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RADIOLOGIE/329: Nuklearmedizin Kongress - Fortschritte der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2019

Nuklearmedizin
Theranostik kombiniert

von Uwe Groenewold


Die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin tagte erneut in Bremen. Fortschritte wurden beim Einsatz radioaktiver Isotopen berichtet.


Die Nuklearmedizin nutzt radioaktiv markierte Substanzen, sogenannte Radiopharmaka, um im menschlichen Körper die Funktion von Zellen und Organen zu untersuchen sowie dort entsprechende krankhafte Zustände aufzudecken.

Große Fortschritte gebe es in der Nuklearmedizin bei den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, die der Einsatz von radioaktiven Isotopen biete, sagte Kongresspräsident Prof. Michael Schäfers aus Münster. Hier seien neben der biomedizinischen Grundlagenforschung sowie der translationalen und klinischen Forschung unter anderem auch die Radiochemie und -pharmazie Innovationstreiber. Nur so sei es möglich gewesen, etwa beim Prostatakrebs eine zielgerichtete Diagnostik mit der entsprechenden Therapie - die sogenannte Theranostik - von der translationalen Forschung in den klinischen Alltag zu überführen. "Hiervon profitieren unmittelbar unsere Patienten und klinischen Partner, aber auch alle Bereiche der Nuklearmedizin von der universitären Einrichtung über das Krankenhaus bis zur Niederlassung", betonte der Kongresspräsident.

Bei der nuklearmedizinischen Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms spielt die Theranostik eine wesentliche Rolle. Mit einem zielgerichteten Untersuchungsverfahren kann das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA) dargestellt werden, ein Eiweißkörper, der auf der Zelloberfläche von Prostatakarzinomzellen verstärkt zu finden ist. Durch Bindung einer schwach radioaktiv markierten Substanz an diesen Eiweißkörper besteht die Möglichkeit, Tumore sehr genau sichtbar zu machen. Auch kann das Verfahren zur Behandlung eingesetzt werden. Bei der sogenannten Radioligandentherapie wird der Wirkstoff PSMA mit einem stark strahlenden therapeutischen Radionuklid markiert. Auf diese Weise soll er Prostatakrebszellen gezielt vernichten und das umliegende Gewebe dabei weitgehend schonen.

Das Verfahren kann ersten Untersuchungen zufolge für Patienten mit einem hormonresistenten metastasierten Prostatakarzinom eine Alternative beziehungsweise Ergänzung sein. Laut S3-Leitlinien könne es Patienten nach Ausschöpfen gängiger Methoden (Chemo- und Antihormontherapie) angeboten werden. Die Therapie dient nicht nur der Symptomlinderung, sondern auch der Verlangsamung des Tumorwachstums und wird inzwischen in zahlreichen Universitätskliniken mit nuklearmedizinischer Ausrichtung angewandt. Klinische Studien, etwa unter Federführung des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK), laufen mit dem Ziel, die Effektivität von PSMA-Diagnostik und -Therapie zu validieren.

Dr. Peter Kletting aus Ulm wurde für eine Methode, mit der er die individuelle Wirksamkeit der Radioligandentherapie berechnen kann, mit dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) ausgezeichnet. Kletting entwickelte ein mathematisches Modell, das die Verteilung und die Wirkung der Radioliganden im Patienten beschreibt. Damit kann das Ansprechen des Tumors genauer vorhergesagt werden. Die entwickelte Methode lässt sich auf andere Substanzen übertragen und weist somit große Relevanz für aktuelle und zukünftige Therapiekonzepte auf, hieß es vonseiten der Fachgesellschaft anlässlich der Preisverleihung in Bremen.

Um bereits kleinste Ansammlungen von Prostatakrebszellen sichtbar zu machen, eignet sich eine PET/CT-Untersuchung, eine Kombination des bildgebenden nuklearmedizinischen Diagnoseverfahrens der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) mit der in der Röntgendiagnostik verwendeten Computertomografie (CT). Durch dieses Verfahren können kleine Tumorherde nachgewiesen und damit wichtige Erkenntnisse über die Ausdehnung der Erkrankung gewonnen werden. Und das nicht nur bei Prostatakrebs. Die Positronen-Emissions-Tomografie hat in der Onkologie in den vergangenen 20 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, liefert das Verfahren doch wie kaum eine andere Methode Informationen aus dem Innenleben eines Tumors.

Kann ein CT eine einzelne Krebszelle nicht von einer gesunden unterscheiden und das bösartige Gewebe erst dann erkennen, wenn es sich zu einem größeren Zellklumpen mit ungewöhnlicher Struktur entwickelt hat, lassen sich mit PET selbst kleinste verdächtige Gebilde aufspüren. Möglich machen dies die molekularen Besonderheiten im Innenleben einer Tumorzelle, denn Krebszellen haben einen etwa zehn Mal höheren Zuckerumsatz als gesunde Zellen - sie sind hypermetabolisch. Verabreicht man dem Patienten vor einer geplanten PET-Untersuchung glukosehaltiges Kontrastmittel, entlarven sich die entarteten Zellen von selbst. Die Zuckerlösung reichert sich im Organismus genau an den Stellen der intensiven Stoffwechselaktivität an und offenbart diese auf dem PET-Bild als dunkle, leicht zu identifizierende Flecken.

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57 Mal fand die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin bereits statt. In einem Prä-Kongress standen in diesem Jahr die Entwicklungen in der Schilddrüsenmedizin im Fokus.
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Knotige Veränderungen der Schilddrüse finden sich nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin bei etwa einem Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung. Die große Mehrzahl dieser Schilddrüsenknoten ist gutartig, jedoch erkranken mehr als 4.000 Frauen jährlich neu an einem Schilddrüsenkarzinom. Bei Patienten mit Schilddrüsenkrebs eröffnet laut DGN die Kombination aus Operation plus einer sich daran anschließenden Radiojodtherapie sehr gute Heilungschancen.

Mit der Radiojodtherapie ist es möglich, nach der OP verbliebenes Schilddrüsengewebe, darin eventuell noch enthaltene Tumorzellen sowie eventuelle Absiedlungen von Schilddrüsenkarzinomzellen komplett zu beseitigen. Derart behandelt können Patienten mit einer normalen Lebenserwartung rechnen, wie beim Kongress vorgestellte aktuelle Daten über einen Beobachtungszeitraum von 30 Jahren zeigen, die unter anderem am Universitätsklinikum Würzburg gesammelt wurden. Der Krebs kehrt bei weniger als fünf Prozent der Patienten zurück. Die nuklearmedizinische Radiojodtherapie wird bereits seit den 1940er Jahren angewendet. Sie gilt als nebenwirkungsarm und auch in der langjährigen Verlaufsbeobachtung als sicher. Bundesweit gibt es laut Fachgesellschaft etwa 100 Therapieeinrichtungen, in denen jährlich rund 50.000 Behandlungen bei gut- und bösartigen Schilddrüsenerkrankungen durchgeführt werden.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201905/h19054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Mai 2019, Seite 33
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2019

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