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INTERNATIONAL/164: Simbabwe - Journalisten im Visier (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2015

Journalisten im Visier

Willkür und Terror beeinträchtigen die Pressefreiheit in Simbabwe. Übergriffe staatlicher Sicherheitskräfte gefährden das Leben regimekritischer Journalisten.

von Rita Schäfer


Am 9. März 2015 wurde der Journalist Itai Dzamara in Harare verschleppt. Menschenrechtsanwälte und seine Familie versuchten vergeblich, seinen Aufenthaltsort herauszufinden. Amnesty International, internationale Journalistenverbände und mehrere Regierungen verlangen die sofortige Freilassung Dzamaras. Wegen seines regimekritischen Engagements für Demokratie und seiner Kritik an der Wirtschaftskrise im Land wurde er bereits im letzten Jahr verhaftet und von Sicherheitskräften misshandelt.


Blutspuren

Sein Schicksal ist kein Einzelfall, vielmehr reiht sich die willkürliche Verhaftung in eine Vielzahl von Übergriffen auf Journalisten in Simbabwe ein. Dazu zählen das Verschleppen von Angela Jimu, einer Fotografin der unabhängigen Zeitung Zimbabwe Mail am 18. August 2014, die Angriffe auf mindestens vier Journalisten im Vorfeld der Wahlen 2013, die Verschleppung des News Day-Reporters Paul Pindani im Herbst 2012 sowie wiederholte Festnahmen von Journalisten des Zimbabwe Independent und der Daily News. Der Mord an Edward Chikomba, einem freien Kameramann, im Jahr 2007 ist bis heute nicht aufgeklärt.

Opfer willkürlicher Gewalt staatlicher Sicherheitskräfte wurde auch Jestina Mukoko. Sie ist Journalistin, frühere Nachrichtensprecherin der Zimbabwe Broadcasting Corporation und Direktorin des Zimbabwe Peace Project. Ab 2008 wurde sie mehrfach von Geheimdienstmitarbeitern verschleppt, inhaftiert und gefoltert, was international verurteilt wurde. Medienberichten zufolge soll der Ex-General Ahser Walter Tapfumanei im Auftrag des Geheimdienstes CIO bei den Übergriffen federführend gewesen sein. Ihm wird auch die Mitverantwortung für die Gewalt im Umfeld der Wahlen 2008 mit vielen Todes- und Folteropfern zur Last gelegt. CIO-Vertreter gehören dem Joint Operations Command an, einer Stabstelle staatlicher Sicherheitsdienste, die derzeit Vize-Präsident Emmerson Mnangagwa leitet. Er übte bereits in den 1980er Jahren während der Massaker im Matabeleland eine Führungsfunktion im Sicherheitsapparat aus. Etliche Journalisten bewerten Mnangagwas Kritik an Itai Dzamaras Verschleppung als heuchlerisch.

Trotz der Vorgaben zur Pressefreiheit in neuen Verfassung und der Reformforderungen von Medienorganisationen sind drakonische Gesetze zur drastischen Einschränkung der Arbeit von Medienvertreter/-innen weiter in Kraft. Dazu zählen das kafkaesk titulierte Gesetz zur Informationsfreiheit und den Schutz der Privatsphäre. Es ermöglicht, Medien zu schließen, die über Korruptionsfälle berichten. Auch das Gesetz zur staatlichen Überwachung von Telefonverbindungen und E-Mails wurde nicht reformiert. Eine Vielzahl weiterer Gesetze unterstreicht staatliche Sicherheitsinteressen und reglementiert die Medienarbeit.

Reporter ohne Grenzen zufolge bekräftigte Informationsminister Webster Shamu die feindselige Haltung gegenüber der unabhängigen Presse folgendermaßen: "Dieses Land ist durch den Gewehrlauf entstanden. Es kann nicht mit dem Stift weggenommen werden, niemals." Simbabwe belegt Platz 131 von 180 in der international vergleichenden Rangliste der Pressefreiheit.


Unbekannte Opfer

Nicht nur Journalisten sind Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen. Allein im Februar 2015 wurden mindestens 209 Männer und 86 Frauen Opfer politisch motivierter Gewalt. Im Dezember 2014 registrierten Menschenrechtsorganisationen 170 Opfer. Ihnen wurde zur Last gelegt, der Opposition oder der seit Dezember in Misskredit geratenen Mujuru-/Mutasa-Fraktion innerhalb der Regierungspartei Zanu-PF anzugehören und staatsfeindliche Interessen zu verfolgen. Die Gewaltübergriffe fanden teilweise bei der Vergabe von Nahrungsmittel- und Agrarhilfe statt. Die meisten Täter vertraten Interessen des derzeitig herrschenden Flügels der Regierungspartei Zanu-PF. Etliche Agrarbehörden werden inzwischen von Ex-Militärs geleitet. Auch dort ist die landesweit vorherrschende Korruption verbreitet, die der verschleppte Itai Dzamara kritisierte.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
44. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2015, S. 12
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2015

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