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INTERNATIONAL/015: Menschenrechte und Film (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 114, 4/10

Menschenrechte und Film
Ein kulturell politischer Austausch, der auf Festivals seinen Ausdruck findet

Von Steffi Gratzer


Wahrung und Schutz der Menschenrechte erweisen sich als stets neu zu stellende Aufgaben, die jeden Menschen betreffen. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Freiheits- und Arbeitsrecht von MigrantInnen, das Recht auf Freiheit und Bildung von Kindern sind nur einige Beispiele von Menschenrechten, deren Einhaltung und Umsetzung höchst aktuell sind. Menschenrechte werden nicht nur auf politischer und wissenschaftlicher Ebene immer wieder zum grundlegenden Diskurs. Auch im Bereich von Kunst und Kultur kann man eine Entwicklung verzeichnen, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert. Vor allem im letzten Jahrzehnt entstanden weltweit Filmfestivals, die sich ausdrücklich mit den Grundrechten aller Menschen auseinandersetzen. Über die Kontinente verstreut wuchsen Kulturvereine und Organisationen, die es sich zur Aufgabe machten, eine kulturelle Plattform zu diesem Thema zu schaffen. Im Folgenden spannt die Autorin den Bogen bis Österreich.


Europäische Filmfestivals der Menschenrechte

In Europa allein lässt sich eine erhebliche Liste solcher Festivals anführen. Das Human Rights Film Network zählt 29 Mitglieder, darunter One World Prague als das größte europäische Menschenrechtsfestival, das "this human world"-Filmfestival in Wien, die Perspektive - International Human Rights Filmfestival Nürnberg, das Pariser Festival du film des droits de l'homme, die Human Rights Documentary Film Days in Kiev, das Free Zone Belgrade Human Rights Film Festival, das Document - International Human Rights Documentary Film Festival in Glasgow, die Human Rights Nights in Bologna. Das sind nur einige Beispiele von Organisationen, die die Vermittlung zwischen Kulturen und den Dialog über Menschenrechte fördern. Diese Filmfestivals geben die Möglichkeit, das eigene Blickfeld zu erweitern und auf gegenwärtige Situationen der Verletzung und Übertretung der Menschenrechte aufmerksam zu werden. Durch reichhaltige Filmprogramme und Diskussionsforen wird ein Diskurs über die Menschenrechte hergestellt, der nicht nur Verbrechen und Ungerechtigkeiten aufzeigt, sondern auch Geschichten über Freundschaft und Solidarität vermittelt und Wege beschreibt, Missstände zu verändern. Renommierte RegisseurInnen und Nachwuchs-FilmemacherInnen, WissenschafterInnen und AktivistInnen treffen in diesen Filmforen aufeinander, um ihre Arbeiten vorzustellen und diese miteinander zu diskutieren. Die Kinosäle werden so zu einem Ort des Austauschs, der gleichermaßen im Zeichen des politischen wie künstlerischen Engagements steht.


Menschenrechte - ein Bildungsauftrag

Diese Vernetzung von Politik und Kunst ist oft mit einem Bildungsauftrag verbunden, der sich besonders an Jugendliche und Kinder richtet. Häufig schaffen die Menschenrechtsfilmfestivals innovative Projekte wie Do it Yourself, One World in Schools oder Open Eyes (One World Prague und Perspektive Nürnberg), Youth Producing Change (Human Rights Watch), die SchülerInnen zum Teil länderübergreifend das Thema Menschenrechte näher bringt und die Schwelle zwischen Zuschauen und Handeln aufbricht. Der SchülerInnenwettbewerb des österreichischen "this human world"-Filmfestivals beispielsweise fordert die Jugend an den Wiener Schulen dazu auf, ihre eigenen Kurzfilmprojekte zum Schwerpunkt Menschenrechte zu realisieren und ins Kino zu bringen. Aus den zahlreichen Kurzfilmen der SchülerInnen werden die eindrucksvollsten ausgewählt und gefeiert.


"This human world"

Das "this human world"-Filmfestival findet dieses Jahr zum 3. Mal in Wien statt. Rund 70 Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilme zum Thema Menschenrechte werden präsentiert. Schwerpunkte der diesjährigen inhaltlichen Auseinandersetzung sind unter anderem Kindheit und Jugend, Migration und Frauenrechte. Innerhalb des reichhaltigen Filmprogramms gibt es zahlreiche Veranstaltungen, die näher auf die jeweiligen Schwerpunktthemen eingehen, über politische Zusammenhänge informieren und eine Grundlage zur Diskussion bieten. Auch die FilmemacherInnen werden sich den Fragen und Anmerkungen des Publikums stellen. Die ZuschauerInnen haben ebenso die Möglichkeit, während des Festivals über die Wettbewerbsfilme abzustimmen und über den besten Film zu entscheiden. Der Gewinnerfilm wird in der Abschlussveranstaltung des Festivals mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Zusätzlich gibt es auch eine Jury aus Menschen vom Fach, die einen Film mit dem Jury-Award küren werden. Damit so ein Festival zustande kommen kann, braucht es natürlich viel Arbeit und Motivation, um auch mit einem kleinen Budget eine Veranstaltung dieser Größe zu organisieren. Zora Bachmann ist eine politisch motivierte junge Frau, die das engagierte Team, das "this human world" ermöglicht, leitet. Sie hat die Organisation durch die finanziellen Engpässe Schlagwort Wirtschaftskrise - hindurchmanövriert und gemeinsam mit ihrem Team ein Veranstaltungsprogramm zusammengestellt, das sich sehen lassen kann. Primäres Ziel ihrer Tätigkeit hierbei ist es, dem Publikum Filme vorzustellen, die nicht "Betroffenheit und Versteinerung" im Zuschauerraum auslösen, sondern neue Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigen, sich für die Grundrechte der Menschen einzusetzen. Die Idee zum Festival entstand 2008 in Kooperation mit zwei der wichtigsten Programmkinos in Wien, dem Schikaneder-Kino und dem Topkino. Diese beiden Kinos lieferten durch ihre Etabliertheit und ihr Know How den Grundstein für "this human world". So können ZuschauerInnen bereits das dritte Jahr das vielfältige Film- und Rahmenangebot nutzen, um sich über Wissenschaft, Politik und Filmkunst auszutauschen.


Menschenrechte sind auch Frauenrechte

Einer der diesjährigen Schwerpunkte des Festivals widmet sich den Frauen dieser Welt. In diesem Rahmen werden Filme präsentiert, die sich mit den Rechten der Frauen in verschiedenen Ländern auseinandersetzen. Im Programm ist beispielsweise der Film AUS DER ASCHE, ein Projekt von CARE Österreich zu finden. Die österreichische Dokumentation thematisiert das Leben der Frauen Paders, dem Epizentrum des Konflikts in Nord-Uganda. Die Folgen der Krise zwischen der Regierung und der Lord's Resistance Army haben verheerende Folgen: Sexuelle Gewalt und Folter gehören zum Alltag dieser Frauen, die sich schon seit Jahren dafür einsetzen, ein Mitspracherecht bei den Friedensverhandlungen zu erhalten. Der Film zeigt die Dringlichkeit einer geschlechterbezogenen Sicherheits- und Friedenspolitik.

Auch die Situation der Frauen in Europa wird innerhalb des Festivals thematisiert. Die Asylpolitik europäischer Länder nahmen einige FilmemacherInnen zum Anlass, sich mit den Menschenrechten in Europa auseinanderzusetzen. Darunter die junge italienische Filmemacherin Laura Halilovic. Sie ist eine junge Romni (gerade einmal 19 Jahre alt), die in Italien lebt. In "Me, My Gipsy Family and Woody" erzählt sie die Geschichte ihrer Familie, die eine Zeit lang in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Turin lebte und nun seit mehreren Jahren in einer Wohnung in der Stadt lebt. Laura Halilovic beschreibt auf sehr sanfte und witzige Art und Weise ihre Erfahrungen der Diskriminierung und Integrationsversuche der Roma in Italien. Und ihre Situation als emanzipierte junge Frau, die sich der Tradition ihrer Kultur entgegen stellt und lieber Filme macht, als zu heiraten. Und das hat sich bewährt: mit ihrer Dokumentation gewann Laura Halilovic auf dem Bellaria Filmfestival in Italien den UCCA Prize 2009.


Anmerkungen:
(1) Das heurige "this human world"-Filmfestival findet vom 2. bis 10. Dezember 2010 in Wien statt.
www.thishumanworld.com


Zur Autorin:
Steffi Gratzer ist Studentin der Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Universität Wien.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 114, 4/2010, S. 14-15
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
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Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2011