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VORWÄRTS/1306: Sans-Papiers im Kanton Zürich - Regularisieren, jetzt!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 25/26 vom 21. Juli 2017

Regularisieren, jetzt!

von Siro Torresan


Über 4.600 Menschen verlangen mit einer Petition eine sofortige Regularisierung der Sans-Papiers im Kanton Zürich. Es geht um 28.000 Menschen, die in ständiger Angst leben. Dies zu ändern, ist eine Frage des politischen Willens. Ein Wille, der dem SP-Regierungsrat Mario Fehr fehlt.


"Ich werde nicht von meinen persönlichen Erfahrungen sprechen. Ich spreche für alle 28.000 Sans-Papiers, die hier im Kanton Zürich leben. Das einzige, was wir wollen, ist in Freiheit hier leben und arbeiten zu können. Das einzige, was wir fordern, ist eine Regularisierung unserer Situation." Die Worte von Maria-Anna (Name geändert), so um die Mitte 40, die selber mal eine Sans-Papiers war, kommen vom Herzen. Das merken alle rund 50 Anwesenden, die ihr zuhören vor dem Gebäude der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich beim Walchentor in der Limmatstadt. "Es hat Familien mit Kindern, die seit vielen Jahren hier leben. Kinder, die hier geboren wurden, aber keine Aufenthaltsbewilligung haben. Diese Kinder müssen in Freiheit hier leben können, damit sie nicht traumatisiert werden, damit sie eine Ausbildung absolvieren können und hier arbeiten können. Damit sie eine Zukunft haben." Maria-Anna weiss genau, wovon sie spricht: "Sans-Papiers leben in sehr prekären Situationen, arbeiten unter sehr schwierigen Bedingungen. Manchmal arbeiten Sans-Papiers monatelang, ohne einen Lohn zu bekommen. Sie können ihre Rechte nicht einfordern, sie können nicht für Gerechtigkeit kämpfen. Viele Firmen beschäftigen sogar Kinder von Sans-Papiers und profitieren von ihrer Arbeit. Sans-Papiers haben kein soziales Leben. Sie sind gezwungen, im Versteckten zu leben. Wir wollen in Freiheit leben können!"


Kein Handlungsbedarf, Herr Fehr?

Wer auch nur ein ganz klein wenig Menschlichkeit besitzt, weiss, dass die Situation der Sans-Papiers unwürdig und beschämend für ein Land ist, das sich so gerne auf seine "humanitäre Tradition" beruft und zu den reichsten der Welt gehört. Es muss gehandelt werden, und zwar jetzt! Sofort! Dies fordert auch die von der Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich (Spaz) lancierte Petition "Regularisierung von Sans-Papiers im Kanton Zürich", die am 11. Juli mit 4667 Unterschriften dem Kanton übergeben wurde. Die Petition verlangt eine "Operation Papyrus" für den Kanton Zürich, analog dem Genfer Modell. Der Kanton Genf hat im März mit dem Pilotprojekt 590 Sans-Papiers einen regulären Aufenthaltsstatus erteilt. Operation Papyrus wird jetzt weitergeführt und sieht die Regularisierung Tausender Sans-Papiers im Kanton Genf vor. "Dafür braucht es keine Gesetzesänderung, sondern nur politischen Willen", hält die Spaz zurecht in der Medienmitteilung fest. Inzwischen hat auch eine Mehrheit des Kantonsparlaments von Basel-Stadt dafür gestimmt, dass die Kantonsregierung eine Umsetzung der Operation Papyrus prüfen muss.

Der Kanton Zürich tut sich in dieser Frage schwer, verdammt schwer sogar. Die hängt stark mit dem SP-Mann Mario Fehr zusammen, bekanntlich Regierungsrat und Vorsteher des Sicherheitsdepartementes. In einer Antwort auf eine Interpellation von SP-KantonsrätInnen legt Fehr dar, dass er für den Kanton Zürich keinen Handlungsbedarf in Sachen Regularisierung von Sans-Papiers sieht. Keinen Handlungsbedarf? Zehntausende Sans-Papiers-Frauen, -Männer und -Kinder leben und arbeiten aufgrund des fehlenden Aufenthaltsstatus oft unter prekärsten Bedingungen und in ständiger Angst. Die Chance auf einen regulären Aufenthaltsstatus durch ein Härtefallgesuch ist bei der aktuellen Praxis im Kanton Zürich sehr gering. Kein Handlungsbedarf, Herr Fehr? Es ist eben eine Frage der Menschlichkeit, ob man den Handlungsbedarf sehen will oder nicht. Und so erstaunt es wenig, dass Mario Fehr die Unterschriften nicht persönlich entgegengenommen hat, sondern einen Chefbeamten hingeschickt hat. Was für ein Armutszeugnis, Herr Fehr!

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 25/26 - 73. Jahrgang - 21. Juli 2017, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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vorwärts erscheint 14-täglich,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2017

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