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STELLUNGNAHME/002: Ach, Gundula... - Fernsehen im Blitzlicht (Volker Bräutigam)


Ach, Gundula...

Von Volker Bräutigam, 8. Juni 2012



Gundula Gause, meist leise lächelnde Moderatorin des heute journal (ZDF), las am 5. Juni abends auch diese mutmaßlich aus eigener Feder stammenden Sätze - sie ist schließlich "Redakteurin im Studio" - vom Teleprompter ab:

"Den USA ist erneut ein Schlag gegen Al Kaida gelungen. In Pakistan ist bei Angriffen mit Drohnen die Nummer Zwei des Terrornetzwerkes, al-Libi, getötet worden. Zunächst war nicht klar, ob al-Libi bei dem Angriff wirklich ums Leben kam. Doch am Abend kam die offizielle Bestätigung aus Washington. Nach dem Tod von Osama bin Laden ist dies ein weiterer Erfolg für US-Präsident Obama im Kampf gegen al Kaida."

Nochmals die Kernaussagen: USA ein Schlag gelungen. Angriffe in Pakistan. Nummer Zwei des Terrornetzwerkes. Getötet. Kam ums Leben. Erfolg für Obama.

In jeder dieser Formulierungen steckt Infamie. Sie sind die Quintessenz aus Zynismus, Rechtsnihilismus, Rohheit, Ignoranz, Unaufrichtigkeit und Gedankenlosigkeit. Ich halte die ZDF-Meldung geradezu für ein Musterbeispiel für den im Herz-Jesu-Fernsehen unter anderem weitverbreiteten Gehorsams- und Vernebelungsjournalismus.

Kein Wort darüber, dass die US-amerikanischen Drohnenangriffe in einem nicht kriegführenden, verbündeten Land eine flagrante Verletzung des Völkerrechts sind, mittlerweile gewohnheitsmäßig begangene Kriegsverbrechen, kriminelle Akte. Kein Wort darüber, dass der Drohnen"krieg" der USA einen Bruch der Genfer Konventionen darstellt und die wenigen noch verbliebenen Fundamente internationalen Rechts erschüttert, voran die Allgemeine Menschenrechtskonvention. Und freilich verlor Frau Gause auch kein Wort darüber, dass US-Präsident Obama sich inzwischen mehrmals wöchentlich Listen mit den Namen von Zielpersonen für seine per Drohnenangriff zu vollstreckenden "Tötungsbefehle" vorlegen lässt, die Delinquenten höchstselbst auswählt und per Unterschrift zum Abschuss freigibt - und damit längst zum vielfachen Schreibtischmörder geworden ist.

Der US-amerikanische Autor John Grant nennt Obama den "Killer im Weißen Haus". Die Anzahl seiner formellen Mordbefehle sei, so berichten britische Medien, bereits in seiner ersten Amtszeit mehr als dreimal so hoch wie die seines Vorgängers George W. Bush nach dessen zwei Amtszeiten. Über die jeweils zahlreichen Opfer unter gänzlich Unbeteiligten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, wird ohnehin nicht Buch geführt. Kollateralschäden. Die britische Zeitung Sunday Times versucht immerhin seit Beginn von Obamas Drohnen-"Kampagne" eine vage Statistik. Letzter Stand: Zwischen 300 und 500 Zivilisten seien umgebracht worden, darunter mindestens 60 Kinder.

US-Präsident Barack Obama: Verfassungsrechtler, Friedensnobelpreisträger, Ankläger, Richter und Henker in Personalunion. Global wahrnehmbar als Symbolfigur für moralische Verkommenheit.

Mit Worten wie "Tod", "getötet" und "ums Leben gekommen" verschleiern Gundula Gause und ihre journalistischen Kumpane in den Nachrichtenagenturen und allen deutschen Leitmedien, was Obamas Sache ist: Massenmord, illegale Racheakte, menschenverachtende Gewalttaten. Kaum vorstellbar, dass es noch Steigerungsformen für das in ZDF-Sendungen wie dieser demonstrierte berufsethische und moralische Versagen gibt. Zu schweigen von den Verheerungen, die solche vergifteten "Nachrichten" im politischen Bewusstsein und Rechtsempfinden der Zuschauer anrichten. Einen quantitativen Messwert kann man immerhin vermelden: Die niederträchtige Sendung hatte 3,21 Millionen Zuschauer, das entsprach zu jener spätabendlichen Stunde einem "Markt"anteil von 11,6 Prozent. Claus Kleber, ZDF-Chefmoderator, hatte die Sendung wie folgt eingeleitet: "Guten Abend! Das war kein sonderlich aufregender Tag heute, politisch gesehen...." Klar doch, an diesem Tag verreckten ja bloß ein paar Pakistani im Feuer US-amerikanischer Drohnen-Geschosse. Nicht sonderlich aufregend: Einen solch arrogant-verlogenen Spruch kann nur ein Journalist vom Schlage Klebers ablassen. Ein Träger bedeutender Journalistenpreise und - auszeichnungen. In unserer verkommenen Medienwelt schließt das Eine das Andere nicht aus, die Kombination ist vielmehr symptomatisch.

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Quelle:
© 2012 by Volker Bräutigam, Mölln
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2012