Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

VORWÄRTS/599: Die Piraten sind los!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 29/30 vom 24. Juli 2009

Die Piraten sind los!

Von Marco Geissbühler


Eine internationale Bewegung fasst Fuss in der Schweiz: Am 12. Juli gründeten rund 120 Interessierte in Zürich die Piratenpartei Schweiz (PPS). Die PPS engagiert sich für die Rechte des Menschen in der Digitalen Welt. Der Vorwärts sprach mit Denis Simonet, ihrem Präsidenten, über die Ziele der Partei.


*


VORWÄRTS: Was sind die zentralen Anliegen eurer Piratenpartei?

DENIS SIMONET: Wir bauen auf drei Pfeilern auf: Erstens dem Schutz der Bürgerrechte: Uns sind die Bürgerrechte allgemein ein Anliegen, nur besteht momentan vor allem im Internet am meisten Handlungsbedarf, da dort Bürgerrechte besonders beschnitten werden. Zweitens wollen wir den freien Zugang zur Kultur fördern. Und drittens bekämpfen wir das bestehende Patentrecht. Patente dienen heutzutage meist dazu, Monopole zu zementieren - und Monopole sind sehr schädlich für unsere Gesellschaft.


VORWÄRTS: Inwiefern seht ihr denn die Bürgerrechte derzeit in Gefahr?

DENIS SIMONET: Vor allem im Bezug auf die Privatsphäre. Wir haben zwar gesetzlich eine Privatsphäre zugesichert. Durch die Überwachungsmöglichkeiten im digitalen Zeitalter ist diese aber zusehends bedroht. Ebenso die Freiheitsrechte, die wir haben. Es werden immer mehr Verbote erlassen, welche angeblich die Menschen schützen sollen, aber in Wirklichkeit überhaupt nichts nützen. Nehmen wir zum Beispiel das Killerspiel-Verbot: Hier müsste man doch zuerst die sozialen Probleme und Ursachen finden, bevor man unüberlegt ein Verbot erlässt. Oder beispielsweise der so genannte Hackerparagraf. Mit diesem will der Bund nun sämtliche Software verbieten, die allenfalls unter Umständen für böse Zwecke eingesetzt werden könnte. Das würde allerdings auch viele Programme betreffen, die gar nie geschaffen wurden, um jemandem zu schaden. Programme, die einen wichtigen Zweck erfüllen, beispielsweise in der Wissenschaft. Das könnte der ganzen Informatik-Branche immens schaden.


VORWÄRTS: Ihr setzt euch für freien Zugang zu Wissen und Kultur ein.

DENIS SIMONET: Der entscheidende Punkt ist, dass momentan Gesetze gemacht werden ohne Berücksichtigung des Konsumenten - und ohne Berücksichtigung der Realität. Man kann ja nicht einfach sagen: "Wir verbieten jetzt das Runterladen von Musik, Filmen und anderen Daten" - und in Realität wird es einfach trotzdem gemacht. Das ist doch keine Lösung. Ziel muss doch sein, dass Kunstschaffende Geld für ihre Werke bekommen, obwohl es Download-Möglichkeiten im Internet gibt. Derzeit versuchen der Gesetzgeber und die betroffenen Unternehmen, das Internet zu verdrängen. Eine vernünftige Lösung müsste aber die gesellschaftliche Realität, sowie die Interessen der Konsumenten und der Kunstschaffenden berücksichtigen.


VORWÄRTS: Was wären Eckpunkte für eine solche vernünftige Lösung?

DENIS SIMONET: Es gibt mehrere Ansätze, die in anderen Ländern bereits erarbeitet wurden. Bei uns ist derzeit eine Arbeitsgruppe zum Thema Urheberrecht daran, Vor- und Nachteile von jeder dieser Lösungen zu diskutieren. Das geschieht auch im Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern. Es ist unser Wunsch, dass sie hier auch mitreden und sagen, was sie überhaupt brauchen.

Eine mögliche Lösung könnte sich beispielsweise an "Jamendo" anlehnen. Das ist eine Internetplattform, wo Kunstschaffende online ihre Musik zur Verfügung stellen und alle können sie gratis unter einer "Creative Commons"-Lizenz herunterladen. Es ist jedoch beim Download immer ein Hinweis eingeblendet, dass man den Urhebern - falls möglich - freiwillig etwas bezahlen soll. Aufgrund der vielen Kunstschaffenden, die ihre Werke dort anbieten, scheint das gar nicht so schlecht zu laufen. Wenn man versuchen würde, eine Kompromisslösung zwischen dem jetzigen System und Jamendo zu finden, wäre das für alle Beteiligten sicher ein Gewinn. Aber es kann durchaus auch eine völlig andere Lösung sein. Wie gesagt, wir haben derzeit eine Arbeitsgruppe zum Thema Urheberrecht und ich möchte dieser nicht vorgreifen.


VORWÄRTS: Ihr bietet kein umfassendes Programm an. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, eine Interessengruppe zu gründen, statt einer Ein-Themen-Partei?

DENIS SIMONET: Die Idee war, mit unserer Partei in einem Bereich zu beginnen, in dem wir kompetent sind: dem ganzen Komplex "Digitale Welt". Damit sind wir aufgewachsen, hier wissen wir mehr als die meisten aktiven Politikerinnen und Politiker. Falls wir weitere Themen aufnehmen sollen, muss die Piratenversammlung (Vollversammlung aller Mitglieder und oberstes Organ der Partei - Anm. d. Red.) das beschliessen. Denn wir sind eine sehr basisdemokratische Organisation. Wir stehen als Partei erst am Anfang. Wie breit die Partei schlussendlich wird, hängt von den Wünschen unserer Mitglieder ab.


Weitere Infos: www.piraten-partei.ch


*


Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 29/30 - 65. Jahrgang - 24. Juli 2009, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch

vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-
reduziert (AHV, Studenten): Fr. 110.-


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2009