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VORWÄRTS/1575: Welche ärztliche Versorgung?


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 11/12 vom 27. März 2020

Welche ärztliche Versorgung?

von Siro Torresan


Die Studie "Ansprüche an die ärztliche Versorgung" lässt Schlussfolgerungen zu, die für die Weichenstellung in der Gesundheitspolitik von grosser Bedeutung sind. Und sie kommt auch zum Schluss, dass der Zugang zur Gesundheit nicht vom Portemonnaie abhängen darf.


"Die Schweizer Gesundheitspolitik beschränkt sich seit einigen Jahren fast ausschliesslich auf Prämienpolitik und Kostensparen. Es drohen Gesundheitsreformen, die an den Wünschen und Ansprüchen der Menschen vorbeigehen", schreibt die Ärztegesellschaft des Kantons Zürichs AKZ in ihrer Medienmitteilung vom 13. März. Grund der Mitteilung ist der Schlussbericht der Studie "Ansprüche an die ärztliche Versorgung", die vom Forschungs- und Beratungsbüro Infras im Auftrag der AKZ durchgeführt wurde. Die AKZ konnte nicht im Entferntesten ahnen, wie wichtig diese Studie für die Zeit nach der Coronazeit, die hoffentlich bald anbricht, werden wird.


Fragen über Fragen

Welche Ansprüche hat die Bevölkerung und die Ärzteschaft an die Gesundheitsversorgung? Stimmen die Bedürfnisse der Patienten und das Angebot in der ambulanten Versorgung überein? Wie muss die Versorgungslandschaft der Zukunft aussehen, damit Bedürfnisse der Patient*innen erfüllt sind und sich Ärzt*innen in dieser Arbeitswelt wiederfinden? Wie passt dies zusammen mit den Trends und politischen Vorhaben im Gesundheitssystem? Antworten auf diese Fragen zu finden, war Sinn und Zweck der Studie. Befragt wurden 1005 Personen über 18 Jahre, repräsentativ in Bezug auf das Geschlecht, das Alter, den Wohnort, Migrationshintergrund und Bildung. Hinzu kamen rund 140 Haus- und Kinderärzt*innen, Spezialist*innen und Psychiater*innen.


Erste Anlaufstelle das Wichtigste

Die AKZ "zieht aus der Studie Schlussfolgerungen für Gesundheitsreformen, die wirklich den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen." Eine ist, dass die "Bevölkerung grossen Wert auf eine gute Hausarztversorgung" legt. Dies geht aus den Ergebnissen der Studie deutlich hervor. Rund 90 Prozent der Befragten wählen als erste Anlaufstelle immer oder meistens die Hausärztin oder den Hausarzt.

Dies weil die PatientInnen grossen Wert auf eine kontinuierliche Ansprechperson legen, welche die Krankheitsgeschichte kennt und eine ganzheitliche Sicht auf das individuelle Gesundheitsproblem einnehmen kann. Die Bereitschaft, hier Abstriche für mögliche Prämiensenkungen bei der Krankenkasse in Kauf zu nehmen, ist in der Bevölkerung sehr gering. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der drohende Hausarztmangel bereits für die Bevölkerung spürbar ist und eher ein Ausbau in diesem Bereich gewünscht ist.

Als weiteren wichtigen Punkt unterstreicht die AKZ die Autonomie der Patient*innen. Sie sollte weiter gefördert werden, und zwar deshalb: "Patient*innen und Ärzt*innen sollen in der Lage sein, alle notwendigen Informationen auszutauschen, partnerschaftlich medizinische Entscheidungen zu treffen und gemeinsam vorauszuplanen". Doch dafür braucht es in erster Linie Zeit. "Und die ist immer weniger vorhanden, infolge von zunehmender Belastung der Ärzt*innen durch Administration und durch die Kürzung der von den Krankenkassen bezahlten Zeit für Patientengespräche." Weiter zeigt die Studie, dass die Grundversorgung gestärkt werden sollte. Die AKZ schreibt: "Patient*innen legen Wert auf eine vertraute verfügbare Anlaufstelle; diese kann eine wichtige Rolle bei der Koordination zwischen den Leistungserbringern übernehmen."

Natürlich unterscheiden sich Ansprüche und Bedürfnisse teils zwischen den Bevölkerungsgruppen, zwischen den sozialen Klassen. Spannend ist, was die Studie betreffend "Personen mit geringem Einkommen" festhält: "Zu erwarten wäre, dass diese eine höhere Bereitschaft haben, Einschränkungen im Zugang und in der Qualität der Versorgung in Kauf zu nehmen, wenn dadurch die Prämien sänken. Dies ist aber nicht der Fall."

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 11/12 - 76. Jahrgang - 27. März 2020, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2020

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