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ALTERNATIVMEDIZIN/189: Traditionelle Chinesische Medizin - Balance von Yin und Yang (Securvital)


Securvital 1/2009 - Januar/Februar
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Balance von Yin und Yang

Von Lena Braun


Viele Erkrankungen unserer Zeit entstehen aus einem Zusammenspiel von Lebensweise, Ernährung und Stressfaktoren. Die chinesische Medizin kann helfen, Ausgewogenheit und Gleichgewicht zu finden.


Akupunktur gehört zu den bekanntesten Heilverfahren der chinesischen Medizin. In Deutschland bieten 30.000 Ärzte Akupunktur an (allerdings auf sehr unterschiedlichem Ausbildungsniveau). In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Nadel-Behandlung zumindest für chronische Schmerzen als wirksam anerkannt. Für viele andere Beschwerden wie Migräne, Heuschnupfen, Schwangerschaftsübelkeit und selbst als wirksames Mittel bei der Suchtentwöhnung (Nikotin) genießt Akupunktur weithin Anerkennung.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), wie sie in China und seit etwa 50 Jahren auch in der westlichen Welt praktiziert wird, ist die Akupunktur nur eine unter mehreren Therapierichtungen, und vielleicht nicht einmal die wichtigste. Ernährungskunde und Diäten, Arzneimittel (Heilkräuter und Tee), Massagen und Bewegungslehren wie Qigong und Tai Chi sind in China weit verbreitet. Diese "fünf Säulen" werden in der Behandlung von Krankheiten wie auch in der Vorbeugung genutzt.

Das beste Heilmittel besteht nach chinesischer Auffassung darin, Krankheiten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die entsprechende Vorsorge setzt ein gewisses Maß an Selbstverantwortung und gesunder Lebensweise voraus. Vernünftige Ernährung, körperliche Betätigung und Bewegung sowie ausreichende Ruhe und Muße gehören dazu.

"Unser westliches Medizinsystem basiert auf anderen Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit als das chinesische", meint der TCM-Experte Andreas A. Noll, Gastprofessor für TCM an der Hochschule von Chengdu. "Die vorbeugende Gesundheitspflege und der ganzheitliche Blick auf den kranken Menschen sind die wichtigsten Unterschiede zwischen der chinesischen und unserer westlichen 'Reparatur'-Medizin. Anders als die alten Chinesen haben westliche Mediziner häufig die Vorstellung, eine Störung könne behoben werden, wenn man die Ursache herausgefunden hat. Der Mensch ist jedoch keine Maschine, bei der ein beschädigtes Rädchen ausgetauscht werden kann." Ein Arzt könne in vielen Fällen nur "Löcher flicken" und Symptome bekämpfen. Den ganzen Menschen heilen sei aber nur möglich, wenn der Patient in seiner Individualität und im Kontext seiner Umwelt gesehen werde.

Bei den philosophischen Grundlagen der TCM steht die Dualität von Yin und Yang im Mittelpunkt - die zwei Polaritäten, die nicht nur gegensätzlich sind, sondern sich im dynamischen Gleichgewicht befinden wie zum Beispiel Tag und Nacht. Sobald im Körper das dynamische Gleichgewicht von Yin und Yang durch äußere Faktoren (wie Kälte oder Feuchtigkeit) oder innere Anstöße (wie lang andauernde Wut oder Trauer) oder auch durch falsche Ernährung aus der Balance gerät, können Krankheiten entstehen. Wer aus dem Gleichgewicht gerät, sei es durch Übermaß oder Mangel, spürt die Unausgeglichenheit daran, wie das Wohlbefinden schwindet oder sogar zur Krankheit wird.

Die Kunst besteht also darin, ein ausgewogenes Gleichgewicht zu halten oder wieder herzustellen. Diese Vorstellung ist im fernöstlichen Denken weit verbreitet und findet sich sowohl in der japanischen Medizin wie auch in der Ayurveda-Heilkunst in Südasien.


Optimale Kombination

"Die moderne westliche Medizin hat in vielen Bereichen beachtliche Fortschritte erzielt. Bei den großen Volkskrankheiten wie auch bei den 'Zipperlein' scheint sie jedoch relativ machtlos zu sein, da sich ihre Behandlungskonzepte meist auf die Linderung der Symptome beschränken". So beschreibt Andreas A. Noll das weit verbreitete Unbehagen an der westlichen Medizin (siehe Buchempfehlung). In akuten Fällen, etwa bei Unfällen und notwendigen Operationen sei die westliche Medizin unübertroffen.

Häufig sei jedoch die Kombination beider Heilsysteme aus dem Osten und dem Westen optimal, zumal "viele Erkrankungen unserer Zeit aus einem überaus komplizierten Zusammenspiel von Lebensweise, Ernährung, Stressfaktoren und gesellschaftlichen Ansprüchen entstehen".

Ein TCM-Arzt ist bemüht, die seelischen und körperlichen Probleme von Patienten nicht im Einzelnen zu analysieren, sondern das gesamte Wohlbefinden auszubalancieren. Für die fundierte Anwendung der TCM benötigen Ärzte und Heilpraktiker ein umfangreiches Wissen und diagnostische Kenntnisse und Fähigkeiten. Vor allem die Zungen- und Pulsdiagnose spielen gemeinsam mit ausführlichen Befragungen eine wichtige Rolle. Die Diagnosen können (nach ihren chinesischen Bezeichnungen) so fremdartig lauten wie "aufsteigendes Leberfeuer", "Herz-Yin-Mangel" oder "trüber Schleim blockiert den Kopf".


Studien zur Wirksamkeit

Für jeden einzelnen Patienten wird nach einer gründlichen Diagnostik ein individuelles Behandlungskonzept entwickelt, das neben der Akupunktur häufig auch Empfehlungen zur Ernährung und andere Therapien wie etwa Heilkräuterbehandlungen, Tuina-Massagen, Tai-Chi, Qigong beinhaltet.

Wenn Akupunkturbehandlungen verordnet werden, dann oft in Serien von zehn Sitzungen. Für diese Nadelbehandlungen werden unter 365 Akupunkturpunkten die jeweils wirksamsten ausgewählt, manchmal nur einzelne, manchmal auch ein Dutzend Punkte. Einige Millimeter tief geht der Stich der hauchdünnen Stahlnadeln, an fettreichen Stellen auch einige Zentimeter tief. Die Nadeln bleiben meist 15 bis 30 Minuten im Körper, während der Patient entspannt liegt. Den Pieks des Einstichs spüren viele Patienten gar nicht.

Bei den umfangreichen Studien zur Akupunktur, die in den vergangenen Jahren mit Unterstützung der SECURVITA Krankenkasse durchgeführt wurden, zeigte sich, dass die Akupunktur in vielen Bereichen besser und wirksamer war als konventionelle Behandlungen. Selbst die Schein-Akupunktur (mit Nadeln an anderen als den definierten Körperpunkten) war vergleichsweise erfolgreich. Für Barbara Kirschbaum, Ärztin für chinesische Medizin in Hamburg und Lehrbeauftragte an der Universität Witten/Herdecke, ist das keine Überraschung. "Die Menschen sind nun einmal unterschiedlich. Ein erfahrener Akupunkteur richtet sich ohnehin nicht einfach nach Punkten, die auf den Lehrtafeln eingezeichnet sind."



Lesenswerte Bücher

Andreas A. Noll:
Traditionelle Chinesische Medizin
Grundlagen, Methoden, Behandlung von Beschwerden
München 2008, 192 Seiten, 16,90 Euro

Ilona Daiker, Barbara Kirschbaum:

Die Heilkunst der Chinesen:
Qigong, Akupunktur, Massage, Ernährung, Heilkräuter
Reinbek 1997, 397 Seiten, 9,95 Euro

Christine Bodenschatz-Li:
Chinesische Medizin für den Alltag
München 2007, 126 Seiten, 12,90 Euro


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Quelle:
Securvital 1/2009 - Januar/Februar, Seite 16-18
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH -
Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2009