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FORSCHUNG/4110: Neurowissenschaft - Herantasten an die Berührungswahrnehmung im Gehirn (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 25.11.2019

Herantasten an die Berührungswahrnehmung im Gehirn


Mehr als zehn Prozent der Großhirnrinde sind an der Verarbeitung von Informationen unseres Tastsinns beteiligt - ein größerer Bereich als zuvor angenommen. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und der Ruhr-Universität Bochum, die am 18. November 2019 online in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde.


Foto: © RUB, Marquard

Ein größerer Teil der Großhirnrinde als bisher angenomen ist an der Verarbeitung von Informationen unseres Tastsinns beteiligt.
Foto: © RUB, Marquard

Ein aufmunterndes Schulterklopfen oder ein weicher Pullover auf der Haut - auch Dinge, die wir nicht aktiv mit den Händen erkunden, nehmen wir über unsere Körperwahrnehmung wahr. "Welche Gehirnareale für diese Berührungswahrnehmung zuständig sind, ist jedoch noch weitestgehend unbekannt", sagt Privatdozent Dr. Burkhard Pleger, Neurologe an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil in Bochum und Mitautor der Studie. Um dieser Frage nachzugehen, haben er und seine Kollegen aus Leipzig die Gehirne von 70 Patientinnen und Patienten mittels struktureller Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht.

Menschen mit Hirnschädigungen nahmen an der Studie teil

Die Studienteilnehmer litten infolge einer Verletzung oder eines Schlaganfalls unter einer gestörten Körperwahrnehmung, wie beispielsweise der Hypästhesie, bei der das Druck- und Berührungsempfinden der Haut eingeschränkt ist. Menschen, die solche Schädigungen - Läsionen genannt - im Gehirn erlitten haben, sind eine besonders wichtige Patientengruppe für Neurowissenschaftler. Indem die Forscher die Lage der Schädigungen im Gehirn und die Symptome der Patienten miteinander vergleichen, können sie Rückschlüsse auf die Funktion einzelner Hirnbereiche ziehen.

In der aktuellen Studie identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Bereiche, die mit einem eingeschränkten Berührungsempfinden zusammenhingen. Dabei konnten sie einige Erkenntnisse aus einer früheren Läsionsstudie zur Körperwahrnehmung stützen und auch neue Hirnareale ausfindig machen, die man zuvor noch nicht mit der Wahrnehmung von Berührungen in Verbindung gebracht hatte.

Neue Erkenntnisse über das Netzwerk im Gehirn

Die Forscher konnten zeigen, dass die Berührungswahrnehmung nicht nur im somatosensorischen Cortex stattfindet, sondern auch Teile des präfrontalen Cortex und des hinteren Scheitellappens in diese Sinneswahrnehmung involviert sind - Hirnregionen, von denen man weiß, dass sie für die Aufmerksamkeitsfokussierung und die Körperwahrnehmung essentiell sind. "Die Studie zeigt, dass das für die Wahrnehmung von Hautberührungen zuständige Hirnnetzwerk viel komplexer ist als bisher angenommen.", so Pleger.

Förderung

Die Studie wurde unter anderem durch Mittel des Sonderforschungsbereiches 874 unterstützt, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 2010 an der Ruhr-Universität Bochum fördert. Der Forschungsbereich "Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse" untersucht wie sensorische Signale neuronale Karten generieren, und daraus komplexes Verhalten und Gedächtnisbildung resultiert.

Text: Judith Merkelt-Jedamzik


Originalpublikation:
Originalveröffentlichung:
Michael Rullmann, Sven Preusser, Burkhard Pleger: Prefrontal and parietal contributions to the perceptual awareness of touch
in: Scientific Reports, 2019
DOI: 10.1038/s41598-019-53637-w

Weitere Informationen finden Sie unter
https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2019-11-25-neurologie-herantasten-die-beruehrungswahrnehmung-im-gehirn

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution2

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum - 25.11.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2019

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