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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2144: EWF statt IWF?


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 5 · Mai 2017
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

EWF statt IWF?
Die Eurozone soll einen Europäischen Währungsfonds bekommen

von Angela Klein


Finanzminister Schäuble hat sich bei Angela Merkel durchgesetzt: Die Eurozone soll einen Europäischen Währungsfonds bekommen, der anstelle des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Fall von Staatsüberschuldung und Finanzkrisen einspringt.


Aus der Sicht Schäubles war ein Pferdefuß bei den Diskussionen um sog. «Rettungspakete» für Griechenland immer der gewesen, dass die zuständigen EU-Institutionen und der IWF nicht an einem Strang zogen: Während die EU-Institutionen unter dem Druck der Bundesregierung einen Schuldenschnitt für Griechenland stets ablehnten, hielt der IWF eine Sanierung der griechischen Haushalte ohne einen solchen immer für unmöglich. Merkel hingegen erhoffte sich von der Intervention des IWF, dieser werde dabei helfen, dass die griechische Regierung «die richtigen Reformen» anpackt.

Nun heißt es, Schäuble habe «Merkel überzeugen können, künftige Krisen ohne den IWF zu bewältigen» (Süddeutsche Zeitung vom 24. April). Wie hat man sich das vorzustellen und was bedeutet das?

Schäubles Vorstellungen stützen sich auf eine Blaupause der Bundesbank aus dem Sommer 2016. Demnach können die Staaten, die den Euro als Währung haben, Staatsanleihen künftig nur aufnehmen, wenn sie die Klausel beinhalten, dass die Gläubiger im Falle einer Überschuldung des Landes auf einen Teil ihrer Rendite verzichten. Kommt ein Land in Zahlungsschwierigkeiten und beantragt einen Überbrückungskredit, würde sich die Laufzeit der Staatsanleihen um drei Jahre verlängern. Zeichnet sich dann ab, dass die Zahlungsschwäche nicht vorübergehend ist, sondern strukturell bedingt, gibt es einen Schuldenschnitt, an dem die Gläubiger beteiligt werden.

Wenn solches jedoch droht, ist klar, dass die Fähigkeit eines Staates, sich auf dem Kapitalmarkt Geld zu besorgen, ausgetrocknet wird. Zugleich soll der EWF die Zuständigkeit haben, Staaten die Menge der Anleihen, die sie aufnehmen können (im wesentlichen das Geld, das sie von Banken leihen können) vorzuschreiben bzw. eine Höchstgrenze dafür festzulegen.


Wer die Musik bezahlt...

Setzt sich Schäuble mit diesem Vorschlag durch, wird der Staatshaushalt eines Eurolands nicht mehr allein durch die möglichen Zinsspreads in die Zange genommen - also die Höhe der Zinsen, die ein Staat für seine Anleihen zu zahlen hat und die je nach der Glaubwürdigkeit seiner Zahlungsfähigkeit höher oder niedriger ausfallen können, obwohl die Währung dieselbe ist, nämlich der Euro. Im Fall seiner strukturellen Überschuldung fällt er sofort unter das Diktat des Europäischen Währungsfonds und hat keine Möglichkeiten mehr, sich unabhängig Geld zu verschaffen - es sei denn, er steigt aus dem Euro aus.

Bisher galt der Satz: Um eine Währungsunion erfolgreich betreiben zu können, bedarf es auch einer gemeinsamen Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Eine solche haben die konservativen Parteien in Europa - allen voran die deutschen Bundesregierungen - stets vehement abgelehnt. Schäubles Vorschlag, einen EWF zu gründen, nimmt sich nun als Versuch aus, die Ungleichgewichte zwischen den Ökonomien der Mitgliedstaaten in Schach zu halten, ohne politische Anstrengungen zu unternehmen, deren Wirtschaftsleistung tatsächlich anzugleichen. Er hat aus seiner Sicht zudem den Vorteil, dass die Überwachung der nationalen Haushalte nicht mehr allein das Geschäft der EU-Kommission ist, der die Bundesregierung zutiefst misstraut, weil sie sich gegenüber den Schuldnerländern zu nachgiebig zeige und sie nicht genügend zu den Spardiktaten dränge.

Die Bundesregierung kann der EU-Kommission diese Zuständigkeit aber nicht förmlich entziehen, weil dazu eine Änderung der Verträge nötig wäre. Da erscheint der EWF als eine elegante Umgehung dieser Schwierigkeiten. Nicht verwunderlich ist daher, dass der Plan auch die Unterstützung bisheriger Widersacher Schäubles wie des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann und des Direktors des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), Klaus Regling, findet.

Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist die Unterwerfung ökonomisch schwächerer Mitgliedstaaten unter das Diktat des EWF, der nur noch einen ganz dünnen Schleier über die deutsche Dominanz wirft.

Denn alles würde davon abhängen, wer in den EWF einzahlt und wer in ihm bestimmt. Beim IWF ist es so, dass - anders als in der UNO-Vollversammlung - nicht jeder Staat eine Stimme hat, sondern der Stimmanteil eines Staates sich nach seinen Kapitaleinlagen richtet. Da die USA die meisten davon halten, haben sie im IWF auch das Sagen. Wird der EWF nach demselben Muster konstruiert, ist das deutsche Diktat über die europäischen Ökonomien perfekt - ganz ohne Krieg und Besatzung.

Eine solche EU hat selbst mit dem bürgerlichen Grundgedanken der europäischen EInigung nichts mehr zu tun. Dagegen ist Widerstand angesagt - und wenn man will, dass er in einem europäischen Geist geschieht, muss er vor allem von Deutschland selbst ausgehen. Eine Eurozone, die so konstruiert ist, ist mit jedweder sozial und politisch fortschrittlichen Politik nicht mehr kompatibel.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 5, 32. Jg., Mai 2017, S. 12
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2017

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