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MELDUNG/029: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 24.12.09 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Herausragende Forschung zur Thrombozytenfunktionshemmung          
      bei interventionell behandelten Typ-2-Diabetikern
→  Geheimnisvolles Gehirn
      Forscher entschlüsseln Teile des neuronalen Codes

Raute

Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen - 22.12.2009

DHD-Förderpreis 2009 geht an Tübinger Kardiologen

Herausragende Forschung zur Thrombozytenfunktionshemmung bei interventionell behandelten Typ-2-Diabetikern

Den 10. Förderpreis der Stiftung DHD (Der herzkranke Diabetiker) hat im Dezember der Kardiologe Tobias Geisler aus Tübingen erhalten. Der mit 10.000 EURO dotierte Preis wird für herausragende Forschung an der Schnittstelle von Stoffwechsel- und Gefäßmedizin verliehen. "Mit seiner Arbeit leistet Geisler einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Prognose bei herzkranken Diabetikern", sagt der Stiftungsvorsitzende Professor Diethelm Tschöpe vom Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. Tschöpe, der auch ärztlicher Direktor der Universitätsklinik ist, erklärte zu Beginn der Preisverleihung in Berlin: "Tobias Geisler ist ein exzellenter Wissenschaftler und würdevoller Laureat, der mit 34 Jahren bereits auf eine eindrucksvolle Karriere blicken kann. Schwerpunkte seiner Forschung sind die Thrombozytenfunktion bei kardiovaskulären Risikopatienten, Pharmakogenetik und interventionelle Kardiologie. Geisler erhielt dafür schon einige Auszeichnungen (Award of the German Heart Foundation, Award of the Atherothrombosis Grant of the Society of Cardiology). Seit August ist der Kardiologe nun am Royal Brompton Hospital in London tätig".

Der DHD-Förderpreis wurde Tobias Geisler jetzt für seine Arbeit mit dem Titel "Impact of inflammatory state and metabolic control on responsiveness to dual antiplatelet therapy in type II diabetics with symptomatic coronary artery disease" verliehen. Der Kardiologe analysierte mit seinen Tübinger Kollegen um Professor Meinrad Gawaz den Zusammenhang zwischen inflammatorischen Markern und Thrombozytenfunktion unter besonderer Berücksichtigung der prognostischen Bedeutung. Zunächst wurden in einer Pilotstudie bei einem konsekutiven Patientenkollektiv mit 75 Typ-2-Diabetikern und 153 Nicht-Diabetikern die inflammatorischen Marker Interleukin-6 und C-reaktives Protein (CRP) via Immunoassay untersucht. Die Thrombozytenaggregation konnte nach Stimulation mit Adenosindiphosphat (ADP) und Arachidonsäure mittels Vollblut-Impedanzergometrie gemessen werden. Die ADP-induzierte Thrombozytenaggregation wurde in einer weiteren konsekutiven Kohorte mit 542 Diabetikern und 1161 Nicht-Diabetikern untersucht, die aufgrund einer symtomatischen koronaren Herzkrankheit einen Stent als Koronarintervention erhielten. Nach der Clopidogrel-Aufsättigungsdosis von 600mg folgte die Behandlung der Patienten mit einer dualen antithrombozytären Therapie (100mg Aspirin und 75mg Clopidogrel täglich).

Die inflammatorischen Marker waren bei den Diabetikern, die zum Zeitpunkt der Stentimplantation eine hyperglykämische Stoffwechsellage aufwiesen, erhöht. Dabei korrelierte die Höhe der inflammatorischen Marker signifikant mit dem Grad der thrombozytären Restaggregation (RPA) unter Clopidogrel und Aspirin. Verglichen mit Nicht-Diabetikern konnte bei Patienten mit Diabetes in der Kohortenstudie mit dualer Plättchenhemmung eine gesteigerte Thrombozytenaggregation nachgewiesen werden. Dieser Effekt zeigte sich vor allem bei Diabetikern mit unzureichender metabolischer Kontrolle (HbA1c >6,5%). In einer interindividuellen Analyse konnte weiter beobachtet werden, dass die Aggregationshemmung bei Diabetikern bis 36 Stunden nach Clopidogrel-Aufsättigung verzögert ist. Das Vorliegen eines Typ-2-Diabetes ließ sich auch als unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte thrombozytäre Restaggregation bestätigen. Darüber hinaus konnte die RPA als Prädiktor für das Auftreten eines Myokardinfarktes oder Todes kardiovaskulärer Ursache innerhalb von 30 Tagen identifiziert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass bei interventionell behandelten Typ-2-Diabetikern der Grad der Inflammation und der metabolischen Kontrolle mit einem verminderten Ansprechen auf eine konventionelle antithrombozytäre Therapie korreliert. Resultat ist auch, dass die erhöhte Restaggregation - zumindest kurzfristig - auftretende ischämische Ereignisse bei Diabetikern nach einem Koronareingriff beeinflusst. Deshalb sind kombinierte Therapieansätze notwendig, um inflammatorische Prozesse zu hemmen, die glykämische Stoffwechsellage, Thrombozytenfunktion und Gerinnungseigenschaften zu verbessern.

Die Stiftung DHD schreibt den Förderpreis 2010 erneut aus. Der Preis für Forschung zum Thema Diabetes und Herz ist mit 10.000 EURO dotiert und wird von Sanofi Aventis unterstützt. Arbeiten aus dem grundlagenwissenschaftlichen, klinischen und versorgungsmedizinischen Bereich können bis 30. September 2010 eingereicht werden. Weitere Informationen bei der Stiftung DHD am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Georgstr. 11, in 32545 Bad Oeynhausen, oder unter
www.stiftung-dhd.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1268

Quelle: Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen, Katrin Hertrampf, 22.12.2009

Raute

Technische Universität Graz - 22.12.2009

Geheimnisvolles Gehirn
Forscher entschlüsseln Teile des neuronalen Codes

Interdisziplinäres Forschungsteam aus Informatikern und Hirnforschern präsentiert Ergebnisse in "PLoS Biology".

Das menschliche Gehirn funktioniert noch weit komplexer als bislang angenommen. Wenig beachtet war bislang etwa der Faktor Zeit bei der Informationsverarbeitung in neuronalen Schaltkreisen. "Liquid Computing", wörtlich übersetzt "fließendes Rechnen" - eine neue Theorie von Informatikern der TU Graz zum Funktionieren dieser komplexen Netzwerke von Nervenzellen - hat nun ihren ersten Test bestanden.

In einer disziplinenübergreifenden Kooperation mit Neurowissenschaftern vom Max-Planck-Institut (MPI) für Hirnforschung in Frankfurt gelang es zu zeigen, dass bereits frühe Verarbeitungsstadien im Gehirn Informationen über einen längeren Zeitraum zusammenfassen. Für die Auswertung der Experimente mussten die Forscher auch den neuronalen Code knacken. Die Wissenschafter veröffentlichen die neuen Erkenntnisse ihrer Forschungsarbeit, die in Österreich der Wissenschaftsfonds FWF fördert, in der aktuellen Ausgabe von "PLoS Biology", einer der angesehensten Fachzeitschriften in diesem Bereich.

Die Vorstellung, dass das Gehirn Informationen Schritt für Schritt verarbeitet, scheint veraltet: "Das menschliche Gehirn funktioniert nicht nach dem Prinzip der Fließbandarbeit. Es kann bei der Verarbeitung von Information weit flexibler mit der Zeit umgehen als bislang angenommen", erklärt Wolfgang Maass, Leiter des Instituts für Grundlagen der Informationsverarbeitung der TU Graz.

Wie Wellen im Wasserteich

Sein Grazer Mitarbeiter Stefan Häusler vergleicht das Grundprinzip mit einer Wasseroberfläche: "Das Gehirn funktioniert wie ein Wasserteich, in den Steine hineingeworfen werden: Die dadurch entstandenen Wellen verschwinden nicht sofort, sondern überlagern sich und sammeln Information darüber, wie viele und wie große Steine hineingeworfen wurden. Ein wesentlicher Unterschied ist nur, dass sich diese Wellen im Gehirn in einem Netzwerk von Neuronen ausbreiten und das mit sehr hoher Geschwindigkeit", so Stefan Häusler. Die Theorie des "Liquid Computing" wurde nun in Kooperation mit den Frankfurter Hirnforschern Danko Nikoli? und Wolf Singer erstmals experimentell überprüft. Dabei stellte die Informatiker auch die Auswertung der Experimente vor eine Herausforderung: Sie mussten den neuronalen Code entschlüsseln, mit dem die etwa hundert im Experiment beobachteten Neurone die Information untereinander aufteilen. Das gelang mittels neuer Verfahren der automatisierten Mustererkennung.

Simulation des menschlichen Gehirns als Vision

Entwickelt wurde die zugrundeliegende Theorie des "Liquid Computings" vom Schweizer Neurowissenschafter Henry Markram gemeinsam mit TU-Informatiker Maass, der sein neues Modell für Berechnungen im menschlichen Gehirn erst heuer in den besonders angesehenen "Nature Reviews in Neuroscience" veröffentlicht hat. Diese Theorie der Informationsverarbeitung in neuronalen Schaltkreisen im Gehirn wurde nun auch experimentell überprüft. "Das Ergebnis aus der Zusammenarbeit mit dem vom renommierten Hirnforscher Wolf Singer geleiteten MPI ist eines der raren Beispiele, wo eine aus der Informatik-Theorie stammende Aussage durch neurobiologische Experimente getestet und bestätigt wird", so Wolfgang Maass. Die Vision der Forscher: neue Perspektiven zum besseren Verständnis des Zusammenspiels der Zellen im Gehirn zu entwickeln bis hin zur umfassenden Simulation von Teilen des Gehirns.

Bildmaterial bei Nennung der angeführten Quellen honorarfrei verfügbar unter
http://www.presse.tugraz.at/webgalleryBDR/data/gehirn/index.htm

Originalarbeit:
D. Nikolic, S. Haeusler, W. Singer, and W. Maass.:
Distributed fading memory for stimulus properties in the primary visual cortex. PLoS Biology 7(12), 2009.

Rückfragen:
O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.rer.nat. Wolfgang Maass
Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung
E-Mail:maass@igi.tugraz.at

Mag.rer.nat. Dr.techn. Stefan Häusler
Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung
E-Mail:haeusler@igi.tugraz.at

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution475

Quelle: Technische Universität Graz, Mag. Alice Senarclens de Grancy, 22.12.2009

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009