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VORWÄRTS/1295: Der Sklavenhalter-PhiIosoph


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 21/22 vom 23. Juni 2017

Der Sklavenhalter-PhiIosoph

von Damian Bugmann


Als weiser, menschlicher Philosoph wird der alte Chinese Konfuzius heute oft angesehen. Dabei war er ein eifriger Verteidiger der feudalen Ständegesellschaft, die durch die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung in China zu seiner Zeit bereits überholt war.


Die "weisen" Sprüche von Konfuzius, die in Hochglanzbändchen und auf Glückwunschkarten verkauft und seit einiger Zeit auf sozialen Medien herumgeboten werden, machten mich schon immer misstrauisch; es sind Selbstverständlichkeiten, die behaupten, bedeutungsschwer zu sein: "Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen." Oder: "Die eigenen Fehler erkennt man am besten mit den Augen anderer." Das ist platte Massenware, die viele naive BewunderInnen findet im Zeitalter, in dem Fetzen aus ganzheitlichen Welten wie Zen und Spiritualität herausgerissen und als gut verdauliche und gut verkäufliche Produkte auf den kapitalistischen Markt geworfen werden.


Der Konfuziusladen

Dem echten Wesen von Konfuzius' Weltanschauung kommen diese zwei Sprüche schon näher: "Nur die Weisesten und die Dümmsten können sich nicht ändern." "Der Edle strebt nach Harmonie, nicht nach Gleichheit. Der Gemeine strebt nach Gleichheit, nicht nach Harmonie." Da zeigt sich die reaktionäre Weltanschauung des chinesischen "Weisen". Die chinesische Bewegung des 4. Mai 1919 gegen Imperialismus und Feudalismus setzte dieser Einstellung den Ruf "Nieder mit dem Konfuziusladen!" entgegen.

Das Buch "Konfuzius - der 'Weise' der reaktionären Klassen" ist 1974 im Verlag für fremdsprachige Literatur in Peking in europäischen Sprachen erschienen, als die Volksrepublik China noch sozialistisch war und sich nicht mit wirtschaftlichen Machtspielen in der Welt profilierte. Es analysiert mit marxistischem Blick, mit Quellenangaben und Fussnoten die historische Figur, die von den reaktionären HerrscherInnen aller Zeiten hoch gelobt wurde.

Der reaktionäre "Weise" lebte von 551 bis 479 vor unserer Zeitrechnung. Er stammte aus einer verarmten aristokratischen Familie aus dem Staat Sung. Erst mit 52 Jahren bekam er eine Stellung als höherer Justizbeamter im Staat Lu, die er aber nach nur drei Monaten wieder verliess. Als erste Amtshandlung liess er den Reformer Schaodscheng Mao hinrichten, weil dieser Gleichgesinnte um sich geschart und aristokratische Privilegien infrage gestellt hatte. Drei Gründungen von reformerischen Stadtstaaten ärgerten Konfuzius, den Verteidiger des strengen Stände- und Sklavenhalterstaats, sehr. Einer seiner Schüler zerstörte zwei dieser Ketzerstädte.


Klassenstruktur, Klassenkämpfe

Yang Jung-guo erzählt in seinem Buch über das Leben von Konfuzius, über die alte Geschichte Chinas und zeigt die Klassenstruktur der Gesellschaft und die Klassenkämpfe, auch die Rivalität zwischen den traditionellen Sklavenhalter-AristokratInnen und den aufsteigenden feudalen GrundbesitzerInnen. Konfuzius lebte in der sogenannten Frühlings- und Herbstperiode, die besonders reich an Sklavenaufständen war. In den fortschrittlicheren Staaten Chinas stiegen SklavInnen in der Gesellschaft auf, brachten neuen Wind und neue Ideen, wurden Beamte, konnten Grundbesitz und Vermögen erwerben, alte Sklavenhalter-Clans wurden selbst zu SklavInnen. "Die Gesellschaft wandelte sich, die Zeit schritt voran!", hält Yang Jung-guo fest. Würden SklavInnen mit Nachsicht behandelt, würden sie rebellisch, meinte Konfuzius. Er sammelte Jünger um sich und schrieb die "Frühlings- und Herbstannalen", in denen er forderte, jedem Menschen seinen Platz in seiner Klasse, in der Hierarchie anzuweisen und von ihm das dazugehörende Verhalten zu erwarten. Das gemeine Volk solle zur Arbeit angehalten werden, aber kein Wissen erlangen dürfen. Menschlichkeit attestierte er den traditionellen SklavenhalterInnen, aber nicht den SklavInnen.

Yang Jung-Guo: Konfuzius - der "Weise" der reaktionären Klassen, Verlag für fremdsprachige Literatur. Peking 1974.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 21/22 - 73. Jahrgang - 23. Juni 2017, S. 10
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2017

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