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GESUNDHEIT/1327: Deutsche Gesundheits-Korrespondenz Nr. 5/6 - Mai/Juni (DGK)


DEUTSCHES GRÜNES KREUZ e.V. - informationsdienst

dgk - Deutsche Gesundheits-Korrespondenz Nr. 5/6 - Mai/Juni (DGK)



  • Zecken und Borreliose: Das raten Neurologen
    Neue Leitlinie veröffentlicht
    Infokasten: Davon wird abgeraten
  • Narkolepsie - Wenn Schlaf außer Kontrolle gerät
    IMPFTIPP
  • Zeit für die FSME-Impfung
    Robert Koch-Institut: Mehr Risikogebiete
    AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
  • Herzinfarkt überstanden - Sieben Faktoren verlängern das Leben
    KIND UND GESUNDHEIT
  • Essstörungen nehmen zu - wie Eltern vorbeugen können
    Und: Buchtipp für Betroffene
    MELDUNG
  • Evolution: Warum wir keine Überaugenwülste mehr haben
    SERVICE

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Zecken und Borreliose: Das raten Neurologen

Die Gesellschaft für Neurologie hat nach mehr als dreijähriger Arbeit eine Leitlinie Neuroborreliose veröffentlicht.

(dgk) Im Wonnemonat Mai steigt das Risiko für Zeckenstiche: Die Vegetation hat sich voll entfaltet, mögliche Wirtstiere für Zecken sind nun hochaktiv - und auch die Menschen zieht es Dank der milden Temperaturen immer häufiger nach draußen. Ein guter Zeitpunkt also, um wissenschaftlich geprüfte Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen zum Thema Borreliose zu veröffentlichen.

Das hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) getan: Nach mehr als dreijähriger Arbeit hat sie die erste S3-Leitlinie zum Thema Neuroborreliose veröffentlicht. Für Laien interessant ist vor allem der Teil der Leitlinie, in dem es um die Prävention und Früherkennung der Erkrankung geht.

Was ist was: Borreliose, Wanderröte und Neuroborreliose
Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Europa. Ganz Deutschland ist "Risikogebiet", das heißt über die ganze Republik verteilt sind Zecken mit den Erregern, den Borrelien, infiziert. Die durch die Bakterien ausgelöste Erkrankung zeigt sich überwiegend als örtlich begrenzte Hautinfektion, der sogenannten Wanderröte. Die Erkrankung kann jedoch auch das Nervensystem betreffen. Zu einer akuten Neuroborreliose kommt es in etwas mehr als 3 Prozent der Infektionen. Dabei entzünden sich Nervenwurzeln oder Hirnhäute, in seltenen Fällen Gehirn und Rückenmark. Die Erkrankung ist durch Antibiotika behandelbar, so die Autoren der Leitlinie.

Leitlinien sind Leitfäden für Ärzte und Patienten, die nach strengen Regeln erarbeitet werden und den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Medizin wiedergeben. Sie durchlaufen mehrere Entwicklungsstadien (S1 bis S3). S3-Leitlinien sind qualitativ besonders hochwertig.

In dem Werk geht es den Medizinern vor allem um die Diagnose und Therapie der Neuroborreliose, doch zusätzlich geben die Experten speziell auch für Laien wichtige Hinweise zur Vorbeugung einer Borreliose allgemein.

Vorbeugen durch rasches Entfernen: nicht auf den Arzt warten
Das Wichtigste als erstes: Falls eine Zecke zugestochen hat, sollte sie so früh wie möglich entfernt werden. Das Risiko der Übertragung von Borrelien steigt mit der Dauer der Saugzeit der Zecke. Bei Versuchstieren wurden nur selten Übertragungen in den ersten 12 Stunden beobachtet. Eine frühzeitige Entfernung kann also eine Übertragung der Krankheitserreger recht sicher verhindern.

Nach einem Aufenthalt in Garten, Park, Feld, Wald und Wiesen mit möglichem Zeckenkontakt sollte deshalb am selben Abend der Körper nach Zecken abgesucht werden. Bei Kindern muss dabei auch der Kopf in Augenschein genommen werden.

Wird eine Zecke gefunden, heißt es: Raus damit! Natürlich kann man die Zecken selbst entfernen, keinesfalls sollte damit bis zum nächsten Tag gewartet werden, wenn die Arztpraxis wieder offen hat. Am besten geeignet sind spezielle Zeckenpinzetten, Splitterpinzetten oder Zeckenkarten. Zecken sollten nahe der Haut "gepackt" und langsam und ohne Drehen und ohne Quetschen des Hinterleibs herausgezogen werden.

Falls ein Rest des Stechapparates, häufig fälschlicherweise als "Kopf" bezeichnet, in der Haut verbleibt, kann er mit einer sterilen Nadel entfernt werden. Man kann es aber auch einfach lassen: Hinsichtlich einer Übertragung von Borrelien ist das Verbleiben des Stechapparates in der Haut unbedenklich, so die Experten.

Früherkennung: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Falls mal eine Zecke zugestochen hat, braucht man sich keine übertriebenen Sorgen zu machen. Obwohl durchschnittlich bis zu 20 Prozent der Zecken Borrelien in sich tragen, führt längst nicht jeder Stich zu einer Infektion. Laut Robert Koch-Institut (RKI) wird nach einem Zeckenstich bei 2,6 bis 5,6 Prozent der Betroffenen eine Borrelien-Infektion durch Antikörper nachgewiesen. Aber: Nur ein kleiner Teil dieser Personen erkrankt auch. Insgesamt ist nur bei 0,3 bis 1,4 Prozent aller Zeckenstiche mit Krankheitssymptomen, allen voran einer Wanderröte, zu rechnen, so das RKI.

Dennoch ist es sinnvoll, die Haut in der Umgebung der Einstichstelle sechs Wochen lang zu beobachten. Eine unmittelbar nach dem Stich auftretende Rötung durch die im Zeckenspeichel enthaltenen Stoffe ist normal und bildet sich innerhalb einiger Tage zurück. Tritt danach erneut eine Rötung auf oder vergrößert sich die anfängliche Rötung auf 5 cm ober mehr, sollten eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden. Es könnte sich hierbei um eine Wanderröte handeln, dem weitaus häufigsten Symptom einer Borreliose, das mit einem Antibiotikum behandelt wird.

Die Verbreitung der Borrelien über den Blutweg kann sich allerdings - auch ohne Rötung der Haut - durch ein grippeartiges Krankheitsgefühl bemerkbar machen. Typischerweise würden dabei, im Gegensatz zu einer virusbedingten Grippe oder einer Erkältung, Beschwerden in den Atemwegen fehlen. Treten nach einem Zeckenstich grippeartige Krankheitssymptome ohne Schnupfen, Husten oder Halsschmerzen auf, sollten eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden, die über die Notwendigkeit einer Blutuntersuchung und einer Therapie entscheidet.

Davon raten die Experten ab
Eine Untersuchung der aus der Haut entfernten Zecke auf Borrelien ist nicht sinnvoll. Bei einem positiven Nachweis wäre nicht sicher, ob die Krankheitserreger aus der Zecke überhaupt in die Haut gelangt sind. Und selbst wenn sie es wären, würde offen bleiben, ob sie zu einer Erkrankung führen würden. Zur Erinnerung: Nur ein kleiner Teil der mit Borrelien infizierten Menschen erkrankt! Aus diesem Grund ist auch von einer vorbeugenden oralen Antibiotikatherapie mit all ihren unerwünschten Nebenwirkungen abzuraten.

Selbst von einem antibiotischen Gel, das nach einem Zeckenstich aufgetragen werden kann, raten die Experten ab: Tierversuche hierzu waren zwar vielversprechend, in einer Placebo-kontrollierten Studie zur Wirksamkeit beim Menschen hatte sich kein prophylaktischer Effekt gezeigt.

Quellen:
1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Kommission Leitlinien (Herausgeber): Leitlinie Neuroborreliose (S3); AWMF-Registernummer: 030/071. Darin: Anhang 6 für Laien: Patienten-Information nach Zeckenstich (aus DDG S2k-LL Kutane Lyme-Borreliose; AWMF-Reg.-Nr. 013/044)

2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Pressemitteilung vom 13.4.2018: Folgen eines Zeckenstichs sicher erkennen und behandeln: Leitlinie Neuroborreliose veröffentlicht

3. Robert Koch-Institut (RKI): Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Borreliose (Stand: 14.2.2018)

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Narkolepsie - Wenn Schlaf außer Kontrolle gerät

Narkolepsie ist eine zwar seltene, aber überaus quälende chronische Erkrankung. Hauptsymptom ist die starke Schläfrigkeit am Tag: Betroffene werden regelrecht vom Schlaf übermannt.

(RaIA / dgk) Beim Vortrag im abgedunkelten Raum, im Kino oder als Beifahrer bei einer längeren Autofahrt wird jeder mal müde und gleitet in ein kleines Nickerchen. Das ist normal. Wer an Narkolepsie leidet, hat über solche Situationen jedoch keine Kontrolle mehr, so der Ratgeber aus Ihrer Apotheke: Er wird vom Schlaf immer wieder regelrecht überrumpelt. Das enorme Schlafbedürfnis überfällt die Betroffenen mitunter sogar während aktiver Tätigkeiten wie beim Essen, mitten in einer Besprechung oder gar beim Autofahren. Das ist nicht nur peinlich - es ist auch sehr gefährlich.

Der Schlaf-Rhythmus ist gestört
Diese starke Tagesschläfrigkeit ohne erkennbare Ursachen ist das Hauptsymptom der Narkolepsie. Begleitend treten dabei häufig auch sogenannte Kataplexien und ein gestörter Nachtschlaf auf. Unter einer Kataplexie versteht man einen nur wenige (Milli-)Sekunden dauernden Verlust der Muskelspannung. In leichteren Fällen entgleisen dann beispielsweise nur die Gesichtszüge, in schweren versagt die gesamte Muskulatur der Arme und Beine, und der Betroffene sackt plötzlich hilflos zusammen.

Wichtige Botenstoffe fehlen
Narkolepsie ist eine chronische Krankheit, von der hierzulande schätzungsweise 40.000 Menschen betroffen sind. Meist tritt sie im Alter zwischen 15 und 32 Jahren erstmals auf. Die Ursache ist wahrscheinlich eine krankhafte Immunreaktion: Die Nervenzellen produzieren zu wenig des Botenstoffs Hypocretin, der die Balance des Schlaf-Wach-Rhythmus regelt. Die Erkrankung ist bisher zwar nicht heilbar, doch können Betroffene mit der richtigen Therapie gut mit ihr leben. Dafür benötigen sie allerdings eine korrekte Diagnose.

Besser zum Spezialisten
Da die Erkrankung sehr selten auftritt und mit ganz unterschiedlichen Symptomen verbunden ist, ist sie von Ärzten oft nicht leicht zu erkennen. Meist wird sie erst spät diagnostiziert. Häufig schämen sich die Betroffenen auch wegen ihrer "Schlafsucht", müssen sich herben Spott anhören und versuchen deshalb nicht aufzufallen. Umso wichtiger ist die Aufklärung bei entsprechenden Symptomen. Dr. med Ulf Kallweit von der Helios Klinik in Hagen leitet ein Narkolepsie-spezifisches Reha-Programm und rät, bei entsprechenden Symptomen den Hausarzt oder gleich einen Facharzt für Neurologie aufzusuchen. "Erhärtet sich der Verdacht, dass eine Narkolepsie vorliegt, sollte man idealerweise ein spezialisiertes Zentrum für Narkolepsie oder ein Schlaflabor konsultieren."

Verschiedene Therapien helfen
Für Narkolepsie-Patienten spielen die Umstellung der Lebensgewohnheiten wie auch die Einnahme von Medikamenten eine wichtige Rolle. Zum Beispiel werden die Schlafenszeiten in der Nacht und kleine Schlafeinheiten am Tag genau geplant. So können die Betroffenen tagsüber längere Phasen kontrolliert wach bleiben und nachts besser schlafen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, stehen verschreibungspflichtige Psychostimulanzien gegen die quälende Tagesschläfrigkeit zur Verfügung. Auch gegen die Kataplexien ist ein Medikament verfügbar.

Hilfe durch Narkolepsie-Reha
Narkolepsie ist keine psychische, sondern eine organische Erkrankung mit unterschiedlichem Schweregrad. Unbehandelt kann sie den beruflichen Alltag wie auch das Privatleben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Viele ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück, Depressionen können auftreten und das Leben zusätzlich erschweren. Hier kann eine Reha helfen. "Die spezifische Narkolepsie-Rehabilitation verbindet sämtliche Therapiestrategien", erklärt Dr. Kallweit. "Das Programm beinhaltet neben der medikamentösen Behandlung u.a. psychologische Hilfe, ein intensives Sport- und Trainingsprogramm, Arbeitstherapie, Musik- und Kunsttherapie sowie Sozialberatung." Der Austausch der Patienten untereinander ist ebenfalls wichtiger Teil einer Reha-Maßnahme.


Weitere interessante Themen finden Sie im Ratgeber aus Ihrer Apotheke, der ab dem 1. Juni kostenlos in der Apotheke bereitliegt.

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IMPFTIPP
Zeit für die FSME-Impfung

Robert Koch-Institut: Mehr Risikogebiete für durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung

(dgk) Die Zahl der Risikogebiete für durch Zecken übertragene Hirnhautentzündungen ist in Deutschland gestiegen. 156 Kreise gelten nun als Risikogebiete für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und damit zehn mehr als im vergangenen Jahr.

Fast ganz Bayern und Baden-Württemberg gelten als Risikogebiete. Auch Südhessen, das südöstliche Thüringen sowie Teile von Rheinland-Pfalz, des Saarlands und Sachsens sind betroffen. In der aktuellen Einstufung der Risikogebiete kamen fünf Gebiete in Bayern, zwei Kreise in Thüringen und drei weitere Kreise in Sachsen hinzu, die alle an bereits bestehende Risikogebiete grenzen.

Die FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) ist eine durch Zecken auf den Menschen übertragene Viruskrankheit, die mit einer fieberhaften Erkrankung unter Beteiligung der Hirnhäute (Hirnhautentzündung, Meningitis), in schweren Fällen aber auch des Gehirns und Rückenmarks, einhergehen kann.

Menschen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten und zeckenexponiert sind, empfehlen die Fachleute eine Impfung. Gegen FSME schützt eine dreimalige Impfung, die alle drei bis fünf Jahre aufzufrischen ist. 97 Prozent der 2017 gemeldeten FSME-Erkrankten (485) war dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge gar nicht oder unzureichend geimpft. Ein hoher Anteil der auftretenden FSME-Erkrankungen könnte also durch eine Steigerung der Impfquoten verhindert werden.

Eine aktuelle Karte mit allen Risikogebieten in Deutschland finden Sie auf den Seiten des Deutschen Grünen Kreuzes unter www.dgk.de/fsme

Quelle:
Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 17/2018

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AUS WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
Herzinfarkt überstanden - Sieben Faktoren verlängern das Leben

Ein Herzinfarkt ist ein einschneidendes Erlebnis. Wer ihn überstanden hat, sollte nicht weitermachen wie gewohnt, sondern seinen Kurs auf "gesund" umstellen. Wie sehr sich das lohnt, zeigen aktuelle Studien.

(dgk) Ein optimaler Blutdruck, niedriger Cholesterin- und Glukosespiegel, körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung, Nikotinverzicht und kein Übergewicht - mit diesen sieben Lebensstilfaktoren lässt sich nicht nur das Herzinfarkt-Risiko beträchtlich senken. Wie eine aktuelle Analyse gezeigt hat, können die Patienten damit auch ihre Prognose verbessern, wenn ein solches Ereignis bereits eingetreten ist.

Die Einhaltung dieses optimalen Lebensstilpakets - the "Life's Simple 7" - wird von der amerikanischen Kardiologie-Gesellschaft zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen. Die meisten Experten würden diese Maßnahmen sicherlich auch empfehlen, wenn es darum geht, einen zweiten Infarkt zu verhindern.

Die Studienlage dazu war allerdings nicht ganz einheitlich. Nun belegt eine amerikanische Untersuchung eindrücklich den Nutzen. Die Forscher haben die Daten von 1.277 Patienten ausgewertet, die einen Herzinfarkt erlitten hatten. Bei der Entlassung aus der Klinik wurden jene Lebensstilfaktoren erfasst, die das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen.

Die beste Prognose im weiteren Verlauf hatten jene Teilnehmer, bei denen die sieben propagierten Lebensstilfaktoren am ehesten dem Ideal entsprachen. Ein "Life's Simple 7"-Score von ≥ 10 (2 Punkte für idealen, 1 Punkt für mittleren und 0 Punkte für schlechten Wert) ging mit einem 43 Prozent geringerem Risiko einher, während des etwas mehr als dreijährigen Beobachtungszeitraumes einen erneuten Herzinfarkt, eine Herzinsuffizienz oder einen Schlaganfall zu erleiden oder an einer kardiovaskulären Ursache oder anderen Gründen zu versterben, als bei einem Score ≤ 3. Bei einem Score von 7 bis 9 war das Risiko um 22 Prozent geringer.

Ermutigend: Der Zusammenhang war weitestgehend unabhängig von der Schwere des Herzinfarktes. Den entscheidenden positiven Einfluss auf die Prognose hatten laut US-Forscher der Verzicht auf Zigaretten, ein idealer BMI, ein niedriger Blutdruck und Nüchternblutzucker.

Schweden: Einfluss von Sport unter die Lupe genommen
Auf den großen Nutzen körperlicher Aktivität hingegen weisen schwedische Forscher hin. Sie haben für eine Studie mehr als 22.000 Herzinfarkt-Patienten beobachtet. Die Studienteilnehmer sollten in bestimmten Abständen berichten, wie oft sie sich in den jeweils vergangenen sieben Tagen für mindestens 30 Minuten sportlich betätigt hatten. Während der Nachbeobachtungszeit von etwa vier Jahren starben etwas mehr als 1.000 der Patienten.

Die abschließende Analyse zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität nach dem Infarkt und einem verringerten Risiko, im Beobachtungszeitraum zu sterben: Jene Probanden, die nach dem Infarkt verstärkt Sport machten, hatten ein um 51 Prozent verringertes Sterberisiko im Vergleich zu jenen, die inaktiv blieben. Wer vorher und nachher sportlich aktiv war, hatte sogar ein um 59 Prozent verringertes Risiko.

Quellen:
1. Kardiologie.org (ein gemeinsames Angebot von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK), dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) e.V. und der Springer Medizin Verlag GmbH): Optimale Sekundärprävention / Nach Herzinfarkt: Mit diesen 7 Regeln verbessern Sie Ihre Prognose

2. Mok Y, Sang Y, Balle S. American Heart Association's Life's Simple 7 at Middle Age and Prognosis After Myocardial Infarction in Later Life Journal of the American Heart Association. 2018, Originally published February 17, 2018;
http://doi.org/10.1161/JAHA.117.007658;7:e007658

3. Ärztezeitung online vom 23.4.2018: Sport nach Infarkt kann Leben retten
https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/herzinfarkt/article/962355/studie- belegtsport-nach-infarkt-kann-leben-retten.html

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KIND UND GESUNDHEIT
Essstörungen nehmen zu - wie Eltern vorbeugen können

Aktuelle Studien zeigen, dass Essstörungen wie Bulimie und Magersucht immer häufiger werden.

(dgk) So meldete beispielsweise das Gesundheitswissenschaftliche Institut Nordost (GeWINO) der AOK Nordost Anfang dieses Jahres einen deutlichen Anstieg der Diagnosen für Essstörungen. Der Erhebung nach wurde im Jahr 2010 im bei rund 3.500 Versicherten eine Essstörung wie Bulimie, Anorexie oder Binge Eating (Esssucht) neu diagnostiziert. Im Jahr 2016 waren es bereits mehr als 6.100 Versicherte. Das entspricht einer Zunahme von 71 Prozent. Grundlage der Analysen waren die anonymisierten Abrechnungsdaten von rund 750.000 Versicherten der AOK Nordost im Alter von 6 bis 54 Jahren.

"Die Dunkelziffer dürfte jedoch um einiges höher liegen, da wir lediglich Personen auswerten können, die vom Arzt eine Diagnose gestellt bekommen haben", sagte der GeWINO-Versorgungsforscher Jan Breitkreuz.

Die Bereitschaft, sich in Therapie zu begeben, ist eine große Hürde für Betroffene einer Essstörung, wie die Analysen zeigen. Der Beginn einer Behandlung bedeutet für sie, sich das eigene problematische Verhalten selbst einzugestehen, es vor anderen offenzulegen und sich mit den dahinterliegenden Gründen auseinanderzusetzen. Davor schrecken viele zurück: Weniger als 10 Prozent der Versicherten der AOK Nordost mit der Diagnose einer Essstörung begeben sich innerhalb von 3 Jahren ab der Erstdiagnose in Behandlung. Die Wahrscheinlichkeit, eine Behandlung zu beginnen, beträgt im ersten Jahr noch 5 Prozent, im zweiten 3 Prozent, im dritten nur noch 1 Prozent. Angesichts der teilweise dramatischen Langzeitfolgen einer Essstörung ist die niedrige Behandlungsquote besorgniserregend. Um so wichtiger sind vorbeugende Maßnahmen.

Grundsätzlich können Magersucht und Bulimie in jedem Lebensalter auftreten. Teenager in der Pubertät sind aber besonders gefährdet, da sie sich in einer Lebensphase mit Umbrüchen, Unsicherheit und schwankendem Selbstwertgefühl befinden. Gerade bei Mädchen lassen in der Pubertät Zufriedenheit mit dem Aussehen und positive Gefühle dem Körper gegenüber nach, was sicherlich unter anderem mit gängigen Rollenklischees zusammenhängt.

Ein paar Bemerkungen wie "Oh Mann, du solltest echt mal abnehmen!" reichen manchmal aus, um den Anstoß für die Krankheit zu geben. Die Essstörungen können schwere Organschäden nach sich ziehen, schlimmstenfalls enden sie tödlich.

Was Eltern tun können, um Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen vorzubeugen
Einen sicheren Schutz vor Essstörungen gibt es nicht. Neben der Erziehung spielt eine Vielzahl anderer Faktoren - zum Beispiel die Persönlichkeit des Kindes oder das soziale Umfeld - eine Rolle. Dennoch können Eltern einiges tun, um einem gestörten Essverhalten vorzubeugen. Die gute Nachricht dabei: Die Strategien wirken auch einer Adipositas entgegen.

Selbstwertgefühl stärken
Alles, was das Selbstbewusstsein und die Selbstannahme fördert, wirkt letztlich präventiv. Eltern sollten ihren Kindern vorleben, dass Unzulänglichkeiten und Fehler zum Leben dazugehören und die Welt deswegen nicht untergeht.

Gesundes Körperbewusstsein fördern
Eltern können die Selbstwahrnehmung und ein positives Körpergefühl fördern, z. B. durch Freude an Bewegung, Entspannung und ein respektvoll-zärtliches Miteinander. Kritische Bemerkungen über die Figur oder eine Fixierung auf das Essverhalten sollten unterbleiben.

Gutes Ernährungsverhalten vorleben
Während gemeinsamer Mahlzeiten mit gutem Beispiel vorangehen: Eine von den Erwachsenen vorgelebte gesunde, genussvolle Ernährung legt den Grundstein für ein gesundes Essverhalten. Machtspiele und Zwang beim Essen sollte es nicht geben, umgekehrt sollten Essen oder Süßigkeiten nicht als Belohnung, Trost oder als Ersatz für Liebe eingesetzt werden.

Übergewicht vorbeugen
Ein normales Körpergewicht in der Kindheit ist ein Baustein zur Vorbeugung von späteren Essstörungen. Schon früh sollten Eltern daher auf eine gesunde Ernährung ihres Kindes und regelmäßige Bewegung achten.

Kein Smalltalk über das Gewicht
Eltern sollten sich den Smalltalk über das eigene Gewicht und das der anderen Familienmitglieder verkneifen. Studien zeigen, dass es schon kleinere Mädchen verunsichert, wenn ihre Mütter mit dem eigenen körperlichen Erscheinungsbild unzufrieden sind.

Keine Diät für Heranwachsende
Eltern sollten Heranwachsende nicht ermutigen, eine Diät zu beginnen. Denn schon länger ist bekannt, dass Teenager, die ein paar Kilo zu viel auf den Rippen haben, durch radikale Diät leicht in eine Essstörung rutschen können. Heranwachsende, für deren Gesundheit es gut wäre, ein paar Kilo abzunehmen, sollten das langsam tun und von Kinder- und Jugendärzten dabei begleitet werden.

Schlankheitsideal und Rollenzuweisungen hinterfragen
Eltern sollten ihre Kinder dazu anregen, männliche und weibliche Rollenzuweisungen und Schönheitsideale zu hinterfragen und ein kritisches Medienbewusstsein zu entwickeln.


Buchtipp für Betroffene mit Essstörungen
Zurück ins Leben: In 12 Schritten aus der Bulimie

Kann man mit Hilfe der Methode der Anonymen Alkoholiker auch andere Süchte überwinden? Nina Wolf hat es probiert und geschafft. Über Umwege kam sie zu dem 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker, mit dem sie es ihr schließlich gelang, ihre Bulimie zu besiegen.

Die erfolgreiche Immobilienmanagerin führte mehr als 25 Jahre ein Doppelleben, bis sie eines Tages nach einer Fressattacke auf einer öffentlichen Toilette erwischt wird.

Mit ihrem im Februar 2018 erschienen Buch "Zurück ins Leben. In 12 Schritten aus der Bulimie" möchte sie Betroffenen und ihren Angehörigen Mut machen und ihnen neue Kraft verleihen. Ihre Geschichte zeigt, dass es sich lohnt, gegen die Bulimie anzukämpfen, dass Kraft und Eigendisziplin nötig sind, die Krankheit aber überwindbar ist.


Das sind die drei häufigsten Formen einer Essstörung

- Magersucht (Anorexia nervosa): etwa 250.000 Fälle bundesweit (95 Prozent davon weiblich), die Sterberate liegt bei 10 bis 15 Prozent.
- Bulimie (Ess-Brechsucht): etwa 750.000 Fälle (davon 90 Prozent weiblich), die Sterberate liegt bei knapp einem Prozent.
- Binge Eating Disorder (Essattacken ohne anschließendes Erbrechen): etwa 1,5 Millionen Fälle (50 Prozent weiblich, 50 Prozent männlich), gesundheitliche Gefahren erwachsen vor allem aus dem entstehenden Übergewicht.

In allen Fällen muss von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden. (Quelle: AOK Nordwest)

Quellen:
1. Gesundheitswissenschaftliches Institut Nordost (GeWINO) der AOK Nordost (Januar 2018): Essstörungen - Regionale Entwicklung im Nordosten; abrufbar unter www.gewino.de

2. Ärzteblatt online vom 6. Februar 2018: Diagnose "Essstörung" hat deutlich zugenommen

3. Ärzteblatt online vom 26. April 2018: Essstörungen auf dem Vormarsch

4. vitanet.de: Was Sie tun können, um Essstörungen bei Ihrem Kind vorzubeugen

5. Der Tagesspiegel online vom 22.08.2016: Magersucht und Übergewicht gemeinsam vorbeugen

6. Annette Schneider (2012): Das Körperbewusstsein bei Kindern und Jugendlichen; Dissertation/Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

7. www.vitanet.de/krankheiten-symptome/essstoerungen/vorbeugen

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MELDUNGEN
Evolution: Warum wir keine Überaugenwülste mehr haben

(dgk) Beim Betrachten von Schädeln früher Menschenformen oder auch von Schimpansen fallen sie sofort ins Auge: Knochenwülste über den Augen, die den Schädel derb und archaisch aussehen lassen. Im Lauf der Evolution hat der Mensch diese Überaugenwülste größtenteils verloren.

Lange Zeit rätselten Forscher über die Funktion dieser Knochenstruktur. Bislang glaubte man, dass die kräftigen Wölbungen dazu dienten, um die Hirnschale stabil mit den Knochen des Gesichtsschädels zu verbinden oder um Belastungen beim festen Zubeißen und Kauen zu verringern.

Mit Hilfe von Computersimulationen haben britische Forscher jetzt gezeigt, dass die Knochenverdickung für die Statik des Schädels kaum eine Rolle spielt. Bei den Frühmenschen waren die Überaugenwülste wohl eher ein Merkmal sozialer Dominanz. Das wirft die Frage auf, warum sie beim modernen Menschen verschwunden sind.

Dafür haben die britischen Wissenschaftler eine Erklärung gefunden. Die Rückbildung der starren Überaugenwülste und die Umwandlung in die vertikal beweglichen Augenbrauen des heutigen Menschen haben den Ausdruck von Gefühlen ermöglicht und damit soziale Bindungen erleichtert.

Noch heute zeigt über alle Kulturen hinweg ein kurzes Hochzucken der Augenbrauen das Erkennen eines anderen und die Kontaktbereitschaft an. Ein langsames Hochziehen ist ein Zeichen der Überraschung - oder der Empörung. So haben es Veränderungen des Gesichts ermöglicht, soziale Fähigkeiten zu verbessern, die für kooperatives Verhalten in der Gruppe nötig sind - ein wesentlicher Grund für den Erfolg des modernen Menschen.


Quellen:
1. Wissenschaft aktuell vom 10.4.2018: Evolution des Gesichts veränderte Funktion der Augenbrauen

2. Ricardo Miguel Godinho et al.: Supraorbital morphology and social dynamics in human evolution; Nature Ecology and Evolution,
DOI:10.1038/s41559-018-0528-0

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SERVICE

Zu vielen Themen in dieser Ausgabe finden Sie weitergehende Informationen auf unserer Homepage unter www.dgk.de/Aktuelles

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Quelle:
dgk - Deutsche Gesundheits-Korrespondenz - informationsdienst
59. Jahrgang, Nr. 5/6 - Mai/Juni (DGK)
Herausgeber: DEUTSCHES GRÜNES KREUZ e.V.
Biegenstraße 6, 35037 Marburg
Telefon: (06421) 293-0, Telefax: (06421) 293-187
E-Mail: dgk@dgk.de
Internet: www.dgk.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2018

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