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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1786: EEG-Soli statt EEG-Umlage


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12 - Dezember 2013
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

EEG-Soli statt EEG-Umlage
Verteilungsgerechtigkeit und Energiewende

Von Birger Scholz



Die Verbindung der ökologischen mit der sozialen Frage, Standardforderung aller Linken, ist kein Selbstläufer. Dies zeigt das Scheitern des Berliner Energie-Volksbegehrens.


Im westlichen Spandau und im östlichen Marzahn-Hellersdorf, beides Bezirke mit Hochhaussiedlungen und sozialen Brennpunkten, erhielt das Volksbegehren die geringsten Zustimmungswerte. Das erfolgreiche Wasser-Volksbegehren hingegen warb mit sinkenden Wassergebühren und konnte in beiden Bezirken das nötige Quorum erreichen.

Ein Blick in die Programmatik des Energietisches bietet Anhaltspunkte für das Scheitern. Zwar wurde versprochen, dass das neue Stadtwerk die "Energiewende sozial gestalten" werde, doch bei Lichte betrachtet war das Versprechen vage. Stromsperren sollten vermieden und die Anschaffung energieeffizienter Haushaltsgeräte gefördert werden. Keine Rolle spielte die Frage, ob der ökologische Strom der neuen Stadtwerke günstiger sein würde als der Kohle- und Atomstrom von Vattenfall (was in einem liberalisierten Strommarkt kaum realisierbar ist). Auch die Forderung nach einer Rekommunalisierung des Stromnetzes wurde nicht sozial eingebettet. Ein Anknüpfungspunkt hätte sein können, die Netzgebühren dadurch sinken zu lassen, dass sich das Land Berlin günstiger refinanziert und auf Gewinnabführungen verzichtet.

Da in der medialen Kommunikation die soziale Komponente hinter die ökologische Intention zurücktrat, begeisterten sich in erster Linie ökologisch orientierte Mittelschichten für das Volksbegehren. Nichtakademische Geringverdiener sahen offenkundig kaum Vorteile. Vielleicht spürten sie auch, dass ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt wurde. Denn umfangreiche Investitionen ins Berliner Netz, um dezentralen Strom aus erneuerbaren Energien aufzunehmen und auch zu speichern - wie sie das Volksbegehren gefordert hat - können die Netzumlage schnell in die Höhe treiben.


Das EEG produziert eine soziale Schieflage

Technologischer Wandel erfordert hohe Investitionen, das ist eine simple Erkenntnis. Bei den Erneuerbaren Energien (EE) sind hohe Subventionen nötig, damit sie einen Effizienzgrad erreichen, der ihnen erlaubt, am Markt zu bestehen. Durch die EE-Subventionen stieg der Anteil der - überwiegend dezentral installierten - Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in nur zehn Jahren von 7,8% (2002) auf 22,9% (2012). Über 40 Länder haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Vorbild für eigenen Regelungen genommen.

Es gibt daher gute Gründe, grundsätzlich am bewährten Subventionsmechanismus fest zu halten, gäbe es nicht die Kehrseite dieser Erfolgsgeschichte: Zwischen 2002 und 2014 stieg die EEG-Umlage pro Kilowattstunde von 0,41 Cent auf 6,24 Cent. Würde diese Umlage, wie alle anderen Subventionen auch, aus dem Staatshaushalt getragen (wie früher beim Kohlepfennig), liefen die Versuche der niedergehenden Strom-Oligopolisten, die EEG-Umlage anzugreifen, in Wahrheit aber die Energiewende zu meinen, ins Leere.

Stattdessen fällt die Kampagne bei der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Denn die steigende EEG-Umlage vergrößert die verteilungspolitische Schieflage. Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass bei einer EEG-Umlage in Höhe von 5,3 Cent (die hierauf bezogene Umsatzsteuer ist nicht einmal berücksichtigt) die ärmsten 5% der Bevölkerung 1,24-1,52% ihres Nettoeinkommens dafür ausgeben, die reichsten 10% hingegen nur 0,25-0,28%. Und das, obwohl die reichsten 10% pro Kopf mehr Strom verbrauchen als die ärmsten 5%.

Um diese regressive Verteilungswirkung abzumildern, schlägt das DIW u. a. die Ermäßigung der Stromsteuer durch einen Grundfreibetrag vor. Das Problem: Ein Freibetrag würde alle Haushalte, auch die Besserverdienenden, entlasten. Zudem kann nicht zwischen den Haushaltsgrößen unterschieden werden. Eine einkommensarme Familie mit drei Kindern wäre deutlich schlechter gestellt als ein vergleichbarer Singlehaushalt.

Die Linkspartei fordert ein kostenloses Grundkontingent an Strom und einen daran anschließenden progressiven Tarifverlauf. Soll dies vorrangig den kinderreichen Familien zugute kommen, muss das Grundkontingent an die Haushaltsgröße gekoppelt werden. Die Haushaltsgrößen müssten jährlich festgestellt werden. Zudem müsste berücksichtigt werden, ob die Warmwasseraufbereitung oder die Heizung per Strom erfolgt. Der bürokratische Aufwand wäre enorm, würde im Zweifel die Gerichte beschäftigen und auch zu massivem Missbrauch einladen. Und eine Umverteilungswirkung zwischen den Klassen fände auch nicht statt.


Wie wirkt der EEG-SoIi?

Die ehemalige Linksfraktion im Landtag NRW hat daher 2011 ein alternatives Modell, den EEG-Soli, entwickelt. Diese Forderung wurde von der Landespartei in das NRW-Landtagswahlprogramm 2012 übernommen. Dort heißt es: "Die Kosten der anstehenden Energiewende (Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und Netzausbau) müssen entprechend dem Vorbild des Solidaritätszuschlags nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip steuerfinanziert werden. Es kann nicht angehen, dass die alleinerziehende ALG-II-Empfängerin in Gelsenkirchen die Solaranlage des Professors in Heidelberg finanziert."

Die Idee dahinter: Als Jahrhundertprojekt und gesamtgesellschaftliche Aufgabe darf die Energiewende nicht durch Umlagen, also verkappte Verbrauchssteuern, finanziert werden. Der Solidaritätszuschlag, der als Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld erhoben wird, hat den Vorteil, dass die progressive Wirkung des Einkommensteuertarifs genutzt wird. Wer kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, ist von der Steuerpflicht ausgenommen. Da beim EEG irgendwann der Gipfel der Förderung mit zunehmender Wettbewerbsfähigkeit erreicht wird und die Subventionen dann unweigerlich auslaufen, würde auch der EEG-Soli, dessen Steuersatz regelmäßig im Rahmen des Jahressteuergesetzes angepasst würde, sukzessive auslaufen. Er wäre die erste automatisch auslaufende Steuer.

Auf Basis einer EEG-Umlage in Höhe von 5 Cent ergibt sich unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer ein Finanzierungsbedarf von etwa 18-19 Mrd. Euro. Um diesen Betrag aufzubringen, müsste ein EEG-Soli in Höhe von 7% erhoben werden. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat die jährliche Belastung vor und nach Einführung eines EEG-Soli berechnet. Für die ärmsten 10% der Bevölkerung würde die jährliche Belastung von 129 auf 2 Euro sinken. Für die obere Hälfte der Einkommensbezieher beginnt mit 31 Euro die Belastung zu steigen, für die reichsten 10% steigt sie auf 1076 Euro im Jahr (von 0,22% auf 1,43% des Einkommens). In der Gruppe der Alleinerziehenden sinkt die EEG-Belastung von 0,74% auf 0,33% des Einkommens.

Sollte zudem etwa die Körperschaftsteuer erhöht werden, würde die Belastung für natürliche Personen automatisch sinken, weil die Belastung für Kapitalgesellschaften stiege. Die Zusatzkosten für den Netzausbau und für mögliche Reservekraftwerke bzw. Kapazitätsmärkte, die sich in höheren Netzentgelten niederschlagen, sind bei diesen Berechnungen nicht berücksichtigt.

Die Verteidiger der EEG-Umlage verweisen darauf, dass die Nettokosten des EEG geringer seien, weil der preisdämpfende Effekt des EEG-Stroms (Merit-Order) in Rechnung gestellt werden müsse. Das ist prinzipiell richtig, doch wird der Merit-Order-Effekt von den Lobbyisten meist zu hoch angesetzt und beispielsweise unterschlagen, dass dieser mittlerweile über den Stromexport die Preise im Ausland drückt. Auch könnten und sollten die Befreiungen für die Industrie reduziert werden, obgleich sie teilweise, etwa in der Aluminiumproduktion oder bei Kupferhütten, unerlässlich sind, soll die Produktion rentabel bleiben.

Die Idee eines EEG-Soli bleibt der bisher einzige umsetzbare Politikvorschlag, der die Kosten der Energiewende nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit verteilt und die Einheit von Umwelt- und Sozialpolitik wiederherstellt.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12, 28. Jg., Dezember 2013, S. 15
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2014