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ONKOLOGIE/1172: Den Tumor enttarnen - Hemmung des Aufbaus der Sialinsäure-Schutzschicht (idw)


Wilhelm Sander-Stiftung - 14.04.2011

Den Tumor enttarnen

Neuer Hemmstoff soll Aufbau einer Sialinsäure-Schutzschicht verhindern


In der Regel umgeben sich Tumore mit einer Art Tarnkappe. So sind sie für das körpereigene Immunsystem unsichtbar und vor Angriffen und Abbau geschützt. Prof. Dr. Werner Reutter und sein Forscherteam an der Charité Berlin wollen dem Tumor einen entscheidenden Baustein für diese Verschleierungstaktik entziehen - die Sialinsäure. So wäre der Tumor für das Immunsystem besser angreifbar. Die Wissenschaftler suchen nach einem Hemmstoff, um die Produktion von Sialinsäure in den Tumorzellen wirkungsvoll zu unterbinden. Mit ihrem Vorhaben beschreiten sie einen völlig neuen Weg in der Entwicklung eines Tumor-Hemmstoffes.

Als Angriffspunkt haben Prof. Dr. Reutter und sein Team das zentrale Werkzeug im Produktionsprozesse der Sialinsäure ausgemacht: "Nach jahrelanger Arbeit ist es uns gelungen, Struktur und Regulation des Schlüsselenzyms aufzuklären. Es präsentiert sich als sehr ungewöhnlich, da es zwei aktive Bereiche hat", erläutert Prof. Reutter. Die Funktion des jüngst in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wolfram Saenger von der FU Berlin entschlüsselten Bereichs kommt den Wissenschaftlern in ihrem Anliegen sehr entgegen. Dort verarbeitet das Enzym nämlich ein relativ kleines Zuckermolekül, das außerdem problemlos durch die Zellmembran schlüpfen kann: den Einfachzucker N-Acetylmannosamin. Der andere aktive Bereich das Enzyms dagegen setzt ein deutlich komplexeres Molekül um und wäre als Angriffspunkt für einen Hemmstoffs eher ungeeignet. Die Wissenschaftler wollen nun einen Stoff entwickeln, der dem Einfachzucker N-Acetylmannosamin ähnelt und ihn am entsprechenden aktiven Zentrum des Enzyms verdrängt. Damit wäre das entscheidende Werkzeug im Produktionsprozess der Sialinsäure blockiert. Durch die Fähigkeit des Einfachzuckers, die Zellmembran zu passieren, ließe sich auch ein ähnlich gebauter Hemmstoff über diesen Weg einschleusen. Damit ist eine wichtige Voraussetzung gegeben, um eine Substanz zu finden, die später auch für eine mögliche klinische Anwendung geeignet ist. "Dass wir auf einem guten Weg sind, konnten wir bereits mit einem ersten abgewandelten Molekül zeigen. Allerdings war dessen Hemmwirkung und seine biologische Stabilität noch nicht ausreichend", erläutert Prof. Dr. Reutter erste Ergebnisse aus einer Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wolfram Saenger und Prof. Dr. Hans-Ulrich Reißig, beide an der FU Berlin. Das Team um Prof. Dr. Reutter führt die Suche in Kooperation mit Chemikern, Informatikern und Kristallographen mit Unterstützung der Wilhelm Sander-Stiftung weiter.


Kontakt:
Long Duc Nguyen und Werner Reutter
Institut für Biochemie und Molekularbiologie
Charité-Universitätsmedizin Berlin, CBF
Arnimallee 22, 14195 Berlin-Dahlem
E-Mail: werner.reutter@charite.de

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung
fördert dieses Forschungsprojekt mit über 170.000 Euro. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution890


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 14.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2011