Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

FORSCHUNG/099: Medial auf den Hund gekommen (AGORA - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ausgabe 2 - 2014

Medial auf den Hund gekommen

Von Melanie Verhovnik



Medien bestimmen nicht nur unser Bild von Menschen, sondern auch unsere Haltung zu Tieren. Besonders Hunde stehen häufig als Protagonisten von Fernsehserien und Spielfilmen im Rampenlicht. Wie sehr prägt das die Haltung gegenüber den Vierbeinern?


Petey war der heimliche Star der Serie. Der lustige Hund mit dem schwarzen Kringel, den er abwechselnd um das rechte und das linke Auge trug, war der treue und verlässliche Freund der "Kleinen Strolche" (urspr. "Our Gang/The little Rascals"), eine US-amerikanische Kinderserie, die ab 1967 auch im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. Petey begeisterte mit seiner Liebenswürdigkeit die Zuschauer. Petey war witzig, stark und mutig und immer an der Seite der Kinder. Petey war ein American Staffordshire Terrier. Diese Hunderasse wird heute in allen deutschen Bundesländern mit Ausnahme von Niedersachsen als so genannter "Listenhund" geführt, ihr wird eine rassebedingte gesteigerte Gefährlichkeit für Mensch und Tier nachgesagt, der Import ist generell verboten und die Haltung unterliegt strengen Auflagen. Ganz anders zur Zeit der "Kleinen Strolche". Viele Prominente und Politiker hielten sich die zum Familienhund avancierte Rasse, beispielsweise Theodore Roosevelt, 26. Präsident der USA. Mit der Amtseinführung Obamas zog stattdessen ein portugiesischer Wasserhund ein, eine als gelehrige und allergikerfreundlich geltende Hunderassen, die jedoch erst seit dem Weißen Haus in aller Mund und damit zum Modehund geworden ist.

Wie wir Hunde sehen und was wir von ihnen halten, wird zu einem großen Teil von Medien bestimmt. Dort spielen die Vierbeiner tagtäglich wichtige Rollen, in der Werbung, in Spielfilmen und Büchern, aber auch in den Berichten von Tageszeitungen und Zeitschriften. Die Fédération Cynologique Internationale (FCI), der größte kynologische Dachverband, listet über 400 endgültig anerkannte Hunderassen auf - zählt man die nicht anerkannten hinzu, kommt man schätzungsweise auf etwa 800 verschiedene Rassen. Im Regelfall kommen die meisten Menschen irgendwann mit besonders häufigen Rassen in Kontakt, haben selbst einen Hund oder begegnen ihnen im täglichen Leben. Jedoch: Die restlichen Puzzleteile, unser "Wissen", unsere Einstellungen und Meinungen über Hunde( rassen), werden zu einem großen Teil durch ihr Auftreten in den Medien bestimmt, wenn keine direkten Erfahrungen möglich sind.

Diese Überlegungen waren Ausgangspunkt eines Lehrprojekts, welches im Sommersemester 2014 im Methodenseminar für Studierende im zweiten Semester des Masters Journalistik durchgeführt wurde. Zunächst wurden mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse Charakterbilder von Hunderassen in Filmen und Presseartikeln erstellt. Dazu wurden die tierischen Hauptdarsteller in 15 Spielfilmen/Serien analysiert und anhand der Kategorien "Charakter/Persönlichkeit", "Rolle/Funktion", "räumliche Umgebung", "Hund-Besitzer-Beziehung", "Besitzertyp" und "Problematisierung" systematisiert und beschrieben. Gleiches gilt für 107 Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften, die nach einem vorher definierten Auswahlverfahren über die digitale Datenbank LexisNexis recherchiert wurden. Die Beschreibung der Hunderassen folgte dabei der Rasseneinteilung der FCI (zehn Gruppen, u. a. Gesellschafts- und Begleithunde, Hütehunde, Terrier usw.).

In einem zweiten Schritt wurde eine standardisierte Onlinebefragung durchgeführt, zu der über den VdH (Verband für das Deutsche Hundewesen), über die Facebookseiten der Journalistik und der KU, über private Kontakte und Email-Verteiler im Schneeballverfahren eingeladen wurde. Insgesamt nahmen 741 Personen teil.

Die Auswertung der Befragung zeigt, dass sich von den 741 Teilnehmern die überwiegende Mehrheit auch selbst zu den Hundebesitzern zählte. Insgesamt gaben knapp 85 Prozent (N=628) an, selbst einen oder mehrere Hunde zu besitzen oder besessen zu haben. Gut 15 Prozent der Teilnehmer (N=113) waren keine Hundebesitzer. Kernstück der Befragung war die Einschätzung von Hunderassen - sowohl real als auch im Film. Allen Teilnehmern der Befragung wurden aus 20 in Deutschland besonders häufig vorkommenden und beliebten Rassen in einem zufälligen Rotationsverfahren drei Hunderassen angezeigt. Diese waren jeweils durch ein möglichst neutrales, freigestelltes Bild illustriert und sollten nach ihren Charaktermerkmalen bewertet werden. Dabei konnten die Teilnehmer auf einer sechsstufigen Skala angeben, wie sehr dieses Charaktermerkmal auf die jeweilige Hunderasse zutrifft (6=trifft absolut zu). In einem zweiten Schritt wurden den Teilnehmern aus 15 möglichen Spielfilmen drei zufällig ausgewählte angezeigt. Auch hier sollten die Hunde anhand von insgesamt 16 Charaktermerkmalen bewertet werden. Im Folgenden werden drei zentrale Ergebnisse beschrieben:

Die Inhaltsanalyse von Filmen und Presseberichten und die Bewertungen aus der Befragung stimmten weitgehend überein. Im Folgenden soll dies - aus platztechnischen Gründen - an einem ausgewählten Beispiel illustriert werden. Die von den 20 möglichen Hunderassen am besten bewertete Rasse war der Labrador Retriever. In vier "positiven" Kategorien erreichte er auf einer sechsstufigen Skala (6=trifft absolut zu) die höchsten Werte. Er wurde von den Teilnehmern der Befragung zum freundlichsten, anhänglichsten, treusten und kontaktfreudigsten Hund erklärt und zugleich zum am wenig aggressivsten. Dies gilt sowohl für die Teilnehmer, die direkte Erfahrung mit dieser Rasse gemacht hatten, als auch für diejenigen, die solche Erfahrungen bisher nicht gemacht haben. Auch in der qualitativen Inhaltsanalyse taucht der Labrador - im Übrigen wie auch der Golden Retriever sowie Mischlinge davon (z. B. der Golden/Labradoodle, Kreuzung aus Golden Retriever oder Labrador Retriever mit Pudel) - nahezu immer im positiven Kontext auf. In den untersuchten Filmen und Presseberichten werden Retriever in emotional engen und liebevollen Hund-Besitzer-Beziehungen geschildert. Der Hund wird "als Freund des Menschen" dargestellt, er arbeitet mit ihm im Team und ist ständiger Begleiter seines Besitzers. Das Vertrauen des Hundes zur Bezugsperson steigert sich bis hin zu einer Art telepathischen, mindestens aber empathischen Beziehung.

Es wurde untersucht, ob sich Unterschiede in der Bewertung der Hunderasse zeigen, wenn die Teilnehmer bereits einmal direkte Erfahrung gemacht haben. Bei Hunden, die in der medialen Berichterstattung tendenziell sehr positiv dargestellt werden (u. a. Labrador, Dalmatiner, Sennenhunde, Hütehunde usw.) waren die Mittelwerte der "positiven" Charaktereigenschaften wie Freundlichkeit, Mut, Loyalität usw. höher, wenn direkte Erfahrungen mit dieser Rasse vorlagen. Hingegen waren die Mittelwerte der "negativen" Eigenschaften wie z. B. "Ängstlichkeit", "Aggressivität und "territoriales Verhalten" bei direkter Erfahrung geringer bzw. bei denjenigen höher ausgeprägt, die bislang keine direkten Erfahrungen mit der jeweiligen Hunderasse gemacht haben. Bei einigen Hunderassen zeigte sich ein anderes, sehr aufschlussreiches Bild. Beispielsweise wurde der Jack Russel Terrier dann freundlicher, anhänglicher, treuer und kontaktfreudiger bewertet, wenn die Befragten keine direkte Erfahrung mit dieser Rasse hatten. Von denjenigen, die direkte Erfahrung hatten, wurde der Jack Russel Terrier als aggressiver (3,06 zu 2,71), mutiger (5,06 zu 4,71) und sturer (4,12 zu 3,94) eingeschätzt. Wird die eigene Einschätzung jedoch nicht von direkten Erfahrungen, sondern von medialer Berichterstattung geleitet, so werden hier Terrier oftmals als pflegeleicht beschrieben oder es dominieren hervorstechende Individuen wie "Supertalent"-Gewinnerin PrimaDonna, eine Jack Russel Terrier-Hündin, die das Publikum mit vielen Tricks begeisterte.

Gleiches gilt für die charakterliche Einschätzung des Dackels und des Deutschen Schäferhunds, die in so genannten Beißstatistiken tatsächlich auch meist weit vorne liegen. Dass Menschen, die keine direkte Erfahrung mit beispielsweise dem Schäferhund haben, diesen positiver bewerten als solche mit direkter Erfahrung, dürfte tendenziell mediengeleitet sein - u. a. durch besonders positive Rollen wie "Kommissar Rex" oder "Mein Partner mit der kalten Schnauze".

Konnten direkte Vergleiche zwischen realen Hunden und Filmhunden (z. B. Deutscher Schäferhund/ Kommissar Rex oder Chihuahua/ Natürlich Blond 2) gezogen werden, so zeigte sich, dass die Filmhunde fast immer besser bewertet werden als ihre realen Vorbilder. Besonders auffällig ist diese Tendenz bei den Hunden, die im Vergleich mit anderen in den Kategorien Freundlichkeit, Anhänglichkeit usw. eher schlechter wegkamen. Diese Tendenz war auch dann vorhanden, wenn die Befragten den Film gar nicht gesehen hatten, sondern nur anhand des gezeigten Filmplakats bewerteten. Hatten sie den Film jedoch gesehen, war die Tendenz am höchsten ausgeprägt.


Dr. Melanie Verhovnik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Journalistik I.

*

Quelle:
AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 2/2014, Seite 26-27
Herausgeber: Der Präsident der Katholischen Universität
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU, 85071 Eichstätt
Telefon: 08421 / 93-21594 oder -21248, Fax: 08421 / 93-21594-0
E-Mail: pressestelle@ku.de
Internet: www.ku.de
 
AGORA erscheint einmal pro Semester und kann kostenlos bezogen werden.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang