Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

FORSCHUNG/3157: Darmbakterium Clostridium ramosum fördert die Entstehung von Übergewicht (idw)


Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke - 30.09.2014

Darmbakterium Clostridium ramosum fördert die Entstehung von Übergewicht



Das natürlicherweise im menschlichen Darm beheimatete Bakterium Clostridium ramosum fördert die Entstehung von Übergewicht - zumindest bei Mäusen. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie, die das Wissenschaftlerteam um Michael Blaut und Anni Woting vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) nun in mBio®, dem online open-access journal der American Society for Microbiology, veröffentlichte*. Die Untersuchung legt den Schluss nahe, dass diese Mikrobenart unter einer fettreichen Ernährung dazu beiträgt, die Zucker und Fettaufnahme aus dem Dünndarm zu verstärken. Die hiermit verbundene höhere Aufnahme von energieliefernden Nährstoffen lässt die Fettpolster schneller wachsen.

Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass der Bakterienstamm der Firmicuten, zu denen auch C. ramosum gehört, das menschliche Körpergewicht beeinflusst und Übergewicht fördern kann. Zudem lassen Studien am Menschen annehmen, dass ein Zusammenhang zwischen dieser Mikrobenart und dem Auftreten des metabolischen Syndroms besteht, das durch Übergewicht, hohen Blutdruck, eine Insulinunempfindlichkeit der Körperzellen und einen gestörten Fettstoffwechsel charakterisiert ist. Welche Mechanismen diesen Beobachtungen zu Grunde liegen, ist dabei noch weitgehend unbekannt.

"Um mehr über diese Mechanismen zu erfahren, untersuchten wir Mäuse, die nicht mit mausspezifischen Darmbakterien, sondern gezielt mit Bakterienarten des menschlichen Darms besiedelt waren", sagt Studienleiter Michael Blaut. "Unser Ziel war es, mit unserer Studie dazu beizutragen, neue wissenschaftliche Grundlagen für Strategien zu entwickeln, die Übergewicht beim Menschen und den damit verbundenen Erkrankungen vorbeugen", ergänzt Anni Woting, Erstautorin der Studie.

Die Mikrobiologen untersuchten drei Mausgruppen. Zu Beginn der Studie besiedelten die Forscher keimfreie Tiere gezielt mit bestimmten Bakterienarten, die sich natürlicherweise im menschlichen Darm finden. Die erste Gruppe beimpften sie mit einer vereinfachten, für den Menschen typischen intestinalen Mikrobiota** aus sieben Bakterienarten*** exklusive C. ramosum. Die zweite Gruppe besiedelten sie ausschließlich mit C. ramosum. Der dritten Gruppe übertrugen die Wissenschaftler den Mix aus den sieben Mikrobenarten und zusätzlich C. ramosum.

Danach mussten die Mäusegruppen vier Wochen lang eine fettreiche Diät einhalten. Während dieser Zeit stellten die Wissenschaftler keine Unterschiede zwischen den drei Gruppen hinsichtlich der Futteraufnahme und der Verdauung des Futters fest. Ebenso wenig fanden sie Anzeichen für Entzündungsprozesse im Körper der Tiere. Allerdings beobachteten sie, dass die beiden Mausgruppen, die mit C. ramosum besiedelt waren, deutlich mehr an Körpergewicht und Körperfett zulegten, als die Mäuse ohne diese Bakterienart. Weiterführende Analysen zeigten zudem, dass die beiden mit C. ramosum beimpften Mausgruppen in ihren Dünndarmzellen verstärkt Transportproteine produzierten, die für die Aufnahme von Trauben- und Fruchtzucker bzw. die Aufnahme von Fettsäuren eine Rolle spielen. Weitere, bereits in anderen Studien beschriebene Mechanismen, die Übergewicht begünstigen, beobachteten die Forscher in ihrem Modellsystem jedoch nicht. Zu solchen Mechanismen zählt zum Beispiel eine erhöhte bakterielle Produktion kurzkettiger Fettsäuren, die den Mäusen zusätzlich als Energiequelle dienen könnten.

"Wir gehen daher davon aus, dass es mehr als nur einen Mechanismus gibt, über den Darmbakterien zur Entstehung von Übergewicht beitragen können", folgert Blaut. Erstaunlich sei auch, dass bereits eine einzige Bakterienart einen so starken Effekt zeige, so der Mikrobiologe weiter. Auch zukünftig wollen die DIfE-Forscher die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Mikrobiota und Übergewicht weiter beforschen, denn es seien noch viele Fragen offen. So stellt sich zum Beispiel die Frage, warum die beobachteten Effekte nur unter einer fettreichen Ernährung zu beobachten waren und nicht unter einer fettarmen, wie Kontrolluntersuchungen der Wissenschaftler ergaben.


*Quelle:
Anni Woting, Nora Pfeiffer, Gunnar Loh, Susanne Klaus, Michael Blaut: Clostridium ramosum promotes high-fat diet-induced obesity in gnotobiotic mouse models. mBio© 2014, das online open-access journal der American Society for Microbiology;
http://mbio.asm.org/
DOI:10.1128/mBio.01530-14


Kontakt:

Prof. Dr. Michael Blaut
Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
E-Mail: blaut@dife.de

Anni Woting
Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
E-Mail: anni.woting@dife.de


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dife.de/forschung/abteilungen/kurzprofil.php?abt=GAMI
Weitere Informationen zur Abteilung von Prof. Michael Blaut


Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/de/image246236
Gram-Färbung von Clostridium ramosum (längliche violett/rosa-farbene Stäbchen)

http://idw-online.de/de/image246237
Wissenschaftlerin bei der Durchführung mikrobiologischer Arbeiten unter Sauerstoffausschluss


Hintergrundinformation:

** intestinale Mikrobiota: Gemeinschaft von Darmbakterien, früher auch als Darmflora bezeichnet

*** Mix aus sieben Bakterienarten, der einer vereinfachten Mikrobiota des menschlichen Darms entspricht: Anaerostipes caccae DSM 14662, Bacteroides thetaiotaomicron DSM 2079, Bifidobacterium longum NCC 2705, Blautia producta DSM 2950, Clostridium butyricum DSM 10702, Escherichia coli K-12 MG1655 und Lactobacillus plantarum DSM 20174

Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e. V. (DZD)
http://www.dzd-ev.de. Das DZD ist ein nationaler Verbund, der Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung bündelt und im Sinne der translationalen Forschung Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung verzahnt.

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 89 Einrichtungen, die anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund 17.200 Menschen - darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,5 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft. Näheres unter
http://www.leibniz-gemeinschaft.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution166

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, Dr. Gisela Olias, 30.09.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2014