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UROLOGIE/307: Scheitern der Prostatakrebs-Therapiestudie PREFERE - Blamage für deutsche Urologie (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2017

Prostatakrebs
"Blamage für deutsche Urologie"

Von Uwe Groenewold


Die Prostatakrebs-Therapiestudie PREFERE (*) ist gescheitert. Krebshilfe, GKV und PKV haben die ursprünglich bis 2030 geplante und mit 25 Millionen Euro geförderte Studie beendet, weil die Zahl der eingeschriebenen Patienten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.


Das Scheitern der Studie ist eine Blamage für die deutsche Urologie", sagt Dr. Peter Renner, einer der leitenden Ärzte des Urologischen Zentrums Lübeck (UZL). Das UZL ist mit 31 eingebrachten Patienten die Praxis, die deutschlandweit die meisten Patienten für die Studie gestellt hat. "Wir bedauern das Ende der Studie sehr. An unserem Beispiel ist zu erkennen, dass es für jeden Urologen möglich gewesen wäre, wenigstens drei Patienten einzuschleusen." In Schleswig-Holstein hatten 27 Urologen per Vertrag signalisiert, Patienten für die Studie gewinnen zu wollen; landesweit ist dies - neben den 31 Lübecker Teilnehmern - jedoch nur ganze sieben Mal gelungen.

In der Langzeitstudie PREFERE ("Präferenzbasierte randomisierte Studie zur Evaluation von vier Behandlungsmodalitäten bei Prostatakarzinom mit niedrigem und frühem intermediären Risiko") sollten die gängigen Behandlungsverfahren (radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Low-Dose-Brachytherapie, Überwachung/"Active Surveillance") bei 7.600 Patienten mit Prostatakrebs im Frühstadium verglichen werden. Rekrutierte Patienten konnten von den vier Behandlungsformen maximal zwei ablehnen und wurden dann nach dem Zufallsprinzip einer der zwei oder drei anderen Alternativen zugeordnet. Die Therapie wurde gemäß der aktuellen S3-Leitlinie durch erfahrene Spezialisten in den Studienzentren mit nachgewiesen hoher Behandlungsqualität durchgeführt.

Die angestrebte Teilnehmerzahl war zu ambitioniert; gleichwohl hätte man sie mit nur 2,5 Prozent der Patienten, die pro Jahr an Prostatakrebs neu erkranken, erreichen können, sagt UZL-Arzt Dr. Christoph Durek. "Der größte Knackpunkt der Studie war die ungenügende Unterstützung der Urologen in Praxis und Klinik. So beteiligten sich nur acht urologische Universitätskliniken, auch das UKSH in Lübeck und Kiel war nicht dabei." Gleichwohl räumt Durek ein, dass es häufig schwierig sei, Patienten nach Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit einer Studienteilnahme zu konfrontieren - dies führe zur Zurückhaltung bei den urologischen Kollegen. Nicht zuletzt werde der zusätzliche Aufwand in den Praxen und Kliniken gescheut, so Durek.

Kritiker der Studie - darunter Prof. Lothar Weißbach aus Berlin und Prof. Dieter Hölzel aus München - hatten bereits im November den sofortigen Abbruch gefordert. Sie haben "eklatante Fehler in Planung und Durchführung" ausgemacht und eine "Katerstimmung" festgestellt, weil "die Patienten nicht an der Studie teilnehmen wollen". Die Vorgabe, sich per Zufall eine der Behandlungen zulosen zu lassen, sei "patientenfern": Aus anderen Studien sei bekannt, dass "ältere Männer mit Prostatakrebs ungern die Therapiewahl dem Zufall überlassen", so die Studiengegner.

Dr. Axel Schroeder aus Neumünster, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Urologen (BDU), betont: "Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und der BDU haben die 2013 vom Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragte Studie unterstützt, um die Fragen der Wirksamkeit der Behandlungsstrategien, der Nebenwirkungen sowie der Auswirkungen auf die Lebensqualität auf höchstem Studienniveau zu prüfen und Prostatakrebspatienten in Zukunft mehr Entscheidungssicherheit bei der Wahl der Therapie zu ermöglichen." Mit der Einstellung der Studie bleibe die Frage nach der besten Therapieoption beim lokal begrenzten Prostatakarzinom nicht eindeutig geklärt. DGU und BDU plädieren dafür, den Ansatz der PREFERE-Studie mit anderen wissenschaftlichen Methoden weiter zu verfolgen; beide Verbände haben ihre Unterstützung zur Klärung der offenen Frage signalisiert. Krebshilfe und Krankenkassen haben zugesagt, dass die weitere langfristige Betreuung und Beobachtung der Studienteilnehmer sichergestellt sei.

Obwohl die Rekrutierungszahl unter den Erwartungen geblieben ist: Höhere Patientenzahlen bei einer prospektiven Studie zum Prostatakarzinom mit derartiger Fragestellung gebe es bis dato nicht, sagt UZL-Arzt Peter Renner. Und auch wenn die Studie nun abgebrochen wurde, gebe es aus den ersten Studienjahren große Erkenntnisgewinne. "Durch die Zweitbefundung der Referenzpathologie wurde die Kommunikation zwischen Pathologen untereinander und mit den Urologen intensiviert und hat zu einer präziseren Befundung geführt. Davon profitieren in Zukunft eindeutig auch die Patienten." Weitere positive Aspekte seien die Ergebnisse in der Qualitätssicherung, vor allem bei den radioonkologischen Behandlungsformen und der Aktiven Überwachung gewesen, so Renner. Das Patientenvideo habe zu einer deutlich intensiveren Aufklärung der Patienten geführt und im weiteren Nachsorgeverlauf gebe es mehr Informationen zur Lebensqualität der Patienten und zu ihrer Zufriedenheit mit der Therapiewahl.

Wie es künftig besser laufen kann? "Vielleicht sollte man Kliniken und Niedergelassene zur Teilnahme verpflichten", so Dr. Renner und ergänzt: "Soweit mir bekannt ist, müssen Ärzte in Schweden, die Krebspatienten behandeln, an von Fachgesellschaften initiierten Studien teilnehmen, sonst drohen finanzielle Konsequenzen bei der Abrechnung von Leistungen. Auf freiwilliger Basis scheint dies nicht zu klappen."


Info

1.900 Patienten sollten laut Plan jährlich für PREFERE gewonnen werden. Tatsächlich waren es in den ersten drei Jahren keine 500. In Schleswig-Holstein waren es 38 Patienten, von denen allein 31 vom Urologischen Zentrum Lübeck rekrutiert wurden.


(*) Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
Weitere Meldungen zur PREFERE-Studie finden Sie im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN:

STUDIE/505: Sofortiger Abbruch der größten deutschen Krebsstudie PREFERE gefordert (Stiftung Männergesundheit)
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin\fakten\m2st0505.html

STUDIE/508: Früher Stopp von PREFERE spricht nicht gegen randomisierte klinische Studien in der Krebsforschung (idw)
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin\fakten\m2st0508.html


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201701/h17014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 2017, Seite 30
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2017

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