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FORSCHUNG/3006: Neue Erkenntnisse über die Ausbildung und Differenzierung von Nervenfasern (idw)


Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 08.11.2013

MDC-Forscher entdecken wie Umhüllung von Nervenfasern gesteuert wird



Neue Erkenntnisse über die Ausbildung und Differenzierung von Nervenfasern (Axone), über die Nervenzellen Informationen empfangen oder weiterleiten, hat jetzt Dr. Tamara Grigoryan aus der Forschungsgruppe von Prof. Walter Birchmeier am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch gewonnen. Axone können umhüllt sein - dann leiten sie Informationen schneller weiter - oder sie benötigen keine Hülle. In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe der MDC-Entwicklungsbiologin Prof. Carmen Birchmeier konnte sie bei Mäusen zeigen, wie die Umhüllung oder Hüllenlosigkeit der Axone im peripheren Nervensystem gesteuert wird (PNAS, doi: /10.1073/pnas.1310490110)*.

Eine wichtige Rolle im Nervensystem spielen neben den Nervenzellen (Neuronen) die Gliazellen. "Ohne Gliazellen würde keine Nervenzelle funktionieren", betont Dr. Grigoryan. Im peripheren Nervensysstem spielt dabei eine Gruppe von Gliazellen eine Rolle, die nach ihrem Entdecker Theodor Schwann (1810-1882) als Schwannzellen bezeichnet werden. Diese Schwannzellen umhüllen die Axone und bilden die sogenannte Myelinschicht. "Die Schwannzellen steuern auch die Regeneration der Axone nach einer Nervenverletzung im peripheren Nervensystems." Aber nicht alle Axone werden von den Schwannzellen umhüllt. Wie wird dieser Vorgang gesteuert?

"Zu Beginn ihrer Entwicklung im Embryo sind die Axone in Bündeln als Fortsatz einer Nervenzelle zusammengefaßt und von einer Schwannzelle umhüllt", erläutert Dr. Grigoryan. "Zur Zeit der Geburt aber beginnt die Schwannzelle die dicken Axone aus dem Bündel auszusortieren und mit einer Myelinschicht zu umhüllen. Die dünnen Axone werden nicht aussortiert - sie bleiben gebündelt und erhalten auch keine Myelinschicht. Diesen Vorgang nennt die Forschung "Axonale Radiale Sortierung".

Die großen und dickeren Axone werden von den Schwannzellen in mehreren Schichten umhüllt. Dank dieser isolierenden Myelinschicht - ähnlich einem mit Plastik umhüllten Stromkabel - können diese Axone, zum Beispiel von motorischen Neuronen, sehr rasch Informationen weiterleiten. So kann man zum Beispiel ganz schnell seine Hand von einer heißen Herdplatte ziehen, weil die Axone die Information "heiß - Verbrennungsgefahr" signalisieren.

Gesteuert wird dieser fundamentale Prozess von einem Signalpfad, den Prof. Walter Birchmeiers Labor schon seit vielen Jahren untersucht - den Wnt /beta-Catenin Signalweg. Er ist einer der bisher am besten erforschten Signalwege. Er spielt bei der Embryonalentwicklung, beim Zellwachstum (Proliferation), der Zellreifung oder Zellspezialisierung (Differenzierung) sowie bei der Steuerung von Stammzellen eine wichtige Rolle, und, wie die jüngste Arbeit aus dem MDC jetzt zeigt, auch bei der Ausbildung und Differenzierung von Axonen.

Das Forscherteam mißt seiner Entdeckung eine besondere Bedeutung bei, da eine Fehlregulation von Schwannzellen zu einer Reihe schwerer Krankheiten führen kann. Die Forscherin und ihre Kollegen hoffen, mit ihrer Entdeckung nicht nur zu einem besseren Verständnis der Schwannzellentwicklung beizutragen, sondern auch bessere Einblicke in die Entstehung von Krankheiten zu erhalten, an denen diese Zellen beteiligt sind.

* Wnt/Rspondin/β-catenin signals control axonal sorting and lineage progression in Schwann cell development

Tamara Grigoryan a, Simone Stein a, Jingjing Qi a, Hagen Wende b, Alistair N. Garratt c, Klaus-Armin Nave d, Carmen Birchmeier b, and Walter Birchmeier a

a Cancer Research Program and
b Neuroscience Program, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany
c Center for Anatomy, Charité, University Hospital, 10117 Berlin, Germany, and
d Department of Neurogenetics, Max Planck Institute for Experimental Medicine, 37075 Göttingen, Germany

Kontakt:
Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
in der Helmholtz-Gemeinschaft
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Barbara Bachtler, 08.11.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2013