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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2329: Die deutsche Revolution im Dezember 1918 - Vorbereitung des Bürgerkriegs


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12 · Dezember 2018
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Die deutsche Revolution im Dezember 1918
Vorbereitung des Bürgerkriegs

von Manuel Kellner


Am zweiten Tag der deutschen Revolution vom 9. November 1918 war Friedrich Ebert vom scheidenden Reichskanzler Max von Baden zum Reichskanzler ernannt worden. Die Arbeiter- und Soldatenräte der Hauptstadt Berlin machten ihn sofort darauf zum Vorsitzenden des Rats der Volksbeauftragten, bestehend aus drei SPD- und drei USPD-Mitgliedern, und damit zum Regierungschef der Räterepublik.

Ebert verkörperte die Doppelherrschaft somit in seiner Person. Zusammen mit seinen engsten Mitstreitern arbeitete er zwar nicht offen, aber doch mit aller Kraft daran, die Räterepublik zu vernichten und die Herrschaft des Kapitals und des alten Staatsapparats zu sichern. Die Konflikte im Dezember zeigen, wie die damalige SPD-Spitze den Bürgerkrieg gegen die Revolution vorbereitete.

Vom ersten Tag an paktierte Friedrich Ebert insgeheim mit Wilhelm Groener von der Obersten Heeresleitung mit dem Ziel, eine sozialistische Umwälzung zu verhindern und von der Reichswehr und dem alten Staatsapparat zu retten, was zu retten ist. Es zeigte sich rasch, dass die in der Demobilisierung begriffenen Truppen nicht zuverlässig gegen die Massenbewegung eingesetzt werden konnten.


Angriff auf die Räte verfehlt

Der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte Berlins beschloss reichsweite Wahlen von Delegierten zum Ersten Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte am 16. Dezember in Berlin. Ebert und Groener planten, das mit zurückbeorderten Fronttruppen zu verhindern. Am 6. Dezember versuchte eins der Regimenter verfrüht, den Vollzugsrat zu verhaften, schoss in einen unbewaffneten Demonstrationszug der "Roten Garden", die dem Spartakusbund nahestanden, und tötete dabei 16 Menschen. Der Schlag gegen den Reichrätekongress scheiterte jedoch daran, dass die meisten Soldaten nach Kriegsende einfach nur nach Hause und mit ihren Familien Weihnachten feiern wollten.

Am 19. Dezember stimmte der Rätekongress mit großer Mehrheit für den Regierungsbeschluss, so bald wie möglich Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung durchzuführen, was freilich einer Selbstentmachtung der Räte gleichkam.

Doch bevor die Berliner Massen Weihnachten feiern konnten, zeigte der Konflikt mit der eigentlich regierungstreuen, aber unbotmäßig gewordenen Volksmarinedivision erneut den Willen der Regierung, gegen die Revolutionskräfte vorzugehen, die sie offiziell doch repräsentierte, aber auch die Untauglichkeit der Truppen zu gegenrevolutionären Angriffen. Am 24. Dezember gelang es Matrosen mit Hilfe herbeigeströmter Arbeiter, den Schlag gegen sie zu vereiteln. Am 29. Dezember traten die drei USPD-Mitglieder aus dem Rat der Volksbeauftragten aus.

Die damaligen Aufrufe und Plakate gegen den "bolschewistischen" Spartakusbund - dieser diente der Reaktion ungeachtet seines begrenzten politischen Einflusses und aller politischen Differenzierungen in der radikalen Linken als Buhmann und Vogelscheuche - hetzten ungeschminkt zur Gewalt. Die sozialdemokratische Presse sekundierte und unterstellte Spartakus, die linken Kräfte zu spalten und überdies für Gewalt und Terror zu stehen.

Am 14. Dezember 1918 war in der Roten Fahne des Spartakusbunds der Entwurf des Parteiprogramms der KPD von Rosa Luxemburg unter der Überschrift "Was will der Spartakusbund?" zu lesen. Darin heißt es:

"Die proletarische Revolution bedarf für ihre Ziele keines Terrors, sie hasst und verabscheut den Menschenmord. Sie bedarf dieser Kampfmittel nicht, weil sie nicht Individuen, sondern Institutionen bekämpft, weil sie nicht mit naiven Illusionen in die Arena tritt, deren Enttäuschung sie blutig zu rächen hätte. Sie ist kein verzweifelter Versuch einer Minderheit, die Welt mit Gewalt nach ihrem Ideal zu modeln, sondern die Aktion der großen Millionenmasse des Volkes, die berufen ist ... die geschichtliche Notwendigkeit in Wirklichkeit umzusetzen."


Buhmann Spartakus

Der Spartakusbund rief im Dezember zu vielen Demonstrationen und Aktionen auf. Der Zulauf zu ihnen aus den Reihen der Arbeitenden wurde immer größer. Die Redner und Rednerinnen des Spartakusbunds, allen voran Karl Liebknecht, waren umjubelt. Im Gegensatz dazu war sein Einfluss in den Räten minimal. Er war auch nicht in der Lage, die von ihm mobilisierten Massen politisch-organisatorisch zu orientieren - immer wieder kam es zu unkontrollierten Minderheitsaktionen, die ihrerseits die Hetze gegen Spartakus befeuerten. Parallel zu den Aktionen und Zusammenstößen auf der Straße liefen komplizierte Klärungsprozesse innerhalb der USPD-Linken und der revolutionären Kräfte, die Ende Dezember zur Gründung der KPD führten.

Unter der Ägide von Gustav Noske von der SPD-Führung und den Spitzen der Reichswehr wurde derweil mit Feuereifer daran gearbeitet, aus der Demobilisierung von Soldaten die Freikorps als neuen zuverlässigen Rammbock der Konterrevolution zu schmieden. Ende Dezember dürften rund um Berlin bereits 80.000 Bewaffnete gestanden haben, eingeschworen, dem Reichspräsidenten Ebert zu dienen und allen revolutionären Massenbewegungen und letztlich den Arbeiter- und Soldatenräten den Garaus zu machen.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12, 33. Jg., Dezember 2018, S. 16
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2018

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