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VORWÄRTS/887: Binz bleibt, zke bleibt!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.01/02 vom 25. Januar 2013

Binz bleibt, zke bleibt!

Von der Redaktion



Die rasende Gentrifizierung greift um sich. Viele besetzte Häuser in der Stadt Zürich sind dieses Jahr von der Räumung bedroht. Darum: "Fire zum Ende der Zeit" in Solidarität mit den bedrohten Freiräumen der Stadt Zürich.


Am Freitag, dem 21. Dezember feierten rund 500 Personen im Garten der ehemaligen Farbenfabrik Labitzke (zke) in Zürich-Altstetten ein rauschendes Fest. Es wurden dabei vielfältige kulinarische, kulturelle und musikalische Gaben zelebriert. Nach dem Motto "Fire zum Ende der Zeit" gab es viel Brennendes und Feuriges - ein Piano und eine 3 Meter Phönix Skulptur wurden abgebrannt, dazu Feuershows und Feuerwerk. Unter dem Baldachin-Zelt gab es ein grosses Buffet und es spielten drei Bands, von ruhigem Folk über die unza-unza-Polka-Combo bis zu wütendem Hardcore. Weil die Polizei vom drohenden Weltuntergang abgelenkt war, liess sie das Fest trotz fehlender Bewilligung gewähren. Es kam zu zeitweise starken Schallemissionen, die bis in die "Autonome Zone Binz" zu vernehmen waren. Das Fest war Teil des Solidaritäts-Aktionsmonats für die von der Räumung bedrohte Binz.


Bedrohung der Freiräume

Auf einem Flugblatt wurde auf die Bedrohung der Binz, des Labitzke-Areals und anderer Freiräume in der Stadt Zürich durch die rasende Gentrifizierung hingewiesen: Die Welt ist noch da, aber die Stadt, die wir mögen, serbelt ab. Während Jahren haben wir sie mit kreativer Spannung belebt, mit Musik, Kunst, Aktionen und Gärten. Wir haben magische Momente gesetzt und dem Alltag ein Lächeln abgetrotzt. Wir haben Räume geöffnet, wo Menschen sich als solche finden konnten - egal ob gemietet, besetzt, genutzt - immer belebt. Die Treffpunkte, Netzwerke und Ideen, die wir schaffen, werden geschätzt. Mehr noch, sie werden in den Marketingprospekten der Immo-Konzerne und Standortförderer verwertet, als "Trendquartier", als Kult der Brachen, zur Dekoration der "work-life-balance".

Das bisschen Boden, dass wir noch haben, wird uns unter den Füssen weggezogen von Leuten, die zwar weder Plan noch Charme haben, dafür Cash wie Heu. Die Immoblase blubbert munter, die letzten Winkel gentrifiziert, unsere Häuser abgerissen und durch Glassärge ersetzt. Die Binz und der Güterbahnhof sollen schon diesen Frühling fallen, die gute alte Labitzke und der "Autonome Beauty Salon" Ende 2013, Gerold-Areal und Hardturmbrache werden folgen. Mit jedem Haus, das wir verlieren, geht eine Welt unter. Danach sollen wir bei den Sozis, den Mäzenen und anderen selbsternannten Wohltätern bitti-bätti machen für ein trendy Provisorium mit Portier und Hausordnung. JungunternehmerInnen werden gegen KünstlerInnen, CH-bepasste Jungfamilien gegen MigrantInnen, Studis gegen BesetzerInnen ausgespielt. Sie nennen es Markt, Standortwettbewerb, Aufwertung, weiss-der-gugger-wie. Wir nennen es wägg-mit-dämm-scheiss!


Zürich wird kalt

Wir trotzen dem Ende - der Anfang ist nah. Die "Autonome Zone Binz" ist ein besetztes Areal im gleichnamigen Quartier. Gemäss den Plänen der kantonalen Immobilien-Verwaltung, dem SVP-Unternehmer Werner Hofmann und der "linken" Pensionskasse "Abendrot" soll es im Frühling 2013 abgerissen werden. Die rund 50 BewohnerInnen haben keine Alternative in Aussicht und wehren sich gegen die drohende Räumung, unter anderem mit einem Aktionsmonat.

Der ehemalige Güterbahnhof soll ebenfalls bald abgerissen werden, um Platz für den neuen Polizei-und-Justiz-Palast zu machen. Davon betroffen sind mehrere Wohngemeinschaften, Ateliers und die besetzte "Autonome Schule Zürich" (ASZ), bekannt für ihre Deutschkurse für Flüchtlinge.

Das Labitzke-Areal ist eine ehemalige Farbenfabrik in Zürich-Altstetten, stadtweit bekannt für vielfältige soziale und kulturelle Nutzungen. Die Eigentümerin Mobimo AG plant, die Gebäude Anfangs 2014 abzubrechen. Alle Mietverträge wurden auf Ende 2013 gekündigt. Für die jetzigen MieterInnen steht keine Alternative in Aussicht.

"Zke" ist abgeleitet von "Labitzke" und bezeichnet sowohl den Ort als auch eine kollektive Identität von Menschen, die auf dem Labitzke-Areal wirken oder sich damit verbunden fühlen und sich für den Erhalt dieses einzigartigen Ortes einsetzen. Der lose Zusammenhang "zke" manifestiert sich je nach Gelegenheit als Gerücht, als antikapitalistische Kunstrichtung, als Guerillagarten oder als "temporär autonome Zone". Mit "zke" wächst aus der Asche des Weltuntergangs eine neue Ära der freien Räume, der kreativen Selbstverwaltung und des Zusammenlebens.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 01/02/2013 - 69. Jahrgang - 25. Januar 2013, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2013