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BILDUNG/1100: Anforderungen an Ärzte im Polizeidienst - Interview mit Dr. Thomas Wagner (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2/2018

Polizeiärzte
"Ausgezeichnete Zusammenarbeit"

Dirk Schnack sprach mit Dr. Thomas Wagner


Zwischen der Polizei und zivilen Ärzten gibt es im Einsatzfall viel Abstimmungsbedarf. Bei der Arbeit mit Honorarärzten gibt es Optimierungsbedarf.


Nur sieben Ärzte arbeiten im Dienst der schleswig-holsteinischen Landespolizei. Über die besonderen Anforderungen an die Ärzte im Polizeidienst sprach Dirk Schnack mit Regierungsmedizinaldirektor Dr. Thomas Wagner aus Kiel.

SHÄ: Herr Dr. Wagner, aus Kliniken, Praxen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst ist zu hören, dass es immer schwerer wird, Ärzte für frei werdende Stellen zu finden. Wie ist die Situation im Polizeidienst?

Dr. Thomas Wagner: Auch bei der Landespolizei Schleswig-Holstein sind die Bewerberzahlen im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig. Im Jahr 2017 ist es aber gelungen, zwei freie Arztstellen zu besetzen.

Was können Sie tun, um die Tätigkeit im Polizeidienst bekannter zu machen?

Wagner: Erstens natürlich über die öffentliche Ausschreibung von Stellen in den gängigen Medien. Zweitens, indem wir Polizeiärzte an den angebotenen Fortbildungen der Ärztekammer und anderer Anbieter teilnehmen. In den "Pausengesprächen" führt hier die eine oder andere Konversation auf die berufliche Tätigkeit in der Polizeibehörde.

Welche besonderen Anforderungen werden an Ärzte im Polizeidienst gestellt?

Wagner: Die Anforderungen ergeben sich aus den Aufgaben und gehen über die kurative Medizin hinaus. Sie umfassen auch betriebsmedizinische Aufgaben, Einstellungsuntersuchungen, Dienstfähigkeitsuntersuchungen sowie die Mitwirkung im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Im Wesentlichen sind dies also fünf Aufgabengebiete, die sich in die allgemeinmedizinischen Sprechstunden, die beamtenrechtlichen Untersuchungsaufträge, die Mitwirkung im betrieblichen Gesundheitsmanagement, die betriebsmedizinischen Untersuchungsgänge im polizeiärztlichen Dienst und die Betriebsmedizin vor Ort in Form von Begehungen der Polizeireviere und -stationen unterteilen. Zu den Aufgaben zählt natürlich auch die Einsatzbegleitung in einem polizeieigenen Krankentransportwagen bei größeren Einsatzlagen wie z. B. jüngst beim G20-Gipfel, aber auch bei Risikofußballspielen und Demonstrationen.

Ein Punkt Ihrer Tagung waren psychische Belastungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suizid. Wodurch entstehen besondere Belastungen für Ärzte im Polizeidienst und wie lernt man damit umzugehen?

Wagner: Als Polizist wird man mit extremen Belastungen konfrontiert. Es gibt Techniken, die den Beamten helfen können, damit umzugehen; sie sind in jüngerer Zeit auch Lehrinhalt in den Ausbildungsstätten geworden. Zu den Belastungen der Polizeiärzte gibt es aber kaum verlässliche Erkenntnisse oder gar Untersuchungen, wie wir als Betroffene damit umgehen.

Ist die Tätigkeit als Arzt im Polizeidienst gefährlicher als in Klinik oder Praxis?

Wagner: Sicherlich kann die eine oder andere Situation in einer Notaufnahme oder in einer Arztpraxis gefährlich werden. Bei uns ist ein relativ konstant hohes Gefährdungspotenzial etwa bei der Einsatzbegleitung in Großlagen der Polizei schon vorhanden. Deshalb sind wir genau wie die Polizisten mit entsprechender Schutzweste, Helm und dem sogenannten Vollschutz ausgestattet. Eine Gefährdungszulage, wie sie z. B. den Polizisten zuteilwird, ist für uns Ärzte leider noch nicht realisiert worden.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Ärzten?

Wagner: Im Einsatzfall ist die Zusammenarbeit mit anderen Ärzten schon ausgezeichnet. Meist gibt es im Vorfeld Absprachen zwischen polizeilicher und rettungsdienstlicher Seite. Hier werden bisweilen konkrete Übergabepunkte, wie sie z. B. entlang einer Demonstrationsstrecke verlaufen könnten, vereinbart. Auch werden in diesem Zusammenhang Szenarien und Vorgehensweisen abgesprochen, wie und wo Verletzte versorgt werden können.

Umliegende Facharztpraxen werden immer wieder mit Polizisten konfrontiert, die aufgrund eines Überweisungsauftrags von uns zu ihnen kommen. Diese Zusammenarbeit hat sich über Jahrzehnte entwickelt und ist aus meiner Sicht sehr gut.

An welcher Stelle greifen Sie auf ärztliche Honorarkräfte zurück?

Wagner: Bei krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit des jeweiligen Polizeiarztes wird in quasi privater Absprache mit umliegenden Praxen, Bundeswehrärzten oder Kollegen im Ruhestand auf die Möglichkeit der Sprechstundenvertretung auf Honorarbasis hingewiesen. Dass hierbei die gewünschten Vertretungszeiträume gerade zur Urlaubszeit nicht immer harmonieren können, ist sicherlich verständlich, bei der doch sehr geringen Anzahl an "vertretungswilligen" Kollegen aber nachvollziehbar.

Es besteht also Bedarf an einer Zusammenarbeit mit weiteren Ärzten?

Wagner: Ja, im Wesentlichen für Abwesenheitsvertretungen und für Blutproben. Interessenten sollten in der Lage sein, eine allgemeinärztliche Sprechstunde zu führen. Er oder sie könnten sich bei Interesse an das Landespolizeiamt in Kiel und dort beim ärztlichen Dienst melden.

Vielen Dank für das Gespräch.


Kontakt

Vertretungen für den polizeiärztlichen Dienst waren in früheren Zeiten kein Problem; Bundeswehrärzte haben diese Dienste gerne übernommen. Seit die Bundeswehr in Schleswig-Holstein zahlenmäßig nicht mehr so stark vertreten ist, hat die Zahl der Interessenten für polizeiärztliche Dienste abgenommen. Wer Interesse an einer Tätigkeit oder Vertretung im polizeiärztlichen Dienst hat, kann sich an den Ltd. Polizeiarzt Dr. Horst-Michael Schulz wenden unter
0431/16063300 oder per Mail: dr.horst-m.schulz@polizei.landsh.de


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201802/h18024a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Februar 2018, Seite 14
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2018

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