Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


VORWÄRTS/1274: Baskenland gegen Sexismus


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 09/10 vom 17. März 2017

Baskenland gegen Sexismus

von Sabine Hunziker


In Spanien wird noch immer repressive Gefängnispolitik betrieben - auch gegen Mütter mit Kindern. Dagegen organisiert sich noch immer eine schlagkräftige feministische Gegenmacht besonders um die baskische Gruppe Bilgune Feminista.

"Notwendig ist es, die Repression und der patriarchalische Charakter des Gefängnissystems anzuklagen." So lautet das Grundanliegen der Mobilisierung rund um Bilgune Feminista aus dem Baskenland. Dreihundert baskische Frauen demonstrierten am 11. Februar vor dem Knast von Valladolid, einer Stadt in Nordspanien, gegen die Situation, in der sich viele weibliche Gefangene befinden. Bilgune Feminista wurde 2002 für ein unabhängiges Baskenland und zur Stärkung der feministischen Bewegung gegründet - beim Kampf werden die GenossInnen im Knast nicht vergessen. Man zeigt Solidarität für politische Gefangene wie Arantza Zulueta, Sara Majarenas und ihre Tochter Izar, Nekane Txapartegi, Nahikari Otaegi und Olatz Lasagabaster. Zulueta wurde 2010 zum ersten Mal verhaftet und später nach Màlaga in ein "Spezialmodul" verlegt. Spezialmodul heisst: Die Gefangene ist isoliert, hat morgens vier Stunden Hofgang und die restliche Zeit verbringt sie in der Zelle. Persönliche Papiere werden abgenommen, erlaubt sind zwei Bücher und die für den Aufenthalt nötigen Kleider. Die Frau, von Beruf Rechtsanwältin, wurde bis heute nicht verurteilt. Vorwürfe gegen sie sind nicht konkrete Taten, sondern politisch-juristische Konstrukte.

Repression im Knast gegen Frauen haben oft eine sexistische Komponente, die leider sehr selten angezeigt werden kann. Ausnahme ist ein aktueller Prozess gegen vier Guardia Civiles, die eine Gefangene vor acht Jahren gefoltert haben. Die Guardia Civil ist eine spanische Einheit mit rund 80.000 Angehörigen, die sowohl zivile polizeiliche als auch militärische Aufgaben wahrnimmt, so dass die Trennung von innerer und äusserer Sicherheit auf der Strecke bliebt. Im Bericht der UN-Kommission für Menschenrechte werden die Paramilitärs zusammen mit der Nationalpolizei sowie der baskischen Polizei (Ertzaintza) bei schweren Übergriffen und Folterung erwähnt.

Geburt im Knast

Isolationshaft, Schläge, Scheinhinrichtungen, sexuelle Übergriffe, Elektroschocks und viele andere Formen von Misshandlungen werden eingesetzt. In der "Erklärung des Kollektivs der baskischen politischen Gefangenen" vom Dezember 2013 steht: "Obwohl der Grad an Repression im Gefängnis immer extrem ist und weit entfernt von einem Szenario, das man sich zwei Jahre nach der Entscheidung der Eta, den bewaffneten Kampf zu beenden, erhofft hätte, bewegt sich nichts. In einigen Fällen wurde die Repression sogar verschärft."

Nicht nur die politischen Gefangenen, auch deren Familien und das Umfeld, sind von Gewalt betroffen. Aktivistin Olatz Lasagabaster hat im Knast ein Kind geboren - 600 Kilometer von ihrem Zuhause weg und ohne Familienangehörige. Auch Sara Majarenas ist eine baskische Gefangene, die seit 12 Jahren inhaftiert ist. In dieser Zeit hatte sie dank Besuchsrecht eine Beziehung beginnen können und ein Kind geboren. Gelegentlich ging die gemeinsame Tochter, die noch bei Majarenas lebt, zum ehemaligen Partner zu Besuch. Offenbar kam der Mann mit der Trennung nicht zurecht und versuchte, das Kind mit Messerstichen zu töten. Zum Glück konnte das Mädchen rechtzeitig gerettet und auf die Intensivstation gebracht werden. Aufmerksamkeit erhalten hat der Fall einerseits, weil Majarenas zwölf Jahre ihrer 13-jährigen Haftstrafe hinter sich hat. Nach spanischem Gesetz hätte die Frau nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe entlassen werden müssen. Zudem darf eine Mutter in Haft in Spanien ihr Kind nur bis zum dritten Lebensjahr bei sich behalten. Andererseits erschreckt auch die patriarchalische Gewalttat des ehemaligen Partners.

Informieren und protestieren

Die Frauen von der Eta hatten sich schon früh in einem Kollektiv - das auch nach aussen gut verankert war - organisiert und auch alle Verhandlungen in diesem Kollektiv geführt. Das Kollektiv besteht heute noch und bietet Unterstützungsarbeit wie Fahrdienste an, die regelmässig zu den entfernten Gefängnissen in Spanien fahren. Demos und Aktionen zum Thema - informieren und protestieren - finden regelmässig statt. So läuft auch eine Kampagne zu Sara Majarenas: Die Idee der aktuellen Kampagne ist, dass unterschiedliche Gruppen und Personen ein Foto mit einem Izar (Stern) machen, veröffentlichen und informieren. Izar, so heisst die Tochter der Gefangenen. Das Mädchen wird im März drei Jahre alt und muss dann das Gefängnis verlassen; so ist die Forderung noch dringender, dass auch die Mutter den Knast verlassen kann.

*

Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 09/10/2017 - 73. Jahrgang - 17. März 2017, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
 
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang