Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FACHMEDIZIN


ONKOLOGIE/2094: "Sektorenübergreifende Versorgung nicht reibungslos" (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 6, Juni 2022

"Sektorenübergreifende Versorgung nicht reibungslos"

von Uwe Groenewold


Die Versorgung onkologischer Patientinnen und Patienten hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert", sagt Prof. Frank Gieseler, Vorsitzender der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft. Mit der Einführung von Zertifizierungen würden sich Ärztinnen und Ärzte verpflichten, an einer gemeinsamen qualitätsgesteuerten Versorgung teilzunehmen. Dies schließe zum Beispiel die Meldung der Patienten im gemeinsamen Krebsregister und die Teilnahme an einem interdisziplinären Tumorboard ein. Die Befunde jedes Patienten würden heute in einem Tumorboard besprochen und die Therapie werde von dort vorgeschlagen. An das Krebsregister würden dann die wirklich gegebene Therapie und das Behandlungsergebnis gemeldet. Damit habe sich das Versorgungsergebnis in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren bereits deutlich gebessert, so Gieseler.

"Trotzdem funktioniert eine sektorenübergreifende Versorgung immer noch nicht reibungslos", beklagt der Onkologe. Immer dann, wenn an der Versorgung eines Patienten mehrere ärztliche Berufsgruppen beteiligt seien (zum Beispiel ein Universitätsklinikum, ein Facharzt, ein Hausarzt und eine palliativmedizinische Einrichtung), könnten sich Schwierigkeiten ergeben, die auf mehreren Ebenen lägen. "Ein einfaches, aber wichtiges Beispiel ist die Datenübertragung, die in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen steckt. Es gibt nach wie vor keine elektronische Patientenakte, die vom Patienten von Arzt zu Arzt mitgenommen werden kann - und so gehen immer wieder Informationen auf dem Behandlungsweg verloren." Dies sei besonders gravierend, wenn es nicht nur um Befunde, sondern um Behandlungskonzepte gehe, wie dies insbesondere bei Krebspatienten der Fall sei.

Die Probleme würden schnell größer, wenn in der Region, in der der Patient lebt, keine fachärztliche Versorgung wohnortnah zur Verfügung stehe, "wie dies in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein leider regional der Fall ist", so Gieseler. "Dort fühlen sich die Patienten oft und zu Recht alleingelassen, weil für sie wichtige Fragen gar nicht gestellt, geschweige denn beantwortet werden können." Lückenlose Versorgung bedeute, dass alle Betroffenen neben einer guten medizinischen Versorgung auch gesicherte und wichtige Informationen zu ihrer Erkrankung, zu Nebenwirkungen von Therapien und zu unterstützenden Angeboten erhielten.

Zurück zum Krebsregister: Hier wird seit einigen Jahren die Behandlungsqualität unter die Lupe genommen. Aus dem epidemiologischen Krebsregister, das seit 1997 entsprechende Daten in Schleswig-Holstein sammelt, ist 2016 ein zu 90 % von den Krankenkassen finanziertes klinisches Krebsregister geworden. Seitdem sind Ärzte gesetzlich verpflichtet, eine behandelte oder untersuchte Krebserkrankung, alle Therapien und Stadien zu melden. "Auf diese Weise gewinnen wir eine große Zahl an Daten, die wir für die Qualitätssicherung nutzen", erläutert Epidemiologe Prof. Alexander Katalinic.

Gemeinsam mit klinisch tätigen Ärzten finden regelmäßig Qualitätskonferenzen statt, auf denen die Behandlungsergebnisse kritisch hinterfragt werden. Basis hierfür sind die aus den Leitlinien entwickelten Qualitätsindikatoren, deren Einhaltung von den Behandlern erfüllt werden sollen. Ein Beispiel: Gemäß Leitlinien sollte ein Brustkrebs im Frühstadium bestrahlt werden, wenn es sich um einen noch kleinen, soliden Tumor handelt. Der entsprechende Indikator dazu heißt: Gute Behandlungsqualität liegt dann vor, wenn die Rate der so behandelten Patientinnen mehr als 90 % beträgt. "Die Ergebnisse diskutieren wir intern mit den Kliniken. Unser Ziel ist es, solche Daten öffentlich zu machen, damit sich Patientinnen und Patienten vor einer Behandlung über die Qualität der einzelnen Einrichtungen informieren können." Das, so Katalinic, werde voraussichtlich jedoch noch zwei bis drei Jahre dauern.

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 6, Juni 2022
75. Jahrgang, Seite 12
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. August 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang