ihr Schicksal klagen. Ich wiederhole Roman Herzog: Das "Saldieren" führt zu nichts außer zu Rachegedanken.

Sie ächteten die "Stasi". Da ich in dieser Frage nicht unparteiisch urteile (wie aus meiner Publikationsliste unschwer nachzuweisen ist), möchte ich Sie wenigstens auf zwei Titel und ein Zitat Richard von Weizsäckers hinweisen.

Daniela Dahn hat in ihrem Buch "Wehe dem Sieger!" eine Generalbilanz von zwanzig Jahren "Wiedervereinigung" versucht, welche die Regierung verweigert. In ihrem Buch finden Sie (S. 168/169) auch die Bilanz der Siegerjustiz gegenüber der "Stasi".

Der letzte Innenminister der DDR, Dr. Peter-Michael Diestel, hat seine diesbezüglichen Erfahrungen in "Aus dem Leben eines Taugenichts?" beschrieben. Vielleicht laden Sie ihn zu einem persönl ichen Gespräch ein? Dr. Diestel urteilt: "Die Gauck- bzw. die Birthler-Behörde war von vornherein ein stumpfes Schwert. Es wäre richtiger gewesen und hätte uns allen sehr viel sozialen Unfrieden erspart, wenn man nach der Wende die Stasi-Akten gleich vernichtet oder deren Überreste ins Bundesarchiv überführt hätte." (S. 102)

Im Umkehrschluß lautet die Erkenntnis: Wer mit den "Akten" Mißbrauch treibt, provoziert sozialen Unfrieden. Das ist inzwischen eine Binsenwahrheit, die selbst Lothar de Maizière am eigenen Leibe erfahren hat. Bundespräsident Richard von Weizsäcker, den ich auch bei seiner "Wiederversöhnungs"-Rede am 14. November 1990 in Coventry erlebte, hat in Bautzen am 20. Februar 1992 erklärt: "Die Menschen wollen Aufklärung, nicht Abrechnung. Die Wahrheit soll ans Licht, damit Aussöhnung und Frieden möglich werden.

Das geht nur durch Differenzierung. Pauschalurteile führen nicht zur Einsicht, sondern zur Verstockung. Pressefreiheit bleibt ein entscheidender Bestandteil unserer Freiheit. Als Verleumdungsfreiheit darf sie nicht mißbraucht werden. Aus der leidvollen Geschichte der DDR ein Objekt für Mediengeschäfte mit gekauften Akten und reißerischer Verbreitung von Angst und Feindschaft zu machen, ist ein widerwärtiger Skandal.

Es darf nicht sein, daß die einen verdienen, die anderen verzweifeln."

Das sind Worte, die christlicher Gesinnung und dem Geist der Aufklärung entsprechen.

Hat sich Herr von Weizsäcker womöglich geirrt?

Was wir tun, wird nicht nach der BILD-Elle gemessen, sondern vom Urteil der Enkel bestimmt. Das Urteil meiner Enkel kenne ich.

Was tun? Ich zitiere Egon Krenz, den letzten Widerpart Richard von Weizsäckers in der souveränen DDR, der von der Siegerjustiz als Totschläger verurteilt worden ist: "Vielleicht versuchen wir es mal mit der Wahrheit? Nämlich: Wir reden die Bundesrepublik einfach nicht mehr schöner, als sie ist, und wir machen die DDR nicht schlechter, als sie tatsächlich war ... Jedes Schicksal ist einmalig und individuell. Jeder hat seine eigene Geschichte. Und die Geschichte der DDR-Bürger ist vielseitiger und komplexer, als wir sie in den bürgerlichen Medien, von Politikern, von offiziell bestellten und bezahlten Historikern, in Büchern und Filmen derzeit serviert bekommen." (Gefängnis-Notizen, S. 230)

So oft ich Krenz zitiert habe, Widerspruch erntete ich nicht. Zwingt das zum Nachdenken?

Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit und Kraft in Ihrer Arbeit, die dem Wohl aller Deutschen dienen soll.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. em. Dr. Horst Schneider


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Wenn es um die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Ordnung gegen Antifaschisten geht, verzichtet die Polizei des Rechtsstaates BRD weder auf Pfefferspray noch auf scharfe Hunde. (Dresden, Februar 2011)

Ende RF-Extra

Raute

Zum völkerrechtswidrigen Anschlag auf Libyens territoriale Integrität

Die Mörder sind unter uns

Die NATO - der durch Merkel, de Maizière und Westerwelle unablässig als Friedensbastion angepriesene imperialistische Kriegspakt - läuft jetzt auch in Nordafrika Amok. Nach dem strategisch motivierten Überfall auf das Balkan-Kernland Jugoslawien, der mit dreisten Lügen des eigentlich nach "Nürnberg" zu überstellenden Kriegsverbrechers und US-Präsidenten George W. Bush "begründeten" Aggression gegen das arabische Ölland Irak und dem bis heute anhaltenden Wüten der multinationalen "Schutztruppe" im zentralasiatischen Schlüsselland Afghanistan machen Brüssels bombenwerfende Terroristen jetzt Jagd auf Männer, Frauen und Kinder Libyens. Während der nur durch die Bereitstellung von zwei Millionen Faschistenstimmen Le Pens im zweiten Wahlgang Frankreichs Präsident gewordene Monsieur Sarkozy als Erster zur Attacke auf Tripolis blies, merkte man Merkel an, wie gerne sie statt der taktischen Zurückhaltung am Vorabend dreier Landtagswahlen auch die Bomberstaffeln ihrer Bundesluftwaffe am libyschen Himmel gesehen hätte. Schweren Herzens mußte die wegen ihrer Thatcher-Imitation inzwischen als Eiserne Lady Nr. 2 karikierte Bundeskanzlerin den BRD-Vertreter im UN-Sicherheitsrat anweisen, sich bei einem Aggressionsverbrechen ausnahmsweise einmal der Stimme zu enthalten.

Seit dem Wegbrechen des bis dahin entscheidenden Stützpfeilers erfolgreicher Friedenssicherung - der Sowjetunion und der Staaten des Warschauer Vertrages - folgt ein imperialistischer Krieg dem anderen. Dazu werden auch die Strukturen der Vereinten Nationen mißbraucht - wie bereits 1950, als die in Nordkorea einfallenden Truppen des Pentagon und etlicher weiterer NATO-Staaten die kurzzeitige Abwesenheit des sowjetischen Vertreters im Sicherheitsrat, dessen Veto sonst garantiert gewesen wäre, dazu nutzten, ihre Jahre andauernde und nur durch das Eingreifen chinesischer Volksfreiwilliger zurückgeschlagene Aggression mit der UNO-Flagge zu tarnen. Übrigens bedienen sie sich auch weiterhin dieses Symbols bei den Verhandlungen in der neutralisierten Zone von Panmunjom, wie ich als Beobachter dort selbst feststellen konnte.

Der NATO-Angriff auf Libyen ist ein durch den UN-Sicherheitsrat angeblich legitimiertes Verbrechen gegen den Frieden im Sinne des gültigen Völkerrechts. Ein souveräner Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen wurde unter Verletzung der territorialen Integrität massiv angegriffen, nachdem im Lande eine bürgerkriegsähnliche innenpolitische Konfliktsituation entstanden war.

Doch in Libyen geht es der NATO keineswegs um Menschenrechte, die bekanntlich stets vorgeschoben werden, wenn imperialistische Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten zur Debatte steht. In Libyen handelt es sich vielmehr um Mord im Sinne des Strafgesetzbuches. Udo van Kampen, der Brüsseler Frontmann des ZDF und ein journalistisches Sturmgeschütz im Dienste des deutschen und europäischen Monopolkapitals, rief in der Heute-Spezialsendung vom 20. März unverblümt zur Ermordung des libyschen Staatschefs auf. In der Klarheit der Aussage übertraf ihn nur noch der einstige Bundeswehr-Chefinspekteur und stellvertretende NATO-Befehlshaber Generalleutnant Harald Kujat, der es als legitim empfand, Gaddhafi in seinem Palast, Zelt oder anderswo "zu liquidieren".

Was ist eigentlich der Hintergrund für solche Mordlust? Ist es tatsächlich der humanitäre Wille, die einst auf König Idris - eine US-Marionette - eingeschworenen ostlibyschen Stämme vor der Vernichtung durch Gaddhafis vorrückende Truppen zu retten? Immerhin hatte dieser als junger Oberst nicht nur Idris vom Thron vertrieben, sondern auch noch zwei weit schlimmere "Todsünden" auf sich geladen: die Schließung der größten US-Luftwaffenbasis in Afrika und die Verstaatlichung der enormen Ölreserven unter libyschem Wüstensand.

Offenbar hatte man in westlichen Metropolen die seit geraumer Zeit bemerkte Kompromißbereitschaft und gewisse Öffnungsmanöver Gaddhafis gegenüber dem "Westen" als Indiz dafür betrachtet, daß der libysche Staatschef unter gewissen Konditionen einzuschwenken bereit sei. Dann aber traten in Nordafrika nicht vorhergesehene Ereignisse ein. NATO und EU reagierten prompt. Sie suchten die im Kern bürgerlich-demokratischen nationalen Revolten und Aufstände in einigen arabischen Ländern auszunutzen, um den Funken des Widerstandes auch dorthin zu tragen, wo ihnen das Eindringen bisher verwehrt worden war. Nach gescheiterten Einmischungsbemühungen in Syrien warfen sie sich auf Libyen. Die dortigen Rebellen tanzten zum Teil von Beginn an nach fremden Pfeifen, vor allem denen der CIA, andere Aufständische aber verlangten eine innerlibysche Lösung ohne fremde Einmischung.

Die von den NATO-Bomben geschaffenen tödlichen Tatsachen haben den Weg hierzu vorerst versperrt. Die Terroristen des westlichen Kriegspaktes verbreiten in einem weiteren Land Angst und Schrecken. Das ruft unwillkürlich die Erinnerung an den Titel des ersten Nachkriegsfilms der DEFA wach: Die Mörder sind unter uns.

Klaus Steiniger

Raute

Läßt sich die Erhebung der Völker des Nahen Ostens auf Dauer unter Kontrolle halten?

Araber begehren auf

Hoffnungsvoll, mit viel Sympathie verfolgten Menschen in aller Welt das mutige Aufbegehren des Volkes gegen Ägyptens verhaßtes Mubarak-Regime. Es erhoben sich vor allem junge Menschen, welche die Bevölkerungsmehrheit verkörpern und für sich nur eine ungewisse oder gar keine Zukunft sehen. Es waren letztlich soziale Forderungen, die angesichts der grassierenden Armut, der ausufernden Arbeitslosigkeit, der unbeschreiblichen Korruption durch die Aufrufe zum Sturz des Regimes motiviert wurden. Wie in Ägypten entlud sich der in Jahrzehnten angestaute Zorn gegen despotische Machthaber auch in Tunesien, Jordanien, Jemen, Bahrain und anderswo.

Entwicklung und aktuelle Situation der arabischen Länder unterscheiden sich zum Teil beträchtlich. Aber gemeinsam ist ihnen, daß sich die machtvollen Demonstrationen der aufgebrachten Volksmassen gegen Marionetten und verläßliche Stützen des Westens richteten. Vom internationalen Monopolkapital korrumpiert, haben sie das Wohl ihrer Länder zugunsten einer winzigen Minderheit des eigenen Volkes den politischen Interessen und ökonomischen Gelüsten der USA und ihrer NATO-Partner geopfert.

Groß war der Schock über den Aufstand in den westlichen Metropolen, das schließlich geheuchelter Sympathie wich, um die Erhebung der arabischen Volksmassen in beherrschbaren Grenzen zu halten und die eigenen Macht- und Einflußpositionen zu retten. Israels Führung fuhr der Schreck, die von ihnen völkerrechtswidrig vereinnahmnten Gebiete möglicherweise räumen zu müssen, derart in die Glieder, daß sich Tel Aviv zu solcher Heuchelei außerstande sah. So beschwor man die Gefahr des Islamismus und einer angeblichen militärisch-nuklearen Bedrohung durch Iran.

In durchsichtiger Demagogie bemühen nicht nur Merkel und Westerwelle, sondern auch Obama den ebenso absurden wie perversen Vergleich des Aufbegehrens der Araber gegen ihre vom Westen ausgehaltenen Unterdrücker mit den konterrevolutionären Ereignissen von 1989/90 in Osteuropa, die u. a. zur Einverleibung der DDR durch die Bundesrepublik führten. Den USA und ihren Verbündeten aus NATO und EU wäre es am liebsten, wenn sie sich auch jene Staaten und Organisationen Nordafrikas und des Nahen Ostens im Zuge der jetzt ablaufenden Veränderungen gefügig machen könnten, die sich bislang, zumindest teilweise, der Integration in ihren Einflußbereich entziehen konnten. Objekte besonderer Begierde sind dabei Syrien und Iran, die libanesische Hisbollah und Libyen. Ohne Zweifel befinden sich unter den Drahtziehern vor allem US-Geheimdienste, die mit Geld und Versprechungen nicht sparen. In Ägypten wurde die direkte Einflußnahme Washingtons auf den Gang der Ereignisse gar nicht einmal verschleiert. Zu hinterfragen ist überdies, wieso die latente Antipathie der Bevölkerung gegenüber den USA in den Demonstrationen kaum sichtbar wurde. Gerade Mubaraks langjährige Vasallentreue war ihm durch einfache Ägypter besonders angekreidet worden. Wohl mit Rücksicht darauf wurde auf das ursprüngliche Vorhaben verzichtet, einen in den USA lebenden Physiknobelpreisträger an seiner Stelle zu installieren. Wer dächte dabei wohl nicht an Karsai in Afghanistan oder Saakaschwili in Georgien?

Ägypten fällt im Nahen Osten eine Schlüsselrolle zu. Das bevölkerungsreichste arabische Land verfügt mit dem Suezkanal über einen geostrategisch unschätzbaren Verkehrsweg für Öltanker und Transporte aller Art, nicht zuletzt Waffen und Kriegsschiffe.

Die gegenwärtig verfahrene Situation im Nahost-Konflikt, die Israel mit der Zeit durch völlige Ausschaltung der Palästinenser zu seinen Gunsten verändern zu können glaubt, wurde erst dadurch möglich, daß Kairo seine Rolle als antiimperialistisches Gegengewicht verlor. Vor 40 Jahren, im Mai 1971, leitete Anwar el-Sadat mit einem Staatsstreich jene Entwicklung ein, durch die Ägypten zum entscheidenden arabischen Verbündeten der USA und Garanten für Israels Besatzungsregime wurde. Sadat und Mubarak ist es gelungen, mit Brachialgewalt zu verhindern, daß sich im Lande eine handlungsfähige Opposition entwikkeln konnte. Besonders der von den USA als Nachfolger für Mubarak zunächst durchgesetzte Geheimdienstchef Suleiman hat sich dabei in übelster Weise hervorgetan. Die aktuelle Konstellation im Nahen Osten, die Zementierung und Ausweitung der israelischen Okkupation arabischer Gebiete, die Lähmung der regionalen Solidarität angesichts imperialistischer Aggressionen waren direkte Folgen. So ist es nun die Hauptsorge des Westens, daß Veränderungen in Ägypten der Vorherrschaft Washingtons und Tel Avivs ein Ende setzen könnten.

Wie Fidel Castro jüngst treffend bemerkte, stand Ägypten "1952 nach der Revolution der Freien Offiziere unter der brillanten Führung von Gamal Abd el-Nasser in vorderster Linie. Gemeinsam mit Nehru, Nkrumah, Sukarno und Tito förderte er den Kampf für die Unabhängigkeit der alten Kolonien und gehörte zu den herausragenden Persönlichkeiten der Bewegung der blockfreien Staaten. Nassers Tod im Jahre 1970 war ein irreparabler Schlag für Ägypten."

Die Teilnehmer der machtvollen Demonstrationen in Ramallah und anderen Orten des israelisch okkupierten und von der palästinensischen Autonomiebehörde verwalteten Westjordanlandes und in Gaza zeigten im Februar unzählige Nasser-Bilder, oft mit palästinensischen und ägyptischen Fahnen. Sie brachten damit ihre Sympathie für die Aufbegehrenden in Ägypten und anderen arabischen Staaten in der Hoffnung zum Ausdruck, daß sich die weitere Entwicklung der Ereignisse im Sinne seines von den Nachfolgern verratenen antiimperialistischen Erbes vollziehen werde.

Mubaraks Rücktritt wurde wie der des tunesischen Diktators Ben Ali erzwungen. Doch ihre Stützen bleiben an der Macht. Die USA, die EU und Israel werden alles unternehmen, um es dabei zu belassen. Aber die Ägypter und andere arabische Völker sind erwacht. Die schweren Menschenopfer dieser Tage dürfen nicht umsonst gewesen sein. Mit weiterem Terror der Herrschenden und ihrer Polizei ist zu rechnen. Dennoch: Die Erhebung gegen Armut, imperialistische Bevormundung und einheimischen Despotismus wird auf Dauer nicht zu unterdrücken sein.

Oberst a. D. Bernd Fischer

Raute

Ungarns Faschisierer an der Spitze der EU

In der EU führen in der ersten Hälfte dieses Jahres von den faschistoiden, in der Tradition des berüchtigten Horthy-Regimes stehenden Jobbik-Milizen sekundierte Rechtskonservative der Fidesz-Partei das große Wort. Die Brüsseler Musterdemokraten haben Ungarns Regierungschef Orbán turnusgemäß für sechs Monate die Präsidentschaft anvertraut. Die jetzigen Budapester Machthaber, die seit den Aprilwahlen 2010 über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügen, bescherten den Ungarn als erste Neuerung ein Maulkorbgesetz zur weitgehenden Zerschlagung der Pressefreiheit. Es untersagt "verbale Angriffe auf Einzelpersonen oder Gruppen", wodurch die Möglichkeiten öffentlicher Kritik drastisch eingeschränkt werden. Auf seiner Grundlage können Journalisten zur Preisgabe ihrer Informanten gezwungen werden. Das Verbot von Publikationen oder auch die Möglichkeit, Veränderungen durchzusetzen, sind ausdrücklich vorgesehen. Hohe Geldstrafen drohen jenen, welche sich einer Zuwiderhandlung schuldig machen. Der "Medienrat", dem bis zum Vorjahr Vertreter mehrerer Parlamentsparteien angehörten, besteht jetzt aus fünf Fidesz-Zensoren.

Gyula Thürmer, Vorsitzender der Ungarischen Kommunistischen Arbeiterpartei (UKAP), verurteilte in einem Interview mit der belgischen Wochenzeitung "Solidaire" Orbáns Vorstoß zur Unterdrückung von Meinungsfreiheit. Er verwies auf die Tatsache, daß vieles gar nicht so neu ist: Schon seit 20 Jahren würden Kommunisten und andere Kritiker der durch die Konterrevolution wiederhergestellten kapitalistischen Verhältnisse mundtot gemacht und aus dem öffentlichen Leben des Landes verbannt.

Seit den letzten Wahlen könne die Fidesz-Partei Viktor Orbáns im Parlament schalten und walten, wie es ihr beliebt. Leider nehme die ungarische Bevölkerung derartige Einschränkungen der bürgerlich-demokratischen Freiheiten mittlerweile kaum noch zur Kenntnis, konstatierte Thürmer. Die meisten Menschen hätten ganz andere Sorgen: Die drastische Heraufsetzung der Lebensmittelpreise und die hohe Arbeitslosenrate stünden für sie im Vordergrund. Hinzu komme, daß Reiche wie Arme gleichermaßen 16 % Steuern zu zahlen hätten. Für Geringverdiener sei das eine schwere Bürde. Unterdessen habe man auch das Rentenalter von bisher 60 (bei Frauen 55) auf unterschiedslos 62 Jahre angehoben.

Die Fidesz-Regierung verfolge einen ausgesprochen rassistischen Kurs gegenüber den 800.000 in Ungarn lebenden Roma, die bei etwa 10 Millionen Landesbürgern eine beachtliche Minderheit darstellten. Während Roma zu sozialistischen Zeiten wie alle anderen Werktätige gewesen und als solche behandelt worden seien, unterlägen sie jetzt offener Diskriminierung, besonders auf dem Arbeitsmarkt. Die meisten lebten von "Stütze". Die kapitalistischen Machthaber täten alles, um Menschen mit Job gegen Menschen ohne Job auszuspielen.

Zu der Tatsache, daß im Europaparlament - übrigens nicht zuletzt auf ungarisches Verlangen - mehrere antikommunistische Beschlüsse gefaßt worden seien, bemerkte Guyla Thürmer: "Bei uns gibt es ein Gesetz, das die Leugnung oder Minimalisierung von Verbrechen des Nazismus und des Kommunismus auf die gleiche Stufe strafrechtlicher Ahndung stellt. Man will die erlebte sozialistische Wirklichkeit aus dem kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung verbannen." Doch nicht alle Ungarn seien bereit, sie zu vergessen oder zu verleugnen.

Leider müsse man den aktiven Kern der Widerstand Leistenden vorerst als klein bezeichnen. Seine Aktivitäten beschränkten sich überwiegend auf Demos und kurzzeitige Arbeitsniederlegungen. Ohne Zweifel wolle das Orbán-Regime Ungarns revolutionäre Arbeiterbewegung völlig zerschlagen.

Angesichts solcher besorgniserregenden Entwicklungen im Land der Magyaren haben 38 kommunistische und Arbeiterparteien in einer gemeinsamen Erklärung die Absichten und Umtriebe der jetzt in Budapest Regierenden scharf verurteilt und den Genossen der ungarischen Bruderpartei ihre Solidarität versichert.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Orbán in Berlin: Ungarns faschistoider Regierer weiß, wem er die Hand zu küssen hat.

Raute

"Im Geiste von Marx, Nkrumah, Che und Fidel"

Kongos Kommunisten gründeten ihre Partei

Am 17. Januar - auf den Tag 50 Jahre nach dem von westlichen Geheimdiensten in Auftrag gegebenen und durch einheimische Handlanger des Imperialismus verübten Mord an Patrice Lumumba, dem ersten freigewählten Regierungschef der Republik Kongo - versammelten sich in der Hauptstadt Kinshasa Tausende Mitglieder und Sympathisanten zum ersten Meeting der gerade gegründeten Kongolesischen Kommunistischen Partei (PC.CO).

Tony Busselen, der für die Wochenzeitung "Solidaire" in die Demokratische Republik Kongo als Sonderkorrespondent entsandte Spezialist der Belgischen Partei der Arbeit (PTB), verwies in seinem Bericht auf anfangs von ihm gehegte Zweifel. Kann eine marxistische Partei in einem hochreligiösen Land mit einer jahrzehntelang antikommunistisch indoktrinierten Bevölkerung überhaupt Einfluß gewinnen? fragte er sich. (Er hätte Erfahrungen aus dem Portugal der 70er Jahre dabei zu Rate ziehen können!) Der PTB-Sonderkorrespondent mußte seine Bedenken an Ort und Stelle abbauen.

Zunächst hatte ein dreitägiges Seminar mit etwa 130 Kadern der neuen Partei stattgefunden. Im Mittelpunkt der Debatten stand dabei die Realisierung kommunistischer Prinzipien unter den Bedingungen eines Landes der Dritten Welt sowie die exakte Analyse der in Kongo wirkenden Klassenkräfte. Sylvère Bosawa, Generalsekretär der PC.CO, stellte in seiner Rede auf einer anschließenden Kundgebung fest, es gehe weder um eine karitative Organisation noch um Kumpanei, bei der irgendwelche Geschenke verteilt würden, sondern um die Gründung einer politischen Formation, deren Ziel der Sozialismus "im Sinne von Marx, Kwame Nkrumah (eines bedeutenden ghanaischen Marxisten - d.R.), Che Guevara und Fidel Castro" sei.

Schon während des Seminars war unterstrichen worden, daß die PC.CO einen spezifischen Platz in der kongolesischen Gesellschaft anstrebe, sei sie doch die einzige Partei des Landes, die den Sozialismus und damit die Aufhebung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen auf ihre Fahnen geschrieben habe.

Bei der Kundgebung war der Geist Patrice Lumumbas - im übertragenen Sinne - zugegen, auch wenn dieser große Sohn Afrikas selbst kein Kommunist gewesen ist. Die PC.CO betrachtet sich übrigens auch als jene Partei Kongos, die eine Volksdemokratie nach den Vorstellungen des 2001 ebenfalls ermordeten linken Präsidenten Laurent Kabila errichten will. Dieser hatte 1997 die zum blutigen Tyrannen aufgestiegene langjährige CIA-Marionette Mobutu von der Macht vertrieben und den Versuch unternommen, mit Hilfe bereits vielerorts entstandener Komitees der Volksmacht die Herrschaftsverhältnisse grundlegend zu verändern. Dabei ging es Kabila zugleich um wirkliche Unabhängigkeit und die schrittweise Hebung des äußerst bescheidenen Lebensniveaus der Massen.

Die derzeitige Politik der kongolesischen Staatsführung unter Präsident Joseph Kabila - Laurents Sohn - stellt im Vergleich mit der jahrzehntelangen Mobutu-Ära und der düsteren Periode zwischen 2003 und 2006 einen deutlichen Fortschritt dar, wobei der massive imperialistische Druck auf Kongo natürlich andauert. Doch der Ausbau der politischen und ökonomischen Beziehungen mit China bringt Kinshasa Entlastung.

Die PC.CO unterstützt die Kandidatur Joseph Kabilas bei den am Jahresende fälligen Präsidentschaftswahlen in dem Wissen, daß die äußeren und inneren Feinde einer unabhängigen Entwicklung Kongos alles unternehmen werden, um eine weitere Amtsperiode dieses Mannes zu verhindern. Die kongolesischen Kommunisten gehen davon aus, daß die Opposition gegen den derzeitigen Staats- und Regierungschef die Absicht verfolgt, "den Neokolonialismus zu restaurieren und den Weg einer Modernisierung des Landes zu versperren".

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Portugal: Rekordabstinenz bei Präsidentschaftswahl

Bei den Präsidentschaftswahlen in Portugal, die schon am 23. Januar stattfanden, enthielten sich 53,37 % der zur Entscheidung Aufgerufenen ihrer Stimme. Mit anderen Worten: Eine absolute Mehrheit der Wahlberechtigten nahm am Urnengang gar nicht teil. Solche Abstinenz der Wähler hat es seit der ersten Abstimmung nach dem Sturz des Faschismus am 25. April 1974 noch nicht gegeben! So erhielt der für die portugiesischen Rechtskonservativen, die aparterweise als Sozialdemokratische Partei (PSD) firmieren, erneut angetretene Amtsinhaber Cavaco Silva mit einem Anteil von 52,94 % tatsächlich nur etwa 25 %. Die Nichtwähler verwiesen ihn auf Rang 2.

Portugals fast 10 Millionen Stimmberechtigte waren unter den Bedingungen einer zugespitzten Wirtschaftskrise und der von Brüssel geforderten "Roßkur" tiefer sozialer Einschnitte zur Abstimmung aufgefordert worden. Aus der Zentrale erteilte der Portugiese José Manuel Barroso - 1974 zunächst ein Ultralinker, dann Premier einer rechtsgerichteten PSD-Regierung und heute Chef der EU-Kommission - als Strohmann tonangebender europäischer Mächte seinen Landsleuten entsprechende "Ratschläge".

Hauptgegenspieler Cavaco Silvas war der durch die regierende Sozialistische Partei (PS) von Premier José Socrates und den politisch heterogenen Linksblock als Kandidat einer "Vereinigten Linken" aufgestellte Schriftsteller Manuel Alegre. Er fiel mit 19,75 % glatt durch. Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006 hatten die Kandidaten der PS und des Linksblocks zusammen noch 40,39 % des Votums erhalten.

Die kommunistische PCP schickte ihr Führungsmitglied Francisco Lopes, der die Unterstützung der Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical erhielt, ins Rennen. Die Partei hätte bei einem zweiten Wahlgang vermutlich Alegre unterstützt. Trotz einer von den Medien geschürten antikommunistischen Hysterie ohnegleichen errang Lopes mit 7,14 % einen Achtungserfolg.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Wie "Nichtregierungsorganisationen" gegen Lukaschenko wühlen

Einmischung in Belarus

Die Wahlen in Belorußland liegen bereits einige Monate zurück. Selbst offizielle westliche Beobachter konnten nicht umhin, den Minsker Abstimmungsleitern "nur geringfügige Unregelmäßigkeiten" zu unterstellen. Präsident Viktor Lukaschenko weiß die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Das jedoch paßt ganz offensichtlich nicht in das Konzept von NATO und EU. Westliche Staaten froren ohne Skrupel die Auslandskonten von Lukaschenko und mehr als 150 anderen belorussischen Staatsfunktionären ein. Hinzu kamen offene Einmischungsversuche imperialistischer Politiker in die inneren Angelegenheiten von Belarus.

Besonders die Merkel-Regierung brachte Lukaschenko mit ihrer permanenten Intervention gegen sich auf. Er warf der BRD und Polen nicht ohne Grund vor, die Proteste nach der Präsidentenwahl am 19. Dezember organisiert, finanziert und angestachelt zu haben. "Dort wurden die Pläne für einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung ausgearbeitet", sagte Lukaschenko. Dieser Vorwurf sei durch zahlreiche Aussagen bei Polizeiverhören erhärtet worden. "Es handelt sich nicht um eine Erfindung unserer Geheimdienste", fügte der Präsident hinzu. Wie stets in ähnlich gelagerten Fällen wies BRDAußenminister Westerwelle als Experte für Einmischungsfragen "solche Anschuldigungen" scharf zurück. Es handele sich um "reine Ablenkungsmanöver".

Um so erstaunter war ich über einen Kurzbeitrag, der am 3. Februar in der Chemnitzer "Freien Presse" erschien. "EU stockt Hilfen für Weißrußland auf", hieß es da. Hat man es sich etwa anders überlegt und ist vom Konfrontationskurs abgerückt?, schoß es mir durch den Kopf. Doch weit gefehlt! In dem kleinen Artikel spielte man mit offenen Karten: "Die EU stockt ihre Unterstützung für die Zivilgesellschaft in Weißrußland um das Vierfache auf 15,6 Millionen Euro auf", hieß es da. "Sie wird Nichtregierungsorganisationen, unabhängigen Medien und vom Regime unterdrückten Studenten zur Verfügung gestellt ..."

So also läuft der Hase in Belarus. Den erbitterten Gegnern des einen unabhängigen und fortschrittsorientierten Kurs verfolgenden osteuropäischen Staates ist es in diesem Teil des Kontinents immer noch viel zu ruhig. Beschäftigt man sich mit der Problematik etwas näher, dann erhält man durch die Berichte bürgerlicher Medien eine Antwort darauf, was eigentlich Nichtregierungsorganisationen, sogenannte NROs, darstellen und wer sie aushält. Drahtzieher sind in erster Linie westliche Geheimdienste mit der CIA und dem BND an der Spitze. Washington bezeichnet die NROs sogar als "neuen Arm der US-Diplomatie". Sie dienen dem Ziel, einen Regierungswechsel zugunsten der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Verbündeten einzuleiten, indem sie in deren Auftrag Straßenkrawalle inszenieren und entsprechende "Protestbewegungen" aufbauen, wobei den Rädelsführern erhebliche Beträge zufließen.

Es handelt sich um eine Fortsetzung der bereits 1988/89 von der Washingtoner Administration kreierten "Grand Strategy", mit der die Ziele der USA unter Umgehung eines Krieges erreicht werden sollen. Die "Revolutionen" in Georgien und der Ukraine sind unter diesem Aspekt zu betrachten. Bei ihnen ging es nicht etwa um "revolutionäre Neugestaltung" der Gesellschaft, sondern um die Etablierung von willfährigen Machthabern, die den Weisungen ihrer Auftraggeber zu folgen bereit waren. Mit der angestrebten Einbeziehung beider Länder in die NATO sollen diese in die Front der "prophylaktischen" Einkreisung Rußlands gestellt werden.

Unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe lieferten auch hier die geheimdienstlich gesteuerten NROs ihren Beitrag. Der Rolle der Medien kommt eine besondere Bedeutung zu. So erklärte erst unlängst ein bekannter Journalist: "Die Welt lebt heute im Rhythmus von CNN (dem führenden US-Nachrichtensender - d. R). Bedeutsam ist nicht die Wirklichkeit einer Revolution oder eines Staatsstreiches, sondern das Bild, welches vom Geschehen rübergebracht wird. Daher sind gewisse NROs aufgerufen, nicht nur zu informieren, sondern direkt im Schoße der Regimes als trojanische Pferde zu wirken."

Dem ist nichts hinzuzufügen. Blickt man unter dem Gesichtspunkt der hier genannten Kriterien auf die Ereignisse in Belarus, dann gelangt man zu dem Schluß, daß es den imperialistischen Mächten auch nach der offiziellen Beendigung des Kalten Krieges weiterhin darum geht, mit verdeckten Methoden und geheimdienstlich gelenkten Kräften schwelende Konflikte zu nutzen sowie fingierte Hilferufe auszulösen, die einer NATO-Intervention oder einem zielgerichteten Umsturz von innen den Weg bahnen sollen. Gerade hierbei haben die NROs hinreichend Erfahrung, wie die jüngste europäische Geschichte beweist.

Major a. D. Dietmar Hänel, Flöha

Raute

Der 6. Parteitag der KP Kubas nimmt wichtige Weichenstellungen vor

Gibt Havanna den Sozialismus auf?

Am 18. Dezember erklärte Präsident Raúl Castro vor Kubas Nationalversammlung: "Der Plan und das Budget sind heilig."

Der von Havanna in Angriff genommene Umbau der sozialistischen Gesellschaft irritiert Freunde und Feinde des seit einem halben Jahrhundert der imperialistischen Blockade trotzenden Karibikstaates. Während dessen Gegner modifizierte Methoden ökonomischer Strangulierung und ideologischer Diversion in Erwägung ziehen, sprechen Dogmatiker von einer "Preisgabe aller Prinzipien des Sozialismus". Doch nicht nur sie befürchten eine Anpassung an den Kapitalismus. Auch nicht wenige gestandene Freunde Kubas in aller Welt halten den Atem an und verfolgen das Geschehen dort in einer Mischung aus gedämpftem Optimismus, Sorge und Vertrauen.

Um was geht es tatsächlich? Der kubanische Sozialismus gibt nicht sein Wesen auf, ändert aber sein Gesicht. Während die marxistischen Inhalte Bestand haben sollen, sucht die Führung der KP Kubas (PCC) nach neuen Wegen, Formen und Methoden.

Im November 2010 veröffentlichte die Wirtschaftskommission beim ZK der PCC, die zuvor in elf Arbeitsgruppen die reale Situation im Lande gründlich analysiert hatte, ein Dokument unter der Bezeichnung "Entwurf ökonomischer und sozialer Leitlinien für die Partei und die Revolution".

Der im April nach einem relativ langen Zeitraum diesbezüglicher Enthaltsamkeit zusammentretende 6. Parteitag der PCC soll die Weichen stellen. Es herrscht ohne Zweifel unaufschiebbarer Handlungsbedarf. Kuba steht unter enormem Druck der trotz leichter kosmetischer Operationen weiter aufrechterhaltenen Blockade und heftiger Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise. Das drastische Anziehen der Preise für überwiegend zu importierende Nahrungsmittel bei gleichzeitigen Einbrüchen der eigenen Exporterlöse und einem spürbaren Rückgang der Touristenzahlen wirken sich ebenso aus wie nicht länger zu tolerierende innere Mißstände.

Dazu gehört vor allem die äußerst unergiebige Agrarproduktion. Internationale Geldhäuser gewähren dem Inselstaat auf USA-"Anraten" nur unter härtesten Konditionen dringend benötigte Kredite. Hinzu kommen die noch nicht überwundenen Auswirkungen der verheerenden Wirbelstürme des Jahres 2008, welche Schäden in Höhe von 10 Mrd. Dollar verursachten.

Finanzministerin Lina Pedreza unterbreitete den Kubanern eine ernüchternde Bilanz: Nur 55 % der im neuen Budget vorgesehenen Ausgaben sind durch Einnahmen aus den staatlichen Unternehmen und Projekten abgesichert. Der neue Kurs der PCC auf abgestimmte Veränderungen in der kubanischen Wirtschafts- und Sozialstruktur wurde bereits 2007 eingeleitet.

Ein Jahr später gab man den Verkauf von Computern und anderer Kommunikationsausrüstung frei. Zugleich gestattete Havanna allen Kubanern den Zugang zu bisher nur Touristen vorbehaltenen Objekten. Der Direktverkauf von Nahrungsgütern aus eigener Erzeugung wurde ebenso in Angriff genommen wie eine Landnutzungsreform für Interessierte, um wenigstens einen Teil der brachliegenden Flächen intensiverer Bewirtschaftung zuzuführen.

Schon 2009 veranlaßte die Regierung erhebliche Budgetveränderungen, die Einschränkungen bei Importen, eine exakte wirtschaftliche Rechnungsführung sowie den Abbau von Subventionen und kostenlosen Dienstleistungen zum Ziel hatten.

2010 erleichterte man den Bau von Eigenheimen, gestattete private Reparaturleistungen und ließ Handwerksbetriebe in eigener Regie sowie kleine Geschäfte zu. Kubanern, die Objekte für den Tourismus schaffen wollen, räumte Havanna langfristige Bodennutzungsrechte ein. Besonders einschneidend waren die Beschlüsse zur Überwindung der sozial motivierten, während der "Sonderperiode" eingeführten Doppel- und Mehrfachbesetzung von Arbeitsplätzen. Eine halbe Million Staatsangestellte wurden binnen sechs Monaten von den Gehaltslisten gestrichen. Zahlreichen kleinen Privatfirmen gestattete man, selbst Arbeitskräfte einzustellen.

Im Mittelpunkt der Beschlußfassung des 6. Parteitages werden ökonomische Prioritäten, die internationale Zusammenarbeit, die Umweltverträglichkeit zu ergreifender Maßnahmen und vor allem die Trennung kurz- und langfristiger Ziele stehen. In der Debatte dürften auch Themen wie Selbstkritik, Dezentralisierung, Setzung klarer Prioritäten, Umverteilung des Wohlstandes durch gerechte Besteuerung von Einkünften und höhere Effizienz eine wesentliche Rolle spielen.

In der Zeitung "Juventud Rebelde" nahm der bekannte kubanische Ökonom Joaquim Infante zum bisher bevorzugten Stil des administrativen Wirtschaftsmanagements Stellung. Man habe "um die Pläne für maximalen Produktionsausstoß einen Kult gemacht, dabei aber die finanzielle Balance völlig unbeachtet gelassen". Das Wort Finanzen rieche einigen Genossen noch immer nach Kapitalismus. Die Folge sei eine extreme Zentralisierung der Planung und der Beschlußfassung gewesen. Staatliche Subventionen, die man ursprünglich für jene Erzeugnisse eingeführt habe, welche an die Bevölkerung verkauft werden sollten, seien im Laufe der Zeit auf Tausende von Produkten und produktiven Leistungen ausgedehnt worden. "Wenn man alle Erzeugnisse preismäßig stützt, weiß am Ende niemand mehr, was sie tatsächlich kosten", stellte Infante fest. "Künftig werden Verluste nicht mehr auf solche Weise abgedeckt." Und er fragte: "Kann man mit einer Wirtschaft, die nicht prosperiert, soziale Programme durchhalten?" Alles, was jetzt in Kuba unternommen werde, verfolge ein einziges Ziel: mehr Sozialismus zu erreichen. Niemand besitze dafür allerdings ein Patentrezept oder habe Ideallösungen in der Tasche. Die Planung und die staatlichen Wirtschaftsbereiche müßten weiterhin den Vorrang gegenüber dem Markt behalten, doch für diesen genügend Spielraum lassen.

Raúl Castro erklärte vor der Nationalversammlung: "Ich bin nicht dazu gewählt worden, den Kapitalismus in Kuba wiederherzustellen oder die Revolution aufzugeben. Ich wurde gewählt, um den Sozialismus zu verteidigen, zu bewahren und fortschreitend zu verbessern, nicht aber um ihn zu zerstören." Der sozialistische Staat werde keinen einzigen Kubaner schutzlos sich selbst überlassen, sondern durch sein soziales Fürsorgesystem sicherstellen, daß alle Menschen, die nicht arbeiten können, auch in Zukunft ein Mindestmaß notwendigen Schutzes erhalten. Die neuen "Leitlinien" markierten die Straße zu einer sozialistischen Zukunft, die den kubanischen Gegebenheiten entspreche und nicht in die kapitalistisch-neokolonialistische Vergangenheit zurückführe.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

Raute

Wie Monopolisten der Erdbevölkerung den Hahn zudrehen

Zwei Milliarden Menschen dürsten bereits

Während der weltweite Klimawechsel und immer dramatischere Naturkatastrophen die Schlagzeilen beherrschen, gehen in vielen Ländern die Frischwasservorräte zu Ende. Dadurch wird die menschliche Gesundheit bedroht, und es werden Konflikte zwischen benachbarten Staaten heraufbeschworen. Der alarmierende Mangel an Trinkwasser, erbärmliche sanitäre Bedingungen, die Verunreinigung von Flüssen, Seen und Ozeanen sowie kaum noch zu beherrschende Überschwemmungen - all das birgt akutes oder schon bald drohendes Unheil in sich.

Am 28. Juni 2010 traf die Vollversammlung der Vereinten Nationen ihre historische Entscheidung, ein Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Hygiene anzuerkennen.

Die außerordentliche Verknappung der Ressourcen hat sich in großen Teilen der Welt bereits zu einem Desaster ausgeweitet. Andererseits offenbarten die gewaltigen Überflutungen in Pakistan und Australien zweierlei: die Auswirkungen des Klimawechsels auf den Regen und das rasche Entstehen gewaltiger Wassermengen sowie die extreme Bedeutung einer ordnungsgemäßen Drainage, besonders der großen Flüsse und Wasserwege.

Vor einem Jahrzehnt ging man noch davon aus, daß im Jahr 2025 ein Drittel der Erdbevölkerung unter Wasserknappheit leiden würde. Dieser Zustand ist indes bereits jetzt eingetreten. Zwei Milliarden Menschen sind in Ländern ansässig, die mit ernsten Wasserproblemen ringen, und 2025 werden sogar zwei Drittel aller Bewohner des Planeten davon betroffen sein, wenn der gegenwärtige Trend anhält.

Mittelfristig sagt man regelrechte Wasserkriege voraus - ähnlich den Ölkriegen der letzten Jahrzehnte.

Im 20. Jahrhundert hat sich die Menschheit verdreifacht, wobei ihr Wasserkonsum auf das Siebenfache stieg. Nach Schätzungen des kanadischen Experten Barlow dürfte die Erdbevölkerung bis 2050 abermals um 3 Milliarden zugenommen haben und eine Steigerung der benötigten Wassermenge um 80 % zu erwarten sein.

Vor allem Frischwasser wird immer knapper - nicht zuletzt infolge der Reduzierung der Waldbestände und der Bodenerosion, besonders in gebirgigen Zonen. Erhebliche Mengen Grundwasser werden von Industrie und Landwirtschaft in Anspruch genommen, wobei dessen Spiegel überall absinkt. Die Pflanzen- und Tierproduktion ist extrem wasserabhängig. Zur Erzeugung eines einzigen Kilos Rindfleisch werden 15 Kubikmeter Wasser benötigt, die in dem verfütterten Getreide stecken.

Ein erheblicher Prozentsatz des vorhandenen Wassers ist verseucht und verursacht im Falle der Aufnahme durch den menschlichen Körper schwere Gesundheitsschädigungen, die nicht selten den Tod nach sich ziehen. Jährlich sterben fünf Millionen Menschen durch verunreinigtes Wasser. - Der Klimawechsel ist ursächlich für die beschleunigte Gletscherschmelze, die zur Verringerung der gefrorenen Wasserreserven führt. Man bedenke in diesem Zusammenhang, daß die Himalaya-Gletscher viele große Flüsse Indiens, Chinas und Südostasiens mit Wasser versorgen.

Die akuten Probleme Jemens beschrieb im vergangenen Jahr der Londoner "Guardian". Die Hauptstadt Sanaa wird bereits 2017 ohne Ressourcen sein, weil derzeit viermal mehr Wasser den Flüssen der Region entnommen wird, als ihnen zuströmt. Die Kalamitäten sind so groß, daß die Regierung sowohl den Umzug der 2000 m über dem Meeresspiegel gelegenen Metropole als auch das Hochpumpen entsalzten Meereswassers in Erwägung zieht.

Das Konfliktpotential zwischen den am Ober- und Unterlauf wichtiger Flüsse gelegenen Staaten nimmt hier und dort bereits bedrohliche Ausmaße an. Allein in Afrika teilen sich zwei oder mehr Staaten in etwa 50 Flüsse. Streitigkeiten um den Zugang zum Wasser des Nil, des Sambesi, des Niger und des Volta könnten in Kriege ausarten. Auch Differenzen zwischen Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadjikistan über die Nutzung des Aralsee-Beckens tragen eine solche Gefahr in sich, zumal all diese Staaten vom Zugang zum Flußwasser des Amu Darja und des Amu Syr abhängig sind. Zwischen Äthiopien und Ägypten nehmen die Spannungen wegen der Teilung des Nil-Wassers zu. Ähnlich verhält es sich mit dem Jordan-Becken, das früher alle Anrainerstaaten ausreichend mit Trinkwasser versorgte, während jetzt Israelis, Palästinenser, Jordanier und Syrer um die Kontrolle streiten.

Ein wichtiges soziales Thema ist der Kampf um die Eigentums- und Vertriebsrechte an den immer knapper werdenden Wasserressourcen und das Entstehen gigantischer Wassermonopole. Verheerend wirkt sich die allenthalben um sich greifende Privatisierung des Wassers aus, das noch vor wenigen Jahren überwiegend staatlicher Kontrolle und Bewirtschaftung unterlag. Dieser Prozeß vollzog sich zunächst in westlichen Ländern und griff dann - auf der Grundlage von Weltbankkrediten - mit rasender Schnelligkeit auch auf die Entwicklungsländer über.

In vielen Regionen führen breite Volksbewegungen einen entschiedenen Kampf um den Erhalt staatlicher oder kommunaler Wasserversorgung. Der Sieg im Berliner Volksentscheid für eine Offenlegung von Privatisierungsabmachungen des Senats ist in diesem Zusammenhang ein sehr ermutigendes Signal.

"Der globale Kampf zwischen Wasserbesitzern und Wasser-Habenichtsen ist in vollem Gange", las man in der australischen Zeitung "The Guardian". "Warum? Ganz einfach, weil Wasser inzwischen selbst Öl als sich am meisten verknappender Rohstoff überholt hat. So, wie die Ölkonflikte bislang im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen, wird der Kampf um Frischwasser einen neuen Wendepunkt für das Schicksal der Weltzivilisation bedeuten."

RF, gestützt auf einen von "The Guardian" nachgedruckten Beitrag Martin Khors im "South Bulletin" Nr. 50 vom 27.9.2010

Raute

665 000 Berliner gegen Kungelei von Senat und Abgeordnetenhaus

Kein Wasser auf die Mühlen des Kapitals!

Wasser ist ein Lebensmittel. Die meisten Berliner betrachten es als ein kommunales Gut, über dessen Gewinnung und Verteilung demokratisch entschieden werden muß. Die Berliner Landesverfassung gebietet, "Gemeinschaft und Wirtschaft demokratisch zu ordnen". Diesem Grundsatz zuwider "teilprivatisierte" der hauptstädtische CDU-SPD-Senat im Jahre 1999 unter dem Druck der bundespolitisch gewollten kommunalen Finanzklemme den wasserwirtschaftlichen Eigenbetrieb. Ein Konsortium aus dem nordrhein-westfälischen Energiekonzern RWE, der französischen VEOLIA, einer Holding-AG, einer Beteiligungs-AG und einem weiteren Geldgeber bot eine "öffentlich-private Partnerschaft" mit 49,9 % Kapitalbeteiligung für rund 60 % der "erwirtschafteten Rendite" an. Sie soll für 28 Jahre garantiert werden, wobei auf Grund einer "Schweigepflichtklausel" nur die zuständigen Senatoren eingeweiht wurden, den Abgeordneten gegenüber aber keine Offenlegung erfolgte. Das ist der erste Skandal.

In den zehn Jahren gemeinsamen Betreibens sicherten sich RWE und VEOLIA nahezu eine halbe Milliarde Euro als "Surplus-Profit" und eine Eigenkapitalrendite von über zehn Prozent. Unter anderem geschah das durch den Abbau von rund 2000 Arbeitsplätzen. Mit dem dadurch eingesparten Geld hätten in Berlin z. B. fehlende Lehrer eingestellt und renovierungsbedürftige Schulen instandgesetzt werden können. Daß durch eine Privatisierung solcher Bereiche Geld aus der Kommune abfließt, ist der zweite Skandal.

Ein Bündnis engagierter Bürger - der "Berliner Wassertisch" - klärte die Bevölkerung über die antidemokratischen Aspekte der sogenannten Teilprivatisierung auf, nachdem die Senatoren und Abgeordneten aller Parteien eine Offenlegung beharrlich verweigert hatten. Am 13. Februar stimmten bei einem Volksentscheid rund 665.000 Bürger der Hauptstadt einem Gesetz zu, wodurch bestehende und künftige Verträge zur teilweisen Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe einer eingehenden öffentlichen Prüfung zu unterziehen sind. Sie müssen für unwirksam erklärt werden, wenn sie nicht im Sinne des neuen Gesetzes abgeschlossen und offengelegt wurden.

Der dritte Skandal aber besteht darin, daß sich Politiker der seit 2005 in Berlin "mitregierenden" Partei Die Linke wie Aale wanden, um nicht dem Verfassungsauftrag, sondern dem Vertragszweck im Sinne von RWE und VEOLIA zu entsprechen. PDL-Fraktionschef Klaus Lederer erklärte z. B.: "Daß die Verträge politisch skandalös waren, ist keine juristische Kategorie." Zum Volksentscheid bemerkte er, "der Kern des bürgerlichen Rechts" sei schließlich die Vertragsfreiheit. "Berlin hätte diese Verträge ja 1999 nicht abschließen müssen."

In ähnlicher Tonlage äußerte sich Wirtschaftssenator Harald Wolf (ebenfalls PDL). Der "Frankfurter Rundschau" sagte er am 14. Februar: "Ich teile die verfassungsrechtlichen Bedenken des Senats gegen einzelne Passagen im Gesetz. Insofern habe ich von dem Recht Gebrauch gemacht, an dieser Abstimmung nicht teilzunehmen." Während Spitzenpolitiker mit Nein stimmten, unterstützten viele Basisorganisationen der PDL ein Ja bei dieser wichtigen Abstimmung. Berliner, denen ihr Wasser nicht gleichgültig ist, dürften das Verhalten der Beteiligten in Rechnung stellen, wenn sie im September ein neues Abgeordnetenhaus zu wählen haben.

Dr. Hermann Wollner, Berlin

Raute

Über Trauersteine und Zukunftsgeister

Aus der Welt einer weisen Frau

"Kunterbuntes Leben" gibt es seit Menschengedenken, aber daß es möglich ist, dessen ganze Vielfalt auch in einem kleinen Büchlein einzufangen, ruft Erstaunen hervor. Lydia Kuhnt, in der DDR vor allem in der Erwachsenen- und Berufsausbildung tätig, hat es vermocht. In ihren Gedichten und Geschichten, kurzen zumeist, gibt es kaum eine Regung, die nicht aufgegriffen, kaum einen Gedanken, der nicht ausgesprochen worden wäre. Von allem etwas findet man in der 2010 vom verlag am park in der edition ost herausgebrachten Sammlung, in die ihre bisherigen drei Publikationen eingeflossen sind. Die Autorin aus Thüringen hat sich dem Dichten verschrieben und kann es bis heute - inzwischen 86jährig - nicht lassen. Alles, was ihr Dasein ausmacht, hat sie tief in sich aufgenommen. Nichts von den großen und kleinen Freuden, von Sorgen und Nöten, Erfolgen und Niederlagen - im Privaten wie im Weltgeschehen - ist verlorengegangen. Aus diesem Quell schöpft Lydia Kuhnt wie aus einem Jungbrunnen. Jede Seite ihres "kunterbunten Lebens" regt zum Nachdenken an. In einem Aphorismus schreibt sie: "Gedichte sind wie Kleiderständer, man kann seine eigenen Gedanken daran aufhängen." Genau das passiert, wenn man ihre Verse und Anekdoten liest. Nie wird es langweilig oder banal. Jede Zeile offenbart die Größe und Einzigartigkeit des Lebens und das in einer Weise, die von hoher künstlerischer Meisterschaft zeugt.

Ihre Worte schweben, fliegen und treffen doch stets zielsicher ins Schwarze. Als Mensch aus Fleisch und Blut, der mit scharfem Verstand und tiefem Gefühl alles um sich herum beim wahren Namen nennen will, fällt die Autorin ein untrügliches Urteil über sich selbst und andere. Viel Erfahrung, Weisheit gar, spricht daraus. Sie ist fähig zu vergeben und Nachsicht zu üben, doch mit Klarheit und Bestimmtheit geißelt sie das heute Tag für Tag auf die Köpfe der Menschen herabprasselnde Manöver der Verdummung und Manipulation.

Ihre Gedichte sind kunterbunt wie das Leben. Sie haben Platz für die vielgestaltigsten Facetten des Alltags, der Liebe, des Alterns. Sie berühren die Welt der Gefühle ebenso wie das Ringen um Wahrheit und die Entlarvung der Lüge.

Keiner, der sich in die Gedanken der studierten Philosophin Lydia Kuhnt vertieft, wird sich deren lyrischem Charme entziehen können. Ihre Gedichte laden zum Innehalten und immer wieder zum Nachdenken ein - auch über sich selbst.

Bruni Steiniger


Lydia Kuhnt. Kunterbuntes Leben. Gedichte und Geschichten.
verlag am park, Berlin 2010, 176 Seiten, 14,90 €, ISBN 978-3-89793-249-4

Raute

Über Defizite eines Rechts, das den DDR-Bürgern knallhart übergestülpt wurde

Erich Buchholz: Wir haben nichts gewonnen!

Unlängst hat Prof. Dr. Erich Buchholz nach seinem Titel "Rechtsgewinne? Welche Rechte gewannen die DDR-Bürger durch den Beitritt? Haben sie Rechte verloren?" schon wieder ein damit im Zusammenhang stehendes Buch vorgelegt: "Anspruch und Wirklichkeit. Wie der Bundesbürger den Rechtsstaat erlebt". Auf 254 Seiten macht der Autor, der bis 1990 das Strafrechtsinstitut an der Berliner Humboldt-Universität leitete und sich nach der "Abwicklung" als Rechtsanwalt profilierte, wichtige Aussagen zu dieser Thematik.

"Den DDR-Bürgern und auch den meisten DDR-Juristen wurde keine Zeit gegeben, sich mit dem am 28. September 1990 wirksam werdenden Einigungsvertrag (er umfaßte mit Anlagen 1985 Seiten) bekannt, geschweige denn vertraut zu machen." Selbst das 1896 erlassene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) trat erst fünf Jahre später in Kraft. Buchstäblich über Nacht hatten sich alle im Osten nach bundesdeutschen Normen zu richten. Die DDR-Bürger konnten sich mit diesen gar nicht vertraut machen. Auf einmal wurden Handlungen strafbar, die in der DDR nicht durch die Justiz verfolgt worden waren, sondern - wie kleine Diebstähle, Beleidigungen und ähnliche Handlungen - vor Konflikt- und Schiedskommissionen verhandelt wurden. Wer einen Verkehrsunfall hatte, war sich dessen nicht bewußt, daß er schon dann Fahrerflucht beging, wenn er nicht bis zur polizeilichen Aufnahme wartete. Nun gab es auf einmal Hunderte konkurrierende Versicherungsgesellschaften, während in der DDR die SVK für alles zuständig gewesen war. Schwangerschaftsunterbrechungen, seit 1972 in der DDR legal, galten plötzlich als strafbar.

"Die DDR-Bürger haben mit dem neuen Recht nichts gewonnen, aber viel verloren", meint Buchholz. So gibt es in der BRD bis heute kein Arbeitsgesetzbuch, vom Recht auf Arbeit oder auf Wohnung ganz zu schweigen.

Jene Paragraphen, welche das Eigentumsrecht regeln, nutzen zwar den Besitzenden, doch wohl kaum der großen Masse. Einige frühere DDR-Bürger wurden deshalb arm, weil sie juristische Auseinandersetzungen in dem Glauben auf sich nahmen, sie hätten Recht. Aber recht haben und recht bekommen sind in der BRD zwei verschiedene Schuhe.

Erich Buchholz beweist, daß nach BRD-Recht der Ausgang eines Prozesses oftmals nicht voraussagbar ist und schon gar nicht einer, in dem frühere DDR-Bürger Rechte einfordern, die es längst nicht mehr gibt. Er zeigt, daß das Recht der BRD für Habenichtse in keinem Falle von Vorteil ist. Wer Geld hat, kann klagen, so viel er will, und Prozesse ohne Ende führen.

Spätestens in der Zweiten Instanz braucht man aber einen Rechtsbeistand. Ein Prozeß bis zum Verfassungsgericht ist langwierig, nervenaufreibend und extrem teuer. Übrigens werden 97,5 % aller Verfassungsklagen abgewiesen. Das Grundgesetz, auf das sich die Verfassungsrichter berufen, ist weder vom Volk verabschiedet worden, noch wurden dessen Vertreter in seine Erarbeitung einbezogen. Es wurde auf Anordnung der westlichen Besatzungsmächte in die Welt gesetzt.

Nach Artikel 2 des Grundgesetzes hat jeder Bürger das Recht auf freie und allseitige Entfaltung seiner Persönlichkeit. Das sind leere Worte für jene, die wenig oder kein Geld besitzen. Wenn der Bundestag "neue" Gesetze beschließt, handelt es sich in aller Regel lediglich um Modifizierungen bereits gesetzter Normen - großenteils aus der Kaiserzeit. Viele in der BRD geltende Gesetze sind zwischen 110 und 140 Jahren alt.

So hat sich das bundesdeutsche Recht zu einem außerordentlich komplizierten und unübersichtlichen Geflecht entwickelt, das selbst Juristen kaum noch durchschauen, geschweige denn rechtlich nicht vorgebildete Kläger oder Verklagte überblicken können. Das ist auch der Grund dafür, daß sich Prozesse ewig in die Länge ziehen und keiner abzuschätzen vermag, in welcher Richtung sich ein solches Verfahren entwickelt. Das Recht der BRD ist so wenig bürgerfreundlich, daß kaum jemand wagt, ein Verfahren anzustrengen. Jedenfalls kein Mittelloser. Buchholz hörte mehrfach von Richtern die Aussage: "Sie wissen doch, vor Gericht sind Sie in Gottes Hand oder wie auf Hoher See." Spötter ergänzen: "... oder beim Russischen Roulette".

Das hier vorgestellte Buch ist nicht nur für einstige DDR-Bürger, die 1990 ein fremdes Recht buchstäblich über Nacht knallhart übergestülpt bekamen, von Interesse, sondern auch für jene, welche mit dem kapitalistischen Rechtssystem groß geworden sind. Es ist ein wichtiges Instrument der Auseinandersetzung mit Leuten, von denen die DDR nur allzugern als "Unrechtsstaat" abgewertet wird.

Dr. Helga Helena Liebecke, Dresden


Erich Buchholz: Anspruch und Wirklichkeit.
Wie der Bundesbürger den Rechtsstaat erlebt.
edition ost, Berlin 2010, 254 S., 14,95 €

Raute

Ein bewegendes Buch aus dem Bremer Donat-Verlag

"Na, Lütten?"

In einer Zeit wütender antikommunistischer Hetze erfreut uns der Donat-Verlag mit einem wunderbaren Buch über einen Kommunisten. Es geht um Heinrich Buchholz, einen Arbeitersohn aus Bremen, Jahrgang 1895, der nach der Volksschule den Tischlerberuf erlernte, auf Wanderschaft ging, sich frühzeitig im Jugendverband, in der Gewerkschaft und der SPD organisierte und 1918 schwer verwundet aus dem 1. Weltkrieg heimkam. Es folgten: Wachbataillon des Arbeiter- und Soldatenrates, Eintritt in die KPD nach dem Kapp-Putsch, Leitung kommunistischer Kindergruppen, Roter Frontkämpferbund.

Nachdem er bei den "Naturfreunden" seine Guste - sin "leew Lütten" - kennengelernt hatte, heirateten sie 1925. Im Anschluß an die standesamtliche Trauung gingen sie mit ihren Freunden "auf Fahrt", übernachteten bei Bauern im Heu und schwärmten bis zuletzt von dieser "Hochzeitsreise". Danach: vier Jahre Arbeitslosigkeit, Gemüseanbau in der Gartenparzelle, für Guste Arbeit als "Putze" an mehreren Stellen, Gründung der "Proletarischen Bühne", der späteren "Blauen Blusen". 1926 erste Verhaftung wegen "Aufrufs zum Klassenkampf" anläßlich einer Feier zum Jahrestag der Oktoberrevolution, Parteiarbeit als Zeitungsobmann, dann Verbindungsmann der KPD-Bezirksleitung zu den Stadtteilgruppen. April 1933 Gestapo-Gefängnis, anschließend KZ; als "Stubenältester" politische Arbeit mit den Gefangenen. Nach der Entlassung Agitprop-Funktionär der illegalen KPD-Stadtleitung, 1934 erneute Gestapo-Haft, 1935 Verurteilung zu drei Jahren Zuchthaus wegen "Vorbereitung zum Hochverrat". Nach vier Monaten in "Freiheit" erneute Verhaftung ...

Heins Tochter Lore, die Herausgeberin des Buches, schildert den Vater als lebensfrohen, durch keine Schicksalsschläge zu beugenden Menschen, fürsorglichen Papa und Ehemann, als solidarischen Helfer in Not geratener Arbeiterfamilien, vielseitig interessierten und begabten Sänger, Zeichner, Dichter, Schauspieler und begeisterten Wanderer - auf Schusters Rappen, auf dem Fahrrad und per Eigenbau-Paddelboot - , als kinderlieben Hobby-Pädagogen. Diesen Mann konnte nichts unterkriegen - weder Folter, KZ und Zuchthaus noch der Verrat einst "Gleichgesinnter", auch nicht die anfänglichen "Blitzsiege" der Nazi-Wehrmacht über die von ihr angegriffenen Staaten. Immer wieder suchte er die Verbindung zu seinen Genossen, und als dann 1945 britische Truppen in Bremen einziehen, finden sie eine intakte "Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus" vor.

Hein Buchholz gehört zu den Organisatoren der Vereinigung der Arbeiterparteien, die in Westdeutschland allerdings von der Schumacher-Clique verhindert wird. Er arbeitet im Bezirk, als politischer Leiter (1. Sekretär) der KPD im Stadtteil Walle, als Vorsitzender des Bremer Betriebsräte-Komitees und im Zentralen Elternbeirat der Stadt.

Das Buch enthält Briefe aus den Jahren 1933 bis 1937, die Buchholz an seine Frau, die kleine Tochter und seine Mutter richtet, gewissermaßen zweisprachig, nämlich in Plattdütsch und in Hochdeutsch mit vielen Faksimiles. Natürlich darf er nur schreiben, was erlaubt ist, und überhaupt nur alle zwei Monate. So beziehen sich die Texte auf Lores Schulnoten, das Schwimmenlernen, Verwandtenbesuche und Vogelgesang. Dennoch: Er, der Eingekerkerte, spricht denen "draußen" Mut zu: "Denkt ruhig an Eure Toten. Aber vergeßt über die Toten die Lebenden nicht ­... Wenn unsere Toten könnten, dann würden sie bestimmt sagen: 'Das Leben stellt jeden Tag neue Forderungen, und Ihr habt die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie zu erfüllen ...'" Und an seine Frau gewandt, fährt er fort: "Jedenfalls hoffe ich von Dir, mein Lebenskamerad, daß Du Dich ... nicht unterkriegen läßt, sondern mit gesundem Mut in die Zukunft schaust ... Sie gehört uns, mag da auch kommen, was will ... Hundertmal lieber in einem reinen, starken Strom kämpfen und untergehen, als in Morast und Modder versinken ...

Also Lütten, Kopf hoch und Herz und Faust an die rechte Stelle!"

Wir erleben in Hein Buchholz einen wirklichen Kommunisten - keinen verbiesterten Wiederkäuer lebensfremder Dogmen, keinen eifernden Fanatiker, sondern einen ganzen Menschen mit seinen Freuden und Leiden, seinem tiefen Humanismus. Wie schwer war es, in finsterer Zeit Kinder in diesem Geist zu erziehen!

Lore Buchholz, geboren 1927, sah als kleines Mädchen die furchtbaren Wunden, die man dem Vater beigebracht hatte. Sie sah den Keller, in dem die Gefangenen mißhandelt wurden. Später hörte sie mit Hein zusammen die deutschsprachigen Nachrichten von BBC - ein Delikt, auf das die Todesstrafe stand. Weder Terror und Demagogie der Nazis noch die in der BRD fast nahtlos fortgesetzte Kommunistenhatz konnten verhindern, daß Hein und Guste Buchholz ihre Lore zu einer aufrechten Genossin erzogen, die sich nach 1945 aktiv in der Freien Deutschen Jugend und dann in der Kommunistischen Partei Deutschlands gegen die Remilitarisierung im Westen einsetzte.

Man kann über "Na, Lütten?" nicht sprechen, ohne das Geleitwort des Strafverteidigers von Opfern des Justizunrechts in der BRD, RA Dr. Heinrich Hannover, zu erwähnen. Übrigens: Er verteidigte in Lüneburg den Landesvorsitzenden der FDJ Gerd Lieberum - Lores Ehemann und Hein Buchholz' Schwiegersohn -, dem eine der Obrigkeit unerwünschte Reise in die DDR ein Jahr Gefängnis einbrachte.

"Eine Schande, daß sich die Kriminalisierung kommunistischer Gesinnung in Deutschland wiederholen konnte", schreibt Hannover. Er geißelt den Zynismus eines Staatsanwalts, der es wagt, einem bereits von den Nazis eingekerkerten Kommunisten vorzuwerfen, er habe aus den Jahren im faschistischen Zuchthaus "nichts gelernt"! Er prangert an, daß heute wieder "mächtige Manipulatoren der öffentlichen Meinung ein bedrohliches Schreckensbild bolschewistischer Weltherrschaft an die Wand malen ..."

Dieses Zerrbild zu zerreißen, unermüdlich die Wahrheit über Vergangenheit und Gegenwart der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung zu verbreiten, bleibt unsere Aufgabe. "Na, Lütten?" ist dabei eine wertvolle Unterstützung.

Dr. Ernst Heinz


Heinrich Buchholz: "Na, Lütten?", Briefe aus dem Konzentrationslager und Zuchthaus 1933-1937. Mit einem Geleitwort von Heinrich Hannover. Herausgegeben von Lore Buchholz unter Mitwirkung von Helmut Donat. Ausgabe in Nieder- und Hochdeutsch. Donat-Verlag, Bremen 2011. 192 Seiten, 116 Abbildungen. 16,80 Euro. ISBN 978-3-938275-65-8

Raute

Harry Thürk war ein Meister spannender Welt- und Zeiterkundung

Palette mit tausend Farbnuancen

Harry Thürks Werkverzeichnis weist seit 1950 mehr als 60 Titel auf, einschließlich der 16 Spielfilme, Fernsehspiele oder Fernsehserien. Er galt auch in den 90er Jahren als einer der produktivsten ostdeutschen Autoren, von dem eine Reihe Neuerscheinungen und Wiederauflagen herauskamen. Thürk ging es immer wieder darum, Querelen und Intrigen gegen die Befreiungsbewegungen in Südostasien zu enthüllen. Kenntnisreich und zugleich unterhaltsam wußte er seine Leser mit den Autonomiebestrebungen jener Völker bekanntzumachen. Thürk schilderte Hintergründe wie Triebkräfte und erläuterte gesellschaftliche Vorgänge. Neben sozialen Veränderungen verdeutlichte er historische und nationale Zusammenhänge. Seine Erzählweise war die eines sachkundigen Augenzeugen, der neben Fakten, Zahlen und Daten auch spezifisches Kolorit und kulturgeschichtliche Besonderheiten spannungsreich zu vermitteln wußte. Auf diese Weise gelang ihm eine Synthese von Dokumentarischem und Fiktivem.

Über sein methodisches Vorgehen bei den aufwendigen Vorarbeiten bekannte der Autor: "Ich stütze mich auf gründlich durchforschtes Material aus Archiven und Museen, auf internationale Zeitschriftenliteratur und die Befragung von Zeugen des Geschehens vor Ort." Seine Art der Darstellung forderte das moralisch-ethische Urteil der Leser heraus. Thürks Erzählungen, Romane, Tatsachenberichte, Thriller und Krimis umfassen eine Weltauflage von über fünf Millionen Exemplaren. Sie wurden in dreizehn Sprachen übersetzt.

Sein Buch "Der Wind stirbt vor dem Dschungel" (1961) war das zweite nach seinem Kinderbuch "Su Su von der Himmelsbrücke" (1960), das thematisch im ostasiatischen Raum angesiedelt war. Im Roman "Der Tod und der Regen" (1967), dem Bild-Text-Band "Stärker als die reißenden Flüsse" (1970) und der Reportage "Saigon" (1985) rückte er den Befreiungskampf der Vietnamesen in den Mittelpunkt. Den Überfall Japans 1941 auf den USA-Flottenstützpunkt auf Hawaii beschrieb Thürk in seinem besonders erfolgreichen Buch "Pearl Harbor" (1965) und die Wende im Pazifikkrieg 1942 in "Midway" (1991). Mit dem 1965 erfolgten Militärputsch gegen den indonesischen Präsidenten Sukarno beschäftigte er sich in dem Roman "Amok" (1974) und der 1975 erschienenen Dokumentation "Indonesien 65". Den profitablen Rauschgifthandel im Norden Thailands, der eine zusätzliche Einnahmequelle für die CIA darstellte, geißelte Thürk in seinem Roman "Des Drachens grauer Atem" (1976). Er wurde drei Jahre später für das DDR-Fernsehen verfilmt.

Der Roman "Der Tiger von Shangri La" (1970) war ebenso von brennender Aktualität wie "Straße zur Hölle" (1974). Beide schilderten Vorgänge im Laos der frühen 70er Jahre. Den Sturz des Pol-Pot-Regimes in Kambodscha beleuchtete Thürk in seinem Roman "Der schwarze Monsun" (1986). Über die antijapanische Volksarmee, die im Zweiten Weltkrieg auf den Philippinen kämpfte, schrieb er in "Nachts weint die Sampaguita" (1980). Hervorgehoben seien Titel aus den 80er Jahren: die Dokumentation "Dien Bien Phu" (1988) und der Roman "Operation Mekong" (1988). Mit seiner Roman-Trilogie "Taifun" legte er "Aufzeichnungen eines Geheimdienstmannes" vor.

Auch in den 90er Jahren erwies sich Harry Thürk als produktiver und erfolgreicher Autor. Von etlichen seiner Bücher erschienen Nachauflagen. Packend geschrieben waren auch seine neuen Bücher: Thriller aus der Welt des internationalen Waffenhandels wie "Die Lagune" (1991). In dem Roman "Piratenspiele" (1995) nahm Thürk mafiose Schiebereien mit waffenfähigem Plutonium ins Visier. Nennen muß man auch seine Reporte "Der Reis und das Blut" (1990) und "Hölle von Burma" (1995). Eine Neuerscheinung war der autobiographisch gefärbte Roman "Sommer der toten Träume" (1995). In etwa ein Dutzend Thürk-Krimis präsentierte Privatdetektiv Lim Tok aus Hongkong seine ungewöhnlichen Fälle. Darunter finden sich: "Der maskierte Buddha" (1991), "Tod auf Tahiti" (1993), "Die tätowierte Unschuld" (1994), "Das letzte Aloha" (1996) und "Der Tod aus Shanghai" (1999). Der Spotless-Verlag brachte drei Arbeiten Thürks heraus, in denen er Retrospektiven mit Überlegungen zur Wiedererrichtung der kapitalistischen Gesellschaft im Osten verband. Ihre Titel lauteten: "April, April. Aufzeichnungen über einen Monat des Jahres 1993", "Langschwein dank Perestroika. Lästerliche Gedanken über das Panoptikum Zeitgeschichte" (1994) und "Goldener Traum Jugend" (1996).

Einen beachtlichen Teil seines Lebenswerkes bilden Thürks Spielfilme, Fernsehspiele bzw. Fernsehserien, teilweise Adaptionen seiner Bücher. Darunter sind u. a. "Die Herren des Salzes", "Das Tal der sieben Monde", "Das Mädchen aus dem Dschungel" oder "Des Drachens grauer Atem". Intensiv setzte er sich in besonders erfolgreichen Filmen mit imperialistischen Aktivitäten gegen die sozialistischen Staaten auseinander: "For eyes only" (1963) und "Die gefrorenen Blitze" (1967). 1969 wurde die 11teilige Fernsehserie "Rendezvous mit Unbekannt" gesendet. In den 70er und 80er Jahren folgten die Fernsehfilme "Kein Mann für Camp Detrick" (1970), "Die blonde Geisha" (1979), "Der Tod eines Mäzens" (1982) und "Irrläufer" (1985).

Immer ging es Harry Thürk um Welterkundung und das Erhellen echter zeitgeschichtlicher Dimensionen, aber auch um die Entlarvung geheimdienstlicher Machenschaften gegnerischer Kräfte. Auf diese Weise vermittelte er den Zuschauern Einblicke in das internationale Geschehen. Thürks Schaffen wurde mit dem Nationalpreis der DDR, dem Literatur- und Kunstpreis der Stadt Weimar und weiteren Auszeichnungen gewürdigt.

Der 1927 Geborene starb 2005 nach langer schwerer Krankheit.

Dieter Fechner

Raute

Archies "Ostern der Tiere"

Als sich ein langer, sehr kalter Winter über Mitteleuropa gesenkt hatte, und alles, was an Seen und Pfützen im Land war, zufrieren ließ, kamen graue Mähnenwölfe ins Land. Sie wurden von Tierschützern beschirmt und fingen an, alles zu reißen, was ihnen in den Weg kam. Sie hatten keine Gegner, und das war gut so. Man hatte sie zu Unrecht ausgerottet, und in der Natur frißt nun einmal der Stärkere den Schwächeren.

Und weil es in der Gesellschaft inzwischen auch so geworden war, wollte man aus der Not heraus und etwas als Tugend belassen, was gar keine war, obwohl sie als solche angesehen wurde: das Recht des Stärkeren.

Die Wölfe waren zufrieden und blieben angemessen friedlich, bis einer der ihren heulte: "Wieso eigentlich? Wir haben keine Gegner mehr, und ich als der Leitwolf prophezeie euch - es ist an der Zeit, daß wir das Regime übernehmen! Da wir nicht von allen gejagt werden wollen, suchen wir uns einen schwachen Bauern mit viel Vieh aus, der sich früher mit den Nachbarn anlegte und den alle nicht mögen, weil er seine Hühner, Kaninchen und vor allem Schweine in einer Tierfarm unter unsäglichen Bedingungen hält, die schon in der Literatur beschrieben wurden. Es gibt eine deutsche Übersetzung davon, die heißt 'Tiere sind doch auch nur Menschen' oder so ähnlich. 'Animal Farm' - der Autor kommt aus einem Land jenseits des Kanals, wo man noch die Fuchsjagd betreibt. Furchtbar viele Pferde und Hunde, also nichts für uns! Aber hier können wir uns einrichten und das große Fressen beginnen."

"Aber so etwas hatte doch schon dein Vater versucht und sich dann wieder in die Wälder zurückgezogen", widersprach die Wölfin. "Das mag schon sein", sagte der Leitwolf, hob den Kopf und heulte im Busch, wie man in Ostsachsen zu den Wäldern sagt, "aber da hatte man noch gewaltige Schäferhunde, die sie abschafften, weil sie zu teuer wurden. Und die Kampfhunde, die sie inzwischen haben, sind reine Zivilisationshunde, jeder kann sie beherrschen! Uns aber beherrscht keiner. Wir werden diesem Bauern die Tiere wegfressen, ihn zur Aufgabe zwingen, und dann kommen die Nachbarn dran!"

"Ich weiß nicht", maulte die Wölfin, "und wenn sie zurückbeißen und schießen?" Der Leitwolf wußte auch hier eine Antwort: "Dann ziehen wir uns über die große Seenplatte in die Wälder zurück."

Einer der Jungwölfe bemerkte: "Neulich hat mich sogar ein Schaf mit schwarzen Hörnern angegriffen, mir gefällt das nicht." Ein Welpe fragte: "Wieso kümmern wir uns eigentlich nicht um die vielen verwilderten Hunde, die ausgesetzt werden, wenn ihre Besitzer in Urlaub fahren wollen?" Der Leitwolf knurrte: "Das sind asoziale Einzelgänger, die im Tierheim landen, früher oder später. Sie leben nicht im Rudel. Aber mit einem Hasen werdet ihr doch wohl fertig?" Die jungen Wölfe sagten daraufhin: "Wer weiß, die Hasen wehren sich auch. Nicht alle sind Angsthasen, und sie haben scharfe Vorderzähne."

"Und wie ist es mit diesem Hasen hier, der gerade dahergehoppelt kommt und die schwere Kiepe trägt?", fragte ein Wolf, der von der Oder kam.

"Was denkst du wohl", fragte der Hase, leerte die Kiepe aus und rieb sich die Pfoten. Die Wölfe fraßen die Eier und die Schokolade und beschnüffelten den Meister Langohr, der gar nicht davonlief.

"Es ist immer dasselbe mit euch, wenn ihr satt seid, ist alles in Ordnung. Wo bekomme ich jetzt neue Eier her?" Die Wölfe meinten, das sei eine gute Frage. Sie wollten sich mit dem Hasen hinsetzen, um zu beratschlagen. Der aber blieb vorsichtshalber in sicherer Entfernung und stellte seine Ohren auf. Er sagte ganz laut, wobei es seltsam aussah, wie er sich emporreckte, wenn er all seinen Mut zusammennahm: "Damit ihr nicht auf die Idee kommt, mich zu fressen. Wird es knapp, dann gehen die Tiere zu einem alten Mann, dessen Grundstück 'Archies Kolchose' heißt. Es handelt sich um ein eingezäuntes Areal von 2000 Quadratmetern, wo sie friedlich nebeneinander an Freßtrögen stehen, Hunde und Katzen, sogar Füchse und Gänse."

"Das hält ja kein Schwein im Kopf nicht aus, wie man in Ostsachsen zu sagen pflegt, wo wir über die Grenze gekommen sind", knurrte der graue Leitwolf. "Ob wir da auch etwas abkriegen werden?" Der Hase erwiderte: "Wenn ihr friedlich seid, glaube ich schon, und jetzt zu den Festtagen auf alle Fälle."

Und so machten sie sich am Ostersonntag alle gemeinsam auf den Weg zu Archies Futter-Kolchos. Die Wölfe trugen abwechselnd die Kiepe, weil der Hase sonst bei dem Tempo nicht hätte mithalten können. "Frohe Ostern!", rief Archie freudestrahlend, als er das Rudel, in das sich auch der RotFuchs eingereiht hatte, erblickte. "Willkommen in der friedlichen Tierfamilie!"

Manfred Hocke

Raute

Neue Autoren

Mit dieser Ausgabe werden Bernd Gutte, Görlitz, und Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg, als neue Mitglieder unseres Autorenkreises im Impressum ausgewiesen. Sie treten an die Stelle der auch weiterhin mit dem RF eng verbundenen Genossen Karl Schlimme, Haldensleben, und Prof. Dr. Werner Roß, Zwickau, deren verdienstvolle Tätigkeit für den RF durch die Redaktion und den Vorstand des Fördervereins gewürdigt werden.

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Beste Grüße aus Windhoek, der Hauptstadt Namibias, verbunden mit dem Dank für die regelmäßige Übersendung des RF, der nicht nur von mir gelesen wird. Daher mein Anliegen: Der stellvertretende Innenminister Namibias, dessen Schwester in leitender Position am Heim für namibische Kinder in Bellin, Kreis Güstrow, tätig war, bat mich darum, den Versand der Zeitschrift an ihn zu ermöglichen. Seine Meinung: Das Blatt wird von noch aufrechten Menschen geschrieben. Weiterhin viel Erfolg!

Botschafter a. D. Uwe Zeise, Windhoek


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Höchst verwundert lese ich, daß Spitzenpolitiker des Westens, nicht zuletzt der BRD, plötzlich Sympathie für "Revolutionen" anderswo bekunden. "Alte Freunde" werden ohne Hemmungen fallengelassen und als "Despoten" bezeichnet. Liegt da ein Sinneswandel vor?

EU und NATO "begrüßen" die "Tage des Zorns" in Ägypten und Tunesien. Offensichtlich will man uns für dumm verkaufen. Sogar mit den Leipziger "Helden" des Herbstes 1989 vergleichen die bürgerlichen Medien den Protest gegen Mubarak & Co., den sie als "erfolgreichen demokratischen Widerstand" darstellen. Doch Befreiungsbewegungen gegen Unterdrückung und Machtmißbrauch, für mehr soziale Gerechtigkeit und wirkliche Mitbestimmung der Massen fanden noch nie die Unterstützung herrschender Ausbeuterklassen. Und: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus!

Schon stehen "westliche Berater" bereit. Herr Westerwelle bietet "Hilfe für eine Politik nach europäischem Muster" an. Man müßte derartige "Solidaritätserklärungen" sammeln und in einigen Jahren wieder hervorholen. Dann wüßte man, was Heuchelei ist. Und das empörte Volk? Es wird nicht befreit, sondern befriedet!

Dr. Horst Parlow, Neubrandenburg


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Im Schatten der durch das K-Wort ins Maßlose gesteigerten antikommunistischen Hysterie schlägt Deutschland abermals eine gespenstische Richtung ein. Die Duldung und Beschirmung des gewöhnlichen Faschismus in Dresden hat gezeigt, wie den Nazis die Straße freigeprügelt wird. Die sie begünstigende Entscheidung des Verwaltungsgerichts war reine Schützenhilfe für die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, deren Vorsitzender Apfel schon vorher verkündet hatte, die Befehle für die Polizei könnten nur lauten: "Wasserwerfer und Schlagstöcke frei!"

Ich war dabei, werde 67 Jahre alt und muß mich nicht nur von den Bütteln des "Rechtsstaates", sondern auch von Politikern als "gewalttätiger Radikaler" bezeichnen lassen.

Trotz alledem - der Marsch der Neonazis wurde erfolgreich verhindert!

Rolf Frenzel, Borna


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Sind wir schon wieder soweit? Unter der Losung "Wir beseitigen mit Hilfe der Demokratie in der Demokratie die Demokratie" gelangten 1933 die Nazihorden an die Macht. Sind sich die sächsischen Verwaltungsrichter dieser historischen Tatsache bewußt, oder haben sie während des Geschichtsunterrichts geschlafen?

Gegen den Willen einer demokratischen Mehrheit wird einer rechtsextremistischen Minderheit die Verbreitung faschistischer Ideologie gestattet. Tausende Polizisten wurden zum Schutz von Nazi-Demos und zur Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte Zehntausender friedlicher Bürger eingesetzt. Quo vadis, Sachsen!?

Hellmut Michel, Dohna


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Da kann einem wirklich der (Doktor-)Hut hochgehen. Wurde doch wieder mal einer beim Abschreiben erwischt. Die anderen seiner Kategorie machen's genauso, sind aber vorerst nicht prominent.

Eins stimmt: Wissenschaft ist stets Verwertung von bereits Bekanntem, um daraus etwas Neues zu machen. Die ganze Mühe besteht darin zu beweisen, daß es sich tatsächlich um eine Neuheit handelt. Doch die Fähigkeit, vorhandenes Wissen tatsächlich mit eigenen Einfällen zu verknüpfen, ist nicht jedem gegeben. Genialität und das Verfassen von Plagiaten sind zweierlei. In einer Dissertation haben beweisfähige neue Gedanken und Ideen ihren Platz, sonst nichts. Wenn ein Freiherr von und zu lediglich alten Wein in neue Schläuche füllt und für den Schwindel dann auch noch die höchste akademische Note einheimst, wirft das ein bezeichnendes Licht darauf, wie tief Deutschlands Wissenschaft gesunken ist.

Der Freiherr und Ex-Kriegsminister hätte noch etwas warten sollen, bis er Bundeskanzler geworden wäre. Dann hätte man ihm die Doktorhüte gratis nachgeworfen.

Jochen Singer, Leipzig


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Der bisherige Lieblingsminister der Kanzlerin und vom ZDF-Politbarometer als "Publikumsliebling Nr. 1" Ausgegebene hat seinen Doktortitel mit der Spitzennote "summa cum laude" schlechthin geklaut. Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Olmbapf Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg samt Gemahlin Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen sind zu Recht prägende Gestalten dieser Bundesrepublik Deutschland. Von der Burg Guttenberg blicken sie auf das einfache Volk hinab, wie es die Ahnen des Hochwohlgeboren schon vor 850 Jahren getan haben.

Egon Eismann, Wernigerode


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Vor dem Gesetz sind alle gleich, heißt es. Doch anscheinend gibt es in der BRD solche, die gleicher sind. Wenn sich das, was sich Herr Guttenberg erlaubt hat, ein Politiker der Linksopposition herausgenommen hätte, wäre ein Mordsgeschrei angestimmt worden. In diesem Staat wundert mich gar nichts mehr. Immerhin ist ja auch der Kanzlerin ihre Belegarbeit im Fach Marxismus-Leninismus unauffindbar abhanden gekommen ...

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


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Mit ihrer Bemerkung, daß es auch künftig nicht verboten sein dürfe, über Wege zum Kommunismus nachzudenken, hat Gesine Lötzsch in der Gesellschaft der BRD ein wahres Beben ausgelöst, auf das sie wohl selbst nicht gefaßt war. Das "K-Wort" erzeugt bei den meisten Altbundesbürgern infolge ununterbrochener Gehirnwäsche geradezu eine Gänsehaut. Sofort bemüht man die Fratze mit dem bluttriefenden Messer im Mund.

Noch bedenklicher als die Reaktion der alle Register ziehenden Gegner erscheint mir die Tatsache, daß selbst PDL-Politiker den Ausflug von Gesine Lötzsch in wirklich linke Gefilde scharf zurückweisen. Da fragt es sich: Wie links ist eigentlich die Linkspartei?

Folgen wir in Ost und West gemeinsam dem Rat von Gesine Lötzsch! Beim Nachdenken über Wege zum Kommunismus sollten wir eine kritische Betrachtung des ersten Anlaufs indes nicht vergessen.

Hans-Peter Ackermann, Oberviechtach (Bayern)


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Der Leitartikel im Februar-RF berührte ein sehr wichtiges Thema. Ich wundere mich nicht, daß "offen-siv" (mit Opperskalski unter den Anführern) einen solchen Kurs forciert. Man sollte sich an Lenins "Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus" erinnern. Es handelt sich also keineswegs um eine neue Erscheinung, sondern ist eher kennzeichnend für den Mangel an Disziplin unter selbstherrlichen und individualistischen politischen Kleinbürgern.

Noch ein Wort zur Zwangsintegration anstelle des von Merkel zurückgewiesenen "Multikulturalismus". Der Chauvinismus ist ein bedrückendes Symptom fortschreitender Faschisierung. Hier in Australien leben alle Menschen mit wenigen Ausnahmen friedlich zusammen, sind gute Nachbarn, lernen und studieren gemeinsam. Die einzelnen Volksgruppen veranstalten ihre Festlichkeiten, bei denen auch alteingesessene Australier mitmachen.

Eine wirklich multikulturelle Gesellschaft ist allerdings erst unter dem Sozialismus möglich, Wie lebten doch Menschen unterschiedlicher Nationalität in der Sowjetunion und der DDR in Freundschaft miteinander!

Dr. Vera Butler, Melbourne


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Im Leitartikel des RF 157 wird treffend ein Problem beschrieben, welches in den gegenwärtigen Klassenauseinandersetzungen brisanter denn je ist. Es wirkt wohltuend, lesen zu können, welchen Beitrag Lenin bei der Weiterentwicklung des Marxismus geleistet hat. Die Abkehr von seinem Erbe ist eine entscheidende Ursache für das Erstarken rechtsopportunistischer Tendenzen. Dadurch, daß kommunistische Parteien den Leninismus über Bord warfen, gaben sie dem Revisionismus Raum zur Entfaltung. Wenn Menschen, die sich als Sozialisten oder gar als Kommunisten betrachten, Lenin verleugnen, tragen sie zur Verfestigung revisionistischer Grundhaltungen bei. Denn Marx, Engels und Lenin gehören untrennbar zusammen.

Wie wahr! Dieses Land braucht Kommunisten - organisierte und derzeit nicht organisierte, vor allem aber eine vereinte und massenverwurzelte marxistisch-leninistische Partei. Den Weg dahin müssen wir gemeinsam suchen und beschreiten. Die Kommunistische Initiative (KI) hat im November in Gera über ihre Aufgaben und Ziele beraten. Sie möchte bei der Zusammenführung von Kommunisten ebenso fündig werden wie der "RotFuchs" bei der Sammlung von Linken.

Detlef Krüger, Greiz


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Die Beiträge im RF ermutigen mich immer wieder! Danke! An erster Stelle stehen dabei die Leitartikel, die ich für klassischen Journalismus halte.

Ja, wir brauchen in Deutschland dringend eine in den Massen verankerte marxistisch-leninistische Partei. Angesichts dieser verrotteten kapitalistischen Gesellschaft und der in Berlin prinzipienlos mitregierenden Halblinken kann man diese Forderung nur unterstreichen. Wenn der "RotFuchs" doch eine Partei wäre!

Sehr berührt hat mich auch der Beitrag "Leipzigs wahre Helden". Das Bild Horst Schumanns erinnerte mich lebhaft an die 60er Jahre, als er 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ und ich sein persönlicher Mitarbeiter war. Am 9. Januar habe ich in Friedrichsfelde an Horsts Grabstein eine Nelke niedergelegt.

Ralph Rüdiger, Berlin


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Es freut mich außerordentlich, daß Genossin Anneliese Schellenberger dem RF einen LVZ-Artikel aus dem Jahre 1946 zur Ermordung der Leipziger Kommunisten übermittelt hat. Er schildert den Leidensweg wahrer Helden der angeblichen "Heldenstadt" des Jahres 1989. Horst Schumann und Anneliese Schellenberger sowie die anderen Söhne und Töchter der Leipziger Antifaschisten haben stets das Vermächtnis ihrer Väter und Mütter erfüllt. Übrigens: Unsere GST-Grundorganisation trug den Namen Alfred Schellenbergers, der - zum Tode verurteilt und kurz vor der Hinrichtung - beim Bombenangriff auf Dresden seinen Kerkermeistern entkommen konnte.

Wolfgang Müller, Bad Düben


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Durch Zufall ist mir der "RotFuchs" über den Weg gelaufen. Einmalig! Ab sofort bestelle ich Eure Zeitschrift.

Gerhard Kmoch, Aachen


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Im RF 157 fand ich einige Beiträge, die mich, da offen und ungeschminkt, emotionell bewegten. Solange Gedankenträger einer besseren Welt von der mehr und mehr moralisch verarmten Mehrheit für die Ewiggestrigen gehalten werden, finden sie mit ihren Ideen in dieser Gesellschaft keinen Halt. - Das Schwelgen in Erinnerungen hilft unseren Kindern nicht, ihren Platz im Hier und Heute zu erkennen. Sie wuchsen bereits in dieser Ellenbogengesellschaft auf, die nur den Stärkeren als Gewinner betrachtet. Unsere Jugenderinnerungen sind für sie wie Märchen aus einer fremden Welt. Deshalb ist langsames Heranführen an den Gedanken des erlebbaren Sozialismus mehr als trockene Propaganda, mehr auch als Was-wäre-wenn-Betrachtungen. Es bleibt uns nicht viel Zeit, weil unsere Kinder trotz "Heimat" längst heimatlos geworden sind.

Zum Beitrag von Karin Dvorak aus Kuchelmiß fällt mir ein: Besonders der Landjugend werden hier die Perspektiven genommen. Man zahlt ein "Startgeld", wenn jemand seinen bisherigen Lebensmittelpunkt gegen einen im Westen vertauscht. So stirbt die DDR wieder und wieder, und den Eltern bleibt letztlich nur ein Alltag ohne Kinder und Enkel vor Ort sowie das Warten auf die "Wochenendheimkehrer". Der Kapitalismus hat die Familienbande längst zerschnitten.

Ramona Grabow, Boitzenburger Land


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Da ich ein großer Verehrer von Hans Heinz Holz bin, freute es mich besonders, eine Würdigung seines neuen Werkes durch Prof. Dr. Herbert Hörz im RF 157 zu finden. In meinen Augen ist HHH ein hervorragender marxistisch-leninistischer Philosoph, dessen Theorie und Erkenntnis den Kern treffen. Das erfuhr ich auch 2007 bei einem Gespräch mit Prof. Holz und seiner Frau Silvia auf dem UZ-Pressefest in Dortmund. Abschließend wollte er wissen, ob er denn auch von "Durchschnittslesern" verstanden werde. "Wer verstehen will, versteht es, wenn es auch manchmal schwierig ist. Ich selbst bin Autodidakt, kann es aber begreifen", antwortete ich.

Norbert Müller, Höxter


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Ein Schulfreund hat mich vor einem Jahr auf den RF aufmerksam gemacht und ihn für mich bestellt. Seitdem lese ich jede Ausgabe und möchte die Informationen nicht mehr missen. Sehr beeindruckt hat mich die Beilage in Nr. 157 von Prof. Dr. Götz Dieckmann über Friedrich Engels. Der Text erinnerte mich an die Zeit, als ich 1967/1968 an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau studierte, wo wir uns eingehend mit den Werken von Marx, Engels und Lenin vertraut gemacht haben.

Als Rentner und Erforscher der Heimatgeschichte stelle ich mir seit zehn Jahren die Hobby-Aufgabe, in meinen Publikationen alle verfügbaren Quellen gründlich zu prüfen und Zeitzeugen zu befragen. Als ich den Kreisrat des Ilm-Kreises um Zahlenmaterial zur Schulentwicklung seit 1990, das ich für ein neues Buch benötigte, bat, bekam ich nach Übermittlung der Grobgliederung mit dem Kapitel "Die Entwicklung des Bildungswesens unter den Bedingungen der kapitalistischen Marktwirtschaft" folgende Antwort: "Ich kann Ihnen keine Daten unter den Bedingungen einer kapitalistischen Marktwirtschaft zur Verfügung stellen, da mir eine solche nicht bekannt ist. Grundsätzlich gehe ich von einer sozialen Marktwirtschaft aus."

Ich frage mich, warum diese Leute den Begriff Kapitalismus absolut nicht mehr hören wollen. Sehr treffend wurde dieses Thema im RF 155 von Oskar Lafontaine auf den Punkt gebracht.

Horst Winter, Ilmenau


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Mein Reisekollege Kurt Körner, mit dem ich in China war, hat freundlicherweise den Kontakt für einen schüchternen Wessi zum "RotFuchs" hergestellt. Ich bin deshalb schüchtern, weil es mir peinlich ist, daß wir im Westen jahrzehntelang keine linke politische Verantwortung tragen konnten und jetzt - praxisentrückt - mit Euch gemeinsam denken müssen, wobei wir bemerken, daß der praktizierte Marxismus ganz andere Probleme hatte als wir 68er.

Danke für den Tornado guten Lesestoffs! Meine Frau und ich werden viele schöne Stunden damit verbringen. Insbesondere sind wir beeindruckt von der feinen Balance zwischen antikapitalistischer Grundorientierung und - im positiven Sinne - "schamlosem" Gebrauch des Reizwortes Kommunismus sowie gezielter, aber eben nicht grundsätzlicher DDR-Selbstkritik und expliziter Distanz zum linken Radikalismus, die das Blatt auszeichnet. Kein Wunder auch, wenn man bedenkt, wie viele nach dem Anschluß der DDR demütigend abgewickelte geistige Schwergewichte im RF schreiben.

Engelbert Wengel, Frankfurt am Main


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Mit Erschrecken las ich im Februar-RF nach der Zuschrift von Hans-Dieter Grundmann, Eberswalde, den Satz: Wir trauern um unseren langjährigen Leser.

Hans-Dieter Grundmann und ich haben in den 50er Jahren bis 1963 als Lehrer an der Friedrich-Engels-Oberschule Neubrandenburg gearbeitet, bis sich unsere Wege aus beruflichen Gründen trennten. Genosse Grundmann ging über die Abteilung Volksbildung nach Schwedt und Eberswalde. Das letzte Mal sahen wir uns am 28. November 1998, dem Geburtstag von Friedrich Engels - als sich Hunderte ehemaliger Schüler und Lehrer der EOS anläßlich des 50. Jahrestages der Namensverleihung trafen. Bis 1990 verließen rund 5000 Abiturienten diese Schule, um als Ingenieure, Lehrer, Offiziere, Ärzte, Diplomaten und Wissenschaftler das Profil unserer Republik mitzubestimmen. Darauf waren wir gemeinsam stolz.

Dr. Manfred Bewersdorf, Neubrandenburg


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Einem Mann namens Kappler bin ich zweimal virtuell begegnet. Zunächst 1978 als Diplomat in Havanna. Unsere Botschaft erhielt einen Dok-Film des DDR-Fernsehens, Regie: Sabine Katins, unter dem Titel: "Kennen Sie Kappler?" Von einem italienischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt, war dieser Mann im August 1977 mit Unterstützung alter SS-Kumpane in die BRD geflüchtet. Als Gestapo-Chef Roms hatte er im Mai 1944 die Erschießung von 335 Geiseln in dem Adreatinischen Höhlen befohlen. Der Film lief im kubanischen Fernsehen zur besten Sendezeit.

Bei der Lektüre des Buches "Das Amt" begegnete ich Kappler jetzt erneut. Nach der Kapitulation Italiens 1943 lebten noch Tausende Juden in Rom. Im Oktober jenes Jahres informierte der deutsche Konsul den NS-Außenminister Ribbentrop darüber, SS-Obersturmbannführer Kappler habe den Befehl erhalten, sämtliche römischen Juden festzunehmen und nach Oberitalien zu bringen, wo sie der Tod erwartete. Diese Aktion - gewissermaßen unter den Fenstern des Vatikans - wurde unverzüglich eingeleitet. Papst Pius XII., den Nazis verbunden, schwieg dazu.

Werner Heiden, Berlin


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Bei der "zweifelsfreien und vollständigen Aufklärung" aller Mißstände im Gebirgsjäger-Drama, bei der Feldpostaffäre, bei den Ekel-Ritualen auf der "Gorch Fock" und anderswo sind alle braven Bundesbürger stets live dabei, fühlen sich multimedial wohlinformiert statt irregeführt. Ich halte interne Mißstände bei der Bundeswehr für zweitrangig.

Tausendmal schlimmer ist es, daß sie zum "globalen Militärdienstleister", zur Söldnerarmee entartet. "Staatsbürger in Uniform" glauben die scheinheiligen Propagandalügen skrupelloser Demagogen und beteiligen sich wieder an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, wie schon ihre durch Leute gleichen Schlages betrogenen Großväter und Urgroßväter. Mit diesen oder jenen Skandalen soll lediglich davon abgelenkt werden.

Jürgen Kuhlmann, Dabel


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Im Artikel von Dr. Hermann Wollner (RF 157) ist das Geburtsjahr des Kurfürsten F. August von Sachsen falsch angegeben worden. Er kam nicht 1694, sondern 1670 zur Welt.

Margarete Enge, Dresden


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Der 1. März, an dem die NVA vor 55 Jahren gegründet wurde, bleibt für mich ein Ehrentag. Die DDR war damals noch keine sieben Jahre alt. Zunächst übernahmen Freiwillige als Soldaten und Matrosen den Schutz des jungen Staates gegen Bedrohungen von außen. An der Spitze dieser Armee standen bewährte Antifaschisten wie der Spanienkämpfer Heinz Hoffmann und Heinz Keßler, den die Nazijustiz in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatte. Wenn auch nicht jeder Bürger der DDR dann 1962 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht mit Begeisterung aufnahm, spricht man heute im Freundeskreis gerne und engagiert über die Dienstzeit in der NVA und ihren Teilstreitkräften. Keiner von uns hatte jemals zu befürchten, in einen Angriffskrieg geschickt zu werden.

Dieter Kramp, Grevesmühlen


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Ich lese den RF gerne und mit großem Interesse. So ist mir auch der ihm vor einigen Monaten beigelegte Flyer über die Gründung des Traditionsverbandes Nationale Volksarmee e.V. nicht entgangen. Besonders habe ich mich darüber gefreut, daß auch der Volksmarine anläßlich des Jubiläums ihrer Namensgebung in würdiger Form gedacht wurde.

Aus Krankheitsgründen an der Teilnahme verhindert, sandte ich dem Präsidium der Festveranstaltung eine mir verliehene Dienstflagge der Volksmarine zu. Ich hatte sie 1969 nach meiner Reservistenzeit in der 6. Flottille erhalten. Das mir teure Erinnerungsstück wurde vor 300 Gästen - unter ihnen Armeegeneral a. D. Keßler und Admiral a. D. Hoffmann - feierlich aufgezogen.

Werner Jahr, Potsdam


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Am 28. Januar stimmte der Bundestag für die Fortsetzung des Kriegseinsatzes in Afghanistan. Daraus habe ich als entschiedener Gegner der NATO-Intervention meine Konsequenzen gezogen. Bisher war ich Mitglied des Bundeswehrverbandes, der sich in keiner Weise der Entsendung von Soldaten zum Hindukusch widersetzte. Durch eine weitere Mitgliedschaft in dieser Organisation würde ich die Verantwortung für Leid, Zerstörung und Verluste an Menschenleben sowie enorme materielle Schäden mittragen. Da das gegen mein Gewissen ist, bin ich aus dem Bundeswehrverband ausgetreten. Ich danke der Partei Die Linke für ihr klares Nein zum Krieg.

Der RF ist mir als langjährigem Leser zum politischen Ratgeber geworden. Meine Anerkennung gehört der Redaktion, den Autoren und Leserbriefschreibern für deren interessante Beiträge. Mein persönlicher Dank geht an Genossen Kurt Andrä, einen Mitbegründer und ersten Vertriebsleiter der Zeitschrift. Sein Einsatz für die Opfer politischer Verfolgung war beispielhaft. Kurt hat mich als Leser für den RF gewonnen.

Oberst a. D. Lothar Matthäus, Strausberg


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Eine Bemerkung zum Beitrag Konstantin Brandts über Albert Kuntz: Bei Wikipedia darf jeder mitmachen. Was dort steht, kann bei besserer Kenntnis ergänzt oder auch korrigiert werden. Ich habe nach dem Lesen des Artikels die Anführungsstriche beim antifaschistischen Widerstand sofort entfernt. Weitere Korrekturen werden folgen. Mein Rat: Man sollte sich in einem solchen Falle einmischen!

Peter Franz, Weimar


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In der Leserrubrik des RF 157 bat Gerhard Masuch aus Leipzig um Meinungsäußerungen zur Leiharbeit. Ohne für die große Leserschaft sprechen zu können, möchte ich auf Bertolt Brechts "Lied vom Flicken und vom Rock" verweisen:

"Wir brauchen nicht nur den Arbeitsplatz
Wir brauchen die ganze Fabrik
Und die Kohle und das Erz
Und die Macht im Staat.
So, das ist, was wir brauchen.
Aber was
Bietet Ihr uns an?"

Walter Drexler, Berlin


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Zum Glück erhalte ich seit einigen Jahren den RF, den ich immer mit Spannung erwarte. In der Februar-Ausgabe irritierten mich Aussagen im Beitrag Fritz Dittmars zur Hamburger Schulreform. Dort heißt es, viele Bürger der Hansestadt seien nicht zur Abstimmung gegangen, weil sie "andere Sorgen haben, z. B. Hartz IV". Solche Betroffenen sind häufig politisch dumm. Damit mich keiner falsch versteht: Wir - meine Frau und ich - sind seit 2006 selbst in der schmachvollen Lage, ALG II erbetteln zu müssen.

Doch unsere Verhaltensweise ist der im Artikel beschriebenen Einstellung diametral entgegengesetzt. Auch wir haben Geldsorgen und sind all den anderen sozialen Grausamkeiten ausgesetzt, gehören jedoch deshalb keineswegs zu den Nichtwählern, "Bild"-Lesern, Dschungelcamp-Sehern und Konsumenten anderen Schwachsinns.

F. D. verfällt in ein Klischee, das so nicht stimmt. Man darf nicht alle ALG-II-Empfänger grundsätzlich in Schutz nehmen, nur weil sie von der bürgerlichen Gesellschaft verunglimpft werden. Es gibt auch hier die einen und die anderen.

Bernd Pauli, Leipzig


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Die Februar-Nr. des RF ist - wie eigentlich jede Ausgabe - von der ersten bis zur letzten Seite Lektüre zum Verschlingen.

Siegfried R. Krebs, Legefeld


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Ich nehme Bezug auf Monika Kaufs Leserbrief im RF 157 und bitte gegen Bezahlung um Übersendung von zwei bis drei Einkaufsbeuteln mit dem Aufdruck des "RotFuchs"-Symbols.

Herbert Settele, Augsburg


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Ich möchte mich den vielen positiven Einschätzungen zur Zeitschrift anschließen. Der RF hat sich weiter gemausert, das Niveau steigt kontinuierlich, ich mußte seltener als vor Jahren mit den Augen rollen. Dennoch gibt es nach meinem Dafürhalten Verbesserungsbedarf.

Ihr bringt im Blatt kaleidoskopartig allerhand "durcheinander", was auch Charme hat und gewiß den Lesererwartungen entspricht. Damit gerät vieles von vorgestern und gestern in die Spalten, aber nach meinem Ermessen zu wenig Zukünftiges. Aus etlichen Einsendungen resultiert ein "unübersichtlicher" Anhang aus Leserzuschriften, gewiß oft interessant, aber nicht genügend sortiert und "weiterführend", weil maßgebliche Meinungen nicht ausdiskutiert werden können. Gewiß ist das ein Problem jeder Monatszeitschrift, Euch bekannt und kaum lösbar.

Hans-Joachim Wagner, Berlin


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Bei einem kurzen Telefonat mit Genossen Wolfgang Dockhorn erfuhr ich, daß sich jeden Monat etwa 40 Genossinnen und Genossen aktiv am Versand unseres RF beteiligen. Natürlich ehrenamtlich. Ich stifte ihnen 200 Euro als Anerkennung für eine kleine Kaffeetafel. Das Versandgeschäft ist jeden Monat mit einem großen Kraftaufwand verbunden und bedarf deshalb auch einmal einer solchen Würdigung.

Hinrich Siedenschnur, Wismar


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Im RF 157 las ich den Artikel "In die Stille gerettet" und wurde erneut schmerzlich daran erinnert, daß sich auch meine Tochter mit ihrer Familie, also mit Mann und zwei Söhnen, nach dem Rücksturz in die Vergangenheit in die Stille der schwedischen Wälder absetzte. Sie schrieb mir im September 1993, ihr Mann sei mit den Kindern und beiden Großmüttern nach Schweden gefahren, um dort ein Holzhaus zu erwerben.

"Wir haben kein gutes Gefühl in diesem Deutschland und denken, wir halten es hier nicht mehr lange aus", fügte sie dem hinzu. Meine Tochter lebte 30 Jahre in der DDR und hat das Dasein nach dem Anschluß ihres Landes an einen ihr fremden Staat nicht mehr ertragen wollen.

Günther Stegner, Ilsenburg/Harz


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Im Februar-RF nimmt Wolfgang Mäder zur Illusion vom klassenneutralen "Überrecht" Stellung. Sein Fazit, daß das Recht in jeder Gesellschaftsordnung Klassencharakter trägt, dürfte eigentlich für Linke kaum eine Neuigkeit sein. Ich vermisse in dem Beitrag aktuelle Gedanken und Anregungen, konkrete Bezugspunkte und überzeugende Beispiele. Ich höre förmlich die Gegenseite fragen: "Na, Herr Mäder, Sie behaupten, wer die politische Macht und die Medien habe, besitze auch die 'Lufthoheit über die Köpfe'. In der DDR hatten Sie doch die politische Macht und auch die Medien auf Ihrer Seite. Was ist mit Ihrer 'Lufthoheit' passiert?"

Natürlich achte ich das Bemühen Wolfgang Mäders und weiß auch um den Klassencharakter des bürgerlichen Rechts. Sinnbildlich hat der Autor hier jedoch "Zucker auf eine Honigstulle" gestreut. Ein solches Herangehen hat uns schon einmal den Unmut der Bevölkerung eingebracht. Jede Ungeschicklichkeit unsererseits verwandelt der Gegner sofort in Munition für sein Sperrfeuer. Anregender fand ich den Beitrag von Erwin Mitzkat aus Teterow. Er beschreibt am konkreten Beispiel, wie man im Alltag wenigstens Nachdenklichkeit hervorrufen kann.

Hans-Jürgen Schmidt, Neubrandenburg


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Vor etwa drei Jahren veröffentlichte der RF eine Leserzuschrift, in der ich um Unterstützung für ein von mir ins Auge gefaßtes Buch über die GST bat. Inzwischen liegt genügend Material vor. Nun suche ich einen Idealisten, der bereit ist, sich ohne Honorar als Autor zur Verfügung zu stellen. Ein Vertrag mit dem Helios-Verlag in Aachen liegt schon vor.

Meine Adresse lautet: Am Mühlfeld 2, 01744 Paulsdorf

Guntram König, Paulsdorf


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Lieber Genosse Ott, daß Du in Deiner Zuschrift (RF 157) zu den willkürlich herabgesetzten Renten von DDR-Spitzenfunktionären eine hypothetische Rechnung aufmachst, ist natürlich Deine Sache. Doch das hilft den Betroffenen nicht weiter. Weil die BRD als makelloser Rechtsstaat dastehen will, muß sie auch durch die Strafrentner und alle solidarisch mit ihnen Verbundenen zu einem entsprechenden Verhalten gezwungen werden. Alle zur Verfügung stehenden Mittel sind dabei zu nutzen.

Helmut Holfert, Berlin


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Als Louis Armstrong mit seinen "All Stars" am 24. März 1965 in Leipzigs Messehalle 3 gastierte, befand ich mich unter den 4000 Zuhörern. Satchmo live für 16 M! Den Liebhabern seines Musikstils bereitete er ein unvergeßliches Erlebnis. Wir saßen dichtgedrängt auf langen Holzbänken. Die Stimmung war großartig. Viele Studenten aus afrikanischen Ländern stellten sich spontan auf die Bänke. Begeistert dankten alle Louis Armstrong. Auch das war ein Stück Wirklichkeit der DDR!

Heinz Ulrich, Greiz


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Wenn von der Landwirtschaftspolitik eines primär auf Profit ausgerichteten Staates die Rede ist, dann bleiben gegensätzliche Meinungen natürlich nicht aus. Zwischen den Agrarkonzernen und Großgrundbesitzern auf der einen und den werktätigen Bauern auf der anderen Seite spitzt sich ein erbitterter Konkurrenzkampf zu, wobei die Stadtbevölkerung den Glauben an gesunde Lebensmittel immer mehr verliert.

Bei der Berichterstattung über die jüngsten Dioxin-Skandale sollte der irrige Eindruck erweckt werden, daß nach wissenschaftlichen Kriterien und Erfordernissen gestaltete industriemäßige Anlagen für die entstandene Situation ursächlich verantwortlich seien, obwohl Futtermittelbetriebe ihre Lieferungen mit giftigen Zusatzstoffen versetzt hatten.

Solche Manipulationen sind bekanntlich keineswegs neu. Kosten, Preise und Gewinne spielen bei diesem moralischen Absturz die entscheidende Rolle. Im nichtprofitorientierten Land der Bodenreform und der sozialistischen Genossenschaften, also in der DDR, wäre so etwas völlig ausgeschlossen gewesen. Beim Dioxinskandal handelt es sich ganz offensichtlich um ein mit dem Kapitalismus verbundenes Phänomen, weit weniger um ein individuelles Verbrechen, obwohl auch dieses hier zur Debatte steht.

Hans Nieswand, Potsdam


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"Pressefreiheit" komme "in der westlichen Demokratie" ohne Zensur aus, Dafür veröffentliche sie nur das , was die Besitzer und Sponsoren der Medien erwarteten, schrieb Dr. med. Gerd Machalett im RF 157. Da kann ich ihm nur beipflichten. Ich würde allerdings hinzufügen, daß auch die politischen Erfüllungsgehilfen der Magnaten ein gehöriges Wort mitreden.

Seit geraumer Zeit stelle ich als Einsender von Meinungsäußerungen zu jeweils aktuellen Themen der Politik oder Einsprüchen gegen Verfälschungen deutscher Geschichte fest, daß kritische Stimmen zum Medien-Mainstream nicht erscheinen, sondern in den Papierkorb wandern oder - unterstellt - "ganz woanders" landen. Blätter, die sich "Freies Wort" oder "Volksstimme" nennen, bilden dabei keine Ausnahme.

Gert Thiede, Suhl


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Nach verlorenen Jugendjahren und verhängnisvollem Kriegseinsatz in der faschistischen Wehrmacht drängen sich mir kurz vor meinem 85. Geburtstag erlebnis- und gegenwartsbezogene Gedanken auf.

Die Bundeswehr führt abermals Krieg in Ländern, von denen die BRD niemals bedroht worden ist. Sie tut das in verwerflicher Fortsetzung übelster Traditionen ihr vorausgegangener deutscher kapitalistischer Armeen als Interessenverfechterin eigener Ziele, wobei sie zugleich als Satellit der imperialistischen Hauptmacht für deren Profit-, Einfluß- und Rohstoffinteressen agiert. An ihren Fahnen klebt wieder Blut!

Nachdenkliche Überlebende des 2. Weltkrieges wie ich gelangen dabei zu dem Schluß: Geändert haben sich bei Deutschlands kriegerischen Militäreinsätzen lediglich die Umstände, die Begründungen und die Verfahrensweisen, nicht aber Inhalte und Ziele.

Arndt Näser, Riesa


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Seit mehreren Jahren bin ich Mitglied im RF-Förderverein. Wie viele vor mir muß ich sagen, daß ich hier nach der Konterrevolution und anfänglicher Verzweiflung eine neue Heimat gefunden habe. Die Artikel unserer Zeitschrift veranlassen mich immer wieder, Veröffentlichungen in anderen Medien zu analysieren und im Verwandten- und Bekanntenkreis zu diskutieren. Dabei ist es - ehrlich gesagt - nicht immer leicht, die Oberhand zu behalten, sofern man sich nicht tiefgründiger mit der jeweiligen Materie beschäftigt hat.

Major a. D. Dietmar Hänel, Flöha


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Ich habe dem Vorstand der Partei Die Linke und der PDL-Bundestagsfraktion vorgeschlagen, am diesjährigen 13. August bei keinerlei Gedenkveranstaltungen anläßlich des 50. Jahrestages der DDR-Grenzsicherung - vom Gegner auch "Mauerbau" genannt - irgendwelche Kränze niederzulegen. Statt dessen sollten die Gelder zur Unterstützung der Familien von Afrikanern und Asiaten verwendet werden, die zu Tausenden an den "Außengrenzen" der EU auf dem Mittelmeer und im Atlantik ums Leben gekommen sind.

Hans Schneider, Erfurt

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Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

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RotFuchs Nr. 159, 14. Jahrgang, April 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2011