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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1326: Wer verdient an den Milchpreisen?


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10 - Oktober 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Wer verdient an den Milchpreisen?
Milchbauern kämpfen um höhere Erzeugerpreise

Von Boris Schultz


Weil die Milchquote angehoben, somit das Angebot erhöht wurde, erhalten die Bauern weniger Geld für die von ihnen erzeugte Milch. Von dem, was die Milch im Laden kostet, geht nicht einmal die Hälfte an die Bauern. Den Rest streicht der Handel ein.


In den letzten Monaten sind die Milchpreise wieder drastisch gefallen. Bei den Discountern kostet der Liter Milch derzeit 0,48 Euro. Vor ein paar Monaten waren es noch 0,55 Euro. Das steht in keinem Verhältnis zum Bedarf der ErzeugerInnen: Sie erhalten teilweise nur 0,19 bis 0,20 Euro je kg Milch. Zum Überleben brauchen die LandwirtInnen jedoch Preise von 0,38 bis 0,40 Euro je kg. Da stellt sich die Frage: Wo bleibt der Rest vom Geld, und wer profitiert von den niedrigen Preisen?

Der Preis, der an die LandwirtInnen gezahlt wird, ist abhängig von der Qualität der Milch. Eine wichtige Rolle dafür spielen der Eiweiß- und Fettgehalt sowie die Keimzahl (die Anzahl der Bakterien) und die Zellzahl (die Anzahl der Blutzellen; der Wert erlaubt einen Rückschluss auf die Gesundheit des Euters). Die derzeitigen 0,19 bis 0,20 Euro pro kg Milch sind der Grundpreis bei einem Fettanteil von 3,7%, einem Eiweißanteil von 3,4% sowie einer Keimzahl von 100.000 Einheiten pro Milliliter Milch und einer Anzahl somatischer Zellen von 400.000 pro Milliliter Milch.

Es wird immer ein hoher Eiweiß- und Fettanteil sowie eine niedrige Keim- und Zellzahl angestrebt. Dementsprechend gibt es einen Zu- bzw. einen Abschlag. Die Werte für die Keim- und die Zellzahl dürfen jedoch einmal in zwei aufeinander folgenden Monaten überschritten werden.

Entscheidend für den Milchpreis sind aber auch Angebot und Nachfrage. Derzeit ist die Nachfrage eher niedrig. Das Angebot wird durch die Erhöhung der Milchquote noch künstlich erhöht. Um möglichst hohe Einnahmen zu haben, produzieren die BäuerInnen mehr Milch, um die neue Milchquote auch auszunutzen. Dadurch werden die Preise noch weiter sinken, und die Bäuerinnen und Bauern erhalten noch weniger Geld für ihr Produkt. Mit der Abschaffung der Milchquote bis zum Jahr 2015 wird sich die Situation noch verschärfen. Dann werden die Bauern versuchen, mit den vorhandenen Produktionsmitteln (Kuh, Futter, Geräte, Arbeitskraft usw.) soviel qualitativ hochwertige Milch aus der Kuh zu bekommen, wie nur irgend möglich ist, um ihre Einnahmen zu steigern.

Das ist natürlich mit gesundheitlichen Risiken und anderen negativen Auswirkungen verbunden. Um viel Fett in die Milch zu bekommen, braucht die Kuh besonders reichhaltiges Futter. Entweder führt dies zu höheren Futterkosten, die die Bäuerinnen nicht zahlen können, oder es wird vermehrt Billigfutter aus den Ausland, vornehmlich sojareiches Futter, eingesetzt. Dadurch verschärfen sich die bekannten Probleme im Süden. Um die Keim- und Zellzahl möglichst gering zu halten, werden vermehrt Antibiotika eingesetzt. Bis die Milch in Verkehr gebracht wird, ist zwar eine vom Produkt abhängige Wartezeit einzuhalten, aber negative gesundheitliche Auswirkungen durch die Rückstände sind dennoch zu erwarten. Außerdem haben die Melker Lohneinbußen zu befürchten. Schon jetzt wird EU-weit zu viel Milch produziert. Durch die Abschaffung der Milchquote wird sich die Situation noch verschärfen. Die überschüssige Milch wird in Form von Milchpulver mit Hilfe von Exportsubventionen in die Länder des Südens exportiert, macht die einheimischen Preise kaputt und nimmt den BäuerInnen die Lebensgrundlage.

Es ist falsch, den Molkereien die alleinige Schuld für die niedrigen Preise zu geben. Es lässt sich zwar nicht recherchieren, wie viel von dem Preis, den die KundInnen den Discountern zahlen müssen, an die Molkereien geht, und wieviel bei den Discountern bleibt. Sicher ist aber, dass Letztere den Preis diktieren und die Molkereien geringen Einfluss darauf haben. Das gilt für die genossenschaftlich organisierten Molkereien. Private Molkereien wie Bauer oder Müller haben gar keine Lieferverträge mit den Bäuerinnen, denen sind die Milchpreise immer noch zu hoch. Die privaten Molkereien werden von den genossenschaftlichen Molkereien beliefert.

Dennoch haben auch die Molkereien eine Mitschuld. Sie müssen teilweise enorme Abfindungen an ehemalige Mitarbeitern von übernommenen kleineren Molkereien zahlen. Diese Kosten werden an die BäuerInnen in Form von niedrigeren Milchpreisen weitergegeben. Auch wird in Regionen, wo noch Konkurrenz unter den Molkereien besteht, um 0,01 bis 0,02 Euro je Kilogramm Milch mehr gezahlt als dort, wo eine Molkerei eine Monopolposition innehat. Es ist zu befürchten, dass durch ein weiteres Zusammengehen von Molkereien der Faktor der Marktbeherrschung bei der Preisgestaltung weiter zunimmt.

Nachdem in Frankreich die Milchbauern in einen Lieferstopp getreten sind, haben sich ihnen Bauern aus Belgien, Österreich, der Schweiz und auch aus Deutschland angeschlossen. Am 15. September versammelten sich Milchbauern vor deutschen Molkereien zu einer Kundgebung unter dem Motto "Macht eure Milch selbst" und luden wertvolles Grünfutter ab. Am selben Tag erklärten auch größere Betriebe mit 700 bis 1.100 Kühen in Ostdeutschland, sich an einem Lieferstopp zu beteiligen. In Frankreich sind derzeit mindestens 50% der Betriebe im Lieferstopp. Die Bauern verdienen jegliche Unterstützung in ihrem Kampf um faire Milchpreise.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10, 24.Jg., Oktober 2009, Seite 9
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2009