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INTERNATIONAL/039: Pakistan - "Hintern" aus SMS verbannt, Handybesitzer lachen über Zensurmaßnahme (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. November 2011

Pakistan: 'Hintern' aus SMS verbannt - Handybesitzer lachen über Zensurmaßnahme

von Zofeen Ebrahim


Karachi, 30. November (IPS) - Bei Pakistanern, die 'Butt' heißen, werden demnächst wahrscheinlich keine SMS mehr ankommen. Denn auf Englisch bedeutet ihr Nachname nichts anderes als 'Hintern'. Und die pakistanischen Behörden sind fest entschlossen, alle obszönen Kurznachrichten aus dem Telefonverkehr zu verbannen.

Mitte November gab die Pakistanische Telekommunikationsbehörde PTA die Order aus, dass die Mobilfunkanbieter künftig alle SMS blockieren sollen, die etwa 1.600 für unanständig befundene Wörter in Englisch oder Urdu enthalten.

Der Bauunternehmer Farhan Butt nimmt die Sache vorerst mit Humor: "Ich fürchte, wir Butts werden bald keine Dinner-Einladungen per SMS mehr bekommen." Im Gespräch mit IPS scherzte der 28-Jährige darüber, dass die Regierung wohl ein Komplott ausgeheckt habe, um die vor allem in Kaschmir lebenden Butts von solchen Anlässen auszuschließen.


Auch 'Idioten' haben keine Chance mehr

Auf der schwarzen Liste der PTA, die den Medien zugespielt wurde, stehen 18 Sätze, in denen das Wort 'butt' vorkommt. Auch 'Räuber' oder 'Idiot' sind in SMS künftig tabu. Viele Menschen dürfte dies hart treffen. Mit seinen rund 180 Millionen Einwohnern ist Pakistan nämlich das Land mit der fünfhöchsten Dichte an Mobiltelefonen in Asien. Die fünf größten Telefonanbieter haben mittlerweile mehr als hundert Millionen Kunden.

PTA führt diesen Boom auf die niedrigen Verbindungspreise und die kostenfreien eingehenden Anrufe zurück. Die Behörde sorgt sich nun darum, dass der Hang zur Mobiltelefonie die Moralvorstellungen im Land langsam aber sicher auf den Kopf stellt. Die Zensurmaßnahme hat allerdings in allen Gesellschaftsschichten große Heiterkeit ausgelöst.


Modelabel 'FCUK' bald unerreichbar?

In den sozialen Netzwerken im Internet ließen viele Handybesitzer ordentlich Dampf ab. "Dank der legendären Effizienz der PTA werden viele Pakistaner nicht mehr auf die Website des Modelabels FCUK kommen", witzelte Abbas Nasir, ein ehemaliger Redakteur der Zeitung 'Dawn', in einer Twitter-Nachricht.

Nosheen Abbas, der für die britische BBC schreibt, findet das Verbot ebenfalls lächerlich. "Die Leute wird das nicht daran hindern, obszöne Botschaften zu verschicken. Sie werden ein Hintertürchen finden."

Shahzad Ahmad, der Koordinator der Gruppe 'Bytes for all' (BFA) sprach von einer "Welle von Moralüberwachung in der digitalen Kommunikationssphäre". Die PTA mache nicht nur sich selbst zum Narren, sondern auch den ganzen Staat und seine Regierung. Das regionale Bürgernetzwerk BFA setzt sich in Südasien für freien Zugang zum Internet ein.

Die gescholtene Telekommunikationsbehörde verteidigt sich damit, dass sie lediglich moralischen Verstößen zuvorkommen und die möglichen Opfer vor "Traumata" bewahren wolle. PTA-Sprecher Mohammad Younis sagte IPS, die Behörde habe sich nach "zahlreichen Beschwerden" entschlossen, die Sache in die Hand zu nehmen.

"Jedes Land hat seine eigenen Moralvorstellungen, die beachtet werden müssen", betonte er. Letztlich halte man sich nur an gesetzliche Vorschriften, die ein Ausfiltern anstößiger Inhalte im Namen des Islam sowie der Integrität und Sicherheit Pakistans verlangten. Auch die Beziehungen zu befreundeten Staaten müssten geschützt werden.


Moralwächter schießen oft übers Ziel hinaus

Sonderstaatsanwalt Nighat Dad lässt sich von solchen Argumenten nur schwer beeindrucken. Er ist überzeugt, dass das Gesetz selektiv angewendet und größtenteils missverstanden wird. Da Moral oftmals auf subjektiven Vorstellungen beruhe und sich somit auf unterschiedliche Weise interpretieren lasse, könne ein Porno-Verbot im Extremfall dazu führen, dass noch nicht einmal mehr medizinische Darstellungen des menschlichen Körpers erlaubt seien, warnte das Netzwerk BFA.

Ahmad kündigte an, gegen das Verbot vor Gericht zu ziehen. Nach Ansicht des Staatsanwalts Dad, der auch dem Menschenrechtsausschuss am High Court von Lahore angehört, sollte PTA gezielt einzelnen Beschwerden nachgehen, statt ein generelles Verbot zu erlassen.

Ahmad weiß von keinem anderen Land, dass eine solche absurde Maßnahme eingeführt hätte. Die Türkei habe zwar YouTube verboten, und in Thailand dürften keine Pornos geguckt werden, meinte er. SMS seien aber noch nirgendwo zensiert worden.


Präsident als Zielscheibe des Spotts

In den letzten drei Jahren rückte Staatschef Asif Ali Zardari zunehmend ins Visier der Spaßmacher. Über den Präsidenten wurde so ausgiebig per SMS gelästert, dass die Pointen schließlich sogar auf seinem offiziellen Emailkonto eingingen.

Innenminister Rehman Malik hatte vor zwei Jahren Witze über den Staatschef verboten. Die Absender dieser Botschaften würden von der Polizei ausfindig gemacht und gemäß dem Gesetz gegen Cyber-Kriminalität bestraft, warnte er damals.

Im Mai 2010 wurde nach einer Entscheidung des High Court von Lahore das soziale Netzwerk Facebook gesperrt, nachdem dort angeblich der Prophet Mohammed beleidigt worden war. Nachdem Facebook sich bereit erklärt hatte, bestimmte Internet-Links zu unterdrücken, wurde das Verbot wieder aufgehoben. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2011