Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

INTERNATIONAL/091: El Salvador - Erstes Gemeinderadio mit eigenem Sendeplatz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Januar 2013

El Salvador:
Erstes Gemeinderadio mit eigenem Sendeplatz - Kommerzielle Stationen besetzen den Äther

Von Edgardo Ayala

Mario Martínez im Studio von Radio Mangle - Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Mario Martínez im Studio von Radio Mangle
Bild: © Edgardo Ayala/IPS


Jiquilisco, El Salvador, 16. Januar (IPS) - In El Salvador ist der erste lizenzierte Lokalsender an den Start gegangen. Doch mit dem mühevoll errungenen Sendeplatz wollen sich die zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht zufriedengeben. Sie fordern eine Reform des Gesetzes, das die kommerziellen Radiostationen begünstigt.

Seit dem 14. Januar können mehr als 200 Dörfer in Bajo Lempa, einem Gebiet im Bezirk Jiquilisco im Süden des Departements de Usulután, 'Radio Mangle' (Radio Mangrove) empfangen. "Das ist ein historischer Augenblick", meint dazu Mario Martínez, Koordinator der Vereinigung Mangrove, die das Projekt betreibt.

Die staatlich-autonome Aufsichtsbehörde für Strom und Telekommunikation, die den Rundfunksektor reguliert, hatte einer öffentlichen Einrichtung eine Sendefrequenz zugewiesen, die diese an den Radiosender weitergegeben hat.

Radio Mangle mit Sitz in Ciudad Romero im Kanton El Zamorán in Jiquilisco ist somit der erste Gemeindesender, der über eine offizielle Sendelizenz verfügt. Er gehört zu den vielen kleinen Rundfunkstationen, die nach dem Ende des zwölfjährigen Bürgerkriegs 1992 entstanden sind. Doch die Lokalradios haben es schwer. Weil sie über keine Sendelizenzen verfügen, sind sie stets in ihrer Existenz bedroht. Etliche wurden bereits von der Polizei geschlossen.


Gegen finanzielle Unternehmen chancenlos

Das Telekommunikationsgesetz von 1997 räumt den Kommunalradios zwar eine Existenzberechtigung ein. Doch müssen sie sich um die ausschließlich öffentlich ausgeschriebenen Sendeplätze bemühen. Das Problem ist nur, dass sie von den kommerziellen Stationen leicht überboten werden.

"Dieses Gesetz gehört zu den demokratiefeindlichsten und heimtückischsten Gesetzen, die jemals in diesem Land verabschiedet wurden", meint dazu Leonel Herrera, Leiter der Vereinigung der Radios und partizipatorischen Programme El Salvadors (Arpas).

Angesichts der Unmöglichkeit, sich über die Auktionen eine Lizenz zu verschaffen, hatte die Organisation den 18 Stationen, die sie betreut, einen 1998 erworbenen Sendeplatz zur Verfügung gestellt, den sie sich teilen und dadurch Sende- und Empfangsstörungen in Kauf nehmen müssen.

Zehn Jahre lang hatte Radio Mangle seine Programme über ein Signal von 'Radio Maya Visión', einem Sender der ehemaligen Rebellenorganisation Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) ausgestrahlt. Die FMLN ging nach dem Bürgerkrieg in eine reguläre Partei über und stellt seit 2000 die Regierung. Staatspräsident Mauricio Funes war selbst ein bekannter Fernsehjournalist, der seine Laufbahn als Radiojournalist begann.

Radio Mangle war Teil des Frühwarnsystems für die Gemeinden von Bajo Lempa, in denen die alljährliche Regenzeit mit ihren Überschwemmungen Todesopfer fordert, Ernten zerstört und Vertreibungen auslöst. Doch weil es immer wieder zu gravierenden Sende- und Empfangsstörungen kam, stellte Radio Mangle 2010 seinen Betrieb ein.

Im gleichen Jahr beantragte Arpas mit Hilfe der Behörden von Jiquilisco eine Lizenz für den Sender, erhielt jedoch eine Absage. Ein neuer Versuch 2011 scheiterte an dem Angebot eines kommerziellen Unternehmens in Höhe von 20.000 Dollar. "Die erworbenen Sendeplätze werden häufig gar nicht genutzt", erläutert Martínez. "Es geht oft nur darum, uns zu blockieren."

Im Juni 2012 wandte sich Radio Mangle schließlich an die Kommunikationsbehörde des Präsidialamts und beantragte eine Sendefrequenz, die dem Sender auch erteilt wurde.


Verfassungsklage gegen Kommunikationsgesetz

Arpas, die Zentralamerikanische José-Simeón-Cañas-Universität und die Studienstiftung für angewandtes Recht (Fespad) wollen nun eine Reform des umstrittenen Kommunikationsgesetzes durchsetzen. Sie haben bereits im vergangenen August beim Obersten Gerichtshof eine Verfassungsbeschwerde gegen einige Paragraphen eingereicht. Dass die Rundfunk- und Fernsehfrequenzen versteigert würden, verstoße gegen Verfassungsprinzipien wie Gleichheit vor dem Gesetz und Meinungsfreiheit, argumentieren sie.

Doch die kommerziellen Radiosender wenden ein, dass die Ausstrahlung ihrer Programme durch die Kommunalradios gestört werden könnte. "Ich verstehe den Widerstand gegen die Ausschreibungen nicht. Es werden nur Sendeplätze versteigert, die tatsächlich vorhanden sind. Es geht also um ein technisches Problem", meint die Geschäftsführerin von der Vereinigung der Rundfunkstationen El Salvadors, Ana María Urrutia. Die Organisation ist das Sprachrohr von mehr als 210 kommerziellen Radiostationen mit nationaler und regionaler Reichweite.

Doch Arpas argumentiert, dass sich die Zahl der Sendeplätze leicht verdoppeln ließe, würden die Breitbandfrequenzen ganz einfach aufgeteilt. "In einem solchen Fall würden Frequenzen umverteilt, die bereits belegt sind. Das geht nicht", meint hingegen Urrutia.

Martínez ist der Meinung, dass der Widerstand der kommerziellen Sender gegen die Aufteilung des Äthers weniger technischer und kommerzieller als ideologischer Natur ist. Man sei grundsätzlich dagegen, alternativen Stimmen Raum zu geben.

Im Dezember hatten Arpas, Fespad und die Zentralamerikanische Universität die Aufsichtsbehörde für Strom und Telekommunikation dafür kritisiert, dass sie in einer Kommission, die den Digitalisierungskurs des salvadorianischen Rundfunks festlegen soll, keine Vertreter der alternativen Rundfunk- und Fernsehanstalten zugelassen hat. "Die Debatte über die Digitalisierung ist nicht nur aus technischen Gründen relevant", meint dazu Martínez. "Es geht um Politik." (Ende/IPS/kb/2013)

Links:
http://www.arpas.org.sv/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102232

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. Januar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2013