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VORWÄRTS/1485: "Eine Frechheit!"


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 21/22 vom 27. Juni 2019

"Eine Frechheit!"

von Siro Torresan


Am 1. September kommt im Kanton Zürich die Steuervorlage 17 zur Abstimmung. Es ist die kantonale Umsetzung der Steuerreform und AHV-Finanzierung STAF und sieht eine halbe Milliarde Steuergeschenke für die Unternehmen vor. Die Partei der Arbeit bekämpft die Vorlage und ruft auf, sie mit einem wuchtigen Nein zu versenken.


"Es geht ums Ganze", schreibt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Leicht übertrieben, doch bei der Umsetzung der Steuerreform im Kanton Zürich geht es um sehr viel, um mindestens 525 Millionen Franken, 275 Millionen für den Kanton und 275 Millionen für die Gemeinden. So hoch sind laut Zürcher Regierungsrat die Kosten, sprich die Steuergeschenke an die Unternehmen durch die Steuervorlage 17 (SV17), die am 1. September zur Abstimmung kommt.

Möglich wird dies nur wegen dem Ja zur STAF im Mai 2019. Mit der SV17 sollen jetzt die Massnahmen des Bundesrechts "im maximal möglichen Umfang" umgesetzt werden, wie die Regierung schon im September 2018 angekündigt hat. Konkret: Der Gewinnsteuersatz wird ab 2021 von acht auf sieben Prozent und 2023 auf sechs Prozent gesenkt. Die effektive Steuerbelastung der Unternehmungen sinkt von 21.15 auf 18.19 Prozent. Die Maximalbeschränkung für steuerliche Ermässigungen liegt bei 70 Prozent, der Spitzenwert unter allen Kantonen. Weiter können die Unternehmungen die Kosten für Forschung und Entwicklung zu 150 Prozent abziehen und bei der unseligen Patentbox weiss niemand, wie viel sie dem Staat an Steuerausfälle kosten wird. Die Ausfälle werden weit höher als die angekündigten 525 Millionen sein, wettet jemand dagegen?


SP in bizarrer Situation

"Selbstverständlich werden wir die Steuervorlage bekämpfen, denn wer die Zeche bezahlt, ist klar", sagt Harald Lukes, Sekretär der Partei der Arbeit Zürich (PIAZ) auf Anfrage des vorwärts. "Zwischen 2017 und 2019 sind rund 100 Millionen Franken im Bildungssektor eingespart worden", hält der Genosse fest und fügt hinzu: "Mal abgesehen davon, dass sparen bei der Bildung der Weg zur Dummheit ist, wird erneut ersichtlich, dass Steuergeschenke einen direkten Zusammenhang mit den so genannten Sparmassnahmen haben." Lukes nennt auch ein aktuelles Beispiel: "Eine der Forderungen der Hortmitarbeiter*innen am Frauenstreik in Zürich war, bereits am ersten Krankheitstag einen Ersatz zu haben, aktuell ist dies erst ab dem zweiten Krankheitstag der Fall. Sie müssen jetzt krank zur Arbeit, weil sonst die Betreuung der Kinder nicht gewährleistet ist. Dazu fehlt angeblich das Geld, aber gleichzeitig sollen Unternehmen hunderte von Millionen geschenkt bekommen. Das ist ganz einfach eine Frechheit!"

Die SP und die Grünen wollten die SV17 im Kantonsrat "sozial abfedern". So wie etwa im Kanton Waadt, wo die massive Senkung der Unternehmenssteuern mit einem Ausbau der Kinderzulagen und mehr Geld für Kindertagesstätten "erkauft" wurde. Doch nix war, das Vorhaben scheiterte und so befindet sich die SP im Kanton Zürich in einer schon fast bizarren Situation: Sie wird die SV17 bekämpfen müssen, zu der es ohne STAF gar nie gekommen wäre, welche die SP so vehement befürwortete.


Das Nein aus Zürich

Von besonderer Bedeutung für den Kanton Zürich ist die so genannte zinsbereinigte Gewinnsteuer. Es lohnt sich, die Gesichte dieses Steuergeschenkinstruments für die Unternehmen aufzurollen, denn sie zeigt bilderbuchmässig, dass jene, die wirklich an der Macht sitzen, immer das kriegen, was sie wollen.

Um was geht es? Ein kalkulatorischer Zinsabzug soll auf das so genannte "überschüssige Eigenkapital" (auch "Sicherheitskapital genannt) möglich sein. Ein Beispiel: Beträgt das "überschüssige Eigenkapital" 1 Million Franken und der kalkulatorische Zins 3 Prozent, dann können 30.000 Franken als abzugsberechtigter Aufwand geltend gemacht werden. Die Berechnungsgrundlage für die Gewinnsteuer wird so um 30.000 Franken tiefer und das Unternehmen bezahlt weniger Steuern. Dieses Instrument war Bestandteil der Unternehmenssteuerreform III (USRIII), die am 12. Februar 2017 vom Volk massiv abgelehnt wurde. Bei der Analyse des wuchtigen Neins kristallisierte sich heraus, dass die zinsbereinigte Gewinnsteuer ein gewichtiger Grund für das Scheitern der Vorlage gewesen war. Der Bundesrat erarbeitete rasch eine neue Vorlage (auch SV17 genannt, die dann mit dem AHV-Kuhhandel zur STAF wurde) und kippte dabei die umstrittene Massnahme aus dem Steuergeschenkkatalog für die Unternehmen. Dies passte dem Kanton Zürich gar nicht, der ein unmissverständliches Signal nach Bundesbern schickte: Entweder ist die zinsbereinigte Gewinnsteuer als Instrument im Massnahmenpaket drin, oder die Vorlage wird nicht unterstützt.


Zur Freude der Unternehmen

Doch warum eigentlich nicht? Wie eine Umfrage der Zürcher Handelskammer und der Wirtschaftsberater*innen von PricewaterhouseCoopers ergeben hat, kämen vor allem Unternehmen der Finanzbranche in den Genuss der zinsbereinigten Gewinnsteuer. "Es handelt sich dabei um rund vierzig Unternehmen, die bisher eine Gewinnsteuerbelastung von zwei bis vier Prozent zu tragen hatten. Ohne Ersatzlösung hätten sie mit einer Verzehnfachung der Gewinn- und einer Verfünffachung der Kapitalsteuerbelastung rechnen müssen"? führte die NZZ aus. Simpel auf den Punkt gebracht: Es geht um Artenschutz, jene Unternehmen, die heute schon Steuerprivilegien geniessen, sollen es auch in Zukunft tun. Dafür hat sich der Kanton Zürich so ins Zeug gelegt.

Ein Nein aus dem Wirtschaftsstandort Zürich zur neuen Steuervorlage nach dem Nein zur USRIII hätte den Bundesbern in noch grössere Schwierigkeiten gebracht. Eine Lösung musste her und die fand die Wirtschaftskommission des Ständerats mit der "Lex Zürich". Diese erlaubt es dem Kanton Zürich zur Freude der Finanzunternehmen die zinsbereinigte Gewinnsteuer einzuführen, auch wenn diese nicht Bestandteil der STAF war. Wir können ihnen mit einem Nein am 1. September einen fetten Strich durch die Rechnung machen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 21/22 - 75. Jahrgang - 27. Juni 2019, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2019

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