vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 41/42 vom 20. Dezember 2019
Es ist noch lange nicht vorbei
von der Redaktion
Die Öffentlichkeit glaubt, die Abschaltung des Atomkraftwerks Mühleberg sei bestens geregelt und alles im Griff. Kritik am Vorgehen der BKW kommt in der Öffentlichkeit nicht mehr an: "Si schautes ja ab!" Beim Rückbau muss man mit Unmengen radioaktivem Material fertig werden, die Endlagerung ist nicht gelöst und alle anderen Reaktoren laufen weiter.
Am 18. Dezember 2015 wurde das Stilllegungsgesuch beim
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek)
eingereicht. Im März 2016 lud die Bernische Kraftwerke AG (BKW)
Atomkritiker und NGOs zu einer Infoveranstaltung in der BKW-Zentrale
am Viktoriaplatz in Bern ein. Sie zeigte auf, wie die Stilllegung
ablaufen soll und holte erfahrene Stilllegungs-Planer aus Deutschland
ins Team. Die vorgestellten Dokumente wiesen zwar keine
augenscheinlichen Mängel auf und wirkten durchdacht. Angst machte
jedoch das Selbstverständnis der Technokraten, welche glauben, "alles
im Griff zu haben". Anwesende Ärzte fragten nach der Höhe der
Personalverstrahlung und den freigesetzten Radionukliden beim Rückbau.
"Alle Risiken sind einberechnet und für alles wird Vorsorge
getroffen!", war die lapidare Antwort.
Mit der bevorstehenden Stilllegung öffnete Fokus Anti-Atom den Blickwinkel in Richtung der Atommülldiskussion. In einer Vortragsreihe an den Endlagerstandorten wurde auf die dort geplanten oberirdischen Atomanlagen aufmerksam gemacht. Der Atommüll im Untergrund ist nur ein Aspekt. Dass am Endlagerstandort in einer oberirdischen Anlage Atommüll aus dem Castor in Endlagerbehälter umgepackt wird und somit auch eine Atomanlage entsteht, war vielen nicht bewusst.
Das Hantieren mit den "heissen" hochradioaktiven Brennstäben erfolgt in der sogenannten "Heissen Zelle", einer Anlage, in der Arbeiter*innen mit Bleiglas vor der hohen Strahlung geschützt werden müssen und Roboterarme die heikle Arbeit verrichten. Auch während der Stilllegungsphase bis 2035 wird Mühleberg weiterhin eine Atomanlage sein. Der sichere Rückbau ist uns ein Anliegen, wir werden ein Auge auf die Arbeiten halten und die in Stilllegungsbroschüren versprochene Sicherheit einfordern.
Der Atomausstieg in der Schweiz ist festgelegt, aber ohne konkrete Befristung. Das aargauische AKW Beznau 1 ist noch älter als das AKW Mühleberg, Beznau 2 gleich alt, die beiden AKW haben noch immer keinen Ausstiegsplan. Der Stromkonzern Axpo denkt nicht daran, ein Stilllegungsgesuch einzureichen. Der Stahl des Reaktors 1 ist geschwächt, so auch die Stahlhülle, welche den Reaktor im Falle eines Unfalls gegen aussen abschirmen sollte. Die Reaktoren von Beznau sind unter den fünf ältesten AKW der Welt.
Die "jüngeren" Schweizer AKWs Gösgen und Leibstadt gingen 1979 und 1984 ans Netz. Beide Anlagen kommen demnächst an ihre Auslegungsgrenze von 40 Jahren. Die vielen Vorfälle in der letzten Zeit und die finanzielle Lage der Betreiber zeigen, dass beim Betrieb dieser Anlagen Aufmerksamkeit geboten werden muss. Die Stilllegung des AKWs Fessenheim wurde mehrmals verschoben, ob es wie neulich angekündigt Mitte 2020 vom Netz geht ist offen. Dieses AKW liegt in einem Erdbebengebiet am Oberrhein und leidet wie so viele Reaktoren aus den 1970ern an Alterungsproblemen. Schweizer Energieversorger wie die Axpo sind immer noch an den französischen AKW Cattenom und Bugey beteiligt.
Quelle: www.fokusantiatom.ch
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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 41/42 - 75. Jahrgang - 20. Dezember 2019, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2020
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