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PRESSE/178: Frauen in Berichterstattung unterrepräsentiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Dezember 2015

Medien: Frauen in Berichterstattung unterrepräsentiert

von Jutta Wolf


BERLIN/BRÜSSEL (IPS/IDN) - Frauen kommen in der Medienberichterstattung weltweit wesentlich seltener vor als Männer. Die Häufigkeit, mit der Frauen in Zeitungen, Radio oder Fernsehen erwähnt werden, hat sich zudem in den vergangenen fünf Jahren kein bisschen verändert. Zu dem Schluss kommt das 'Global Media Monitoring Project' (GMMP) in seinem Bericht, der seit 1995 im regelmäßigen Abstand von jeweils fünf Jahren von der 'World Association for Christian Communication' und 'UN Women' herausgegeben wird. Die Autorinnen und Autoren des Berichts fordern nun ein "Ende des Sexismus in den Medien bis zum Jahr 2020" - dem nächsten Berichtszeitpunkt.

Das 'Global Media Monitoring Project' ist die größte wissenschaftliche Untersuchung von Geschlechtergerechtigkeit in den Medien. In 114 Ländern wurden dazu 22.136 Zeitungs-, TV- und Radioberichte eines bestimmten Tages ausgewertet, die in 2.030 verschiedenen Verlagen erschienen sind. Verfasst wurden diese Berichte von 26.010 Journalisten und Journalistinnen und erwähnt wurden 45.402 Menschen.

Dabei zeigte sich, dass nur 24 Prozent der Menschen, über die berichtet wurde oder die zitiert wurden, Frauen waren. Das ist genau der gleiche Anteil wie bereits im vorigen Bericht, der im Jahr 2010 erschienen war. Betrachtet man die Berichterstattung in traditionelle und Online-Medien getrennt, ergibt sich fast das gleiche Bild: In Online-News - darunter auch Kurzmitteilungen des Portals Twitter - kamen Frauen zu 26 Prozent vor.


Gläserne Decke lässt Journalistinnen nicht in Chefetagen vorstoßen

Auch Journalisten sind in der Mehrzahl männlich. "Reporterinnen stoßen in Redaktionen schnell an eine gläserne Decke", heißt es im GMMP-Bericht. Lediglich 37 Prozent der untersuchten Berichte seien von Journalistinnen geschrieben worden. Die Zahl habe sich seit 2010 um keinen Prozentpunkt verändert.

Am kleinsten ist die Kluft zwischen den Geschlechtern im Bereich Wissenschaft und Gesundheit - einem Bereich, der lediglich acht Prozent aller Berichte ausmacht. Hier sind 35 Prozent aller Menschen, über die berichtet wird, weiblich. Am größten ist der sogenannte Gender Gap bei politischen Nachrichtenartikeln: Hier machen Frauen nur 16 Prozent der Personen aus, die in den Texten vorkommen. In diesem Bereich hat sich die Sichtbarkeit von Frauen sogar noch verschlechtert: Im Jahr 2010 lag ihr Anteil noch bei 19 Prozent.

Positive Entwicklungen sind in der lateinamerikanischen Presse zu verzeichnen. Hier hat sich der Anteil von Frauen in der Berichterstattung stärker erhöht als in allen anderen Teilen der Welt. Während im Jahr 1995 Frauen noch lediglich 16 Prozent der Menschen ausmachten, über die berichtet wurde, waren es 2015 bereits 29.


20 Prozent der arbeitenden Frauen in Medien unterschlagen

Der Bericht stellt auch Vergleiche darüber an, welchen Anteil Frauen am gesellschaftlichen Leben haben und wie sie entsprechend in den Medien dargestellt werden. Während auf globaler Ebene 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Frauen sind - im informellen Sektor ist der Anteil von Frauen vor allem im Globalen Süden wesentlich höher - stellt es sich in der Medienberichterstattung so dar, als machten Frauen lediglich 20 Prozent der Arbeitskräfte aus. Frauen werden hier eher als arbeitslos dargestellt oder als dasjenige Elternteil, das bei den Kindern zu Hause bleibt, während Männer als Sachverständige und Experten interviewt und dargestellt werden.

Auch werden Frauen häufig als Betroffene oder Opfer dargestellt. Hier hat der Anteil von Frauen in der Berichterstattung über Opfer häuslicher Gewalt sogar zugenommen.

An diesen Beispielen zeigt sich, dass Journalisten nicht nur mehr Männer als Gesprächspartner auswählen, sondern bevorzugt männliche Experten zu Wort kommen lassen, während Frauen eher als "Zeugen" auftreten, ohne eine besondere Expertise für das jeweilige Thema aufzuweisen, wie es im Report heißt.

Das liegt zum Teil sicherlich auch daran, dass mehr Männer in Führungspositionen zu finden sind und einfache Mitarbeiter in der Regel nicht als Experten angeführt werden. Doch die Zunahme weiblichen Personals in der Chefetage wird in den Medien dennoch nicht widergespiegelt. "Zu einer Zeit, in der wir mehr Präsidentinnen und Premierministerinnen als jemals zuvor haben, kommen Frauen in der Politikberichterstattung dennoch nur zu 19 Prozent vor. In Online-Medien sind es sogar nur 17 Prozent. Hier läuft etwas verdammt schief", sagte Karen Ross, Professorin für Medienwissenschaften an der Northumbria-Universität in Großbritannien, die die Studie auf dem europäischen Kontinent koordiniert hat.


Einseitige Berichterstattung in Deutschland

Die Ergebnisse für Deutschland sind laut Länderbericht nicht repräsentativ für die reguläre Berichterstattung, da am 24. März 2015, einen Tag bevor die Berichte untersucht wurden, ein Selbstmordattentäter ein Flugzeug mit hauptsächlich deutschen Passagieren über den französischen Alpen abstürzen ließ. Dieses Thema dominierte die Medienberichte im ganzen Land.

Frauen waren in der Berichterstattung fast unsichtbar. Abgesehen von Kanzlerin Angela Merkel und der Nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, aus deren Bundesland die meisten Todesopfer stammten, wurden kaum Frauen erwähnt. In einem Zeitungsbericht wurde die Bildungsministerin von Nordrhein-Westfalen genannt, da die meisten Todesopfer Schüler und Schülerinnen waren. In einem TV-Bericht kam eine Französin vor, die die Hilfsarbeiten koordinierte. Insgesamt war die Präsenz von Frauen mit 28 Prozent höher als im vorigen Bericht (21 Prozent). Die verstorbenen Lehrerinnen und Schülerinnen wurden in fast keinem Bericht gesondert erwähnt.

Bei der Vorstellung des Berichts riefen die Autoren und Autorinnen zu einem Ende des Sexismus in den Medien bis zum Jahr 2020 auf. Der Bericht macht mehrere Vorschläge, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehört die Aufforderung, in der journalistischen Ausbildung Gender-Themen auf die Agenda zu setzen. Auch Verlagshäuser sollten Weiterbildungen anbieten, um Journalisten sensibel für das Thema zu machen. Ziel sollte auch sein, dass Autoren in ihren Artikeln eine inklusive Sprache verwenden, mit der Frauen nicht diskriminiert werden. (Ende/IPS/jk/01.12.2015)


Links:

http://www.indepthnews.info/index.php/global-issues/2573-global-report-calls-for-end-to-media-sexism
http://cdn.agilitycms.com/who-makes-the-news/Imported/reports_2015/national/Germany.pdf

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2015

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