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BERICHT/188: "Nature" - Hohe Qualität zu hohen Preisen (uni'leben - Uni Freiburg)


uni'leben - 04/2010
Die Zeitung der Universität Freiburg

Hohe Qualität zu hohen Preisen
Die Verlagsgruppe der Fachzeitschrift "Nature" setzt weiterhin auf Abonnements

Von Eva Opitz
Übersetzung: David Heyde


Zur Diskussion um den sogenannten Open Access, das heißt den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, hat die Redaktion Dr. Philip Campbell, den Chefredakteur von "Nature", einer kostenpflichtigen Fachzeitschrift, zu Wort kommen lassen. Die Nature Publishing Group hat ihren Sitz in Großbritannien. "Nature" ist zurzeit neben der amerikanischen "Science" die angesehenste wöchentliche erscheinende Fachzeitschrift für vorwiegend naturwissenschaftliche Disziplinen.

FRAGE: Sind Abonnements für wissenschaftliche Fachzeitschriften wie Nature in Zeiten von Online-Ausgaben und Open-Access-Zeitschriften noch zeitgemäß?

PHILIP CAMPBELL: Ja, denn diese Zeitschriften liefern Inhalte, die zeitgemäß sein müssen, und sie müssen auch mit einem funktionierenden Geschäftsmodell arbeiten. Die Fachzeitschrift Science zum Beispiel muss einen Gewinn erzielen, um die "American Association for the Advancement of Science" (AAAS) zu unterstützen. Nature gehört einem privatwirtschaftlichen Unternehmen und erzielt somit einen Gewinn. Und das Gleiche gilt für die "Public Library of Science" (PloS) und ihre Open-Access-Zeitschrift PloS Biology. Sie müssen einen Gewinn erzielen; sonst können sie ihre Mitarbeiter nicht bezahlen und nicht in neue Technologien investieren. Diese Verlage sind also alle gewinnorientierte Unternehmen, aber sie unterscheiden sich sehr wohl darin, wo der Gewinn am Ende ankommt. In Bezug auf die Einnahmequellen lässt sich sagen, dass wir in einer Landschaft von gemischten Geschäftsmodellen leben, und es gibt kein Geschäftsmodell, das wir und die Verlagsgruppe von Nature inakzeptabel finden, vorausgesetzt natürlich, es rechnet sich finanziell.

FRAGE: Nature und Science haben sogenannte hohe Impact Factors, die für die Evaluierung wissenschaftlicher Kommunikation von großer Bedeutung sind. Sind Sie der Meinung, dass Open-Access-Zeitschriften auch solche hohen Impact Factors erreichen könnten?

PHILIP CAMPBELL: Im Prinzip, ja. Jede Fachzeitschrift kann einen Impact Factor bekommen, wenn sie langfristig in die redaktionelle Entscheidungsfindung investiert. Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht, ob es sich um eine Open-Access-Zeitschrift handelt oder nicht. Das ist eine davon unabhängige Frage. Die Entscheidungsfindung bei den Fachzeitschriften der "Public Library of Science" weist in ihren Mechanismen sehr viele Ähnlichkeiten mit der Entscheidungsfindung bei den abobasierten Zeitschriften auf. PloS Biology wird von ihren redaktionellen Mitarbeitern sehr stark geprägt, und bei ihrer Gründung wurden mehrere ehemalige Mitarbeiter von Nature rekrutiert. Das ist für mich in Ordnung, denn wir begrüßen Konkurrenz. Es ist eine gute Sache, wenn Zeitschriften und Redakteure Konkurrenten haben, denn damit bekommt die Leserschaft den besten Service.

FRAGE: Sind die Open-Access-Zeitschriften ernsthafte Konkurrenten, beziehungsweise werden sie es in Zukunft sein?

PHILIP CAMPBELL: Sind sie ernst zu nehmende Zeitschriften? Sehr wohl. Sind sie Konkurrenten? Ja, das sind sie auch, sofern sie die Beiträge sorgfältig vorbereiten und von einem guten Gutachter evaluieren lassen. Manche Autoren ziehen es prinzipiell vor, zu einer Open-Access-Zeitschrift zu gehen. Aber die meisten Autoren scheinen mit einer Zeitschrift wie Nature zufrieden zu sein.

FRAGE: Stimmt es, dass die Herausgeber von Nature über ein Open-Access-System innerhalb der eigenen Verlagsgruppe nachdenken?

PHILIP CAMPBELL: Die Herausgeber von Nature führen doch schon Open-Access-Titel in ihrem Portfolio. Die Fachzeitschrift Molecular Systems Biology beispielsweise ist vollkommen offen. Sie ist angesehen und hat einen ziemlich guten Impact Factor. Kürzlich haben wir eine neue Zeitschrift gegründet, die teilweise offen zugänglich ist. Sie heißt Nature Communications und ist ausschließlich online erhältlich. Sie soll das ganze Spektrum der Disziplinen abdecken. Die Beiträge haben vielleicht nicht ganz so stark den Charakter von hervorragenden Originalveröffentlichungen wie diejenigen von Nature oder von anderen Fachzeitschriften, aber sie sind trotzdem von hoher Qualität und dienen der Konsolidierung unseres Wissens. Als Autor können Sie sich entscheiden, die Veröffentlichungsgebühr von etwa 5.000 Dollar zu zahlen und ihren Beitrag sofort verfügbar zumachen. Aber Nature Communications hat auch Abonnenten. Wir halten also ein Gleichgewicht, damit die Autoren eine Wahl haben.

FRAGE: Könnten Sie sich vorstellen, das finanzielle System von Open Access auf alle Ihre Zeitschriften anzuwenden und den Autor um die Bezahlung der Veröffentlichungsgebühr im Voraus zu bitten?

PHILIP CAMPBELL: Nature ist eine Zeitschrift mit einer sehr hohen Ablehnungsquote. Über 10.000 Aufsätze pro Jahr werden abgelehnt. Wir veröffentlichen 800. Wir haben 25 Redakteure, die nichts anderes machen, als die Beiträge auszuwählen und Tagungen zu besuchen. In Verbindung mit der Verwaltung ergibt das ein sehr großes System, das Millionen kostet. Wenn die Autoren also einen Aufsatz einreichen und für seine Veröffentlichung bezahlen, unterstützen sie sowohl das System, das ablehnt, als auch dasjenige, das veröffentlicht. Mit einer so hohen Ablehnungsquote hat der Verlag sehr hohe Betriebskosten. Zu diesem Zeitpunkt sehen wir uns nicht in der Lage, diese Option anzubieten, da eine solche Gebühr sehr hoch wäre. Andererseits wäre das nicht undenkbar, und ich persönlich würde es langfristig begrüßen. Nature Communications hat eine sehr viel niedrigere Ablehnungsquote.

FRAGE: Denken Sie, dass Open-Access-Zeitschriften in Versuchung geraten könnten, Aufsätze zur Steigerung der Einnahmen anzunehmen?

PHILIP CAMPBELL: Ich hoffe es nicht. Wenn man damit anfängt, wird es gefährlich. Das ist eine potenzielle Gefahr bei öffentlich zugänglichen Publikationen. Es gibt einen Druck, die eigenen Ansprüche zu reduzieren, um die Einnahmen zu erhöhen. Aber ich glaube nicht, dass diese Situation bei Open-Access-Zeitschriften eingetreten ist. Wenn Wissenschaftler eine Wahl haben wollen, müssen sie dafür bezahlen. Die Regierungen werden tendenziell den Ansatz fördern, bei dem die Autoren bezahlen müssen, da bin ich mir sicher. Ich glaube jedoch nicht, dass sie unbedingt gegen die Abo-Modelle sind. Jetzt haben wir also eine gemischte Landschaft, in welcher das Open-Access-Verfahren, bei dem der Autor die Kosten trägt, eine zunehmende Rolle spielt. Jeder Verleger muss das akzeptieren.


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Quelle:
uni'leben - 04/2010, Seite 11
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (Redaktionsleitung),
Benjamin Klaußner, Rimma Gerenstein
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2010