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INTERNATIONAL/057: Indien - Bürgerradios erwarten mehr Werbeeinnahmen, Regierung lockert Restriktionen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. April 2012

Indien: Bürgerradios erwarten mehr Werbeeinnahmen - Regierung lockert Restriktionen

von Malini Shankar

Fischer profitieren vom Bürgerradio - Bild: © Malini Shankar/IPS

Fischer profitieren vom Bürgerradio
Bild: © Malini Shankar/IPS

Bangalore, Indien, 13. April (IPS) - Der Bürgerrundfunk (CR) in Indien wird seit Langem durch die Behörden ausgebremst. Wer aktuelle Nachrichten sendet, riskiert die Schließung. Nun kommt die Regierung den Sendern durch neue Anreize entgegen: Geplant sind eine kräftige Erhöhung der Werbetarife und die Versteigerung von Sendelizenzen.

"Höhere Werbetarife werden die Einkünfte der Bürgerradiostationen aufstocken und ihnen eine nachhaltige Grundlage bieten", sagte Sajan Venniyoor, der das in Neu-Delhi ansässige 'CR Broadcasters Forum' mitbegründet hat, im Gespräch mit IPS.

Am 25. März hatte das Direktorat für audio-visuelle Werbung (DAVP) angekündigt, dass sich die Werbeeinnahmen von Bürgerrundfunksendern auf umgerechnet 4,5 US-Dollar pro Minute vervierfachen werden.

Laut Venniyoor, der dem Expertenausschuss des staatlichen Unterstützungsfonds für den Bürgerrundfunk angehört, erhalten die Sender bereits Finanzmittel von unabhängigen Organisationen und multilateralen Institutionen. Die üppigeren Werbeeinnahmen würden ihre Lage aber deutlich verbessern. Höhere Zuschüsse der Regierung sieht er als "zweischneidiges Schwert". Diese Gelder könnten die Programmplanung der Sender in eine Schieflage bringen, warnte er.


Absurde Auswüchse der Bürokratie

"Das Wachstum der Bürgersender ist durch Sicherheitsbedenken und durch das Telekommunikationsministerium behindert worden", kritisierte Venniyoor. Ein Antrag auf eine Sendelizenz eines kleinen Bürgerradios in einer ländlichen Region werde genauso behandelt wie ein Antrag eines großen Telekom-Unternehmens. Dies führe zu einem großen Papierkrieg.

Nach Berechnungen von R. Sreedhar, Direktor des 'Commonwealth Educational Media Centre for Asia' (CEMCA), wird der neue Tarif den Bürgersendern dazu verhelfen, sogar schwarze Zahlen zu schreiben. Die laufenden Kosten der Sender belaufen sich im Durchschnitt auf monatlich umgerechnet 2.000 Dollar. CEMCA setzt sich für die Förderung von Fernstudien sowie den Wissens- und Technologieaustausch ein.

"Ein Bürgerradio soll mindestens acht Stunden täglich senden. Die Lizenz gilt sogar für 24 Stunden. Selbst wenn nur in der Hälfte der Zeit Werbung platziert wird, kann sich der Sender dadurch bereits selbst tragen", sagte Sreedhar.

Mit Werbespots von 20 Minuten täglich kann eine Radiostation bereits etwa 2.838 Dollar monatlich verdienen. Davon könnten auch die Marketingmanager bezahlt werden, erklärte Sreedhar.

Die Regierung hat eine Expansion der Bürgersender nur zögerlich zugelassen. Die erste Sendelizenz für eine solche Radiostation wurde sieben Jahre nach einem Urteil des Obersten Gerichts erteilt, das 1995 den Äther zum öffentlichen Eigentum erklärt hatte. Die Nachrichtenberichterstattung blieb den Bürgersendern aber auch weiterhin verboten. Eine 2006 verkündete Richtlinie besagte zudem, dass die Hälfte der Sendeeinhalte von Bürgern für die Allgemeinheit erstellt werden müssten.

Anhänger der Sender sahen 2011 als entscheidendes Jahr, nachdem CEMCA verkündet hatte, 231 Lizenzen zu vergeben. Außerdem wurde ein staatlicher Unterstützungsfonds eingerichtet.


Selbstzensur aus Furcht vor Repressalien

Die Redakteure der Bürgersender halten sich aus Furcht vor dem Verlust ihrer Lizenzen nach wie vor mit Inhalten zurück, die sich auf aktuelle Ereignisse beziehen und damit als nachrichtlich eingestuft werden könnten. Ajith Lawrence, der 2006 den Sender 'Radio Alakal' ins Leben rief, erlebte schon nach ein paar Monaten, wie eng der Begriff 'Nachricht' ausgelegt werden konnte.

Wie Lawrence erklärte, wollte der Sender Fischern und ihren Familien im Küstengebiet von Thiruvananthapuram nicht nur Unterhaltung bieten, sondern auch wichtige Informationen zum Wetter geben. Radio Alakal konnte sich rasch gegen die Widerstände seitens der Behörden durchsetzen, da die Fischer die zeitnahen Informationen brauchten. Der verheerende Tsunami vom Dezember 2004 im Indischen Ozean ist allen noch deutlich in Erinnerung.

"Selbst die Erfahrungen durch den Tsunami konnten die Behörden nicht davon abhalten, uns die Sendeerlaubnis zu entziehen", empörte sich der Radio-Chef. "Es ist an der Zeit, dass die Regierung das große Potenzial des Bürgerradios erkennt. Es kann zur Verbesserung des Katastrophenmanagements und der Lebensbedingungen der Küstenbewohner beitragen."


Verwirrung um Definition von 'Nachrichten'

Angesichts des staatlichen Drucks haben die Sender allerdings sogar auf Berichte über Erdbeben verzichtet. Ashish Sen, der Präsident von AMARC, einer unabhängigen Vereinigung der Bewegung der Gemeinderadios in 110 Ländern, kritisierte ebenfalls, dass nicht genau definiert sei, was unter Nachrichten zu verstehen sei. "In dem Punkt herrscht Verwirrung. In einem kleinen Dorf kann schon das Graben eines Brunnens oder eine Hochzeit eine Nachricht sein."

Angesichts der geplanten Erhöhung der Werbetarife und Versteigerung der Lizenzen ist Sreedhar allerdings davon überzeugt, dass die Regierung ihre Haltung zu ändern beginnt. DAVP erklärte am 20. März, man rechne mit Einnahmen von mehr als 341 Millionen Dollar aus dem Verkauf der Lizenzen an Bürgerradios. Beobachter äußerten allerdings Bedenken, dass einige einflussreiche Sender andere ausstechen könnten. (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://www.cemca.org/
http://www.davp.nic.in/
http://www2.amarc.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107339

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2012